VwGH 2013/15/0173

VwGH2013/15/017327.6.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des J L in S, vertreten durch die Mag. Oliver Lorber Rechtsanwalts GmbH in 9020 Klagenfurt, St. Veiter Ring 51/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Klagenfurt, vom 22. März 2013, Zl. RV/0110-K/10, betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §20;
BAO §236 Abs1;
BAO §20;
BAO §236 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Kopie des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:

Der Beschwerdeführer beantragte mit schriftlicher Eingabe vom 11. Jänner 2010 die Nachsicht seiner Steuerverbindlichkeiten in Höhe von 78.531,92 EUR gemäß § 236 BAO. Der Beschwerdeführer führte begründend aus, durch die Einhebung dieser Abgaben (Einkommensteuer 2007 und 2008) sei seine eigene Existenz und die seiner nahen Angehörigen gefährdet. Er verfüge über keine Barmittel, um den Abgabenrückstand zu bezahlen. Sämtliche Kreditmöglichkeiten seien ausgeschöpft, das vorhandene Liegenschaftsvermögen sei verpfändet. Sein Unternehmen habe bis in das Jahr 2008 positive Ergebnisse erzielt. Infolge Einführung eines europaweiten Verbotes von Glühlampen habe sein Unternehmen massive Umsatzeinbußen verkraften müssen. Die Umstrukturierung des Unternehmens sei durch die aufkommende Wirtschaftskrise gehemmt worden. Das Land Kärnten habe aufgrund des vorhandenen betrieblichen "Know-Hows" im Unternehmen die Ausfallsbürgschaft gegenüber der Bank übernommen und dadurch den Fortbestand des Unternehmens gesichert. Die Bezahlung des Abgabenrückstandes könnte lediglich durch einen sofortigen Verkauf von Maschinen erfolgen. Da es sich bei diesen um Spezialmaschinen handle, käme dies einer Vermögensverschleuderung gleich.

Mit Bescheid des Finanzamtes vom 30. März 2010 wurde das Nachsichtsansuchen abgewiesen. Begründend führte das Finanzamt aus, der Umsatzeinbruch durch das von der EU auferlegte Glühlampenverbot und die daraus erwachsenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten seien glaubwürdig, ließen aber nicht auf unüberwindbare Schwierigkeiten für das Unternehmen des Beschwerdeführers schließen, da eine komplette Einstellung der Glühlampenproduktion nicht erforderlich gewesen sei und der Weiterbetrieb des Unternehmens durch das Land Kärnten sichergestellt sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Entrichtung der Schulden nur durch den Verkauf von Maschinen möglich wäre. Der durch die EU-Gesetzgebung ausgelöste Umsatzrückgang lasse sich bis zu einem gewissen Grad dem allgemeinen Unternehmerrisiko zuordnen. Die vom Beschwerdeführer dargelegten Vermögensverhältnisse ließen zwar eine umgehende Abstattung der Schulden beim Finanzamt keinesfalls zu, wären aber nicht so knapp, dass nicht eine Entrichtung auf längere Sicht in Form von Ratenzahlungen möglich wäre.

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid Berufung und machte geltend, dass die Veräußerung des Betriebsvermögens einer Vermögensverschleuderung gleichkäme. Das Finanzamt habe selbst im erstinstanzlichen Bescheid festgestellt, dass die Möglichkeit einer umgehenden Abgabenabstattung nicht zumutbar wäre. Angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise sei ein marktkonformer Preis für die Maschinen nicht erzielbar.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

Die belangte Behörde führte zunächst aus, aus dem beim Finanzamt aufgenommenen Vermögensverzeichnis vom 4. Februar 2010 ergebe sich, dass der Beschwerdeführer Eigentümer von drei Liegenschaften sei, welche mit Pfandrechten zu Gunsten der Hausbank belastet seien. Auf allen Liegenschaften bestehe ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zu Gunsten der Ehegattin des Beschwerdeführers. Mit Pfandurkunde vom 4. Februar 2003 sei ein gegenüber dem Belastungs- und Veräußerungsverbot vorrangiges Höchstbetragspfandrecht zu Gunsten der Hausbank über einen Betrag in Höhe von 400.000 EUR begründet worden. Der Beschwerdeführer sei gegenüber seiner Frau und den gemeinsamen drei Kindern unterhaltspflichtig. Die Bankverbindlichkeiten beliefen sich auf 592.955,54 EUR; Bauspardarlehen hafteten in einer Höhe von etwa 23.420,20 EUR aus.

Die Festsetzung der Einkommensteuer für die Jahre 2007 und 2008 stehe nicht im Widerspruch zur Rechtsordnung und sei eine allgemeine Auswirkung der Anwendung der geltenden Rechtsordnung, die jeden Steuerpflichtigen gleichermaßen treffe. Diese Auswirkung der Anwendung allgemein geltender Normen sei vom Gesetzgeber beabsichtigt und gewollt.

Schwierige wirtschaftliche Verhältnisse, wirtschaftliche Notlagen, die die Existenz des Abgabepflichtigen zu gefährden drohten, könnten die persönliche Unbilligkeit der Einhebung indizieren. Die Frage, ob die Existenz der Person des Abgabepflichtigen gefährdet sei, sei nach der Einkommens- und Vermögenslage (und nach der voraussehbaren Entwicklung) ohne Abzug der zu entrichtenden Abgaben zu beurteilen. Grundsätzlich sei der Abgabepflichtige gehalten, für die Zahlung der Abgaben vorzusorgen.

Betrachte man die maßgeblichen wirtschaftlichen Verhältnisse, so falle auf, dass der Beschwerdeführer Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 616.375,48 EUR bei seiner Hausbank habe, welche zum Großteil aus Kreditverbindlichkeiten bestünden. Diese seien mittels Höchstbetragshypothek auf den Liegenschaften des Beschwerdeführers besichert. Die Abgabenschulden in Höhe von 78.531,92 EUR würden etwa 12,8% der gesamten Bankverbindlichkeiten des Beschwerdeführers entsprechen. Angesichts der Höhe der Abgabenverbindlichkeiten im Verhältnis zu den Bankverbindlichkeiten gehe das Vorbringen, die Entrichtung der Abgaben habe existenzbedrohende Auswirkungen, ins Leere. Dies umso mehr, als es sich dabei um etwa 13% der Gesamtverbindlichkeiten handle. Eine persönliche Unbilligkeit vermöge diese Sachlage nicht zu begründen. Diese Sachlage führe dazu, dass der Beschwerdeführer zwar bereit sei, seine Bankverbindlichkeiten zu befriedigen, der Abgabengläubiger jedoch auf seine Forderung verzichten solle.

Aus dieser wirtschaftlichen Situation leite die belangte Behörde ab, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der Bezahlung seiner Verbindlichkeiten eine Differenzierung vornehme, welche bewirke, dass der Abgabengläubiger gegenüber anderen Gläubigern deutlich benachteiligt würde. Dies führe zu einer ungerechtfertigten Differenzierung zwischen den Gläubigern, die vom Gesetzgeber so keineswegs gewollt sei. Die Folge wäre eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aller Gläubiger.

Angesichts der weitaus höheren Bankverbindlichkeiten könne die Einhebung der strittigen Abgaben die möglicherweise vorhandene Existenzgefahr nicht vergrößern, sodass eine persönliche Unbilligkeit nicht erblickt werden könne.

Im Übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof wiederholt dargetan, dass eine Nachsicht im Rahmen des im § 236 Abs. 1 BAO eingeräumten Ermessens nicht gewährt werden könne, wenn dies ausschließlich zu Lasten der Finanzverwaltung und zu Gunsten anderer Gläubiger ginge.

Da die gemäß § 236 Abs. 1 BAO vorgesehene Voraussetzung, nämlich das Vorliegen einer Unbilligkeit der Einhebung nicht habe erkannt werden können, sei die Berufung aus Rechtsgründen abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht geltend, die belangte Behörde verkenne bei ihrer Argumentation, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen der Abgabenverwaltung einerseits und den sonstigen Gläubigern anderseits dahin bestehe, dass die sonstigen Gläubiger Buchgläubiger seien; die Bankverbindlichkeiten seien pfandrechtlich auf den Liegenschaften des Beschwerdeführers besichert. Daraus ergebe sich aber zwingend, dass diese Verbindlichkeiten als drückender anzusehen seien, zumal die Buchgläubiger im Falle eines Verzuges die Möglichkeit zur Pfandverwertung hätten. Anderseits folge daraus, dass die Liegenschaften zwar den Buchgläubigern, nicht aber der Abgabenverwaltung (bzw. erst nach vorrangiger Befriedigung der Buchgläubiger) zur Verfügung stünden. Es sei daher nicht gerechtfertigt, dem Beschwerdeführer zu unterstellen, er wolle seine sonstigen Gläubiger besser behandeln als den Abgabengläubiger. Es sei zwar zutreffend, dass der Abgabenschuldner für die Entrichtung der Abgaben Vorsorge zu treffen habe. Der festgestellte Sachverhalt lasse aber eine Beurteilung dahin, dass dem Beschwerdeführer eine Obliegenheitsverletzung zur Last gelegt werden könne, welche die Anwendung des § 236 BAO ausschließe, nicht zu. Seine Probleme seien im Wesentlichen eine Folge des überraschend 2008 eingeführten Glühlampenverbotes. Durch dieses Glühlampenverbot sei insbesondere ein Ersatzteillager für Glühlampen im Wert von ca. 150.000 EUR mit einem Schlag - und für den Beschwerdeführer völlig unvorhersehbar - wertlos geworden, was auch bilanziell habe berücksichtigt werden müssen. Bei dieser Sachlage sei es nicht gerechtfertigt, dem Beschwerdeführer mangelnde Vorsorge für die Entrichtung der Abgabenverbindlichkeiten zur Last zu legen, zumal durch diese Situation für den Beschwerdeführer Umstände eingetreten seien, die seine Planung zwangsläufig zur Makulatur hätten machen müssen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO kann persönlicher oder sachlicher Natur sein (§ 1 der zu § 236 BAO ergangenen Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005). Eine persönliche Unbilligkeit liegt nach § 2 dieser Verordnung insbesondere vor, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde (Z 1) oder mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme (Z. 2).

Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anomalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 2010, 2006/15/0337, mwN).

Im Falle eines Ansuchens um Nachsicht hat die Abgabenbehörde zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, der dem unbestimmten Gesetzesbegriff "Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" entspricht. Verneint sie diese Frage, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr, demnach ist der Antrag abzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1996, 93/15/0165).

Im Nachsichtsverfahren ist es Sache des Nachsichtswerbers, im Sinne der ihn treffenden Mitwirkungspflicht einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 2013, 2010/15/0077, mwN).

Im vorliegenden Verfahren macht der Beschwerdeführer ausschließlich persönliche Unbilligkeit geltend. Die belangte Behörde verneint eine persönliche Unbilligkeit mit der Begründung, die Abgabenverbindlichkeiten würden nur 13% der Gesamtverbindlichkeiten ausmachen, sodass die Entrichtung allein der Abgabenverbindlichkeiten keine existenzbedrohenden Auswirkungen habe.

Persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung ist nach der ständigen Rechtsprechung (jedenfalls) dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation eines Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht keinen Sanierungseffekt hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 2011, 2008/15/0010, mwN). Eine solche Unbilligkeit ist also dann nicht anzunehmen, wenn sich an der Existenzgefährdung des Abgabenschuldners nichts ändert, gleichgültig, ob die fraglichen Abgabenschuldigkeiten eingehoben würden oder nicht. Vielmehr muss die wirtschaftliche Existenz gerade durch die Einbringung der gegenständlichen Abgaben gefährdet sein (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. September 2011, 2011/16/0190, mwN).

Die Abgabenverbindlichkeiten machen unstrittig einen lediglich geringen Teil der Gesamtverbindlichkeiten des Beschwerdeführers aus. Unabhängig davon, dass die Bankverbindlichkeiten - anders als die Abgabenschulden - (zum Teil) pfandrechtlich gesichert sind und darüber hinaus eine Ausfallsbürgschaft des Landes gegenüber der Bank besteht, würden diese weiteren Verbindlichkeiten (allenfalls Regressforderung des Landes nach § 1358 ABGB) auch bei einer Nachsicht der Abgabenverbindlichkeiten unverändert bestehen bleiben. Diese Verbindlichkeiten übersteigen erheblich das im Grundbuch eingetragene Höchstbetragspfandrecht, sodass auch davon auszugehen ist, dass diese Bankverbindlichkeiten den Wert der Vermögensgegenstände des Beschwerdeführers (erheblich) übersteigen. Damit könnte aber - auf der Grundlage der festgestellten und vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einkommens- und Vermögensverhältnisse - alleine die beantragte Nachsicht der Abgaben nichts an der Existenzgefährdung des Beschwerdeführers ändern.

Wenn die belangte Behörde daher zum Ergebnis gelangte, dass keine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vorliegt, ist dem vom Verwaltungsgerichtshof nicht entgegenzutreten.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. Juni 2013

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