OGH 6Ob167/24p

OGH6Ob167/24p20.9.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A*, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. J*, vertreten durch Mag. Claus Steiner und DDr. Gernot Satovitsch, Rechtsanwälte in Baden bei Wien, wegen Unterlassung und Widerruf, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 5. Juli 2024, GZ 18 R 98/24a‑24, womit das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 15. März 2024, GZ 15 C 502/23m‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00167.24P.0920.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Persönlichkeitsschutzrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.032,90 EUR (darin 172,15 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO):

[2] 1. Zu den bei der Auslegung von Äußerungen anzuwendenden Grundsätzen, insbesondere zu den Fragen, welcher Bedeutungsinhalt letztlich einer bestimmten Äußerung beizumessen ist, ob es sich um die Verbreitung von Tatsachen, einer auf einem wahren Tatsachenkern beruhenden wertenden Meinungsäußerung oder eines reinen Werturteils handelt, besteht bereits ausreichend Rechtsprechung (RS0031883, RS0032212, RS0079395, RS0032489, vgl auch RS0032280, RS0031815, RS0032489, RS0031818, RS0032688, RS0031810, RS0032494, RS0031857, RS0109613, RS0115084, RS0031831, RS0031675, RS0032262).

[3] Dass die Verwendung eines Wortes, das einen strafrechtlichen Tatbestand umschreibt, abhängig vom gebrauchten Kontext und Gesamtzusammenhang einmal als Fachausdruck für die Umschreibung des Vorliegens eines strafrechtlichen Tatbestands verwendet worden sein kann, dagegen ein andermal erkennbar bloß als wertende Kritik, die sich an einem bestimmten Verhalten entzündet, hat der Oberste Gerichtshof ebenso bereits erläutert (vgl zum Wort „Betrug“ 6 Ob 32/21f [ErwGr 2.2. ff]; 6 Ob 32/24k [Rz 21]).

[4] Ob eine andere Beurteilung der festgestellten Äußerung vertretbar gewesen wäre (RS0107768; RS0031883 [T6, T28]) und ob Tatsachen verbreitet wurden oder eine wertende Äußerung vorliegt (RS0031883 [T17, T30]), hängt so sehr von den Umständen des Einzelfalls ab, dass erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO in der Regel – von einer krassen Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen abgesehen – nicht zu klären sind (6 Ob 97/22s [ErwGr 3.]; zuletzt 6 Ob 39/24i [Rz 4]).

[5] 2. Eine krasse Fehlbeurteilung ist im hier zu beurteilenden Einzelfall nicht erkennbar:

[6] Der Beklagte erhob in seinen auch an etliche Tageszeitungen versendeten E‑Mail den Vorwurf, die Klägerin und ein anderer Beamter hätten mit (Anm: einer unrichtig hohen Anzahl von) sechs Polizisten seine Mutter „genötigt“, ihnen (im Zuge einer Amtshandlung) Zugang zu von ihr verwahrten Waffen zu verschaffen. Seinen Text leitete er mit den Worten „Anzeige wegen Amtsmissbrauch“ ein. Ein Inhalt, der auf die Ausübung von „Gewalt oder Drohung“ durch die Klägerin schließen ließe, wird darin nicht geschildert (und es ist nach dem festgestellten Sachverhalt ein solches Verhalten auch nicht gesetzt worden), sodass sich der Vorwurf nicht als bloßes Werturteil auf irgendeinen in der E‑Mail genannten Tatsachenkern zurückführen ließe.

[7] Wenn die Vorinstanzen die mit dieser E‑Mail verbreiteten Äußerungen dahin auslegten, dass damit – nach dem Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfängers (RS0115084) – der Klägerin unterstellt worden sei, gesetzwidrigen Druck (im Sinne von Gewalt oder Drohung) auf die Mutter des Beklagten ausgeübt zu haben, was nach den Feststellungen aber nicht der Fall gewesen sei, und sie meinten, der Vorwurf des Beklagten sei als der einer Nötigung im strafrechtlichen Sinn zu verstehen gewesen, liegt darin gar nicht die „ungünstigste“ Auslegung, sondern vielmehr – wegen der in der E‑Mail auch prominent hervorgestrichenen Verknüpfung mit dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs – das naheliegende Verständnis vom Bedeutungsgehalt seiner Äußerung. Die Entscheidung der Vorinstanzen begegnet daher keinen Bedenken.

[8] 3. Die Kostenentscheidung gründet auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte