European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0080OB00036.24P.0522.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Konsumentenschutz und Produkthaftung
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit jeweils 2.279,33 EUR (darin je 379,89 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer jeweiligen Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Vorinstanzen wiesen übereinstimmend das Begehren der Kläger ab, ihnen die Kosten für die Verbesserung einer von den Beklagten (konkret der Nebenintervenientin als deren Subunternehmerin) mangelhaft erstellten Fassade zuzusprechen, weil diese nicht im Verbesserungsverzug seien. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu den Fragen des Beginns des Verbesserungsverzugs sowie den Anforderungen an eine Mängelrüge, um eine Verbesserungspflicht auszulösen, zu.
[2] Weder das Berufungsgericht noch die Kläger zeigen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Revision ist daher entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):
Rechtliche Beurteilung
[3] 1. Auf den am 14. 8. 2019 abgeschlossenen Bauträgervertrag zwischen den Parteien sind die Bestimmungen des Gewährleistungsrechts in der Fassung vor dem Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz (GRUG; BGBl I 2021/175) anzuwenden (§ 1503 Abs 20 ABGB).
[4] 2.1. Gemäß § 932 Abs 2 und 4 ABGB kann der Übernehmer zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen. Durch den Vorrang der Verbesserung wird sichergestellt, dass der Übergeber zunächst die Gelegenheit bekommt, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen. Die Rechtsbehelfe der zweiten Stufe, Preisminderung oder Wandlung, kann der Übernehmer nur geltend machen, wenn die Verbesserung und der Austausch nicht möglich sind, für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wären oder wenn dieser dem Verlangen des Übernehmers nicht oder nicht in angemessener Frist nachkommt. Ferner kann der Übernehmer die Rechtsbehelfe der zweiten Stufe fordern, wenn die primäre Abhilfe für ihn mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wäre oder wenn ihm die Verbesserung oder der Austausch aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen nicht zumutbar ist (7 Ob 37/21y, vgl RS0120246).
[5] 2.2. Gemäß § 933a Abs 1 ABGB kann der Übernehmer Schadenersatz fordern, wenn der Übergeber den Mangel verschuldet hat. § 933a Abs 1 ABGB schreibt als lex specialis, die den §§ 1295 ff ABGB vorgeht, den Grundsatz der vollen Konkurrenz zwischen Gewährleistung und Schadenersatz explizit im Gesetz fest. Damit wird klargestellt, dass der Übernehmer wegen der vom Übergeber verschuldeten (= schuldhaft nicht vor Übergabe beseitigten) Mängel auch Anspruch auf Schadenersatz hat (5 Ob 65/18x; vgl RS0122651).
[6] 2.3. Als sekundärer Rechtsbehelf – also bei Unmöglichkeit oder Unverhältnismäßigkeit bzw bei Verweigerung oder Verzögerung der Verbesserung oder des Austausches oder aber bei erheblichen Unannehmlichkeiten oder Unzumutbarkeiten für den Unternehmer – kann der Gewährleistungsberechtigte grundsätzlich Geldersatz in Form des Erfüllungsinteresses verlangen (RS0126731 [T2], 1 Ob 138/17a). Voraussetzung für den Ersatz der Verbesserungskosten ist somit, dass der Übernehmer überhaupt einen Anspruch auf Geldersatz hat, der Übergeber also (in concreto) die Verbesserung (zu Unrecht) verweigert hat (RS0126731). Verzug liegt bei vergeblicher Aufforderung zur Verbesserung (bzw Schadensbehebung) vor (RS0018753 [T10]). Danach ist der Übernehmer – jedenfalls dann, wenn der Mangel behebbar ist (RS0126732) – so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde. Das Erfüllungsinteresse besteht zunächst in den Kosten der Mängelbehebung. Als Geldersatz für den Mangelschaden gebühren daher – nach Wahl des Gewährleistungsberechtigten – insbesondere die Verbesserungskosten, die Austauschkosten oder die Ersatzvornahmekosten (RS0131269, 7 Ob 116/21s mwN). Der Berechtigte muss die Kosten der Mangelbeseitigung (die Verbesserungskosten) nicht vorstrecken, sondern kann das Deckungskapital verlangen (8 Ob 144/17k; RS0086353 [T4]; RS0018753 [T6]).
[7] 2.4. Ebenso wie die Auslegung einzelfallbezogener rechtsgeschäftlicher Parteienerklärungen keine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung hat (vgl RS0042936; RS0044358), beruht auch die Frage, ob Verbesserungsverzug oder Vertrauensverlust vorlägen, auf der einzelfallbezogenen Bewertung des jeweiligen Verhaltens der Streitteile (vgl RS0018702 [T8] = RS0122927 [T5] = RS0016577 [T3] schon zum Vertragsrücktritt nach der Rechtslage vor dem GewRÄG, BGBl I 2001/48, und wirft daher – von (hier nicht vorliegenden) Fällen unvertretbarer Fehlbeurteilung abgesehen – keine erheblichen Rechtsfragen auf.
[8] 3. Die Kläger hatten hier diverse (nicht mehr verfahrensgegenständliche) Ausführungsmängel des ihnen von den Beklagten verkauften Hauses geltend gemacht und legten nach Klagseinbringung, mehr als ein Jahr nach Übergabe des neuerrichteten Hauses, zwei Privatgutachten vor, in denen unter anderem auch erstmals Mängel der Wärmedämmfassade angesprochen werden. Die Beklagten beantworteten dies zusammengefasst damit, ihre Leistungen zwar mängelfrei erbracht zu haben, dass die Frage der nunmehr neu aufgeworfenen Fassadenmängel aber durch einen objektiven, in die Sachverständigenliste eingetragenen Gutachter beurteilt werden sollte, und dass bei Objektivierbarkeit der Fassadenmängel eine Sanierung durchgeführt bzw veranlasst würde. Die Kläger dehnten etwa drei Monate später ihr Klagebegehren auf Zahlung der Behebungskosten für Fassadenmängel aus, was die Beklagten unter anderem mit dem Hinweis beantworteten, dass sie die Sanierung objektivierbarer Fassadenmängel zugesagt hätten, kein Verzug mit der Mängelbehebung vorliege und die Kläger daher keinen Anspruch auf Kosten der Ersatzvornahme hätten.
[9] Im weiteren erstinstanzlichen Verfahren verwiesen die Beklagten darauf, dass vor abschließender Erstattung des Gutachtens die Mängel nicht anerkannt würden, woraufhin die Kläger ebenfalls schon vor abschließender Gutachtenserörterung ins Treffen führten, sie würden eine Sanierung durch die Beklagten mangels Vertrauens in sie nicht zulassen: Den Beklagten sei die Möglichkeit der Sanierung gegeben worden, sie hätten dies aber abgelehnt und Mängel verneint.
[10] 4.1. Die Vorinstanzen haben zu dieser Sachverhaltskonstellation übereinstimmend die Ansicht vertreten, dass es an den Voraussetzungen für einen Geldanspruch der Kläger auf das für die Behebung der Fassadenmängel notwendige Deckungskapital fehle.
[11] 4.2. Das Berufungsgericht hat dazu auf Rechtsprechung verwiesen, wonach derjenige, der Gewährleistung geltend macht, konkrete Mängel zumindest durch Beschreibung der auf ihr Vorhandensein hinweisenden Folgen behaupten (3 Ob 150/04m = RS0018731 [T3]) und darauf Bezug nehmend ein konkretes Begehren auf Verbesserung eines konkreten Mangels erheben muss, was hier durch die bloße Übersendung der Privatgutachten und der darauf bloß verweisenden Anwaltsschreiben nicht vorliege; zudem hätten die Beklagten die Behebung nachvollziehbarer objektivierter Mängel zugesagt. Auch durch den gerichtlichen Sachverständigen seien die von den Privatgutachten angesprochenen Mängel vorerst nicht objektivierbar gewesen. Insgesamt sei kein Umstand hervorgekommen, warum den Beklagten vorzuwerfen wäre, sie hätten – ex ante – anhand der Mängelbehauptungen der Kläger die geforderte Fassadenerneuerung durchführen müssen und somit eine solche geschuldete Verbesserung zu Unrecht verabsäumt oder verweigert. Am Fehlen eines Verbesserungsverzugs habe sich auch durch das spätere Gerichtsgutachten, aus dem sich (teils andere, zuvor nicht geltend gemachte) Fassadenmängel ergeben hätten, im Hinblick auf die noch ausstehende Gutachtenserörterung nichts geändert, bevor die Kläger, die auch davor schon nicht Verbesserung, sondern sofort Zahlung begehrt hätten, jede Verbesserung wegen Vertrauensverlustes ausdrücklich abgelehnt hätten, was jedoch durch keinen qualifizierten Vertrauensverlust gerechtfertigt gewesen sei.
[12] 4.3. Diese Ansicht hält sich im Rahmen der Rechtsprechung und des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums.
[13] 5.1. Aus einem der Privatgutachten konnte Kritik an der konkreten Art der Verlegung der Dämmmaterialien abgeleitet werden; mit der Übersendung der Gutachten im Zusammenhalt mit den im Gutachten abgebildeten, im Verfahren aber auch vorgelegten Fotos wurden zwar Hinweise auf Umstände aufgezeigt, die sich später auch nach dem Gerichtsgutachten als Mängel der Fassade konkretisiert haben; die Mehrzahl der anderen, in den Gutachten teils prominent hervorgehobenen Mängel haben sich im Verfahren in der Folge aber gerade nicht bestätigt.
[14] Zudem haben die Beklagten angesichts dieser Informationen angeregt, konkretere und zielgerichtete Überprüfungsschritte vorzunehmen. Die Kläger haben darauf nicht geantwortet, sondern vorerst zugewartet und nach drei Monaten mit ihrer Klagsausdehnung keinen Verbesserungsanspruch, sondern sofort einen Zahlungsanspruch geltend gemacht.
[15] 5.2. Dies ist von den Vorinstanzen unter den Umständen des Einzelfalls vertretbar als verfrüht qualifiziert worden (vgl RS0133663).
[16] 6. Dass sich im vorliegenden Fall aus einer (ursprünglichen) Schlechterfüllung noch keine Unzumutbarkeit der Verbesserung im Sinne von § 933a Abs 1 ABGB (§ 932 Abs 4 ABGB) ableiten lässt, weil dies einen qualifizierten Verlust des Vertrauens in die Kompetenz des Vertragspartners voraussetzen würde, wofür die Mangelhaftigkeit der Leistung für sich allein zumindest im Regelfall noch nicht ausreicht (RS0120247 mwN; vgl auch 8 Ob 5/21z Rz 37), hat bereits das Berufungsgericht aufgezeigt. Dass die Beklagten, etwa trotz Rüge weiterhin mangelhaft geleistet und so ihre Unzuverlässigkeit erwiesen hätten, dass die mangelhafte Leistung „sicherheitsrelevant“ gewesen wäre oder dass bewusstes oder grob fahrlässiges Fehlverhalten vorläge (vgl 4 Ob 96/16w mwN), wird von den Klägern nicht hinreichend substanziiert behauptet. Aus den (nicht mehr revisionsgegenständlichen) Mängeln, hinsichtlich deren Sanierung das Erstgericht die Beklagten (inzwischen rechtskräftig) zur Kostentragung verpflichtet hatte, nicht zuletzt auch angesichts des Kostenumfangs von 4.255 EUR bei einem Gesamtkaufpreis des Hauses von mehr als 280.000 EUR keine qualifizierte Vertrauensunwürdigkeit abzuleiten, ist ebenfalls im Einzelfall zumindest vertretbar.
[17] 7.1. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO stellt sich daher nicht. Die Revision ist damit unzulässig und zurückzuweisen.
[18] 7.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben jeweils auf die fehlende Zulässigkeit der Revision konkret hingewiesen (vgl RS0112296). Der vom Erstgericht ausgesprochene Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 1 und 2 ZPO erfasst nur die vom Prozesserfolg in der Hauptsache abhängigen Kosten und steht der Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision nicht entgegen (RS0129365 [T1, T3]).
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