OGH 7Ob37/21y

OGH7Ob37/21y24.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofrätin und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei KR E* H*, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei F * Privatstiftung, *, vertreten durch Dr. Johann Sommer, Rechtsanwalt in Wien, und deren Nebenintervenientin Mag. M* K*, vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 200.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. Dezember 2020, GZ 5 R 85/20m‑136, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131392

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 8. 6. 2011 von der Beklagten eine Liegenschaft mit Zinshaus.

[2] 1. Im Revisionsverfahren ist nur mehr strittig, ob der Kläger berechtigt ist, statt der Verbesserung der festgestellten Mängel den sekundären Gewährleistungsbehelf der Preisminderung geltend zu machen.

[3] 1.1 Gemäß § 932 Abs 2 und 4 ABGB kann der Übernehmer zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen. Durch den Vorrang der Verbesserung wird sichergestellt, dass der Übergeber zunächst die Gelegenheit bekommt, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen. Die Rechtsbehelfe der zweiten Stufe, Preisminderung oder Wandlung, kann der Übernehmer nur geltend machen, wenn die Verbesserung und der Austausch nicht möglich sind, für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wären oder wenn er dem Verlangen des Übernehmers nicht oder nicht in angemessener Frist nachkommt. Ferner kann der Übernehmer die Rechtsbehelfe der zweiten Stufe fordern, wenn die primäre Abhilfe für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wäre oder wenn ihm die Verbesserung oder der Austausch aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen nicht zumutbar ist. Der Übergeber soll also grundsätzlich eine „zweite Chance“ haben, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen (4 Ob 80/12m mwN; RS0120246).

[4] 1.2 Für „erhebliche Unannehmlichkeiten“ nach § 932 Abs 4 ABGB muss ein vergleichsweise niedriger Belastungsgrad genügen; durch eine weite Auslegung des Ausnahmetatbestands des § 932 Abs 4 ABGB darf dabei der Vorrang der Mängelbeseitigungsansprüche nicht umgangen werden (5 Ob 191/05g = RS0122927 [T2]).

[5] 1.3 Die durchschnittlichen Belastungen des Übernehmers, wie sie mit einer Nacherfüllung regelmäßig verbunden sind, können jedenfalls noch nicht als „erhebliche Unannehmlichkeiten“ gewertet werden, vielmehr muss dazu die Verbesserung durch den Übergeber eine gewisse Härte für den Übernehmer darstellen, die sich aus der Art des Mangels und aus mit der Veranlassung oder der Durchführung der Verbesserung verbundenen Umstände ergeben kann (5 Ob 191/05g = RS0122927 [T3]).

[6] 1.4 Bei der Prüfung, ob eine Nacherfüllung noch nicht mit „erheblichen Unannehmlichkeiten“ einhergeht, sindder konkrete Vertrag und die Umstände des Einzelfalls entscheidend.

[7] 2.1 Die Beurteilung, dass die Verbesserung für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden ist, wäre daher vom Obersten Gerichtshof nur dann zu korrigieren, wenn sie auffallend unrichtig wäre, was hier selbst dann nicht der Fall ist, wenn man – wie die Beklagte – als maßgeblichen Zeitpunkt für ihr Vorliegen nicht jenen der Ausübung des sekundären Gewährleistungsbehelfs, sondern den Schluss der Verhandlung erster Instanz heranzieht. Die Beantwortung der von der Beklagten in diesem Zusammenhang als rechtlich erheblich angesehenen Frage des relevanten Zeitpunkts kann daher dahinstehen.

[8] 2.2 Das Berufungsgericht ging ohnedies auch davon aus, dass der Kläger die mit einer Verbesserung verbundenen erheblichen Unannehmlichkeiten dargelegt habe, selbst wenn zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz nur mehr die Werkstätte im Erdgeschoss, nicht aber auch die übrigen Wohnungen vermietet gewesen waren.Dies folge bereits aus dem Umstand, dass die Beseitigung der bestehendenMängel – Fehlen von zugesicherten Ausstattungsmerkmalen der Wohnung Top 3, Fehlen von Baubewilligungen und Bauanzeigen – Baumaßnahmen (Planung und Ausführung) über einen Zeitraum von 6 und 12 Monatenerfordere.Allein die mögliche Notwendigkeit der Ersatzbeschaffung eines Mietobjekts für bloß einen Mieter bedeute für den Kläger einen erheblichen Aufwand. Zudem wäre eine (Neu‑)Vermietung von Wohnungen während des gesamten Zeitraums sinnvoll nicht möglich, müsste doch der Kläger auch diesen Neumietern aufgrund der in den einzelnen Wohnungen durchzuführenden Baumaßnahmen, aber auch aufgrund der erheblichen Lärm‑ und Staubentwicklung im Zusammenhang mit dem Gesamtumbau, möglicherweise Ersatzquartiere zur Verfügung stellen. Diese Ansicht des Berufungsgerichts ist auch vor dem Hintergrund nicht zu beanstanden, dass aufgrund der Behebungskosten von 240.000 EUR – im Verhältnis zur Preisminderung von 200.000 EUR – eine von der Beklagten veranlasste Behebung selbst für sie nicht von Vorteil wäre.

[9] 2.3.1 Die von der Beklagten erstmals in der Revision aufgestellte Behauptung, der Kläger sei entweder von der Baupolizei bereits aufgefordert worden oder werde noch aufgefordert, den konsensmäßigen Zustand wiederherzustellen, sodass in der Durchführung der dafür erforderlichen Arbeiten durch sie keine erheblichen Unannehmlichkeiten gelegen sein können, ist nicht geeignet, ihren Standpunkt zu stützen. Die in diesem Fall mit der Beklagten und den von ihr notwendigerweise zu beauftragenden Fachfirmen erforderliche Koordination und der damit verbundenen permanenten Abstimmung würde die ohnedies komplexe Abwicklung für den Kläger zweifellos noch erschweren und verzögern.

[10] 2.3.2 Da das Berufungsgericht vertretbar davon ausging, dass der Kläger den sekundären Gewährleistungsbehelf fordern konnte, kommt es auf die Frage der behaupteten Herbeiführung der Unmöglichkeit der Verbesserung durch die Schenkung an seinen Sohn nicht an.

[11] 3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte