OGH 9Ob47/23m

OGH9Ob47/23m27.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Dr. Günther Egger, Dr. Karl Heiss, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei B* Betriebsgesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Mag. Christoph Heel, Rechtsanwalt in Innsbruck, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Priv.‑Doz. Dr. M*, vertreten durch Dr. Sabine Prantner, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen 36.169,24 EUR sA, über die Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 7.500 EUR) sowie der beklagten Partei und des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei (Revisionsinteresse jeweils 17.840 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 24. Mai 2023, GZ 4 R 60/23i‑125, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 10. Februar 2023, GZ 15 Cg 75/19k‑107, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00047.23M.0927.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und dem Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei jeweils die mit 1.000,75 EUR (darin 166,79 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Den Revisionen der beklagten Partei und des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang der Stattgabe des Klagebegehrens (Zuspruch von 17.840 EUR sA) aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin wurde im von der Beklagten betriebenen Krankenhaus am 13. November 2018 an der Brust operiert. Die Operation wurde vom Nebenintervenienten durchgeführt. Das Ergebnis der Operation war kosmetisch nicht zufriedenstellend und die Brüste entsprachen nach der Operation keiner natürlichen Form mehr.

[2] Die Klägerin hatte den Nebenintervenienten am 4. Juli 2018 in dessen Ordination aufgrund eines akuten gynäkologischen Problems aufgesucht. Im Zuge der Untersuchung klagte sie über ständige Nacken‑ und Rückenschmerzen, die sie auf ihre Brüste zurückführte. Der Nebenintervenient erklärte ihr, dass man die Brüste in einem operativen Eingriff verkleinern und auch straffen könne. Um eine Kostenübernahme durch die Gebietskrankenkasse zu erlangen, müsse man die medizinische Indikation prüfen. Der Nebenintervenient stellte daraufhin bei der zuständigen – damals noch – Gebietskrankenkasse einen Antrag auf Kostenübernahme. Dieser Antrag wurde zunächst abgewiesen. Nachdem die Klägerin einen orthopädischen Befund für die Operationsindikation vorlegen konnte, wurde die Kostenübernahme von der Gebietskrankenkasse bewilligt.

[3] In weiterer Folge kam es zu einer privaten Einladung des Nebenintervenienten bei der Klägerin, bei der auch über die bevorstehende Operation gesprochen wurde. Der Nebenintervenient erklärte der Klägerin, dass man entweder Eigenfett oder Implantate einbringen könne, um ein weiteres Sinken der Brust zu verhindern. Als die Klägerin aus ästhetischen Gründen den Wunsch äußerte, dass bei ihr Implantate eingesetzt werden sollten, erklärte er ihr auch, dass die Krankenkasse die Kosten der Implantate nicht ersetzen werde. Aufgrund ihres freundschaftlichen bzw verwandtschaftlichen Verhältnisses bot er ihr an, die Implantate gratis zur Verfügung zu stellen. Er erklärte ihr, dass das Resultat möglicherweise gleichmäßiger wäre, wenn zwei Eingriffe gemacht würden. Als die Klägerin entgegnete, dass sie aus beruflichen Gründen nicht zwei Eingriffe wolle, meinte er, dass er die Implantate auch gleich im Zuge des ersten Eingriffs einbringen könne, womit die Klägerin einverstanden war. Ihr war klar, dass die Brustverkleinerung medizinisch indiziert war, hingegen das Einbringen der Implantate nicht.

[4] Am 7. November 2018 suchte die Klägerin gemeinsam mit ihrem Ehegatten den Nebenintervenienten in seiner Ordination zur Besprechung der Operation auf. Zunächst wurde die Form und die Größe des Implantats besprochen. Er erklärte, dass geplant sei, die Implantate unter dem Brustmuskel einzubringen. Er erklärte der Klägerin den Grund für seine Vorgangsweise und wies daraufhin, dass die Schmerzen durch die Lage unter dem Muskel größer sein würden. Der Nebenintervenient legte der Klägerin den Aufklärungsbogen über eine Brustverkleinerung/Brust-straffung vor und ging mit ihr diesen Aufklärungsbogen durch. Er klärte die Klägerin insbesondere über mögliche Komplikationen wie über eine mögliche Blutung, Nachblutung, Fibrose oder über ein kosmetisches Unerwünschtsein auf. Er klärte sie auch auf, dass bei elektiven und medizinisch nicht indizierten Implantat‑Augmentationen zusätzliche Probleme wie Kapselfibrose, Dislokation und Schmerzen bei submuskulärer Implantation auftreten können.

[5] Die Klägerin willigte mit ihrer Unterschrift auf dem Aufklärungsbogen in den geplanten Eingriff ein.

[6] Die Operation wurde vom Nebenintervenienten lege artis durchgeführt. Gegenüber dem zuständigen Krankenversicherungsträger war nicht erwähnt worden, dass eine Brustvergrößerung mit einem Implantat geplant war. Aus der rechten Brust wurden 119 Gramm und aus der linken Brust 370 Gramm entfernt. Gleichzeitig wurde eine Brustvergrößerung durchgeführt, indem beidseits 180 Gramm Silikonimplantate eingebracht wurden. Somit waren die Brüste nach der Operation nahezu gleich schwer wie vorher. Durch diesen Eingriff wurde die medizinische Indikation der Gewichtsreduktion der Brüste nicht beseitigt. Aus plastisch-chirurgischer Sicht war der gesamte Eingriff keine Brustverkleinerung, weil es zu (nahezu) keiner Gewichtsreduktion kam. Der Eingriff stellte vielmehr eine kombinierte Straffungs‑ und Vergrößerungsoperation dar.

[7] Nach dem Eingriff lag bei der Klägerin ein mangelhaftes kosmetisches Ergebnis vor, das nicht auf etwaige Komplikationen zurückzuführen, sondern als schicksalhaft anzusehen ist. Ob die Implantate verrutscht waren oder zu hoch eingebracht waren, steht nicht fest.

[8] In der Folge traten bei der Klägerin Schmerzen auf. Der Nebenintervenient besprach mit der Klägerin, dass eine Korrekturoperation mit Entfernung bzw Neuanlage der Silikonimplantate durchzuführen sein werde, wenn sich die Schmerzen nicht besserten. Er schlug der Klägerin eine Revisionsoperation vor. Die Klägerin suchte eine plastische Chirurgin auf, die ihr ebenfalls empfahl, eine neuerliche Operation durchführen zu lassen. Da diese Chirurgin nicht bei der Beklagten angestellt war, konnte dem Wunsch der Klägerin diese möge die Nachfolgeoperation durchführen, nicht entsprochen werden. Der Nebenintervenient bot der Klägerin stattdessen an, dass er gemeinsam mit der Chirurgin die Operation durchführe. Die Klägerin wollte dann von diesem Eingriff nichts mehr wissen. Sie unterzog sich am 7. Mai 2019 bei einem anderen plastischen Chirurgen einer Korrekturoperation, bei der ein für die Klägerin zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden konnte.

[9] Die Klägerin musste 7.500 EUR für die Revisionsoperation zahlen. Bei diesem Eingriff wurden neuerlich Implantate eingebracht. Das neuerliche Einbringen von Implantaten war kein medizinisch indizierter, sondern ein ästhetischer Eingriff. Im Falle eines Ausbleibens des Implantats wäre das Volumen der Brust deutlich geringer gewesen und das Ausmaß der Straffung hätte anders ausfallen müssen. Grundsätzlich hätte die Klägerin die Revisionsoperation auch in einer öffentlichen Krankenanstalt durchführen lassen können.

[10] Für ein präoperatives Gespräch mit der plastischen Chirurgin bezahlte die Klägerin 120 EUR. Weiters musste sie für eine Kompressions-Bandage und weitere Heilbehelfe 186 EUR zahlen. Für Physiotherapien und Heilmassagen, die durch das Einbringen der Implantate notwendig wurden, fielen der Klägerin Kosten in der Höhe von 784 EUR an, für eine Kontrolluntersuchung beim Operateur 79,24 EUR.

[11] In ihrer Familie erledigt vor allem die Klägerin die Hausarbeiten, wobei sie von ihrem Gatten unterstützt wird. Nach der Operation war sie in ihrer Haushaltsführung eingeschränkt, wobei das genaue Ausmaß der Einschränkung nicht feststeht. Sie litt nach der ersten Operation an Schmerzen und war in der Bewegungsfähigkeit ihrer Arme eingeschränkt. Das Heben von schweren Lasten und Überkopfarbeiten waren für sie erschwert. Im Dezember 2018 begann die Klägerin wieder zu arbeiten, wobei sie insbesondere bei Überkopfarbeiten noch Unterstützung brauchte.

[12] Eine Komplikation bei einer Brustvergrößerung ist die Kapselfibrose, bei der die sich immer bildende Bindegewebekapsel, die sich um das Silikonimplantat legt, nicht weich und zart, sondern vielmehr dick, hart und fest wird. Bei der Position über dem Muskel ist die Verhärtung deutlicher und leichter spürbar, bei der Position unter dem Muskel ist eine derartige Verhärtung weniger deutlich spürbar, weil das Muskelgewebe das Implantat ummantelt. Bei der Klägerin trat eine Kapselfibrose der Stufe 1 bis 2 auf (dislozierte Feststellung des Erstgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung). Die Klägerin musste allein aufgrund der Einbringung der Implantate Schmerzen erleiden, wobei das genaue Ausmaß dieser Schmerzen nicht feststellbar ist; jedenfalls überstiegen die Schmerzen in komprimierter Form nicht 21 Tage starke Schmerzen, 32,78 Tage mittelstarke Schmerzen und 56,56 Tage leichte Schmerzen.

[13] Die Klägerin erlitt durch den Eingriff seelische Schmerzen mit Krankheitswert und zwar eine Anpassungsstörung (ICD-10 F43.2) in Verbindung mit einer dysmorphophoben Symptomatik (leichtgradige Form einer Dysmorphophobie; ICD-10 F45.21) bei veränderter äußerer Form der körperlichen Integrität. In diesem Zusammenhang erlitt sie Schmerzen schweren Grades als dauernde acht Tage, Schmerzen mittleren Grades als dauernde 18 Tage und Schmerzen leichten Grades als dauernde 22,5 Tage. Diese Schmerzperioden überschneiden sich zur Gänze mit den Schmerzperioden, die sich aus dem Sachverständigengutachten aus dem Fachgebiet der plastischen Chirurgie ergeben.

[14] Die Klägerin begehrte gegenüber der Beklagten Schadenersatz in Höhe von (zuletzt) 36.169,24 EUR sA, bestehend aus Schmerzengeld von 26.000 EUR sowie Kosten der Revisionsoperation von 7.500 EUR, des präoperativen Gesprächs mit der plastischen Chirurgin von 120 EUR, einer Haushaltshilfe von 1.500 EUR, einer Kompressionsbandage von 186 EUR, der Physiotherapie und Heilmassage von 784 EUR und des Selbstbehalts für die Korrekturoperation von 79,24 EUR. Die Aufklärung durch den Nebenintervenienten sei mangelhaft gewesen. Entgegen der Aufklärung seien die Implantate nicht auf der Brustmuskulatur, sondern unter der Brustmuskulatur eingebracht worden, was laut Operationsbericht erst während der Operation entschieden worden sei. Der Nebenintervenient habe nicht darüber aufgeklärt, dass ein kosmetisch nicht zufriedenstellendes Ergebnis möglich sei. Beim Aufklärungsgespräch am 7. November 2018 habe die Klägerin nur einen Aufklärungsbogen für eine Brustverkleinerung unterzeichnet, wobei ein entsprechendes Aufklärungsgespräch nicht stattgefunden habe. Richtigerweise hätte auch über die Brustvergrößerung mit Implantaten aufgeklärt werden müssen, die diesbezüglichen Risiken seien nicht erörtert worden, so zB, dass es zum Verrutschen der Implantate kommen könne. Der Aufklärungsbogen für eine Brustvergrößerung sei wesentlich umfangreicher, sei der Klägerin aber nie zu Gesicht gekommen. Wäre die Klägerin ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hätte sie die Operation nicht durchführen lassen. Auch sei die Operation nicht lege artis durchgeführt worden.

[15] Die Beklagte bestritt und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Am 7. November 2018 sei die Klägerin darüber aufgeklärt worden, dass die Implantate unter der Brustmuskulatur eingebracht würden, es sei auch darauf hingewiesen worden, dass ein kosmetisch nicht zufriedenstellendes Ergebnis entstehen könne. Die Klägerin habe erklärt, den Aufklärungsbogen verstanden zu haben und keine weiteren Fragen zu haben, sodass es auch keiner weiteren Überlegungsfrist mehr bedurft habe. Die Operation sei lege artis erfolgt und ohne Komplikationen verlaufen. Später habe sich eine schmerzhafte Kapselbildung um die Implantate gezeigt sowie eine leichte Dislokation der Implantate. Die Leiden der Klägerin seien schicksalshaft gewesen. Die Beklagte sei überdies hinsichtlich der Brustvergrößerung nicht passiv legitimiert, weil ein Behandlungsvertrag nur über die Brustverkleinerung zustande gekommen sei, sodass ihr ein etwaiges Fehlverhalten des Nebenintervenienten diesbezüglich nicht zuzurechnen sei. Die Kosten der Revisionsoperation würden nicht zustehen, weil sich die Beklagte bereit erklärt habe, die Korrekturoperation durchzuführen, wodurch keine Kosten zu Lasten der Klägerin entstanden wären.

[16] Der Nebenintervenient trat dem Verfahren auf Seiten der Beklagten bei. Die Klägerin sei mündlich und schriftlich hinsichtlich der Implantate umfassend und vollinhaltlich aufgeklärt worden und habe daher rechtswirksam eingewilligt. Selbst wenn sie nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre, hätte sie dem Eingriff jedenfalls zugestimmt. Das Schmerzengeldbegehren sei überhöht.

[17] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 25.419,24 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren über 10.750 EUR ab. Die Beklage habe als Vertragspartnerin der Klägerin für die nachteiligen Operationsfolgen der Brustvergrößerung zu haften, auch wenn diese nicht aufgrund eines Behandlungsfehlers eingetreten seien, weil die Form der Aufklärung nur mündlich statt schriftlich erfolgt sei und somit gegen § 5 des Bundesgesetzes über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen (ÄsthOpG) verstoßen habe. Die entstandenen Schmerzen würden nach § 273 ZPO ein Schmerzengeld von 16.000 EUR rechtfertigen. Für die der Klägerin nicht zumutbaren Haushaltstätigkeiten habe sie insgesamt nur 50 Stunden Unterstützung benötigt, wobei die Höhe des Stundensatzes mit 15 EUR anzunehmen sei, woraus sich ein Zuspruch von 750 EUR ergebe. Der Klägerin seien auch die Kosten der Revisionsoperation von 7.500 EUR zu ersetzen, weil es sich dabei um einen ästhetischen Eingriff gehandelt habe, der auch bei Durchführung in einem öffentlichen Krankenhaus nicht von der Krankenkasse ersetzt worden wäre. Weiters seien ihr die Kosten für das präoperative Gespräch von 120 EUR, der Kompressionsbandage von 186 EUR, der Physiotherapien und Heilmassagen von 784 EUR und des Selbstbehalts für die Kontrolluntersuchung von 79,24 EUR zu ersetzen.

[18] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht und jener der Beklagten und des Nebenintervenienten teilweise Folge, sodass es die Entscheidung des Erstgerichts dahin abänderte, dass es der Klägerin nur 17.840 EUR sA zusprach und das Mehrbegehren von 18.329,24 EUR abwies. Die Haftung der Beklagten ergebe sich aus § 5 ÄsthOpG, weil es an einer verständlichen schriftlichen Aufklärung über die Möglichkeit einer Kapselfibrose, des Verrutschens der Implantate, ihrer Funktionsfähigkeit und Lebensdauer sowie etwaiger Folgekosten fehle. Der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens sei nach dem ÄsthOpG nicht zulässig, sodass sich Feststellungen zum hypothetischen Willen der Klägerin bei schriftlicher Aufklärung über die Brustvergrößerung erübrigen würden. Die Beklagte sei auch hinsichtlich der Brustvergrößerung passiv legitimiert, weil die vorliegende Operation im Hinblick auf die Verletzung von Aufklärungspflichten als einheitlicher Vorgang zu werten sei. Die fehlende rechtswirksame Einwilligung in die Brustvergrößerung schlage auch auf die Brustverkleinerung durch, sodass sich die gesamte Operation als rechtswidrig erweise und die nachteiligen Folgen beider Operationsschritte der Beklagten als Vertragspartnerin zuzurechnen seien. Die Bemessung des Schmerzengeldes durch das Erstgericht sei nicht zu beanstanden. Hinsichlich der Revisionsoperation wäre eine günstigere Möglichkeit zur Beseitigung der negativen Folgen des Eingriffs vom 13. November 2018 zur Verfügung gestanden. Diese Kosten (der Revisionsoperation von 7.500 EUR und der Kontrolle von 79,24 EUR) könne die Klägerin daher nicht als zweckmäßigen Aufwand geltend machen.

[19] Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht mangels Vorliegens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Schriftlichkeit der Aufklärungs-verpflichtung nach § 5 ÄsthOpG und zur Frage zu, ob diesbezüglich der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens erhoben werden könne.

[20] Dagegen richten sich die Revisionen der Klägerin, der Beklagten und des Nebenintervenienten. Die Klägerin beantragt in ihrer Revision die Wiederherstellung des dem Klagebegehren stattgebenden Ersturteils im Umfang von 7.500 EUR. Die Beklagte und der Nebenintervenient beantragen in ihren Revisionen jeweils die Abweisung des Klagebegehrens zur Gänze; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

[21] In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Streitteile jeweils, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[22] Die Revision der Klägerin ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblicher Bedeutung nicht zulässig. Die Revisionen der Beklagten und des Nebenintervenienten sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Zur Revision der Klägerin

[23] 1.1. Die Klägerin bekämpft in ihrer Revision (nur) die Abweisung der Kosten für die Revisionsoperation von 7.500 EUR durch das Berufungsgericht. Diesbezüglich sei das Berufungsgericht zu Unrecht von der Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit ausgegangen und es habe diese entgegen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ex ante, sondern ex post beurteilt. Aufgrund der mangelnden Aufklärung liege eine Schutzgesetzverletzung vor, weswegen die Beklagte dafür beweispflichtig sei, dass die Implantate nicht zu hoch eingebracht worden seien. Die diesbezüglich getroffene Negativfeststellung gehe somit zu ihren Lasten und es sei von einem Behandlungsfehler auszugehen. Die Klägerin habe jedenfalls davon ausgehen dürfen, dass ein Behandlungsfehler vorliege, weswegen der Vertrauensverlust evident sei.

[24] 1.2. Aus § 1304 ABGB ergibt sich die Verpflichtung des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten (RS0027043). Es stellt daher einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht dar, wenn der Geschädigte Handlungen gesetzt hat, die geeignet waren, den Schaden zu vergrößern und von einem verständigen Durchschnittsmenschen – objektiv beurteilt – nicht gesetzt worden wären, und dies der Geschädigte bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen und er dieser Einsicht nach hätte handeln können (RS0023573). Die Verletzung der Pflicht zur Schadensminderung ist nicht aus einer ex‑post‑Betrachtung zu beurteilen (RS0026909 [T1a, T5]).

[25] Was dem Geschädigten im Rahmen der Schadensminderungspflicht zumutbar ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile und den Grundsätzen des redlichen Verkehrs (RS0027787). Aufgrund ihrer Einzelfallbezogenheit stellen sich regelmäßig keine Rechtsfragen von iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblicher Bedeutung (RS0022681 [T7]; RS0027787 [T18]).

[26] 1.3. Die Bejahung der Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit überschreitet den dem Berufungsgericht zukommenden Beurteilungsspielraum im vorliegenden Fall nicht.

[27] Die Negativfeststellung darüber, ob die Implantate verrutscht waren oder zu hoch eingebracht waren, ändert nichts an der weiters getroffenen Feststellung, wonach der Eingriff lege artis erfolgte und das Ergebnis als schicksalshaft anzusehen ist. Unabhängig davon ist – wie die Klägerin in der Revision selbst zutreffend ausführt – eine ex‑post‑Betrachtung nicht entscheidend, sodass es auch nicht auf die im gegenständlichen Verfahren erzielten Ergebnisse des Sachverständigengutachtens ankommt, sondern auf das Sachverhaltsbild, das sich der Klägerin im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, die Revisionsoperation nicht (unstrittig: ohne weitere Kosten) im Krankenhaus der Beklagten durchführen zu lassen, präsentierte. Wenn das Berufungsgericht dementsprechend davon ausging, dass der von der Klägerin aus dem unerwünschten kosmetischen Ergebnis allein abgeleitete Vertrauensverlust nicht gerechtfertigt sei, ist dies – angesichts der der Klägerin zuvor mitgeteilten Möglichkeit eines solchen kosmetischen Unerwünschtseins und der vom Nebenintervenienten angebotenen gemeinsamen Durchführung der Revisionsoperation mit der plastischen Chirurgin der Klägerin – nicht korrekturbedürftig. Die Behauptung der Klägerin in der Revision, wonach die von ihr zugezogene plastische Chirurgin die Revisionsoperation nicht gemeinsam mit dem Nebenintervenienten durchführen hätte können, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wonach ihr dies angeboten und lediglich die Durchführung der Revisionsoperation durch die plastische Chirurgin allein im von der Beklagten betriebenen Krankenhaus abgelehnt wurde.

[28] 1.4. Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Klägerin somit zurückzuweisen.

[29] 1.5. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte und der Nebenintervenient haben auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers hingewiesen (RS0035979 [T16]).

2. Zu den Revisionen der Beklagten und des Nebenintervenienten

[30] 2.1.1. Als Verfahrensmangel und Aktenwidrigkeit rügt die Beklagte, dass das Erstgericht ihr Vorbringen zum Vorliegen eines Behandlungsvertrags nicht vollständig und richtig wiedergegeben habe. Die Beklagte habe mehrfach vorgebracht, dass ein Behandlungsvertrag hinsichtlich der Brustverkleinerung bestehe, nicht jedoch zur Einbringung der Implantate. Hinsichtlich der vom Vertrag umfassten Leistungen liege daher kein Aufklärungsmangel vor.

[31] 2.1.2. Dem ist zunächst zu entgegnen, dass die tatsächliche oder vermeintliche unrichtige Wiedergabe des Prozessvorbringens einer Partei im angefochtenen Urteil für die Überprüfung der Richtigkeit der Entscheidung ohne Bedeutung ist; insbesondere liegt darin keine Aktenwidrigkeit (RS0041814).

[32] 2.1.3. Im Übrigen liegt weder ein wesentlicher Verfahrensmangel noch eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor. Auch den Revisionsausführungen liegt zugrunde, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten ein Behandlungsvertrag bezüglich der Brustverkleinerung zustande kam. Mangels Auftretens einer anderen die Beklagte vertretenden Person kann diesen Vertrag nur der Nebenintervenient für die Beklagte abgeschlossen haben. Die Beklagte gesteht damit zu, dass der Nebenintervenient – zumindest in diesem Umfang – zur Vertretung der Beklagten befugt war und er überdies in ihrem Namen aufgetreten ist.

[33] Nach dem festgestellten Sachverhalt präsentierte der Nebenintervenient der Klägerin einen einheitlichen operativen Eingriff, der zusätzlich zur Brustverkleinerung auch eine Einbringung von Implantaten umfasste und erkennbar im von der Beklagten betriebenen Krankenhaus durchgeführt werden sollte. Aus welchen Gründen angesichts dieses Sachverhalts die Einbringung von Implantaten nicht genauso Teil des Behandlungsvertrags geworden sein soll, lässt sich der Revision der Beklagten nicht entnehmen. Insbesondere behauptet sie keine (wirksame) Einschränkung der dem Nebenintervenienten zukommenden Vertretungsmacht. Das Auftreten des Nebenintervenienten und die dargelegten Umstände, insbesondere den vereinbarten einheitlichen Operationsvorgang, musste die Klägerin jedenfalls so verstehen (RS0019516; RS0019500), dass dieser einen einheitlichen Behandlungsvertrag schließen wollte, der auch die Einbringung der Implantate umfasste. Dass der Nebenintervenient den Vertrag über bestimmte Operationsleistungen im fremden Namen, über andere jedoch im eigenen Namen abschließen wollte, kann bei dieser Sachlage nicht angenommen werden.

[34] 2.1.4. Da folglich auch die Einbringung der Implantate Teil des Behandlungsvertrags mit der Beklagten wurde, sind die Revisionsausführungen der Beklagten, wonach der eingetretene Schaden nicht bei Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen zugefügt worden sei (RS0028566), nicht begründet. Ihr ist das Verhalten des Nebenintervenienten vielmehr gemäß § 1313a ABGB auch in Bezug auf die Einbringung der Implantate (und die Aufklärung hierüber) zuzurechnen.

[35] Ausgehend von einem einheitlichen, die Einbringung von Implantaten umfassenden Behandlungsvertrag kann auch die Behauptung der Beklagten, dass die Klägerin unter Ausnützung der Ressourcen der Beklagten eine über den Behandlungsvertrag hinausgehende Leistung kostenlos erhalten hätte und sie sich die Kosten einer Brustoperation anrechnen lassen müsse, zu keinem anderen Ergebnis führen. Ob die Operation „aus orthopädischer Sicht kontraproduktiv“ war und sozialversicherungsrechtlich eine Kostentragung (nicht) gerechtfertigt war, betrifft das Verhältnis der Klägerin zum Sozialversicherungsträger und führt im Hinblick auf die vorliegenden Umstände des Einzelfalls weder zur Unwirksamkeit oder Sittenwidrigkeit des geschlossenen Behandlungsvertrags noch zum Ausschluss von Schadenersatzansprüchen daraus. Das Erstgericht ging in diesem Zusammenhang (im Rahmen der Beweiswürdigung) davon aus, dass der Nebenintervenient die Klägerin informierte, dass die Implantatanlage keine medizinische Indikation darstelle. Aus dem von der Beklagten selbst vorgelegten, ihrem Inhalt nach unstrittigen (und daher der Entscheidung zugrunde zu legenden: RS0121557 [T3]; RS0040083 [T1]) Aufklärungsbogen ergibt sich überdies, dass die Klägerin erklärte, darüber informiert zu sein, dass die Krankenkasse die – auch die Einbringung von Implantaten vorsehende – Operation nur bei medizinischer Indikation übernimmt, und sich bereit erklärte, die Behandlung selbst zu bezahlen, ohne Rücksicht darauf, ob sie von anderer Seite eine Kostenerstattung erhalte. Ein kollusives Zusammenwirken der Klägerin und des Nebenintervenienten beim Abschluss des Behandlungsvertrags zum Nachteil eines Dritten ist daraus nicht abzuleiten.

[36] 2.2.1. Die Beklagte steht weiters auf dem Standpunkt, dass ein Schadenersatzanspruch der Klägerin nicht auf eine Aufklärungspflichtverletzung nach dem ÄsthOpG gestützt werden könne, weil dieses infolge Vorliegens einer teilweisen medizinischen Indikation nicht anwendbar sei.

[37] 2.2.2. Das ÄsthOpG dient dem vorbeugenden Schutz der Gesundheit und körperlichen Unversehrtheit von Patientinnen (Patienten) sowie dem Schutz vor Komplikationen und unerwünschten Folgen bei der Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen ohne medizinische Indikation (§ 1 Abs 1 ÄsthOpG). Ästhetische Behandlungen und Operationen ohne medizinische Indikation sind dann vom ÄsthOpG erfasst, wenn sie ärztliche Tätigkeiten gemäß § 2 Abs 2 Ärztegesetz 1998 sind und sie dürfen diesfalls (vorbehaltlich § 1 Abs 3 und 4 ÄsthOpG) nur nach Maßgabe des ÄsthOpG durchgeführt werden (§ 1 Abs 2 ÄsthOpG). Nach § 3 Abs 1 Z 1 ÄsthOpG ist eine „Ästhetische Operation“ eine operativ-chirurgische Behandlung zur Herbeiführung einer subjektiv wahrgenommenen Verbesserung des optischen Aussehens oder der Verschönerung des menschlichen Körpers oder der ästhetischen Veränderung des körperlichen Aussehens einschließlich der Behandlung altersbedingter äußerlicher Veränderungen des Körpers ohne medizinische Indikation.

[38] 2.2.3. Der hier gegenständliche Eingriff zeichnet sich dadurch aus, dass für einen Teil der Operation (Brustreduktion) eine medizinische Indikation vorlag und für einen weiteren Teil (Einbringen von Implantaten zur Brustvergrößerung) nicht.

[39] In der Literatur wird in einer solchen Konstellation differenziert: Erfolge durch den ästhetischen Eingriff eine nicht nur unwesentliche Operationserweiterung verbunden mit einer nicht nur unwesentlichen Risikoerhöhung, seien auch die gesetzlichen Anforderungen des ÄsthOpG zu erfüllen; sei hingegen die ästhetische Verbesserung des Aussehens mit keiner wesentlichen Operationserweiterung verbunden, gleichsam ein Nebenprodukt der medizinisch indizierten Operation, liege ein medizinisch indizierter Eingriff vor und seien demnach lediglich die allgemeinen Anforderungen an einen medizinischen Eingriff zu erfüllen (Pitzl/Huber, Aufklärungs‑, Einwilligungs‑ und Informationspflichten nach dem ÄsthOpG, RdM 2014/82, 85 [86]).

[40] Die Anwendung der Bestimmungen des ÄsthOpG bei nur teilweisem Fehlen einer medizinischen Indikation überzeugt jedenfalls im – hier vorliegenden – Fall, in dem die medizinisch nicht indizierte Operationserweiterung mit einer wesentlichen Risikoerhöhung (hier: Risiko einer Kapselfibrose, das sich auch tatsächlich verwirklichte) verbunden ist. Dafür spricht schon, dass die Bestimmungen des ÄsthOpG, insbesondere jene über die ärztliche Aufklärung (§ 5 ÄsthOpG) und über die Einwilligung (§ 6 ÄsthOpG), dem Schutz der Gesundheit und der körperlichen Unversehrtheit der PatientInnen dienen (§ 1 Abs 1 ÄsthOpG). Diese Ziele sind auch bei Aufnahme anderer Operationsinhalte in eine einheitlich durchgeführte Operation gleichermaßen beachtlich, zumal andernfalls die Gefahr einer Umgehung des Schutzzwecks des ÄsthOpG bestünde.

[41] 2.2.4. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass im vorliegenden Fall das ÄsthOpG jedenfalls auf den Teil der Operation anzuwenden ist, der mit einer wesentlichen Risikoerhöhung verbunden war (Einbringung von Implantaten zur Brustvergrößerung). Die Frage, ob die Bestimmungen des ÄsthOpG hingegen dann nicht zur Anwendung kommen, wenn die ästhetische Verbesserung des Aussehens mit keiner wesentlichen Operationserweiterung verbunden ist, sich also gleichsam als Nebenprodukt der medizinisch indizierten Operation darstellt (so Pitzl/Huber, RdM 2014, 86), muss mangels Vorliegens eines solchen Sachverhalts nicht geklärt werden.

[42] 2.3.1. Die Beklagte und der Nebenintervenient bestreiten überdies das Vorliegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht, weil die Klägerin auch schriftlich über Fibrosen aufgeklärt worden sei. Damit sind sie nicht im Recht.

[43] 2.3.2. Nach § 5 Abs 1 ÄstOpG hat die Ärztin bzw der Arzt vor der Durchführung einer ästhetischen Operation die Patientin bzw den Patienten klar und verständlich über die in den Z 1 bis 9 genannten Inhalte umfassend mündlich und schriftlich in einer für medizinische Laiinnen bzw Laien verständlichen Sprache aufzuklären. Aufzuklären ist danach insbesondere über Funktionsfähigkeit und Lebensdauer der verwendeten Implantate (§ 5 Abs 1 Z 3 ÄsthOpG), mögliche Abweichungen des in Aussicht gestellten Ergebnisses (§ 5 Abs 1 Z 5 ÄsthOpG), mit dem Eingriff verbundene Komplikationen sowie deren Behandlungsmöglichkeiten (§ 5 Abs 1 Z 6 ÄsthOpG), allfällig erforderliche Nachfolgeoperationen (§ 5 Abs 1 Z 7 ÄsthOpG) und sämtliche im Zusammenhang mit dem Eingriff stehende Kosten einschließlich zu erwartender Folgekosten (§ 5 Abs 1 Z 9 ÄsthOpG).

[44] Der Nebenintervenient ging vor der Operation mit der Klägerin zwar den Aufklärungsbogen „Brustverkleinerung/Bruststraffung“ durch und klärte sie insbesondere über eine mögliche Blutung, Nachblutung, Fibrose und über ein kosmetisches Unerwünschtsein auf, sodass die Aufklärung insofern mündlich und schriftlich erfolgte. Betreffend die Einbringung der Implantate erfolgte aber lediglich die (mündliche) Aufklärung, dass bei elektiven und medizinisch nicht indizierten Implantat‑Augmentationen zusätzliche Probleme wie Kapselfibrose, Dislokation und Schmerzen bei submuskulärer Implantation auftreten können. Diese Aufklärung erfolgte entgegen § 5 Abs 1 ÄsthOpG (bis auf den am Aufklärungsbogen handschriftlich vermerkten Hinweis „Kapselfibrose“) nicht schriftlich, bestand bloß in der Anführung medizinischer Fachausdrücke und enthielt keine für medizinische Laien verständliche nähere Erklärung, die für die Abschätzung der Tragweite dieser Komplikationen erforderlich wäre; entgegen § 5 Abs 1 Z 6 ÄsthOpG wurde auch über die Behandlungsmöglichkeiten dieser Komplikationen nicht aufgeklärt. Die Revision der Beklagten geht zudem auf die – zutreffende – Argumentation des Berufungsgerichts nicht weiter ein, dass über die Funktionsfähigkeit und die Lebensdauer der Implantate (§ 5 Abs 1 Z 3 ÄsthOpG) sowie über etwaige Folgekosten (§ 5 Abs 1 Z 9 ÄsthOpG) nicht aufgeklärt wurde.

[45] 2.3.3. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass keine dem § 5 Abs 1 ÄsthOpG entsprechende Aufklärung erfolgte, ist somit nicht zu beanstanden. Nach § 6 ÄsthOpG darf eine ästhetische Operation nur durchgeführt werden, wenn die Patientin bzw der Patient nach umfassender ärztlicher Aufklärung (§ 5 ÄsthOpG) ihre bzw seine Einwilligung nachweislich dazu erteilt hat. Eine nicht erfolgte oder mangelhafte Aufklärung verhindert daher eine wirksame Einwilligung der Klägerin für den ärztlichen Eingriff in die körperliche Integrität (4 Ob 172/22f Rz 17).

[46] Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten handelt es sich bei dem Verstoß gegen das Schriftformgebot auch nicht bloß um einen „Formalfehler“, der nicht zu einer Haftung der Beklagten führt. Beweiszwecken dient in erster Linie die Pflicht des Arztes zur schriftlicher Dokumentation (§ 5 Abs 4 und 5 ÄsthOpG) und das Schriftlichkeitsgebot für die Erteilung der Einwilligung (§ 6 Abs 2 ÄsthOpG; idS auch 6 Ob 120/18t ErwGr 2.4.). Davon zu unterscheiden ist die Pflicht des Arztes nach § 5 Abs 1 ÄsthOpG, die Aufklärung (auch) schriftlich zu erteilen. Dies dient nicht (nur) Beweiszwecken, sondern soll erkennbar auch sicherstellen, dass der Patient tatsächliche Kenntnis von den relevanten Informationen erhält, die mitunter umfänglich und in einem mündlichen Gespräch in ihrer Bedeutung und Tragweite nicht leicht einschätzbar sind. Gleichzeitig fördert die Schriftlichkeit der Aufklärung, dass sich der Patient der Ernsthaftigkeit der jeweiligen Information besser bewusst wird. Das Schriftformgebot des § 5 Abs 1 ÄsthOpG ist überdies im Zusammenhang mit der Wartefrist des § 6 Abs 1 ÄsthOpG zu sehen, deren Schutzzweck (ebenfalls) darin besteht, den Patienten eine reifliche Überlegung und Reflexion zu ermöglichen, um eine Einwilligung in die Behandlung oder allenfalls ihre Zurückziehung möglich zu machen (Maleczky in Neumayr/Resch/Wallner, GmundKomm2 § 6 ÄsthOpG Rz 7). Diese reifliche Überlegung und Reflexion wird durch eine schriftliche Aufklärung gefördert, weil der Patient die Informationen innerhalb der Wartefrist jederzeit verfügbar hat, sie nachlesen und nachprüfen kann. Das Schriftformgebot des § 5 Abs 1 ÄsthOpG ist somit Ausdruck der Selbstbestimmung, sodass ein Verstoß dagegen zu einer mangelhaften Aufklärung des Patienten führt, was – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – Schadenersatzansprüche auslösen kann (aA offenbar Maleczky in Neumayr/Resch/Wallner, GmundKomm2 § 5 ÄsthOpG Rz 10).

[47] 2.4.1. Die Beklagte und der Nebenintervenient bestreiten nicht, dass im Fall einer – wie hier mangels ausreichender Aufklärung nach § 5 ÄsthOpG – eigenmächtigen Behandlung der Arzt nicht nur für die Risiken haftet, über die er aufzuklären gehabt hätte und für die er eine Aufklärung unterließ, sondern für alle nachteiligen Folgen (4 Ob 172/22f Rz 23; vgl RS0026783), etwa auch für die Verwirklichung besonders seltener Risiken, für die gar keine Aufklärungspflicht bestand (vgl RS0026511 [T5]). Die Beklagte wendet sich vielmehr gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach der Einwand des Schädigers ausgeschlossen sei, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Verhalten eingetreten sei, also der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zur ärztlichen Maßnahme erteilt hätte.

Dazu wurde erwogen:

[48] 2.4.2. Ein wesentlicher Grundsatz der gesetzlichen Verschuldenshaftungstatbestände ist, dass (nur) für durch rechtswidriges Verhalten schuldhaft zugefügte Schäden zu haften ist. Der Geschädigte soll so gestellt werden, wie er stünde, wenn das rechtswidrige Verhalten unterblieben wäre. Wäre der eingetretene Schaden aber auch bei gebotenem bzw rechtmäßigem Verhalten eingetreten, steht dem Schädiger in der Regel der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens zu. Wer wegen Verletzung einer Schutzvorschrift haftet, kann sich von der Haftung daher durch den Beweis befreien, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich vorschriftsmäßig verhalten hätte (RS0027364). Es kommt zu einer Haftungsfreistellung des rechtswidrig handelnden Täters, wenn er denselben Nachteil auch durch ein rechtmäßiges Verhalten herbeigeführt hätte (RS0111706).

[49] 2.4.3. Nach der Rechtsprechung bedarf ein Ausschluss dieses Rechtfertigungsgrundes einer besonderen Begründung und ist auf einen sehr engen Bereich zu beschränken (vgl nur 1 Ob 248/14y). Beispiele für Fälle, in denen dieser Einwand außer Betracht zu bleiben hat, finden sich besonders für das Gebiet der Amtshaftung. So wird etwa für eine ohne richterlichen Befehl vorgenommene Freiheitsentziehung vertreten, dass sich der beklagte Rechtsträger nicht darauf berufen kann, die Haft wäre auch vom zuständigen Richter verhängt worden und dabei derselbe Schaden eingetreten (RS0027498). In solchen Fällen erfülle der Schadenersatzanspruch auch eine Sanktions‑ und Präventionsfunktion, sodass bei Nichtbeachtung des vorgesehenen Verfahrens der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens unbeachtlich sei. Verschiedentlich wird danach unterschieden, ob Vorschriften ein mit besonderen Sicherheitsgarantien ausgestattetes Verfahren gewährleisten sollen bzw ob ein streng ausgestaltetes Verfahren dem besonderen Schutz hochrangiger Güter dient (5 Ob 52/11z mwN aus der Rechtsprechung). Die bloße Verletzung von Zuständigkeitsvorschriften, allgemeiner oder „bloßer“ Verfahrensvorschriften oder Formalfehler können den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens hingegen regelmäßig nicht ausschließen (vgl RS0125828). Ob einer Schutznorm diese Anordnung entnommen werden kann, ist im jeweiligen Einzelfall durch Auslegung des Zwecks der verletzten Schutznorm zu ermitteln (5 Ob 229/20t Rz 14; 1 Ob 12/10m; RS0027498).

[50] 2.4.4. Grundlage für eine Haftung des Arztes wegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht ist in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, in dessen körperliche Integrität durch den ärztlichen Eingriff eingegriffen wird (RS0118355). Der Schutz des Selbstbestimmungsrechts kommt auch in der Aufklärungspflicht des § 5 Abs 1 ÄsthOpG zum Ausdruck, dessen Zweck es ist, dem Patienten eine bewusste Entscheidung und reifliche Überlegung ohne Zeitdruck zu ermöglichen (ErläutRV 1807 BlgNR 24. GP  9).

[51] Zur Wartefrist des § 6 Abs 1 ÄsthOpG wurde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dementsprechend gefolgert, dass Aufklärungs‑ und/oder Einwilligungsdefizite im Kontext des ÄsthOpG zivilrechtlich dazu führen, dass die ästhetische Behandlung oder Operation als rechtswidriger Eingriff in die körperliche Integrität beurteilt werden muss, wenn der Eingriff vor Ablauf der Frist erfolgt (RS0132247). Ein Ausschluss des Einwands eines rechtmäßigen Alternativverhaltens wird bei Verletzung der Wartefrist des § 6 Abs 1 ÄsthOpG allerdings nicht angenommen (4 Ob 172/22f Rz 30; 5 Ob 229/20t Rz 13, 15), obwohl auch die Wartefrist des § 6 Abs 1 ÄsthOpG – wie die Aufklärung des § 5 Abs 1 ÄsthOpG – bezweckt, dem Patienten eine informierte und reflektierte Entscheidung über die ärztliche Behandlung bzw Operation zu ermöglichen.

[52] Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vor dem ÄsthOpG bzw außerhalb seines Anwendungsbereichs), wonach dem Arzt ganz grundsätzlich der Beweis offen steht, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zu der ärztlichen Maßnahme erteilt hätte (RS0108185; RS0038485; RS0111528 [T1 und T8]).

[53] Mit den in der Rechtsprechung genannten Ausnahmefällen, in denen der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens ausgeschlossen wird, ist eine Verletzung der Aufklärungspflicht des § 5 Abs 1 ÄsthOpG nicht vergleichbar. Das präoperative „Verfahren“ zur Aufklärung und Einwilligung dient letztlich der Durchsetzung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten und hat keinen darüber hinausgehenden (Selbst‑)Zweck, wie dies bei (staatlichen) Eingriffen in die Freiheit der Fall ist. Die Sanktions‑ und Präventionsfunktion kann durch die Strafbestimmungen des StGB und des (§ 11) ÄsthOpG hinreichend erfüllt werden, zumal es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des ÄsthOpG an der bestehenden Rechtsprechung zur Zulässigkeit des Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens etwas ändern wollte.

[54] Für die Unzulässigkeit des Einwands des rechtmäßigen Alternativverhaltens spricht auch nicht, dass ein Verzicht auf die ärztliche Aufklärung nach § 5 Abs 1 letzter Satz ÄsthOpG rechtsunwirksam ist (zweifelnd Pitzl/Huber, RdM 2014, 88 f). Die Frage der Wirksamkeit eines Verzichts auf eine (dem Patienten dann nicht bekannte) Aufklärung, ist von der jener zu unterscheiden, ob bei durchgeführter (richtiger, vollständiger, schriftlicher und mündlicher) Aufklärung eine Einwilligung erteilt worden wäre.

[55] 2.4.5. Daraus folgt, dass auch bei den hier vorliegenden Aufklärungsdefiziten iSd § 5 Abs 1 ÄSthOpG, die dazu führen, dass eine ästhetische Operation als rechtswidriger Eingriff in die körperliche Integrität zu beurteilen ist, dem behandelnden Arzt der im Schadenersatzrecht nur in Ausnahmefällen ausgeschlossene Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens zusteht. Da zu dieser Frage keine Feststellungen getroffen wurden, erweist sich die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen als unumgänglich.

[56] 2.5.1. Entgegen der Ansicht der Beklagten und des Nebenintervenienten ist auch der auf die Leistung von Schmerzengeld gerichtete Teil des Klagebegehrens nicht entscheidungsreif.

[57] 2.5.2. Das Erstgericht führte (disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung; Ersturteil Seite 13) aus, dass die Klägerin durch das Einbringen der Implantate unzweifelhaft Schmerzen zu erleiden hatte. Nach den Feststellungen überschnitten sich die aufgrund der psychischen Erkrankung erlittenen und festgestellten Schmerzperioden auch zur Gänze mit den als Maximalwert festgestellten und in ihrem genauen Ausmaß im Übrigen nicht feststellbaren Schmerzperioden. Mit der Behauptung, dass die Klägerin keine oder keine „relevanten“ Schmerzen erlitt, gehen die Beklagte und der Nebenintervenient somit nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Aufgrund der getroffenen (wenn auch zum Teil Negativ‑)Feststellungen liegt auch der in den Revisionen dazu weiters behauptete sekundäre Feststellungsmangel nicht vor.

[58] 2.5.3. Soweit die Beklagte und der Nebenintervenient einen Anspruch auf Schmerzengeld mit dem Argument verneinen, es handle sich um „Sowieso‑Schmerzen“, legen sie nicht dar, inwiefern die Klägerin die erlittenen Schmerzen „sowieso“ erleiden hätte müssen. Die Schmerzen sind nach den Feststellungen jedenfalls auf den Eingriff zurückzuführen und die Beklagte haftet im Fall seiner Rechtswidrigkeit infolge mangelhafter Aufklärung für alle aus dem Eingriff resultierenden nachteiligen Folgen (4 Ob 172/22f Rz 23; RS0026783).

[59] 2.5.4. Ob das Schmerzengeld von den Vorinstanzen in seinem Ausmaß zutreffend ermittelt wurde oder es – wie die Beklagte und der Nebenintervenient in ihren Revisionen behaupten – überhöht bemessen ist, betrifft hingegen die Frage der Höhe des Anspruchs, die sich im derzeitigen Verfahrensstadium, in dem der Grund des Anspruchs noch nicht abschließend geklärt ist, nicht stellt.

[60] 2.6.1. Insgesamt hält die angefochtene Entscheidung der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht Stand. Zufolge sekundärer Verfahrensmängel sind die Entscheidungen der Vorinstanzen in Stattgebung der Revisionen der Beklagten und des Nebenintervenienten aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren sind daher Feststellungen darüber zu treffen, ob die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung (oben ErwGr 2.3.2.) die Zustimmung zur gegenständlichen Operation gleichermaßen erteilt hätte.

[61] 2.6.2. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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