OGH 1Ob229/20p

OGH1Ob229/20p22.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Sven Rudolf Thorstensen, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E***** Limited, ***** Gibraltar, vertreten durch die Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen 1.110.871,44 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 19. Oktober 2020, GZ 5 R 120/20h‑35, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 18. Juni 2020, GZ 28 Cg 42/19z‑30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00229.20P.0622.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 2 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte hat ihren Sitz in Gibraltar. Sie bietet in Österreich Online-Glücksspiele an und beruft sich für diese Tätigkeit auf eine ihr in Gibraltar erteilte Lizenz. Der Kläger beteiligte sich an den von der Beklagten angebotenen Spielen und erlitt dabei Verluste in Höhe des Klagebetrags, deren Rückerstattung er mit der vorliegenden Klage geltend macht. Er beruft sich auf die Unwirksamkeit der Glücksspielverträge, weil die Beklagte über keine Konzession nach dem österreichischen GSpG verfüge und ihre Tätigkeit in Österreich daher gesetzwidrig sei. Die Beklagte argumentiert, dass die Glücksspielverträge wirksam seien, weil die österreichischen Normen über das Glücksspielmonopol, auf das sich der Kläger berufe, gegen Unionsrecht verstießen und daher unangewendet bleiben müssten.

[2] Das Berufungsgericht bestätigte die der Klage stattgebende erstinstanzliche Entscheidung. Es stützte sich auf Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sowie des Obersten Gerichtshofs, die das österreichische Glücksspielmonopol als unionsrechtskonform beurteilen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[4] 1. Der Bund selbst veranstaltet aufgrund des ihm nach § 3 GSpG zustehenden Monopols kein Glücksspiel, sondern übertrug das ihm zustehende Recht zur Durchführung solcher Spiele (nach §§ 14 ff GSpG für Lotterien und §§ 21 ff GSpG für Spielbanken) an private Konzessionäre. Insoweit besteht eine Kombination von Monopol- und Konzessionssystem mit einer beschränkten Anzahl an Konzessionen. Auch – hier zu beurteilende – elektronische Lotterien im Sinn des § 12a GSpG, bei denen die Spielteilnahme über elektronische Medien erfolgt und die Entscheidung über das Spielergebnis zentralseitig herbeigeführt und über elektronische Medien zur Verfügung gestellt wird, sind vom Glücksspielmonopol umfasst.

[5] 2. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union steht es den Mitgliedstaaten frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet des Glücksspiels festzulegen und das angestrebte Schutzniveau zu bestimmen (EuGH C‑98/14, Berlington Hungary, Rn 56 mwN). Nationale Beschränkungen müssen aber dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (EuGH C‑338/04, Massimiliano Placanica, Rn 49; C‑46/08, Carmen Media Group, Rn 60; C‑316/07, Stoß, Rn 77, jeweils mwN). Die Regelung muss geeignet sein, die Verwirklichung des zulässigen Ziels in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (Rs Berlington Hungary, Rn 64). Ob eine restriktive Regelung – auch hinsichtlich ihrer konkreten Anwendungsmodalitäten – den angestrebten Zielen in kohärenter und systematischer Weise Rechnung trägt und die Beschränkung nicht außer Verhältnis zu diesen Zielen steht, ist von den nationalen Gerichten anhand einer Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände, unter denen die Regelung erlassen und durchgeführt wurde, zu beurteilen (C‑243/01, Gambelli, Rz 76; C‑258/08, Ladbrokes, Rz 22; Rs Stoß, Rz 98; Rs Carmen Media Group Rz 65; C‑347/09, Dickinger/Ömer, Rn 56; C‑390/12, Pfleger, Rz 47 ff; C‑464/15, Admiral, Rz 30 f).

[6] Ein Verbot des Betriebs von Glücksspielen ohne behördliche Erlaubnis kann insbesondere durch das Ziel, Spieler zu schützen und Straftaten im Zusammenhang mit solchen Spielen zu bekämpfen, gerechtfertigt sein (Rs Pfleger Rn 42 mwN). Zugelassene Anbieter müssen attraktive Alternativen zu nicht geregelten (illegalen) Tätigkeiten bereitstellen dürfen, um das Ziel, die Spieltätigkeit in kontrollierbare Bahnen zu lenken, verwirklichen zu können. Dies umfasst auch den Einsatz von Werbung sowie von neuen Vertriebstechniken (Rs Dickinger/Ömer Rn 64 mwN). Auch eine Politik der kontrollierten Expansion von Glücksspielen kann damit in Einklang stehen, wenn Spieler dadurch veranlasst werden, von verbotenen Spielen zu erlaubten und geregelten Spielen überzugehen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie „frei von kriminellen Elementen“ und darauf ausgelegt sind, die Verbraucher vor übermäßigen Ausgaben und Spielsucht zu schützen (C‑212/08, Zeturf, Rn 67; Rs Ladbrokes Rn 25; Rs Dickinger/Ömer Rn 63 f). Die vom Monopolinhaber bzw Konzessionär durchgeführte Werbung muss aber maßvoll und auf das begrenzt sein, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den kontrollierten Spielnetzwerken zu lenken (Rs Dickinger/Öhmer Rn 67 f mwN).

[7] Der EuGH setzte sich erst jüngst (C‑920/19, 18. 5. 2021, Fluctus/Fluentum) wieder mit dem österreichischen Glücksspielmonopol auseinander und bestätigte seine bisherige Rechtsprechung zu den Grenzen der Zulässigkeit wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen. Er ging davon aus, dass für die Prüfung der Kohärenz einer expansiven (Werbe‑)Politik des Monopolisten auch Umstände wie aggressive Werbemaßnahmen privater Anbieter zugunsten rechtswidriger Aktivitäten oder die Heranziehung neuer Medien wie des Internets durch private Anbieter zu berücksichtigen seien und eine Inkohärenz von das Glücksspielangebot beschränkenden Maßnahmen nicht allein deshalb anzunehmen sei, weil die Werbepraktiken des Monopolisten darauf abzielen, zur aktiven Teilnahme an den Spielen anzuregen, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen, erhöht wird (Rn 52 f).

[8] Der erkennende Senat sieht keinen Anlass, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen, liegt doch zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Gewinnspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor (vgl bereits 4 Ob 268/16i; 4 Ob 50/17g; 4 Ob 46/17v; ebenso VwGH Ro 2020/17/0008).

[9] 3. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem zu B 887/09 ergangenen Erkenntnis – nach Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des EuGH – davon aus, dass das Verbot des Angebots von Online-Glücksspielen durch einen in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen und dort rechtmäßig Glücksspiele auf elektronischem Weg betreibenden Anbieter im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats keinen „Widerspruch“ zur Dienstleistungsfreiheit darstellt, weil allein der Umstand, dass ein Glücksspielanbieter in einem anderen Mitgliedstaat über eine Konzession verfügt und den dortigen rechtlichen Anforderungen und Kontrollen unterliegt, nicht als hinreichende Garantie für den Schutz der nationalen Verbraucher vor den Gefahren des Betrugs und anderer Straftaten angesehen werden kann. Zu B 1337/11 legte er zudem dar, dass die Ziele der Beschränkung des Angebots von Glücksspielen, nämlich die Verhinderung von Straftaten und der Veranstaltung von Glücksspielen ausschließlich zu gewerblichen Gewinnzwecken sowie der Vermeidung einer übermäßigen Anregung zur Teilnahme an solchen durch unreglementierte Konkurrenz, im öffentlichen Interesse liegen und die gesetzliche Beschränkung der Anzahl an Konzessionen geeignet ist, diese Ziele auf adäquate und sachlich gerechtfertigte Art zu erreichen. In seinem zu E 945/2016 ergangenen Erkenntnis gelangte der Verfassungsgerichtshof nach umfassender Darstellung der Rechtsprechung des EuGH zum Ergebnis, dass die Regulierung des Glücksspiels durch den österreichischen Gesetzgeber auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Auswirkungen der sich daraus ergebenden Beschränkungen den unionsrechtlichen Vorgaben entspricht und keine Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols erkennen lässt. An dieser Rechtsansicht hielt der Gerichtshof in weiterer Folge fest (vgl E 3282/2016; E 883/2017; E 2172/2017; E 2341/2017; E 3302/2017; G 286/2019).

[10] 4. Auch der Verwaltungsgerichtshof setzte sich bereits mehrfach mit Fragen der Unionsrechtskonformität des GSpG auseinander. Er ging in seinem Erkenntnis zu Ro 2015/17/0022 – nach eingehender Befassung mit den in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Anforderungen an die Zulässigkeit nationaler Beschränkungen des Angebots von Glücksspielen – davon aus, dass der Spielerschutz sowie Maßnahmen zur Vorbeugung von Spielsucht und zur Reduktion von Kriminalität im österreichischen Glücksspielrecht sukzessive erweitert wurden, dass aber gerade im Onlinebereich eine starke Ausweitung illegalen Glücksspiels durch zahlreiche Anbieter erfolgt, die ihre Angebote äußerst offensiv bewerben, weshalb auch die teilweise expansionistische Geschäfts- und Werbepolitik der Konzessionsinhaber unionsrechtskonform sei. Das mit einem Konzessionssystem verbundene Glücksspielmonopol des Bundes verfolge – auch unter Berücksichtigung des für Landesausspielungen bestehenden Bewilligungssystems für Glücksspielautomaten – die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung sowie der Verhinderung von Kriminalität in kohärenter und systematischer Weise und sei daher nicht unionsrechtswidrig. Daran hielt der Verwaltungsgerichtshof auch in nachfolgenden Entscheidungen fest (vgl Ra 2018/17/0048; Ra 2018/17/0203; Ra 2019/17/0054; Ra 2021/17/0031).

[11] 5. Der Oberste Gerichtshof schloss sich in seiner am 22. 11. 2016 zu 4 Ob 31/16m ergangenen Entscheidung der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts an. Er geht seither in ständiger Judikatur davon aus, dass das im GSpG normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei gesamthafter Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen (insbesondere der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) auf dem Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts entspricht (vgl etwa 4 Ob 5/16p; 4 Ob 160/16g; 4 Ob 174/16s; 6 Ob 124/16b; 4 Ob 268/16i; 4 Ob 229/17f; 4 Ob 125/18p; 3 Ob 57/19g).

[12] 6. Aufgrund der jüngst vom EuGH (Rs Fluctus/Fuentum) sowie bereits zuvor von allen drei Höchstgerichten in ständiger Rechtsprechung angenommenen Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols geht der erkennende Senat davon aus, dass diese Frage abschließend beantwortet ist, woran auch die von der Revisionswerberin als vermeintliche Belege für die Unionsrechtswidrigkeit ins Treffen geführten Umstände nichts zu ändern vermögen.

[13] 7.1. Dass das Berufungsgericht die Frage, ob die Beschränkungen des Angebots von Glücksspielen die damit angestrebten Ziele des Spielerschutzes und der Kriminalitätsbekämpfung in kohärenter und systematischer Weise verfolgen, abweichend von der Rechtsprechung des EuGH gelöst hätte, zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Sie übersieht, dass die Beschränkung von Online-Glücksspielen bereits ihrem Wesen nach geeignet ist, die Gelegenheiten zum Glücksspiel einzuschränken und damit die genannten, im Allgemeininteresse gelegenen und durch das Unionsrecht anerkannten Ziele zu erreichen. Soweit sie argumentiert, dass anstatt des bestehenden Glücksspielmonopols des Bundes auch mit Konzessionsvergaben als „gelinderem Mittel“ das Auslangen gefunden werden hätte können, übergeht sie, dass sich das System des GSpG in der Realität – weil der Bund selbst kein Glücksspiel anbietet – wie ein „gewöhnliches“ Konzessionssystem mit einer beschränkten Anzahl an Konzessionen auswirkt (vgl VfGH E 945/2016; VwGH Ro 2015/17/0022).

[14] 7.2. Auf das vom österreichischen Gesetzgeber verfolgte Ziel der Kriminalitätsbekämpfung geht die Revision nur am Rande ein, indem auf die Beschaffungskriminalität Bezug genommen und behauptet wird, dass nach einer Stellungnahme der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2008 nicht ersichtlich gewesen sei, inwieweit im österreichischen Glücksspielsektor „Probleme der Kriminalität nachgewiesen wurden“; es bestünden auch keine Studien zur Beschaffungskriminalität. Damit übergeht die Rechtsmittelwerberin aber die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach die Ziele der Bekämpfung von Spielsucht sowie von Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspielen gerade aufgrund des im GSpG verankerten Monopol- bzw Konzessionssystems erreicht werden (vgl Ro 2015/17/0022; Ra 2018/17/0048). Insoweit besteht kein Widerspruch zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (E 945/2016), wonach die Spielsucht in Österreich ein grundsätzlich relevantes Problem darstellt. Auf die Verhinderung von Kriminalität gegenüber Spielern – insbesondere durch betrügerische Aktivitäten von Anbietern illegaler Online-Glücksspiele – geht die Revisionswerberin ebensowenig ein, wie auf die nach der Rechtsprechung des EuGH (C‑212/11, Jyske Bank Gibraltar , Rn 62) im öffentlichen Interesse gelegenen Ziele der Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

[15] 7.3. Dass der bisherigen höchstgerichtlichen Judikatur deshalb keine Aussagekraft mehr zukomme, weil sie die aktuelle Werbepraxis der Konzessionsinhaber nicht berücksichtigt habe, überzeugt schon deshalb nicht, weil die Revisionswerberin nicht konkret aufzeigt, inwieweit sich diese Praxis in jüngster Zeit grundlegend geändert haben soll. Die Rechtsmittelwerberin weist selbst darauf hin, dass der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluss vom 30. 3. 2016 zu 4 Ob 31/16m davon ausging, dass die Werbung der Konzessionäre auch den Zweck verfolgt, Personen zur aktiven Teilnahme am Spiel anzuregen, die bisher nicht ohne weiteres zu spielen bereit waren, dass durch zugkräftige Werbebotschaften die Anziehungskraft der angebotenen Spiele erhöht sowie neue Zielgruppen zum Spielen angeregt werden sollten und dass die Werbung der Konzessionäre „laufend“ ausgedehnt wurde. Dennoch erachtete er das im GSpG vorgesehene Monopol- bzw Konzessionssystem aufgrund der zwischenzeitig ergangenen Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts als unionsrechtskonform. Warum von dieser in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht abgegangen werden soll, vermag die Revisionswerberin weder mit ihren Hinweisen auf „seit der letzten OGH‑Entscheidung“ (also jener zu 3 Ob 57/19g) erfolgte Werbemaßnahmen der Konzessionäre, noch mit ihrer Kritik an der mehrfach bestätigten Judikatur des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofs darzulegen. Da sich das Berufungsgericht an der übereinstimmenden Judikatur sämtlicher Höchstgerichte orientierte, ist diesem – entgegen den Revisionsausführungen – keine „gravierende“ (vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende) Fehlbeurteilung vorzuwerfen, zumal die Spiele des Klägers auf der Internetplattform der Beklagten teilweise während eines Zeitraums erfolgten, für den die konkrete Werbepraxis der Konzessionäre bereits umfassend beurteilt wurde. Es ist auch wieder auf die jüngst ergangene Entscheidung des EuGH zu C‑920/19 (Fluctus/Fluentum) hinzuweisen, in der die „aktuellen“ Werbemaßnahmen der österreichischen Konzessionsinhaber als kohärent angesehen wurden.

[16] 7.4. Die Revisionswerberin leitet die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols auch aus der unterschiedlichen Behandlung von Online-Sportwetten und Online-Glücksspielen ab. Während erstere (landesgesetzlich) weitgehend liberalisiert worden seien, weil für ihr Angebot zahlenmäßige unbeschränkte Konzessionen erlangt werden könnten, unterlägen letztere nach § 12a GSpG dem Glücksspielmonopol des Bundes. Diese Differenzierung sei sachlich nicht gerechtfertigt, weil von beiden Angeboten vergleichbare Gefahren ausgingen. Die im österreichischen Glücksspielrecht vorgesehenen Beschränkungen seien daher insgesamt inkohärent, was in der Rechtsprechung (vor allem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts) bisher unbeachtet geblieben sei.

[17] Der Verwaltungsgerichtshof berücksichtigte jedoch in seinem Erkenntnis zu Ra 2018/17/2048 – im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung der Kohärenz des österreichischen Monopol- bzw Konzessionssystems – auch die unterschiedlichen Beschränkungen des Angebots von Online-Sportwetten und Online-Glücksspielen, schloss daraus aber nicht auf eine Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielrechts, zumal nach den landesgesetzlichen Reglungen auch Sportwetten nicht vollständig liberalisiert worden seien. Insoweit zeigt die Revisionswerberin schon aus diesem Grund keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Sie geht im Übrigen selbst davon aus, dass die unterschiedliche Regelung von Online-Sportwetten und Online-Glücksspielen einer kohärenten Beschränkung des Angebots von Glücksspielen nicht per se entgegensteht. Dass nationale Beschränkungen des Angebots von Sportwetten und „herkömmlichem“ Glücksspiel gänzlich ident sein müssten, kann auch der Rechtsprechung des EuGH nicht entnommen werden (vgl Rs  Carmen Media Group , Rn 63, wonach der Umstand, dass einzelne Arten von Glücksspielen einem staatlichen Monopol, andere Arten hingegen anderen Regulierungsvorschriften unterliegen, nicht per se dazu führt, dass die gesetzlichen Maßnahmen ihre Rechtfertigung verlieren; ebenso Rs Stoß Rn 96); ebensowenig, dass die Kohärenz jeder einzelnen Differenzierung im nationalen Glücksspielrecht durch eine empirische Studie untermauert werden müsste (EuGH C‑3/17, Sporting Odds , Rn 63 f; Rs https://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?num=C-390/12&language=DE Rn 51; Rs Stoß Rn 72).

[18] 7.5. Wenn die Revisionswerberin die Inkohärenz des österreichischen Glücksspielrechts – und daher dessen Unionsrechtswidrigkeit – auch daraus ableiten möchte, dass Online-Glücksspiele im Vergleich zu „herkömmlichen“ (also Präsenz‑)Glücksspielen restriktiver geregelt seien (weil für erstere nur eine einzige Konzession vergeben wird, für letztere hingegen mehrere Konzessionen), so ist ihr die Rechtsprechung des EuGH entgegenzuhalten, wonach vom Online-Glücksspiel ein größeres Gefahrenpotential ausgeht (EuGH C‑42/07, Liga Portuguesa, Rn 70). Mit ihrem Argument, die genannte Entscheidung habe die aktuellen technischen Möglichkeiten des Spielerschutzes im Internet unberücksichtigt gelassen, übergeht sie, dass der EuGH auch noch in einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahr 2017 (Rs  Sporting Odds , Rn 41) das von Online-Glücksspielen ausgehende höhere Gefahrenpotential hervorhob. Diese hat sich im vorliegenden Fall auch verwirklicht, kontaktierte die Beklagte den Kläger doch, nachdem er vom Glücksspiel „wegkommen“ wollte, persönlich, um ihn durch das Angebot verschiedener „Vorteile“ zum weiteren Spielen zu animieren.

[19] 7.6. Der Verwaltungsgerichtshof setzte sich in seinem zu Ro 2015/17/0022 ergangenen Erkenntnis auch mit dem Spielerschutz bei Ausspielungen an Video-Lotterie-Terminals („VLT“; diese zählen nach § 12a Abs 2 GSpG zu den Online-Lotterien, weil das Spielergebnis bei diesen Spielautomaten zentral ermittelt wird) einerseits und Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten (bei denen das Spielergebnis dezentral – also durch den Spielautomaten selbst – ermittelt wird) andererseits auseinander, beurteilte diesen Schutz (aufgrund des Verweises in § 12a Abs 3 GSpG auf § 5 Abs 3 bis 6 GSpG) im Wesentlichen als gleichwertig und erachtete das Glücksspielmonopol des Bundes auch in dieser Hinsicht als unionsrechtskonform. Auch zu Ra 2018/17/0048 ging der Verwaltungsgerichtshof bei der unionsrechtlichen Prüfung der österreichischen Rechtslage davon aus, dass Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten einem vergleichbaren ordnungs- und aufsichtsrechtlichen Regime wie die im GSpG geregelten Glücksspiele (also auch Ausspielungen mit VLT) unterliegen. Insoweit geht das Argument der Revisionswerberin, beide Arten von Spielautomaten würden sachlich nicht gerechtfertigt differenziert geregelt, fehl. Soweit die Revisionswerberin die Inkohärenz der Regelungen zu VLT einerseits und Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten andererseits daraus ableiten möchte, dass für erstere nur eine Konzession erteilt wird, wohingegen für letztere bis zu drei Bewilligungen pro Bundesland erteilt werden können, ist sie neuerlich auf die Judikatur des EuGH hinzuweisen, wonach unterschiedliche Regelungen verschiedener Arten von Glücksspielen einer insgesamt kohärenten Beschränkung deren Angebots nicht per se entgegenstehen. Dass die Kohärenz einzelner Differenzierungen nicht in jedem Fall durch eine empirische Studie belegt werden muss, wurde ebenfalls bereits dargelegt.

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