OGH 1Ob52/24i

OGH1Ob52/24i24.7.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*, vertreten durch die Greiml & Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft (OG) in Graz, und Dr. Andreas Jank, Rechtsanwalt in Wien, gegen die erstbeklagte Partei b* Ltd, Malta, *, vertreten durch Dr. David Christian Bauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2.343.054,92 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. September 2023, GZ 33 R 59/23y‑72, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. Jänner 2023, GZ 43 Cg 72/19i‑64, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0010OB00052.24I.0724.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Dem Berufungsgericht wird die Entscheidung über den Kostenrekurs der klagenden Partei gegen die erstinstanzliche Kostenentscheidung aufgetragen.

Über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens hat das Erstgericht zu entscheiden.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger registrierte sich Anfang 2016 auf der Website www.*.com, die laut Impressum von der Erstbeklagten gemeinsam mit der Zweitbeklagten betrieben wird, um dort zu privaten Zwecken an Online-Glücksspielen (Roulette und Black Jack) teilzunehmen. Dazu gab er seine persönlichen Daten bekannt, legte ein Passwort fest und akzeptierte die AGB der Beklagten. Laut diesen AGB war die Erstbeklagte seine Vertragspartnerin in Bezug auf Sportwetten sowie virtuelle Wetten, die Zweitbeklagte seine Vertragspartnerin in Bezug auf Casino‑Spiele und Poker. Um die auf der Website angebotenen Spiele zu spielen, tätigte der Kläger regelmäßige Geldeinzahlungen, und zwar im Zeitraum von Februar 2016 bis Oktober 2019 in Höhe von 7.824.612 EUR. Dem standen Auszahlungen in Höhe von 5.481.557,08 EUR gegenüber.

[2] Der Kläger ist pathologisch spielsüchtig und war während der Teilnahme an den Online‑Glücksspielen geschäftsunfähig.

[3] Das Verfahren gegen die Zweitbeklagte ist wegen des in Malta anhängigen Insolvenzverfahrens unterbrochen.

[4] Der Kläger begehrt von den Beklagten die (Rück‑)Zahlung seiner Spielverluste von insgesamt 2.343.054,92 EUR sA. Die zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Glücksspielverträge seien wegen Verstoßes gegen das österreichische Glücksspielmonopol und wegen der Geschäftsunfähigkeit des Klägers nichtig und die Spielverluste daher rückforderbar. Die auf der „Homepage“ www.*.com zugänglichen Glücksspiele würden von beiden Beklagten angeboten. Diese hafteten folglich gemäß § 1301 ABGB zur ungeteilten Hand. Es komme nicht darauf an, dass die einzelnen Verträge des Klägers nur mit der Zweitbeklagten abgeschlossen worden seien.

[5] DieErstbeklagte wandte insbesondere das Fehlen ihrer Passivlegitimation ein, weil die Verträge über die Casino- und Pokerspiele ausschließlich zwischen dem Kläger und der insolventen Zweitbeklagten abgeschlossen worden seien und mit ihr nur der Vertrag über Sportwetten zustande gekommen sei, an welchen der Kläger nicht teilgenommen habe. Dass die beiden Beklagten sich einen Webauftritt teilten, könne die Haftung der Erstbeklagten nicht begründen.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren gegenüber der Erstbeklagten statt.

[7] Zwar sei die Erstbeklagte tatsächlich nicht Vertragspartnerin des Klägers für dessen auf ihrer Homepage getätigten Glücksspiele geworden, sodass bereicherungsrechtliche und vertragliche (Schadenersatz-)Ansprüche ausschieden. Jedoch hafte die Erstbeklagte dem Kläger deliktisch. Indem sie gemeinsam mit der Zweitbeklagten eine Homepage betrieben habe, auf der unter anderem auch Glücksspiele konzessionslos angeboten würden, habe sie bereits in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen. Ihr Verhalten sei für den Eintritt der Spielverluste des Klägers mitursächlich, weshalb sie gemeinsam mit der Zweitbeklagten nach § 1301 ABGB für den Schaden hafte.

[8] DasBerufungsgericht gab der Berufung der Erstbeklagten Folge, wies das Klagebegehren ihr gegenüber ab und ließ die ordentliche Revision zu.

[9] Den Feststellungen zufolge sei die Erstbeklagte Vertragspartnerin des Klägers nur in Bezug auf Sportwetten geworden; dass sie über dessen Ein- und Auszahlungen im Zusammenhang mit Glücksspielteilnahmen verfügungsberechtigt gewesen sei, sei dem Sachverhalt nicht zu entnehmen. Sie habe konzessionslos Glücksspiel in Österreich allein durch den Umstand angeboten, dass sie – laut Impressum – die „Homepage“ www.*.com gemeinsam mit der Zweitbeklagten betrieben habe, und darüber Bescheid gewusst habe. Damit erfülle sie aber noch keinen der in § 2 Abs 1 GSpG genannten Tatbestände. Ein aktives Eingreifen in die tatsächlichen Ausspielungen der Zweitbeklagten liege nicht vor. Dass sie in diesem Zusammenhang ein unternehmerisches Risiko (mit‑)trage, sei aus den Feststellungen auch nicht abzuleiten. Das Fehlen der von der Rechtsprechung für die Tatbestände des § 2 Abs 1 Z 1 GSpG verlangten Verfügungsberechtigung über das faktische Spielgeschehen ergebe sich auch daraus, dass Vertragspartner des Klägers über das von ihm ausschließlich getätigte Glücksspiel nur die Zweitbeklagte geworden sei.

[10] Der bloße Mitbetrieb der „Homepage“ erfülle noch nicht die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Mitwirkungshandlung iSd § 2 Abs 1 Z 1 GSpG. Darunter würden nach den Materialien beispielsweise das Mischen und Teilen der Karten, die Festlegung von Spielregeln, die Entscheidung von Zweifelsfällen, die Bewerbung der Möglichkeit zum Spiel oder die Bereitstellung von Spielort, Spieltischen oder Spielpersonal, somit im Wesentlichen Handlungen fallen, die sich unmittelbar auf den Spielbetrieb auswirkten. Eine derartige aktive Einflussnahme der Erstbeklagten auf die von der Zweitbeklagten faktisch organisierten Glücksspiele sei aber dem Sachverhalt nicht zu entnehmen.

[11] Damit fehle es an einer Norm nach dem GSpG, die für die Bejahung einer Solidarhaftung nach § 1301 ABGB von beiden Beklagten mit gemeinschaftlichem Vorsatz hätte übertreten werden müssen.

[12] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob der bloße Mitbetrieb einer Homepage, auf der von einer anderen Person konzessionslos Glücksspiel angeboten werde, eine Mitwirkungshandlung iSd § 2 Abs 1, 2 und 4 GSpG sei und darin ein deliktischer Schadenersatzanspruch begründet sei.

Rechtliche Beurteilung

[13] Die dagegen erhobene – von der Erstbeklagten beantwortete – Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grundzulässig. Sie ist auch berechtigt.

[14] 1. Vorauszuschicken ist, dass die Anwendbarkeit österreichischen Rechts auf den geltend gemachten Schadenersatzanspruch unstrittig ist (Art 4 Abs 1 ROM II‑VO: Schadenseintritt in Österreich).

[15] Der Kläger stützt sich im Revisionsverfahren nur mehr auf eine deliktische Haftung der Erstbeklagten. Er zieht nicht in Zweifel, dass er mit dieser keinen Vertrag über die von ihm getätigten Glücksspiele abgeschlossen hat (sondern nur mit der Zweitbeklagten), sodass eine vertragliche oder bereicherungsrechtliche Grundlage für seine Ansprüche gegenüber der Erstbeklagten nicht in Betracht kommt. Die – von der Erstbeklagten ins Treffen geführte – Entscheidung 6 Ob 12/23t ist nicht einschlägig, weil ein außervertraglicher Schadenersatzanspruch dort nicht Gegenstand war.

[16] Die (deliktische) Haftung der Erstbeklagten hängt daher entscheidend davon ab, ob sie einen gemeinschaftlichen Beitrag zur Schadensentstehung nach § 1301 ABGB gesetzt hat. Ein solcher ist auch gegeben, wenn einvernehmlich eine Norm (vorsätzlich oder sorgfaltswidrig) übertreten wird, die einen Schaden verhindern sollte (6 Ob 118/12i mwN).

[17] 2. Es ist daher in erster Linie die Frage zu klären, ob die Erstbeklagte einen Beitrag zu verbotenen Ausspielungen iSd § 2 Abs 1 und Abs 4 GSpG und damit einen Verstoß gegen das Glücksspielmonopol zu verantworten hat.

[18] 2.1. Nach § 2 Abs 1 GSpG sind – dem Konzessionssystem nach diesem Gesetz unterworfene – Ausspielungen Glücksspiele,

1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und

2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und

3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).

 

[19] § 2 Abs 2 GSpG lautet:

„Unternehmer ist, wer selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausübt, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein.

Wenn von unterschiedlichen Personen in Absprache miteinander Teilleistungen zur Durchführung von Glücksspielen mit vermögenswerten Leistungen im Sinne der Z 2 und 3 des Abs 1 leg cit an einem Ort angeboten werden, so liegt auch dann Unternehmereigenschaft aller an der Durchführung des Glücksspiels unmittelbar beteiligten Personen vor, wenn bei einzelnen von ihnen die Einnahmenerzielungsabsicht fehlt oder sie an der Veranstaltung, Organisation oder dem Angebot des Glücksspiels nur beteiligt sind.“

 

[20] Die Gesetzesmaterialien zur Neufassung des § 2 GSpG durch BGBl I Nr 54/2010 (RV 658 BlgNR 24. GP  5) halten fest, dass in Abs 2 der Unternehmensbegriff legaldefiniert wird. Der Unternehmerbegriff orientiere sich dabei an jenem des Umsatzsteuerrechts (Nachhaltigkeit; Erwerbszweck, kein Gewinnzweck notwendig). Weiters heißt es:

„Durch die Neufassung wird auch nochmals verdeutlicht, dass das konzessionslose Anbieten von Glücksspiel unter unternehmerischer Mitwirkung auch dann verboten ist, wenn der mitwirkende Unternehmer beispielsweise nicht selbst die Gewinne stellt, sondern nur die Kartenspieler gegeneinander spielen, der Unternehmer aber an der Durchführung des Spiels veranstaltend/organisierend/anbietend mitwirkt. Die Veranstaltung/Organisation/das Angebot kann sich beispielsweise durch Mischen und Teilen der Karten, Festlegung von Spielregeln, Entscheidung von Zweifelsfällen, Bewerbung der Möglichkeit zum Spiel, Bereitstellen von Spielort, Spieltischen oder Spielpersonal äußern.“

 

[21] 2.2. Hier ist strittig, ob in dem „Mitbetreiben“ einer Website eine Mitwirkung an einer der in § 2 Abs 1 Z 1 GSpG genannten Handlungsformen liegt. In dem Zusammenhang ist klarzustellen, dass, soweit die Parteien und Vorinstanzen den Begriff „Homepage“ verwenden, sie offenkundig „Website“, also die Gesamtheit des Internetauftritts der beiden Beklagten meinen, der sich aus einzelnen Seiten zusammensetzt. „Homepage“ bezeichnet nur die erste Seite, die beim Aufruf einer Webadresse (hier www.*.com) angezeigt wird.

[22] Das GSpG enthält weder eine Legaldefinition der Begriffe des Veranstaltens, Organisierens, Anbietens oder Zugänglichmachens, noch geben die Materialien eindeutig Aufschluss über deren Bedeutung. Eine Abgrenzung erweist sich daher – nicht zuletzt wegen der teils synonymen Inhalte – als schwierig, wie in der Literatur übereinstimmend eingeräumt wird (Rapani/Kotanko in Zillner, GSpG [2021] § 2 Rz 16; Schwartz/Wohlfahrt, GSpG2 [2006] § 2 Rz 16; Kohl,Das österreichische Glücksspielmonopol [2013] 34).

[23] Als Veranstalter einer Ausspielung wird nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung derjenige angesehen, der „das Spiel auf seine Rechnung und Gefahr hin ermöglicht, also das Risiko des Gewinns und Verlusts in seiner Vermögenssphäre trägt“. Unter Veranstalten wird verstanden, dass jemand „einem bestimmten oder unbestimmten Interessentenkreis eine ... Spielgelegenheit verschafft“ (Rapani/Kotanko in Zillner, GSpG [2021] § 2 Rz 20 f mwN insb zur Judikatur des VwGH).

[24] Organisierenbedeutet „durch systematisches Handeln alles Notwendige“ zu tun, damit ein Glücksspiel iSd GSpG tatsächlich durchgeführt wird (Rapani/Kotanko in Zillner, GSpG [2021] § 2 Rz 22; vgl Schwartz/Wohlfahrt, GSpG2 [2006] § 2 Rz 16).

[25] Anbieten meint das Bereitstellen von Spielgelegenheiten. Der Unternehmer, welcher lediglich anbietet und nicht veranstaltet, trägt kein unternehmerisches Risiko (Rapani/Kotanko in Zillner, GSpG [2021] § 2 Rz 23).

[26] Unter Zugänglichmachen versteht die Rechtsprechungeinen Unternehmer, welcher den Gewahrsam über Einrichtungen und Gegenstände hat, die zur Durchführung von Glücksspielen im Sinn des GSpG erforderlich sind, und diese den Teilnehmern zugänglich macht. Darunter fällt etwa ein Lokalbetreiber, der sich durch die Aufstellung von Glücksspielgeräten in seinem Lokal lediglich eine Belebung seiner Getränkeumsätze erhofft oder vom Automatenbetreiber eine vom Ertrag des Automaten unabhängige Miete erhält (VwGH Ra 2018/17/0113; Ra 2017/17/0474; Ra 2016/17/0273 uva; Rapani/Kotanko in Zillner, GSpG [2021] § 2 Rz 24 mwN zur verwaltungsgerichtlichen Judikatur). 

[27] Die Abgrenzung zum Tatbild des Veranstaltens hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Sie kann dann schwierig sein, wenn etwa ein Lokalinhaber mit dem Aufsteller eines Glücksspielautomaten für die Aufstellung eines dieser Geräte in seinem Lokal ein vom Erlös dieses Automaten abhängiges Mietentgelt vereinbart. In einem solchen Fall wäre von einem Veranstalten (auch) des Lokalinhabers auszugehen, sollte dieser nicht nur an den Erlösen, sondern auch an allfälligen mit diesem Glücksspielgerät erwirtschafteten Verlusten beteiligt sein (VwGH Ra 2017/17/0474; Ra 2017/17/0854).

[28] 2.3. In der wettbewerbsrechtlichen Judikatur des Obersten Gerichtshofs wurde die unmittelbare Beteiligung eines Lokalbetreibers, der den Ort für die Aufstellung eines Glücksspielautomaten zur Verfügung stellte, an der Gewinnauszahlung beteiligt war und „Eigentum“ an Teilen des Spielmonitors für sich reklamierte (4 Ob 68/15a uva), an der Veranstaltung, der Organisation oder dem Angebot des Glücksspiels bejaht. Gleiches gilt für den Betreiber eines Kaffeehauses, der eine Teilfläche des Lokals zur Aufstellung von Spielautomaten vermietete, die Betreuung der Spielautomaten, die Verwaltung und Verwahrung der lukrierten Geldbeträge sowie die Auszahlung und Abrechnung übernahm (6 Ob 118/12i). Gegenüber den zitierten Entscheidungen wurde in der bloßen Vermietung von Räumlichkeiten zur Veranstaltung und Organisation erlaubter Glücksspiele und zur Durchführung von erlaubten Geschicklichkeits- und Beobachtungsspielen kein im schadenersatzrechtlichen Sinn relevanter Beitrag zur Durchführung von Glücksspielen erblickt (3 Ob 184/15b; 4 Ob 188/15y ua). Von erlaubten Glücksspielen durch die Zweitbeklagte kann hier aber keine Rede sein.

[29] 2.4. Nach den Feststellungen ist die Erstbeklagte nicht Veranstalterin der vom Kläger gespielten Glücksspiele, gibt es doch – wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat – keine Anhaltspunkte dafür, dass sie das unternehmerische Risiko auch nur teilweise mitgetragen hat. Die von ihr veranstalteten Sportwetten und virtuellen Wetten spielte der Kläger nicht.

[30] Allerdings waren die Erst- und die Zweitbeklagte – wie sich unstrittig schon aus dem Impressum ergibt – gemeinsam Betreiber der Website, über die der Kläger seine Spiele tätigte.

[31] Unternehmen, welche eine Website betreiben, zählen nach der Legaldefinition des E‑Commerce‑Gesetzes in der Regel als Diensteanbieter, die einen Dienst der Informationsgesellschaft bereitstellen. Für sie gilt die Verpflichtung, den Nutzern allgemeine, in § 5 ECG genannte, Informationen zur Verfügung zu stellen. Durch diese Angaben soll dem Nutzer die Identifizierung und die Kontaktaufnahme mit dem Diensteanbieter ermöglicht/erleichtert werden. Der Nutzer soll im Konfliktfall einen Anknüpfungspunkt für eine etwaige Rechtsverfolgung erhalten (4 Ob 211/13b).

[32] Der Feststellung, dass die Erstbeklagte gemeinsam mit der Zweitbeklagten im Impressum der Website aufscheint, lässt sich daher entnehmen, dass sie die dort abrufbaren Dienste anbietet und dafür verantwortlich zeichnet. Auch wenn die AGB klarstellen, dass die Erstbeklagte nur die Sportwetten und virtuellen Wetten anbietet, teilte sie sich – wie sie selber einräumt – mit der Zweitbeklagten einen Webauftritt. Damit ermöglichte sie die von der Zweitbeklagten veranstalteten Ausspielungen Roulette und Black Jack im Sinn eines Zugänglichmachens: Sie duldete die Ausspielungen der Zweitbeklagten, von denen sie nach den Feststellungen wusste, auf ihrer Website, über die sie (zusammen mit der Zweitbeklagten) verfügungsberechtigt war.

[33] Aus der bloßen Tatsache, dass sich die Beklagten einen Webauftritt teilten, ist zu schließen, dass sie offenkundig auf wechselseitige Synergieeffekte setzten, wobei aus den Feststellungen hervor geht, dass sich der Kläger „einfach und schnell“ nur einmal auf der Website registrieren musste, um das gesamte dort abrufbare Spielangebot (also auch das der Erstbeklagten) nutzen zu können. Mit den getätigten regelmäßigen Geld‑Einzahlungen hätte der Kläger sämtliche auf der Website angebotenen Spiele spielen können. Die Erstbeklagte ist daher sehr wohl mit einem Lokalbetreiber zu vergleichen, der sich durch die Aufstellung von Glücksspielgeräten in seinem Lokal eine Belebung seiner Getränkeumsätze erhofft.

[34] Die Erstbeklagte hat sich durch den Mitbetrieb der von der Zweitbeklagten für ihre Ausspielungen genutzten Website an der Veranstaltung, Organisation oder dem Angebot des Glücksspiels durch die Zweitbeklagte im Sinn eines Zugänglichmachens unmittelbar beteiligt.

[35] 3.  Damit hat das Erstgericht – im Gegensatz zum Berufungsgericht – zutreffend einen relevanten Beitrag der Erstbeklagten zu den verbotenen Ausspielungen der Zweitbeklagten und damit einen rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in das Glücksspielmonopol des Bundes bejaht, der die deliktische Haftung der Erstbeklagten nach § 1301 ABGB für die Spielverluste des Klägers begründet.

[36] Dass das österreichische Glücksspielmonopol unionsrechtskonform ist, entspricht der ständigen und gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (etwa 1 Ob 195/23t mwN).

[37] Nach der Rechtsprechung verfolgt die Bestimmung des § 3 GSpG 1989 den Schutz der (Vermögens-)Interessen der einzelnen Spieler jedenfalls dann zumindest mit, wenn die Ausspielung mittels Spielautomaten mangels Erfüllung der kumulativen Voraussetzungen der Z 1 und 2 des § 4 Abs 2 GSpG 1989 in das Glücksspielmonopol eingriffe (RS0128696).

[38] Da die Erstbeklagte hier durch den Beitrag zu den Online-Glücksspielen der Zweitbeklagten somit gegen ein Schutzgesetz verstoßen hat, hätte sie zu beweisen gehabt, dass sie an der Übertretung des Schutzgesetzes keine subjektive Sorgfaltswidrigkeit trifft, sie das Schutzgesetz also unverschuldet übertreten hat (RS0112234 [T28]). Dem ist sie nicht nachgekommen.

[39] 4. Die Erstbeklagte beruft sich in dritter Instanz auf den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens, weil der Schaden des Klägers ebenso eingetreten wäre, wenn sie die Website nicht mitbetrieben hätte.

[40] In erster Instanz hat die Erstbeklagte allerdings nur eingewandt, dass der Kläger dieselben Spielverluste erlitten hätte, wenn die Zweitbeklagte über eine (österreichische) Konzession verfügt hätte oder auch wenn die Zweitbeklagte von vornherein keine Glücksspiele angeboten hätte, weil der Kläger dann als Alternative einen anderen Anbieter gewählt hätte. Zu diesem Thema hat das Erstgericht aber eine Negativfeststellung getroffen, die es zu Lasten der Erstbeklagten gewürdigt hat (RS0027364 [T17, T18, T26]). Die erstmals im Rechtsmittelverfahren geltend gemachten Einwände der Erstbeklagten, dem Kläger wäre derselbe Schaden entstanden, wenn sie die Website nicht mitbetrieben hätte, weil diesfalls noch immer die Zweitbeklagte die Website betrieben hätte, sind daher wegen des Neuerungsverbots unbeachtlich.

[41] 5. Der Revision des Klägers ist daher Folge zu geben und das klagestattgebende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

[42] 6. Der Ausspruch über die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 bis 3 ZPO. Das Berufungsgericht hat – im Gegensatz zum Erstgericht – die Kostenentscheidung erster und zweiter Instanz vorbehalten. Daran ist auch der Oberste Gerichtshof gebunden. Nach § 52 Abs 3 ZPO hat das Erstgericht die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu bestimmen (RS0129336).

[43] Der vom Berufungsgericht ausgesprochene (nicht anfechtbare) Kostenvorbehalt, der zur Folge hat, dass der Oberste Gerichtshof gar keine Kostenentscheidung fasst, überlagert die Rechtsprechung, dass der Oberste Gerichtshof auf einen Kostenrekurs Bedacht zu nehmen hat, wenn er das erstinstanzliche Urteil in der Hauptsache wiederherstellt (RS0036069 [T1]).

[44] Daher wird sich die zweite Instanz mit dem Kostenrekurs des Klägers gegen die erstinstanzliche Kostenentscheidung befassen zu haben, der aufgrund der Abänderung der Berufungsentscheidung wieder von Relevanz ist.

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