Die im Ermessen der Abgabenbehörde liegende Entscheidung, ob eine Nachsicht zu bewilligen ist, hat zur Voraussetzung, dass die Einhebung der Abgabenschuldigkeit nach der Lage des Falles unbillig ist. Die Frage der Beurteilung der Unbilligkeit der Einhebung ist somit keine Ermessensentscheidung (
VwGH 25.11.2002, 97/14/0013). Erst die Feststellung des Vorliegens einer Unbilligkeit kann in weiterer Folge zur Ermessensentscheidung führen. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum (VwGH 29.4.2010, 2006/15/027820.5.2010, 2009/15/000824.5.2012, 2009/16/003993/13/0156;
VwGH 2.7.2002, 96/14/0074).
Zweck der Bestimmung des
§ 236 BAO ist es, in jenen Fällen, in denen die Einhebung einer Abgabe nach der Lage des Einzelfalles unbillig ist, die Strenge des Gesetzes nach Ermessen der Behörde durch Billigkeitsmaßnahmen zu mildern (
VwGH 25.1.2001, 98/15/0176).
Der Begriff der Unbilligkeit muss aufgrund der herrschenden Verkehrsauffassung nach dem Maßstab rechtlich denkender Menschen ausgelegt werden. Die Unbilligkeit der Einziehung muss durch besondere Umstände des
Einzelfalles ausgelöst sein, sodass generelle Härten einer Abgabenvorschrift nicht durch Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall beseitigt werden können (
VwGH 25.6.1990, 89/15/0088;
VwGH 14.9.1993, 93/15/0024). Die Einhebung von Abgaben ist unbillig, wenn hiedurch zufolge der im einzelnen Fall gegebenen besonderen Umstände die wirtschaftliche Existenz des Abgabenschuldners gefährdet oder beeinträchtigt würde oder wenn die Anwendung des Gesetzes zu einer vom Gesetzgeber offenbar nicht gewollten Härte führen würde.
Unbilligkeit der Einhebung setzt im Allgemeinen voraus, dass unter Bedachtnahme auf die besonderen Umstände des Einzelfalles die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Abgabepflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben (
VwGH 12.12.1995, 92/14/0174;
VwGH 2.7.2002, 99/14/0284).
Der Tatbestand der "Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles" setzt das Vorliegen eines in den subjektiven Verhältnissen des Steuerpflichtigen oder des Steuergegenstandes gelegenen Sachverhaltselementes voraus, aus dem sich ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den in jenem subjektiven Bereich entstehenden Nachteilen ergibt (
VwGH 14.7.1994, 91/17/0170).
Eine Unbilligkeit ist dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts ändert (VwGH 21.11.2007, 2007/13/008629.4.2010,
2006/15/0278Da der Unbilligkeitstatbestand auf die Einhebung abstellt, kann der Umstand, dass eine Abgabenvorschreibung zB zufolge unzutreffender Abgabenbescheide als unbillig erscheint, dieselben jedoch nicht mit Hilfe der zustehenden Rechtsmittel bekämpft wurden, für sich allein eine Maßnahme nach
§ 236 BAO nicht rechtfertigen (
VwGH 19.3.1998, 96/15/0067). Dies gilt sinngemäß, wenn der Abgabepflichtige verabsäumt hat, eine ihm gesetzlich zustehende Begünstigung in Anspruch zu nehmen. Allerdings kann im Fall des Vorliegens einer Unbilligkeit bei Bestimmung des Ausmaßes der Nachsicht auf etwaige Unrichtigkeiten bei der Abgabenfestsetzung Bedacht genommen werden.
Ein Irrtum über das Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Steuerbefreiung begründet grundsätzlich keine Unbilligkeit (
VwGH 19.10.1992, 91/15/0054).
Aus der materiellen Rechtswidrigkeit eines rechtskräftigen Bescheides ergibt sich noch keine Unbilligkeit der Einhebung (
VwGH 14.7.1994, 91/17/0170).
In einem Nachsichtsverfahren ist die Rechtmäßigkeit der Abgabenfestsetzung grundsätzlich nicht zu prüfen (
VwGH 24.9.2002, 2002/14/0082).
Die Unrichtigkeit einer Abgabenfestsetzung kann nicht im Nachsichtsverfahren saniert werden, es sei denn, zur Unrichtigkeit der Festsetzung treten noch besondere Umstände hinzu, welche die Einhebung als unbillig erscheinen lassen, zB wenn unverschuldet eine Rechtsverfolgung im Festsetzungsverfahren nicht möglich, nicht aussichtsreich oder nicht zumutbar war (
VwGH 13.9.1994, 94/14/0109;
VwGH 22.2.1999, 94/17/0218).
Der Unbilligkeitstatbestand des
§ 236 BAO stellt nicht auf die Festsetzung, sondern auf die Einhebung der Abgabe ab. Auf die Behauptung der Unbilligkeit im Sinne von inhaltlicher Unrichtigkeit eines Abgabenbescheides kann daher ein Nachsichtsansuchen grundsätzlich nicht mit Erfolg gestützt werden. Es kann allerdings sein, dass der Unbilligkeitstatbestand auch im Hinblick auf eine unrichtige Abgabenfestsetzung in Verbindung mit einer unterlassenen Bescheidbeschwerde gegeben ist, wenn noch weitere, vorwiegend im Bereich der Abgabenbehörde gelegene Umstände hinzukommen, die nach der besonderen Lage des Falles die Einhebung einer Abgabenschuld unbillig erscheinen lassen (
VwGH 25.11.2002, 97/14/0013).
Soll eine Abgabennachsicht in Betracht kommen, müssen Billigkeitsgründe beim Abgabepflichtigen vorliegen. Eine Abgabennachsicht ist dann nicht in Erwägung zu ziehen, wenn sich die Nachsicht ausschließlich zu Gunsten anderer Gläubiger auswirken würde (
VwGH 21.6.1994, 90/14/0065;
VwGH 24.9.2002, 2002/14/0082).
Bei Sanierung eines Unternehmens im Rahmen eines Sanierungsverfahren (
§ 169 IO) kann der Verzicht auf die Einhebung von Abgabenschuldigkeit zur Sanierung des Unternehmens beitragen, weswegen in einem solchen Fall die Einhebung der Abgabenschuldigkeit unbillig sein kann. Die Abgabenbehörde ist zur Gewährung einer Nachsicht aber dann nicht verhalten, wenn keine realistische Hoffnung auf Sanierung besteht. Eine Nachsicht ist nicht zweckmäßig, wenn durch eine derartige Maßnahme nur ein geringer Teil der aushaftenden Schulden nachgelassen würde, oder die Nachsicht anderen Gläubigern zugute käme (
VwGH 22.2.2000, 94/14/0144).
Eine Unbilligkeit kann
persönlich oder
sachlich bedingt sein (VwGH 19.6.2013, 2010/16/021927.6.2013,
2013/15/0173Eine persönliche Unbilligkeit liegt dann vor, wenn gerade die Einhebung der Abgabe die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (so insbesondere einer Vermögensverschleuderung) verbunden wäre. Die deutlichste Form einer persönlichen Unbilligkeit liegt in der Existenzgefährdung (VwGH 26.2.2003, 98/13/009119.6.2013, 2010/16/021924.5.2012, 2009/16/003919.6.2013,
2010/16/0219Die Notwendigkeit, Vermögenswerte zur Steuerzahlung heranzuziehen, lässt für sich allein die Abgabeneinhebung nicht unbillig erscheinen (
VwGH 30.9.1992, 91/13/0225).
Verbleibt dem Abgabepflichtigen zur Bestreitung seines Unterhaltes nur der pfändungsfreie Teil seiner Alterspension, indiziert eine derartige zweifellos bestehende wirtschaftliche Notlage eine Unbilligkeit (
VwGH 27.8.1998, 96/13/0086).
Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anomalen Belastungswirkung kommt (VwGH 26.2.2003, 98/13/009127.6.2013, 2013/15/017326.2.2003, 98/13/009124.4.2013, 2010/17/024317.11.2010,
2007/13/0135;
VwGH 24.5.2012, 2009/16/0039;
VwGH 24.4.2013, 2010/17/0243).
Eine sachliche Unbilligkeit kann vorliegen, wenn eine vom Gesetz objektiv nicht gewollte Doppelbesteuerung eintritt; dies wäre etwa der Fall, wenn derselbe Vorgang der Gesellschaftsteuer und der Umsatzsteuer unterworfen wird (
VwGH 17.9.1990, 90/15/0118).
Die Verweigerung des Vorsteuerabzuges aus den Errichtungskosten eines Hauses wegen vor In-Kraft-Treten der Liebhabereiverordnung 1993 als Liebhaberei beurteilter Vermietung in den Jahren 1984 bis 1987 führt im Zusammenhang mit der Umsatzsteuervorschreibung aus einer "großen Vermietung" des Hauses ab dem Jahr 1993 zu einer sachlichen Unbilligkeit, weil es gegen das System der Umsatzsteuer verstößt, den Vorsteuerabzug zur Gänze zu versagen, in der Folge jedoch Umsatzsteuer vorzuschreiben. Die sachliche Unbilligkeit ist allerdings nur in dem Ausmaß gegeben, als sich insgesamt - betrachtet man die Vermietung als umsatzsteuerpflichtige Betätigung - ein Überhang der Vorsteuer über die Umsatzsteuer ergibt (
VwGH 2.7.2002, 96/14/0074).
Eine Unbilligkeit des Einzelfalles ist nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst erfolgt (
VwGH 17.10.2001, 98/13/0073;
VwGH 30.9.2004, 2004/16/0151).
Ein Rechtsirrtum über die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer Begünstigung vermag für sich allein keine sachliche Unbilligkeit zu begründen (
VwGH 19.3.1998, 96/15/0067).
Die Nachsichtsregelung soll der Abgabenbehörde die Möglichkeit eröffnen, eine infolge der besonderen Umstände des Einzelfalles eingetretene, besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschriften, die der Gesetzgeber, wäre sie vorhersehbar gewesen, vermieden hätte, zu mildern. Nachteilige Folgen, die alle Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage treffen, Konjunkturschwankungen oder Geschäftsvorfälle, die dem Bereich des allgemeinen Unternehmerwagnisses zuzuordnen sind, rechtfertigen die Nachsicht nicht (
VwGH 25.1.2001, 98/15/0176;
VwGH 28.2.2011, 2007/17/0039).
Unterlässt es der Abgabepflichtige durch eigenes Verschulden, im Feststellungs-, Abgabenbemessungs- oder Rechtsmittelverfahren seine Rechte geltend zu machen, liegt grundsätzlich eine Unbilligkeit iSd
§ 236 Abs. 1 BAO nicht vor. Für das Vorliegen einer Unbilligkeit ist dem Umstand rechtserhebliche Bedeutung beizumessen, ob der Abgabepflichtige unverschuldet die Geltendmachung seiner Rechte in dem Nachsichtsverfahren vorgelagerten Erhebungsverfahren unterlassen hat. Das nicht rechtzeitige Beschreiten des Rechtsweges schließt eine Unbilligkeit dann nicht aus, wenn der Abgabenschuldner vom Abgabengläubiger in einem Rechtsirrtum über die Abgabepflicht belassen worden ist (VwGH 16.4.1975, 1868/74).
Keine Unbilligkeit liegt vor, wenn der Abgabepflichtige ein ihm zustehendes (nicht aussichtsloses) Rechtsmittel nicht ergriffen hat (
VwGH 30.9.1992, 91/13/0225). Die Nachsicht ist nicht das geeignete Mittel, um möglichen, aber unterbliebenen Einwänden zum Durchbruch zu verhelfen (
VwGH 20.1.1987, 86/14/0103).
Die Nachsicht dient nicht dazu, Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen und unterlassene Rechtsbehelfe, insbesondere Bescheidbeschwerden nachzuholen (
VwGH 20.9.2007, 2002/14/0138). Der Unbilligkeitstatbestand des
§ 236 BAO stellt nicht auf die Festsetzung, sondern auf die Einhebung einer Abgabe ab. Auf die Behauptung der Unbilligkeit im Sinn von inhaltlicher Unrichtigkeit eines Abgabenbescheides kann daher ein Nachsichtsansuchen grundsätzlich nicht mit Erfolg gestützt werden. Es kann allerdings sein, dass der Unbilligkeitstatbestand auch im Hinblick auf eine unrichtige Abgabenfestsetzung in Verbindung mit einer unterlassenen Bescheidbeschwerde gegeben ist, wenn noch weitere, vorwiegend im Bereich der Abgabenbehörde gelegene Umstände hinzu kommen, die nach der besonderen Lage des Falles die Einhebung einer Abgabe unbillig erscheinen lassen (
VwGH 25.11.2002, 97/14/0013).
Die fehlende Möglichkeit des Verlustabzuges für Abgabepflichtige, die ihren Gewinn gemäß
§ 4 Abs. 3 EStG 1988 ermitteln, begründet keine Unbilligkeit (VwGH 8.11.1989, 86/13/0156;
VwGH 18.5.1994, 92/13/0129).
Bewirkt eine unrichtige Auskunft der Abgabenbehörde im Einzelfall eine Verletzung des Grundsatzes von
Treu und Glauben, so kann dies eine Unbilligkeit nach Lage des Falles sein und eine Nachsicht zur Folge haben (
VwGH 14.7.1994, 91/17/0170;
VwGH 20.7.1999, 98/13/0101).
Nach § 3 der Verordnung des BMF betreffend Unbilligkeit der Einhebung iSd
§ 236 BAO (
BGBl. II Nr. 435/2005), liegt eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
- 1. Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
- 2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
- a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder
- b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht
wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht ausösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.
Eine sachliche Unbilligkeit kann vorliegen, wenn der Abgabepflichtige aus einem Verhalten, das er im Hinblick auf eine falsche Auskunft der Abgabenbehörde gesetzt hat, einen finanziellen Schaden erleidet. In diesem Fall kommt gegebenenfalls eine Nachsicht im Umfang des erlittenen Vertrauensschadens in Betracht. Vertrauensschaden ist die Differenz zwischen gesetzmäßiger Steuerschuld und derjenigen Steuerbelastung, die aus dem steuerlichen Verhalten resultiert wäre, das der Abgabepflichtige gesetzt hätte, wäre ihm die richtige Auskunft erteilt worden (VwGH 22.9.1987, 87/14/0079).
Der "gute Glaube" des Abgabenschuldners an die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit von Abgabenbescheiden vermag für sich allein eine Unbilligkeit der Einhebung allfälliger Abgabennachforderungen nicht zu rechtfertigen (
VwGH 24.2.1992, 91/15/0105). Wurden allerdings von der Abgabenbehörde die vollständig offengelegten Einkünfte des Beschwerdeführers jahrelang als nicht umsatzsteuerpflichtig behandelt und hat der Beschwerdeführer im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit dieser Beurteilung durch die Behörde für seine Leistungen den Abnehmern keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, so kann in diesem Fall eine Unbilligkeit der Einhebung der Umsatzsteuernachforderung vorliegen, wenn die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers tatsächlich eine solche ist, dass die Zahlung der in Rede stehenden geschuldeten Abgaben selbst bei Einräumung von Zahlungserleichterungen für ihn eine besondere Härte bedeutet (
VwGH 3.10.1988, 87/15/0103).
Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben kann nicht abgeleitet werden, dass einem Abgabepflichtigen, dem bisher Abgabennachsichten bewilligt wurden, solche auch weiterhin gewährt werden müssen (VwGH 15.4.1982, 81/15/0113).
Die Einhebung eines großen Abgabenrückstandes ist nicht unbillig, wenn der Abgabepflichtige verabsäumt hat, bei steigenden Gewinnen für die zu erwartenden höheren Abgabennachzahlungen durch Bereitstellung entsprechender Mittel rechtzeitig Vorsorge zu treffen (VwGH 26.2.1965, 2051/64).
Ein Abgehen des VwGH von einer bestehenden Rechtsprechung stellt keine unbillige Härte des Einzelfalles dar (
VwGH 17.10.2001, 98/13/0073).
Führt nicht einmal eine Änderung der Rechtsprechung bei unveränderter Gesetzeslage dazu, dass die Einhebung von Abgabenschuldigkeiten, deren Vorschreibung auf der früheren Rechtsprechung beruhte, unbillig erscheint, so muss dies umso mehr für eine Änderung der Rechtsprechung gelten, die auf eine geänderte Gesetzeslage zurückzuführen ist (VwGH 17.5.1989, 85/13/0201).
Eine Steuerbelastung, die infolge unvorsichtigen Eingehens gewagter Geschäfte eintritt, ist nicht unbillig (VwGH 18.12.1963, 1864/62).
Der Umstand der Unwirtschaftlichkeit der begonnenen wirtschaftlichen Tätigkeit vermag für sich allein den Tatbestand der Unbilligkeit noch nicht zu begründen (
VwGH 22.2.1999, 94/17/0387).
Die Gefährdung der Existenz des Unternehmens kann eine Unbilligkeit darstellen. Eine solche Unbilligkeit ist jedoch nicht zu unterstellen, wenn sich - zB in Anbetracht der Höhe der Überschuldung - an der Existenzgefährdung des Unternehmens nichts ändert, gleichgültig, ob die fraglichen Abgabenschuldigkeiten eingehoben oder nachgesehen werden. Vielmehr muss die wirtschaftliche Existenz
gerade durch die Einbringung der gegenständlichen Abgaben gefährdet sein (
VwGH 22.9.2000, 95/15/0090;
VwGH 10.5.2001, 2001/15/0033;
VwGH 27.6.2013, 2013/15/0173).
Die sich aus einer Gesetzesänderung ergebenden Unterschiede in der Belastung, je nach dem, ob die entsprechenden Sachverhalte vor oder nach dieser Änderung verwirklicht wurden, können zu subjektiv empfundenen Härten führen; sie treten aber in gleichen Lagen, sohin allgemein, ein und sind deswegen nicht Unbilligkeiten des Einzelfalles (
VwGH 25.11.1992, 91/13/0170;
VwGH 27.7.1999, 94/14/0010).
Die sich aus
Art. 139 Abs. 6 und
Art. 140 Abs. 7 B-VG ergebende Begünstigung für Anlassfälle im Zusammenhang mit einer vom VfGH aufgehobenen Vorschrift und die damit verbundenen Unterschiede in der Belastung treten allgemein ein und führen ebensowenig wie Gesetzesänderungen oder Änderungen der Rechtsprechung zu atypischen Belastungen und daher auch nicht zur Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Einzelfall (
VwGH 25.11.1992, 91/13/0170;
VwGH 23.2.1998, 97/17/0400).
Die Anhäufung von Abgabenschuldigkeiten infolge von Abgabenhinterziehungen macht die Einhebung der Abgabe nicht unbillig (
VwGH 19.3.1985, 84/14/0142).
Die Tatsache, dass ein Abgabenrückstand auf Hinterziehung zurückzuführen ist, darf bei Beurteilung eines Nachsichtsantrages nicht unberücksichtigt bleiben (VwGH 18.12.1959, 0028/59).
Falsche Beratungstätigkeiten eines Dritten gehören zum allgemeinen Risiko des Steuerpflichtigen und können nicht im Weg einer Unbilligkeit nach
§ 236 BAO zu Lasten des Abgabengläubigers fallen (
VwGH 17.10.2001, 98/13/0073).
In einem "Versagen" des Steuerberaters, der es versäumt hat, für den Abgabepflichtigen eine abgabenrechtliche Begünstigung geltend zu machen, liegt kein Umstand, der die Einhebung des auf die Unterlassung zurückzuführenden Abgabenrückstandes unbillig erscheinen ließe (VwGH 19.6.1959, 2989/58; VwGH 11.12.1986, 86/16/0015).
Aus dem Gesetz lässt sich nicht folgern, dass die Einhebung und damit die Entrichtung selbst zu berechnender Abgaben niemals unbillig ist. Es kommt vielmehr auch bei diesen Abgaben auf die Verhältnisse des Einzelfalles an (VwGH 13.10.1983, 82/15/0091). Kann Härten aus der Abgabeneinhebung durch eine Zahlungserleichterung begegnet werden, bedarf es keiner Nachsicht (
VwGH 14.1.1991, 90/15/0060).
Dass die steuerliche Belastung aus dem ererbten Anteil an einer Wirtschaftstreuhandkanzlei das erlangte Vermögen letztendlich übersteigt, kann eine tatsächliche Unbilligkeit der Einhebung darstellen, gleichgültig, ob sich der Abgabepflichtige vor Antritt seiner Erbschaft über deren rechtliche und steuerliche Auswirkungen im Detail informierte (
VwGH 3.10.1990, 89/13/0010).