OGH 5Ob167/22b

OGH5Ob167/22b24.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden ParteiW*, vertreten durch MMag. Astrid Zörer, Rechtsanwältin in Lambach, gegen die beklagte ParteiP*, vertreten durch Dr. RolandGabl RechtsanwaltsKG in Linz, wegen Zivilteilung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen dasUrteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. Juli 2022, GZ 6 R 29/22k‑45, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 3. Dezember 2021, GZ 3 Cg 81/19w‑39, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00167.22B.1124.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind Kosten des weiteren Verfahrens.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile sind je Hälfteeigentümer einer Liegenschaft mit dem darauf errichteten, derzeit nicht bewohnten Wohnhaus. Die Realteilung durch Wohnungseigentumsbegründung an zwei Wohnungen im Sinn des im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten konkreten Teilungsvorschlags des Beklagten ist möglich. Zwischen den Streitteilen ist im Revisionsverfahren aber noch strittig, ob es durch eine derartige Realteilung zu einer beträchtlichen Verminderung des Werts der gemeinschaftlichen Sache kommt.

[2] Der Kläger begehrt Zivilteilung und begründet dies – soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich – damit, dass die Realteilung aufgrund des teilungsbedingten Wertverlustes im Fall der Wohnungseigentumsbegründung unmöglich und aufgrund unverhältnismäßig hoher Teilungskosten auch untunlich sei.

[3] Der Beklagte wendet im Wesentlichen ein, die Naturalteilung der Liegenschaft durch Wohnungseigentumsbegründung sei möglich, zumal das Haus aus zwei getrennten und abgeschlossenen Wohnungen im Parterre und im 1. Stock bestehe. Zu einer beträchtlichen Wertverminderung im Fall der Wohnungseigentums-begründung komme es nicht, diese könne überdies durch Ausgleichszahlung ausgeglichen werden.

[4] Das Erstgericht gab dem Zivilteilungsbegehren statt. Es stellte einen Verkehrswert der Liegenschaft (fiktiv lastenfrei) von 344.000 EUR fest. Der fiktive Gesamtverkehrswert der im Sinn des Realteilungsvorschlags des Beklagten zu bildenden Wohnungen nach erfolgter Realteilung betrage 266.000 EUR, der Kostenaufwand, um die Voraussetzungen für die Begründung von Wohnungseigentum zu schaffen, zusätzlich zumindest 10.000 EUR. Die Naturalteilung sei möglich, wenn die Sache ohne wesentliche Wertminderung geteilt werden könne und rechtliche Hindernisse dem nicht entgegenstehen. Eine der Realteilung entgegenstehende Wertminderung sei aber bereits anzunehmen, wenn der Verlust 20 % vom Gesamtwert der Liegenschaft betrage. Hier ergebe sich rechnerisch eine prozentuelle Wertminderung der Liegenschaft durch Wohnungseigentumsbegründung von 26 %, was der Realteilung entgegenstehe.

[5] Das Berufungsgericht gab der Revision des Beklagten nicht Folge. Dem Argument, dem Wert des jeweiligen Hälfteanteils an der Liegenschaft sei der jeweilige Wert der Eigentumswohnung gegenüber zu stellen, hielt es entgegen, damit vermische der Berufungswerber die Beurteilung, ob eine Realteilung eine beträchtliche Minderung des Werts der gemeinsamen Sache bewirke, mit jener, ob das wertmäßige Verhältnis der nach der Realteilung zugewiesenen Teile den Anteilen der Miteigentümer entspricht (im Sinn der Gleichwertigkeit der Anteile). Um den Wertverlust der gemeinsamen Sache im Fall der Realteilung zu ermitteln, sei der festgestellte Gesamtverkehrswert der zu bildenden Wohnungen nach erfolgter Realteilung von 266.000 EUR unter Berücksichtigung der Kosten für die Schaffung von Wohnungseigentum in Höhe von 10.000 EUR, insgesamt daher 256.000 EUR, in ein Verhältnis zum ermittelten Verkehrswert der ungeteilten Liegenschaft von 344.000 EUR zu setzen. Rechnerisch führe es im Übrigen zum selben Ergebnis, wenn man den halben Liegenschaftswert vor der Teilung mit dem Wert der jeweiligen Eigentumswohnung nach der Teilung vergleiche. Die Auffassung des Erstgerichts, eine Wertminderung von rund 26 % sei beträchtlich und mache die Realteilung unzulässig, bewege sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

[6] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Berufungsgericht mit 30.000 EUR übersteigend, ließ die ordentliche Revision aber nicht zu, weil die Frage der Möglichkeit oder Tunlichkeit einer Realteilung stets eine Einzelfallbeurteilung sei.

[7] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten, in der er die Abänderung im Sinn einer Abweisung des Zivilteilungsbegehrens, hilfsweise eine Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht anstrebt.

[8] Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung der Vorinstanzen mit der danach ergangenen Entscheidung des erkennenden Senats 5 Ob 114/22h nicht übereinstimmt. Sie ist im Sinn ihres Eventualantrags auch berechtigt.

[10] In seiner außerordentlichen Revision führt der Beklagte ins Treffen, die Vorinstanzen hätten bei der Ermittlung der Wertminderung im Fall der Realteilung durch Wohnungseigentumsbegründung fälschlich den Verkehrswert der ungeteilten Liegenschaft mit dem Verkehrswert der künftigen Wohnungseigentumsobjekte verglichen. Bei Zugrundelegung der Verkehrswerte nach Miteigentums-anteilen wäre ein Abschlag wegen Miteigentums vorzunehmen gewesen, womit sich eine andere Berechnungsgrundlage ergeben hätte. Dies entspreche der höchstgerichtlichen Entscheidung 5 Ob 122/16a und der Lehre (Edlauer/Muhr/Reinberg, Die Begründung von Wohnungseigentum im Teilungsverfahren, [richtig:] immolex 2020, 290).

Hierzu wurde erwogen:

[11] 1. Beide Vorinstanzen und auch die Parteien gehen zutreffend davon aus, dass die Begründung von Wohnungseigentum als Sonderform der Realteilung (RIS‑Justiz RS0106352; RS0013236 [T2]) der Zivilteilung grundsätzlich vorgeht (RS0013236). Für sie gelten daher auch die für die Realteilung nach § 843 ABGB aufgestellten Grundsätze.

[12] 2. Die Realteilung ist möglich, wenn die Sache ohne wesentliche Wertminderung geteilt werden kann und rechtliche Hindernisse nicht entgegenstehen (RS0110440; RS0013230 [T1]; RS0013831 [T5]; RS0013852 [T5]); sie ist tunlich, wenn eine Sache ohne Notwendigkeit eines unverhältnismäßig großen Wertausgleichs in Teile zerlegt werden kann, sodass der Wert des Ganzen in den Teilen erhalten bleibt (RS0013831 [T3]; RS0013852 [T7]). Geringfügige Wertunterschiede können allerdings in Geld ausgeglichen werden, weil andernfalls die vom Gesetz bevorzugte Realteilung nur in den seltensten Fällen verwirklicht werden könnte (RS0013856 [T8]; RS0013854 [T3, T4]).

[13] 3. Die Frage der Möglichkeit und Tunlichkeit einer Realteilung ist grundsätzlich eine Einzelfallbeurteilung, die nur bei einer groben Überschreitung des Beurteilungsspielraums eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RS0013852 [T12, T13]; 5 Ob 121/21m mwN). Hier kann aber die Frage einer beträchtlichen Wertminderung im Fall der Realteilung durch Wohnungseigentumsbegründung aufgrund der getroffenen Feststellungen noch nicht abschließend beurteilt werden:

[14] 4. Eine der Realteilung durch Wohnungseigentumsbegründung entgegenstehende „beträchtliche“ Wertminderung hat der Oberste Gerichtshof bei 3,84 % (5 Ob 103/17h), 5,28 % (6 Ob 712/87), 11,76 % (5 Ob 109/21x) und 12,55 % (5 Ob 121/21m) – unter Berücksichtigung auch der absoluten Höhe des Wertverlustes – (noch) verneint, hingegen bei 15 % (7 Ob 651/76) oder darüber liegenden Prozentsätzen bejaht (5 Ob 61/04b: 41 %). In der Entscheidung 5 Ob 132/11i hatte der Fachsenat die Rechtsansicht, eine Wertverminderung von 12,6 % oder 13,5 % sei beträchtlich und die Realteilung daher untunlich, in Anbetracht der absoluten Höhe des Wertverlustes als nicht korrekturbedürftig angesehen.

[15] 5. Wesentlicher Streitpunkt im Revisions-verfahren ist die Frage, wie der Wert der zu teilenden Liegenschaft zur Beurteilung der beträchtlichen Wertminderung zu bestimmen ist, also unter Berücksichtigung des Miteigentums und der bestehenden Eigentümerstruktur oder unter der Annahme von Alleineigentum. Die auf das Sachverständigengutachten gegründete Feststellung des Erstgerichts zum (fiktiv lastenfreien) Verkehrswert der Liegenschaft von 344.000 EUR bezieht sich auf den Wert der ungeteilten Liegenschaft, somit unter Annahme des Alleineigentums. Ein Abschlag für das bestehende Miteigentum floss in diesen Betrag nicht ein.

[16] 6. Die Ermittlung der Höhe des Verkehrswerts nach den jeweiligen spezifischen Umständen ist zwar nach der Rechtsprechung (RS0043122 [T7, T11]; RS0043704 [T1, T5]; 5 Ob 122/16a) Tatfrage, die nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann. Dies gilt etwa für den aus dem schlichten Miteigentum an der Liegenschaft abgeleiteten Abschlag vom üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr zu erzielenden Preis. Hat der Sachverständige allerdings aufgrund einer unzutreffenden Rechtsansicht oder eines zu wenig konkretisierten Gutachtensauftrags nicht die zur rechtlichen Beurteilung maßgeblichen Tatfragen ermittelt, kann daraus auch ein – im Rahmen der Rechtsrüge geltend zu machender (vgl RS0043304) – sekundärer Feststellungsmangel resultieren. Dies ist hier der Fall.

[17] 7. In der ausführlich begründeten Entscheidung 5 Ob 114/22h nahm der Fachsenat zu der auch hier maßgeblichen Frage jüngst Stellung. Er verwies darauf, dass bei der Beurteilung der Möglichkeit einer Realteilung von der objektiven gegenwärtigen Beschaffenheit der Gesamtliegenschaft auszugehen ist (RS0015827), fiktive Sachverhalte demgegenüber außer Betracht zu bleiben haben (5 Ob 122/16a; 5 Ob 60/22t). Bereits zu 5 Ob 60/22t hatte der Fachsenat unter Hinweis auf 5 Ob 122/16a ausgesprochen, dass bei der Ermittlung des Werts der ungeteilten Sache das schlichte Miteigentum zu berücksichtigen ist. (Auch) Die Vorschriften über die Liegenschaftsbewertung bieten keine Handhabe für den Sachverständigen fiktive Sachverhalte in seine Beurteilung einzubeziehen. Zu 5 Ob 122/16a war die Maßgeblichkeit des vom Sachverständigen unter Berücksichtigung des schlichten Miteigentums ermittelten Verkehrswerts bestätigt worden. Diese Grundsätze wurden in der Entscheidung 5 Ob 114/22h bekräftigt.

[18] 8. Bei der Ermittlung des Werts der Liegenschaft vor der Teilung ist demnach das schlichte Miteigentum und die bestehende Eigentümerstruktur zu berücksichtigen. Im Fall der Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum bezieht sich die Wertminderung daher auf das Wertverhältnis zwischen den bisher schlichten Miteigentumsanteilen und den künftigen Wohnungseigentumsobjekten. Es darf durch die Begründung von Wohnungseigentum zu keiner beträchtlichen Wertminderung der bisherigen Miteigentumsanteile kommen. Der Verkehrswert der bisherigen schlichten Miteigentumsanteile darf nicht beträchtlich höher sein als der Verkehrswert der künftigen Wohnungseigentumsobjekte. Zum Vergleich ist die Summe der bisherigen Miteigentumsanteile und nicht der Verkehrswert der fiktiv im Alleineigentum stehenden Liegenschaft heranzuziehen (unter Verweis auf Edlauer/Muhr/Reinberg, Die Begründung von Wohnungseigentum im Teilungsverfahren, immolex 2020, 290; Call Glosse zu 5 Ob 161/04p wobl 2004/83; unter Ablehnung der Meinung von Arthold, Realteilung durch WE‑Begründung, wobl 2022, 226 f; RS0134132).

[19] 9. Daran ist festzuhalten. Auch hier darf für die Beurteilung einer allfälligen durch die Begründung von Wohnungseigentum eintretenden Wertminderung daher nicht der Wert der gesamten Liegenschaft im Alleineigentum herangezogen werden, sondern die Summe der Verkehrswerte der bisherigen Miteigentumsanteile. Der Beklagte behauptet dazu, aufgrund des Miteigentumsanteils sei jedenfalls ein Abschlag vorzunehmen. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, rechnerisch sei dies nicht der Fall, entbehrt einer Grundlage im Beweisverfahren, hat doch der Sachverständige seine Bewertung eindeutig auf die ungeteilte Liegenschaft (im Alleineigentum) abgestellt. Der vom Erstgericht auf dieser Basis festgestellte Wert einer – hypothetisch – im Alleineigentum stehenden Liegenschaft ist aber für den Vergleich mit dem Wert der bei Realteilung durch Wohnungseigentumsbegründung entsprechend dem Teilungsvorschlag des Beklagten entstehenden Eigentumswohnungen nicht maßgeblich.

[20] 10. Aus diesem Grund waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Das Erstgericht wird – nach Ergänzung des Sachverständigengutachtens – Feststellungen zur Summe der Verkehrswerte der Miteigentumsanteile und der im Fall der Wohnungseigentumsbegründung eintretenden Wertminderung zu treffen haben. Erst dann wird die Frage nach der Möglichkeit und/oder Tunlichkeit der Realteilung durch Wohnungseigentumsbegründung abschließend rechtlich beurteilt werden können.

[21] 11. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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