OGH 1Ob77/24s

OGH1Ob77/24s25.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Mag. Julia Eckhart, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 30.150 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Februar 2024, GZ 14 R 160/23m‑26, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. September 2023, GZ 31 Cg 55/22v‑21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00077.24S.0925.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, derbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.884,50 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger begehrt von der Beklagten aus dem Titel der Amtshaftung und der Staatshaftung die Zahlung von 30.150 EUR sA für Verluste, die er im Zeitraum 1. 10. bis 2. 11. 2019 beim illegalen Online-Glücksspiel auf der ohne österreichische Konzession von der Glücksspielbetreiberin b* Ltd betriebenen Internetseite * in Österreich erlitten habe. Er sei pathologisch spielsüchtig, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sei, eine freie Willensbildung für oder gegen das Spielen zu bilden.

[2] Die Organe der Beklagten hätten es rechtswidrig und schuldhaft unterlassen, die gesetzlichen Strafbe-stimmungen des Glücksspielgesetzes in Bezug auf illegale Online-Glücksspiel-Anbieter anzuwenden. § 3 GSpG, wonach das Recht zur Durchführung von Glücksspielen dem Bund vorbehalten sei, sei ein Schutzgesetz zugunsten der einzelnen Spieler. Von staatlicher Seite werde aber nichts gegen die Betreiber von illegalen Internetseiten unternommen, die eine Teilnahme an vom Inland aus verbotenen Ausspielungen anbieten würden. Die Finanzpolizei konzentriere sich bei ihren Kontrollen ausschließlich auf die Aufdeckung von terrestrischem illegalen Glücksspiel. Illegale Online-Glücksspiel-Anbieter würden von ihr weder kontrolliert noch zur Anzeige gebracht. Die Bezirksverwaltungsbehörden und die Landespolizeidirektionen führten keine Verwaltungsstrafverfahren gegen illegale Online-Glücksspiel-Anbieter wegen Verstößen gegen § 2 Abs 4 GSpG iVm § 52 Abs 1 Z 1 GSpG durch und verhängten keine (Verwaltungs‑)Strafen.

[3] Wären die Organe der Beklagten ihren Kontroll- und Anzeigepflichten nachgekommen und hätten die Bezirksverwaltungsbehörden und Landespolizeidirektionen gegen die b* Ltd (Verwaltungs-)Strafen verhängt, so hätte diese ihre Tätigkeit in Österreich eingestellt und der Kläger den geltend gemachten Verlust nicht erlitten.

[4] DieBeklagte bestreitet. Das Verhalten der zuständigen Behörden sei weder rechtswidrig noch kausal für den Schaden des Klägers gewesen. Es mangle auch am Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Bestimmungen des § 50 Abs 11 iVm § 52 GSpG dienten ausschließlich dem Schutz der Allgemeinheit und nicht dem Schutz des einzelnen Spielers.

[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Aus dem Schutzgesetz des § 3 GSpG könnten jedenfalls mangels Sonderbeziehung des Geschädigten zum Rechtsträger keine Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden.

[6] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zu.

[7] Die in § 50 Abs 11 GSpG normierte Anzeigepflicht behördlicher Organe diene ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Verwaltungsübertretungen und solle ein effektiveres Behördenhandeln im Interesse der öffentlichen Ordnung ermöglichen. Interessen Dritter – und daher auch individuelle Vermögensinteressen einzelner Glücksspieler wie des Klägers – seien hingegen nicht vom Schutzzweck der Anzeigepflicht erfasst, sondern bloß im Sinne einer (automatischen) Reflexwirkung berührt. Dasselbe gelte auch für die vom Kläger in erster Instanz allein (in der Berufung stütze er sich als unzulässige Neuerung anscheinend auch auf § 52 Abs 2 bis 5 GSpG) ins Treffen geführte materielle Verwaltungsstrafbestimmung des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG: Auch dieser (Verwaltungs-)Straftatbestand – der das Betreiben verbotener Ausspielungen ohne inländische Konzession sanktioniere – solle (genauso wie materielle Straftatbestände des StGB) ausschließlich im Interesse der Öffentlichkeit die öffentliche Ordnung und das allgemeine Interesse an der Wahrung des Glücksspielmonopols des Bundes schützen. § 3 GSpG richte sich als „Schutzgesetz“ ausschließlich an den Betreiber eines konzessionslosen (illegalen) Glücksspiels, jedoch nicht an den Bund als „Schutzpflichtigen“. In Ansehung des Bundes sei § 3 GSpG somit kein Schutzgesetz, das Grundlage eines Amtshaftungsanspruchs sein könnte.

[8] Das Vorliegen der Voraussetzungen einer „Staatshaftung“ sei schon von vornherein ausgeschlossen, weil keine europarechtliche Rechtsnorm ersichtlich sei, gegen die im vorliegenden Fall verstoßen worden sein könnte und die eine Zuerkennung individueller Rechte mit bestimmtem oder bestimmbarem Inhalt an den Einzelnen bezwecke.

[9] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Schutzgesetzcharakter des Glücksspielgesetzes in Ansehung der Republik Österreich als Schutzpflichtiger – insbesondere nicht zu den §§ 3, 50 Abs 11 und 52 Abs 1 Z 1 GSpG – bestehe.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die vom Kläger erhobene – von der Beklagten beantwortete – Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grundzulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Zu den Voraussetzungen eines (hier auf Untätigkeit gestützten) Amtshaftungsanspruchs

[11] 1.1. Ein rechtswidriges und schuldhaftes Organhandeln in Vollziehung der Gesetze, das den Rechtsträger gemäß § 1 AHG zum Schadenersatz verpflichtet, kann auch in einer Unterlassung liegen, wenn eine Pflicht des Organs zum Tätigwerden bestand und pflichtgemäßes Handeln den Schadenseintritt verhindert hätte (RS0081378).

[12] 1.2. Auch bei Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen haftet der Rechtsträger für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten seiner Organe nur dann, wenn die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck gerade auch den eingetretenen Schaden verhindern sollte (RS0031143; RS0027553). Es wird für solche Schäden gehaftet, die sich als Verwirklichung derjenigen Gefahr darstellen, derentwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten gefordert oder untersagt hat (RS0031143 [T14]).

[13] Nicht jeder Schutz, den die Verhaltensnorm tatsächlich bewirkt, ist auch von deren Schutzzweck erfasst (RS0027553 [T14]). Welche Interessen erfasst sind, ergibt sich aus einer wertenden Beurteilung des Sinns einer Vorschrift. Wie weit der Normzweck reicht, ist daher eine Auslegungsfrage im Einzelfall. Allein die Tatsache, dass eine pflichtgemäße Amtshandlung, die dem öffentlichen Interesse dient, auch einem Dritten zu Gute kommt und ihm damit einen Vorteil verschafft, reicht nicht aus, um eine amtshaftungsrechtlich relevante Verpflichtung genau diesem gegenüber zu begründen (RS0050038 [T5]; RS0027710 [T12]). Soweit sich der Schutzzweck nur auf Interessen der Allgemeinheit erstreckt, können Einflüsse auf individuelle Interessenlagen nur als – die Amtshaftung des belangten Rechtsträgers nicht begründende – Reflexwirkung beurteilt werden (RS0031143 [T35]).

[14] 1.3. So verfolgt die Bestimmung über die Anzeigepflicht nach § 84 Abs 1 StPO aF (nunmehr § 78 Abs 1 StPO) nicht den Zweck, den Eintritt von nach dem Zeitpunkt der unterlassenen Strafanzeige eintretenden Vermögensschäden zu hindern, weshalb potentiell künftig am Vermögen Geschädigte vom Schutzzweck dieser Bestimmung nicht erfasst sind (RS0131321; 1 Ob 163/16a). Auch die Bestimmungen über die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sollen nach der Rechtsprechung Gläubiger (in concreto einer Bank) nicht davor schützen, dass ihnen aufgrund der unterbliebenen Einleitung eines solchen Verfahrens durch künftige Straftaten der Organe dieser Bank ein Vermögensschaden entsteht. Dass ein solcher Schaden durch die frühere Einleitung eines Ermittlungsverfahrens unter Umständen verhindert werden hätte können, kann als bloße Reflexwirkung pflichtgemäßen Verhaltens keine Amtshaftung begründen (RS0134027); dies jedenfalls in Bezug auf Schäden, die aufgrund ganz anderer Straftaten als jener verursacht wurden, wegen derer ein Ermittlungsverfahren geführt werden sollte (1 Ob 223/22h = RS0134370). Ebenso wenig hat die Verständigung nach § 194 Abs 1 StPO den Zweck, das Opfer davor zu schützen, dass ihm durch künftige Straftaten des Beschuldigten ein weiterer Vermögensschaden entsteht (RS0134435).

[15] 1.4. Demgegenüber dienen die Regelungen zur Abwehr konkreter Gefahren durch Maßnahmen der Sicherheitspolizei und zur Berichterstattung nach § 100 Abs 2 StPO auch dem Schutz von Personen, die aufgrund der Verletzung dieser Pflichten einen Schaden an absolut geschützten Rechten und Rechtsgütern erlitten haben (1 Ob 193/23y). Das gilt auch für die Bestimmungen über die Verhängung der Untersuchungshaft (oder allenfalls die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 173 Abs 5 StPO) wegen Tatbegehungs- oder Wiederholungsgefahr, die auch dem Schutz von (potentiellen) Opfern dienen (1 Ob 7/89 = RS0027722; 1 Ob 193/23y; 1 Ob 39/24b).

[16] Schließlich hat der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen, dass die Gewerbebehörde, die eine Betriebsanlage zwar genehmigt, gleichzeitig aber Auflagen angeordnet hat, deren Befolgung – jedenfalls soweit, als diese Auflagen zur Vermeidung der Gefährdung der körperlichen Sicherheit von Personen angeordnet wurden (§ 74 Abs 2 Z 1 GewO) – auf geeignete Weise zu überwachen hat. Hat sie die Überwachung ihrer Auflagen unterlassen, dann fällt dem dafür verantwortlichen Rechtsträger rechtswidriges Organverhalten zur Last (RS0049772).

2. Zum Schutzzweck des GSpG

[17] 2.1. Verbotene Ausspielungen iSd GSpG sind nach dessen § 2 Abs 4 Ausspielungen, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücksspielmonopol ausgenommen sind (vgl dazu § 4 leg cit). Das Recht zur Durchführung von Glücksspielen ist gemäß § 3 GSpG, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt wird, dem Bund vorbehalten (Glücksspielmonopol).

[18] 2.2. In den Materialien zum GSpG 1989 wird ua darauf hingewiesen, dass die mit dem Gesetz verfolgten Zielsetzungen einerseits ordnungspolitischer und andererseits fiskalischer Natur sind (RV 1067 BlgNR 17. GP  15):

„In ordnungspolitischer Hinsicht muss gesagt werden, dass idealerweise ein gänzliches Verbot von Glücksspielen die sinnvollste Regelung wäre. Angesichts des bekannten Umstands, dass der Spieltrieb dem Menschen nun einmal immanent gegeben zu sein scheint [...], ist es aber wesentlich sinnvoller, diesen Spieltrieb im Interesse des einzelnen und der Gemeinschaft in geordnete Bahnen zu lenken. Dadurch wird zweierlei erreicht: Eine in Staaten mit gänzlichem Glücksspielverbot zu beobachtende Abwanderung des Glücksspieles in die Illegalität wird vermieden, gleichzeitig erhält sich der Staat die Möglichkeit, die nun auf legaler Basis betriebenen Glücksspiele zu überwachen. Diese Überwachung muss als oberste Zielsetzung den Schutz des einzelnen Spielers vor Augen haben. […]“

 

[19] Zuletzt wurde der Spielerschutz in den Materialien noch stärker betont (vgl etwa RV 657 BlgNR 24. GP  3 zur GSpG-Novelle 2010):

„Zielsetzungen:

Glücksspiel ist ein Thema von europaweitem Interesse, da es die gesellschaftsrechtliche Verantwortung betrifft und von hoher ordnungspolitischer Relevanz ist. Der Spielerschutz steht dabei an erster Stelle. […]

Mit der umfassenden Änderung des Glücksspielrechts in Österreich soll insbesondere folgenden Zielen Rechnung getragen werden:

- Spielerschutz sowie soziale Sicherheit der Familien und Kinder

[…]

- Gebote statt Verbote

Bloße Verbote hindern nicht die konzessionslose Aufstellung von Automaten, vor allem dann nicht, wenn die Strafverfolgung an bürokratische Hürden stößt, Auslegungsdifferenzen im Automatenbereich die Vollziehung behindern und lange Verfahrensdauern eine rasche Durchsetzung von Verboten verhindern. Durch eine effektive Kontrolle von Geboten wird das Spielsuchtverhalten in geordnete Bahnen gelenkt. Daher sollen in Hinkunft im Automatenbereich klare und nachvollziehbare Vorgaben und Auflagen für den Spielerschutz geschaffen werden, die auch leichter kontrollierbar sind und eine Stärkung des Spielerschutzes bringen. Die Vorgabe von einheitlichen bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen und einer höchstzulässigen regionalen Gerätedichte erleichtert eine bundeseinheitliche Steuerung und gleichmäßige Vollziehung. Zudem soll die Kontrolle ausgebaut und zwischen den handelnden Behörden abgestimmt werden. Die gezielte Steuerung trägt dem ordnungspolitischen Gedanken Rechnung.

- Effiziente Kontrolle

Die Vorgabe einheitlicher bundesgesetzlicher Rahmenbedingungen für Maßnahmen zur Sicherung der Aufsicht führt zu gleichmäßigen regionalen Standards und stärkt den direkten und indirekten Spielerschutz. Durch eine Vernetzung von Glücksspielautomaten und Video Lotterie Terminals mit dem Rechenzentrum des Bundes, der Bundesrechenzentrum GmbH, soll auch der Abgabensicherung Rechnung getragen werden.“

 

[20] 2.3. Vor diesem Hintergrund hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach zum Schutzgesetzcharakter einzelner Regelungen des GSpG Stellung genommen:

[21] Demnach bezweckt § 25 Abs 3 GSpG 1989 [zur Haftung der Spielbankleitung bei Verletzung ihr vorgeschriebener Pflichten] nicht bloß den Schutz öffentlicher Interessen, sondern verfolgt zumindest auch den Schutz der (Vermögens‑)Interessen des einzelnen Spielers mit (RS0111940). Es handelt sich daher um ein Schutzgesetz zugunsten der Spielbankbesucher (RS0111940 [T2]).

[22] Weiters verfolgt § 3 GSpG 1989 zumindest auch den Schutz der (Vermögens-)Interessen der einzelnen Spieler jedenfalls dann mit, wenn die Ausspielung mittels Spielautomaten mangels Erfüllung der kumulativen Voraussetzungen der Z 1 und 2 des § 4 Abs 2 GSpG 1989 [aF] in das Glücksspielmonopol eingriffe (6 Ob 118/12i [Punkt 13]).

[23] Zweck des Verbots nach § 2 Abs 1 und 4 iVm § 4 Abs 1 GSpG ist daher (auch) der Schutz der einzelnen Spieler (6 Ob 50/22d [Rz 16 mwN]). Es sollen Vermögensnachteile durch verbotene Spiele verhindert werden (1 Ob 182/22d [Rz 10]; 9 Ob 54/22i [Rz 15]).

[24] 2.4. Der Schutzzweck ist allerdings stets durch normspezifische Erwägungen zu ermitteln. Von der Schutzrichtung eines Gesetzes kann nicht zwingend auf den Schutzzweck einer konkreten Norm geschlossen werden (1 Ob 199/22d [Rz 66]).

[25] Die vom Kläger zur Begründung seines Anspruchs herangezogenen Bestimmungen lauten:

§ 3 GSpG

Das Recht zur Durchführung von Glücksspielen ist, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt wird, dem Bund vorbehalten (Glücksspielmonopol).

 

§ 50 Abs 11 GSpG

Verwaltungsbehörden haben die zu ihrer Kenntnis gelangenden begründeten Verdachtsfälle verbotener Ausspielungen den Bezirksverwaltungsbehörden, im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist, der Landespolizeidirektion, unverzüglich anzuzeigen.

 

§ 52 Abs 1 Z 1 GSpG

Es begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde in den Fällen der Z 1 mit einer Geldstrafe von bis zu 60 000 Euro und in den Fällen der Z 2 bis 11 mit bis zu 22 000 Euro zu bestrafen,

1. wer zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs 4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs 2 daran beteiligt;

 

[26] Zur Verwaltungsstrafbestimmung des § 52 GSpG führen die Materialien ua aus (RV 24 BlgNR 25. GP  22):

„Zur Sicherstellung einer wirksamen Vollziehung sind aus Gründen der General- und Spezialprävention empfindliche Strafen erforderlich. Diese sollen dem durch die Tat erzielbaren wirtschaftlichen Nutzen begegnen und so das illegale Angebot zunehmend unattraktiv machen und weiter zurückdrängen.“

[27] Grof (in Zillner, GSpG § 52f GSpG Rz 1) meint unter Hinweis auf die Materialien, dass nach der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers die Tatbestände des § 52 GSpG darauf ausgelegt seien, Übertretungen des GSpG in möglichst weitem Umfang einer Strafdrohung zu unterwerfen, um auf diese Weise eine effektive Beachtung dieses Gesetzes sicherzustellen. Er hebt allerdings (aaO Rz 65) als aus systematischer Sicht bemerkenswert hervor, dass als Täter nach § 52 Abs 5 GSpG (Elektronische Lotterien) insbesondere auch die Spieler selbst in Betracht kämen – ein Umstand, der klar dem Spielerschutzgedanken zuwiderlaufe.

[28] 2.5. Schon letzteres spricht dagegen, § 52 GSpG – zumindest (wie hier) in Bezug auf elektronische Lotterien – als eine zur Begründung eines Amtshaftungsanspruchs geeignete Schutznorm zugunsten einzelner Spieler zu begreifen. Es liegt nicht nahe, dass eine Vorschrift den Schutz der Vermögensinteressen jener Personen bezweckt, die sich selbst durch die Teilnahme am Spiel strafbar machen.

[29] Entscheidend ist aber, dass sich das im GSpG 1989 normierte Verbot von illegalem Glücksspiel an den anbietenden Unternehmer richtet. Dieser hat nach § 2 Abs 1 und 4 iVm § 4 GSpG die Veranstaltung, die Organisation, die Zugänglichmachung oder die unternehmerische Beteiligung an einer verbotenen Ausspielung zu unterlassen, widrigenfalls er nach § 52 Abs 1 GSpG eine Verwaltungsübertretung begeht. Darüber hinaus trifft ihn zivilrechtlich gegenüber dem einzelnen Spieler – so er dessen Vertragspartner ist – die Nichtigkeitssanktion des § 879 Abs 1 ABGB (die mit einem Rückforderungsanspruch des Spielers einhergeht; vgl 6 Ob 207/21s uva) sowie eine – auf einer Schutzgesetzverletzung fußende – vertragliche und auch deliktische Schadenersatzpflicht für die Spielverluste (vgl jüngst etwa 1 Ob 52/24i).

[30] Die primär auf den Spielerschutz gerichteten Gebote und Verbote richten sich aber, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht an den Bund oder dessen Organe. Dem Bund erwachsen aus dem GSpG keine Handlungs- oder Unterlassungspflichten, die unmittelbar darauf ausgerichtet wären, dass den Spielern (ob spielsüchtig oder nicht) kein (Vermögens‑)Schaden durch verbotenes Glücksspiel entsteht. Den Organen der Beklagten obliegt vielmehr ausschließlich die Anzeige der illegalen Anbieter und die (verwaltungsstrafrechtliche) Ahndung von Verstößen gegen das Glücksspielmonopol. Damit soll zwar die Beachtung des GSpG durch die Normunterworfenen erreicht werden. Darin unterscheidet sich das GSpG aber nicht von vielen anderen hoheitlich angeordneten Handlungs- oder Unterlassungspflichten, die durch die Androhung von (Verwaltungs-)Strafen zwar abgesichert werden, die die Vollzugsorgane aber nicht selbst treffen. Diese haben nur die Pflicht, Verstöße der Normadressaten bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu bestrafen.

[31] Die vorliegende Konstellation ist daher weder mit dem Unterlassen der Verhängung eines Betretungs- und Annäherungsverbots nach § 38a Abs 1 SPG (1 Ob 39/24b) oder der Verhinderung eines verfassungsgefährdenden Angriffs durch eine bestimmte Person nach § 6 Abs 1 Z 2 PStSG durch die Sicherheitsbehörden (1 Ob 193/23y) noch mit dem Unterbleiben der das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) treffenden Aufsichts-, Überwachungs- und Informationspflichten nach dem MPG 1996 (1 Ob 39/23a) zu vergleichen, weil überall dort unmittelbar den Organen des zuständigen Rechtsträgers obliegende Handlungspflichten verletzt worden sein sollen, durch die gerade die später eingetretenen Schäden an den absolut geschützten Rechtsgütern der Geschädigten hätten verhindert werden sollen.

[32] Die Durchsetzung eines Gesetzes durch die Vollziehung von (Verwaltungs‑)Strafbestimmungen dient hingegen ganz allgemeinen Interessen wie in erster Linie der Effektivität der Rechtsordnung, dem Funktionieren des Rechtsstaates, der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Es kann nicht angenommen werden, dass einer einzelnen Person – auch wenn das Gesetz selbst durch konkrete Gebote und Verbote ihre Interessen schützt – aus einem mangelhaften Vollzug der Strafbestimmungen, die die Einhaltung dieser Gebote und Verbote gewährleisten sollen, Ansprüche nach dem AHG erwachsen. Dies würde zu einer Uferlosigkeit der Haftpflicht des Rechtsträgers führen, der dem Geschädigten diesfalls neben dem Schädiger regelmäßig für die Einhaltung der Gesetze einstehen müsste. Einer solchen Haftung steht aber – selbst wenn sich im Einzelfall die Kausalität nachweisen ließe – die eingrenzende Wirkung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs entgegen.

[33] Daran ändert auch die (oben zu Punkt 1.4. zitierte) Rechtsprechung zur Überwachung von behördlichen Auflagen nichts, die zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Personen erteilt wurden: Diese Überwachungspflichten ergeben sich für die Behörde unmittelbar im Zusammenhang mit dem jeweiligen Bewilligungsbescheid und sind daher der konkreten Gefahrenabwehr zuzurechnen.

[34] 2.6. Dass die Kontrolle und Durchsetzung des Glücksspielmonopols mittelbar dem Spielerschutz und den Vermögensinteressen einzelner Spieler dient, ist damit als bloße Reflexwirkung zu beurteilen, die eine Amtshaftung des beklagten Rechtsträgers nicht begründet.

[35] Soweit der Kläger den Organen der Beklagten vorwirft, keine Anzeigen gegen die Betreiber der illegalen Glücksspielwebsites erstattet zu haben, hat ihm bereits das Berufungsgericht zutreffend die (oben zu Punkt 1.3. zitierte) Rechtsprechung entgegengehalten, wonach die Anzeigepflicht nach § 84 Abs 1 StPO aF bzw § 78 Abs 1 StPO primär der Durchsetzung des Strafverfolgungsinteresses des Staates und des Offizialprinzips dient und nicht den Zweck verfolgt, den Eintritt von nach dem Zeitpunkt der unterlassenen Strafanzeige eintretenden Vermögensschäden zu hindern (siehe dazu ausführlich 1 Ob 73/16s). Nichts anderes kann für die Bestimmung des § 50 Abs 11 GSpG gelten.

[36] 2.7. Zusammenfassend ist daher festzuhalten:

Strafbestimmungen des Glücksspielgesetzes, die die Einhaltung der Regelungen dieses Gesetzes absichern sollen, bezwecken nicht den Schutz der (Vermögens-)Interessen einzelner Spieler.

Ein allenfalls mangelhafter Vollzug dieser Bestimmungen steht daher nicht im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit Schäden, die ein Spieler durch die Teilnahme an einem verbotenen Spiel erlitten hat.

 

3. Zum geltend gemachten Staatshaftungsanspruch

[37] 3.1. Die Staatshaftung der Mitgliedstaaten bei Verletzung des Gemeinschaftsrechts tritt unter drei Voraussetzungen ein: Erstens muss die Rechtsnorm, gegen die verstoßen wurde, bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, zweitens muss der Verstoß hinreichend qualifiziert sein und drittens muss zwischen dem entstandenen Schaden und dem vom Mitgliedstaat zu vertretenden Verstoß ein Kausalzusammenhang bestehen (RS0113922).

[38] 3.2. Soweit der Kläger (entgegen ständiger Rechtsprechung; vgl etwa 1 Ob 229/20p) einen Verstoß des österreichischen Glücksspielmonopols gegen Unionsrecht, und zwar die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, behauptet, ist ihm in keiner Weise geholfen: Die behauptete Unionsrechtswidrigkeit hätte bloß zur Folge, dass die (nunmehr insolvente) b* Ltd ihr Online-Glücksspiel in Österreich mangels sachlicher Rechtfertigung des Monopols ungehindert von § 3 GSpG hätte anbieten dürfen. Ein allfälliger Verstoß gegen Unionsrecht ist für den behaupteten Schaden des Klägers damit jedenfalls nicht kausal. Des vom Kläger angeregten Vorabentscheidungsersuchens bedarf es schon deshalb nicht.

4. Ergebnis und Kosten

[39] 4.1. Der Revision des Klägers ist aus diesen Gründen kein Erfolg beschieden. Die Vorinstanzen haben sein Klagebegehren mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs zu Recht ohne weitere Beweisaufnahme abgewiesen.

[40] 4.2. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.

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