European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00060.22T.0811.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Streitteile sind Miteigentümer einer Liegenschaft, auf der sich ein 1869 errichtetes Zinshaus mit 23 Wohnungen, drei Geschäftslokalen und zwei Rohdachböden befindet. Die Klägerin begehrte die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch Zivilteilung, in eventu sei die Miteigentumsgemeinschaft durch Realteilung aufzuheben.
[2] Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit der dieses das auf Zivilteilung gerichtete Hauptbegehren abgewiesen und dem Eventualbegehren stattgegeben hatte. Die mit der Naturalteilung durch Begründung von Wohnungseigentum verbundene Wertminderung sowie die Teilungskosten seien unwesentlich und stünden damit dieser Form der Realteilung nicht entgegen. Die Beklagten hätten sich zu einem für die Begründung von Wohnungseigentum notwendigen Flächenausgleich unter Verzicht auf eine Ausgleichszahlung durch die Klägerin bereit erklärt, sodass auch insoweit kein Teilungshindernis vorliege. Der mit dem Eventualbegehren angestrebten Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum komme gegenüber der Zivilteilung der Vorrang zu, weswegen das Hauptbegehren abzuweisen sei.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen kann. Das ist kurz zu begründen:
[4] 1.1 Gemäß § 843 ABGB ist die Naturalteilung die Regel und die Zivilteilung die Ausnahme. Das Gesetz räumt der Realteilung damit den Vorrang ein. Die Zivilteilung kommt nur in Betracht, wenn eine Naturalteilung nicht möglich ist. Dies gilt auch für die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch Begründung von Wohnungseigentum nach § 3 Abs 1 Z 3 WEG, die eine Sonderform der Naturalteilung bildet (RIS‑Justiz RS0106352; RS0106351).
[5] 1.2 Im Verfahren über die Teilungsklage ist darüber abzusprechen, ob grundsätzlich die Möglichkeit einer Liegenschaftsteilung durch Begründung von Wohnungseigentum besteht (RS0101774). Ist das der Fall, ist ein Klagebegehren auf Zivilteilung abzuweisen (RS0013236). Die Frage der Möglichkeit und Tunlichkeit einer Realteilung ist aber immer eine Einzelfallbeurteilung, die nur bei einer groben Überschreitung des den Gerichten bei Lösung dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraums eine erhebliche Rechtsfrage begründen könnte (vgl RS0112673 [T2]; RS0013851 [T5]). Das ist hier nicht der Fall:
[6] 1.3 Nach ständiger Rechtsprechung hat bei Realteilung jeder Miteigentümer einen Teil von annähernd gleicher Beschaffenheit und gleichem Wert zu erhalten (RS0013851). Dies gilt auch im Fall der Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum (RS0013851 [T3]). Der Naturalteilung einer Liegenschaft kommt nach der Rechtsprechung aber auch dann der Vorrang zu, wenn ein Teilstück höherwertiger als ein ideeller Anteil bliebe, sofern der auf Zivilteilung geklagte Miteigentümer mit der Zuweisung des geringerwertigen Teils ohne Verlangen einer Ausgleichszahlung einverstanden ist (RS0126365; RS0013838). In einem solchen Fall kommt es dann auch nicht darauf an, dass alle Teilhaber dem Wert nach gleichbehandelt werden müssen und nur geringfügige Wertunterschiede in Geld ausgeglichen werden können (5 Ob 133/14s mwN).
[7] 1.4 Die prozessuale Klarstellung der Beklagten, auf eine Ausgleichszahlung gegenüber derKlägerin zu verzichten und mit einer entsprechenden Verminderung ihrer Anteile einverstanden zu sein, weil dieser wegen ihres geringen Anteils sonst kein adäquates Objekt zugewiesen werden könnte, ist damit beachtlich. Dass das Berufungsgericht diese Erklärung in seine Beurteilung miteinbezogen hat, entspricht der dargestellten Rechtsprechung. Der Umstand, dass die Naturalteilung durch Begründung von Wohnungseigentum die Gemeinschaft des Eigentums an der Liegenschaft nicht beseitigt, sondern sie in anderer Form festlegt (RS0121971 [T1]; vgl RS0013264), bietet entgegen der Argumentation der Klägerin keinen Anlass, von diesen Grundsätzen abzugehen. Mit ihrer Forderung, auch „beim Zinshaus [müsse] eine reale und in der Praxis auch relevante Möglichkeit der Zivilteilung bleiben, weil der Primat der Realteilung nicht so weit gehen [dürfe], dass dem allgemeinen Teilungsgebot des ABGB im Sinn einer Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft der Boden entzogen wird“, kann sie daher keine Fehlbeurteilung aufzeigen.
[8] 2. Die weitere Argumentation der Klägerin in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel zielt im Wesentlichen darauf ab, dass die Ausbaufähigkeit der beiden Dachböden (mit dem Grundwert) bei der Ermittlung des Werts der ungeteilten Sache zu berücksichtigen sei, bei der Wertermittlung unter der Annahme der Begründung von Wohnungseigentum hingegen nicht, weil diese dann als Allgemeinfläche gewidmet seien. Unter dieser Annahme ergebe sich eine Wertminderung der Liegenschaft bei Begründung von Wohnungseigentum, die einer Realteilung entgegenstehe.
[9] 2.1 Die Realteilung ist untunlich, wenn sie zu einer beträchtlichen Wertminderung der geteilten Sache im Vergleich zur ungeteilten Sache führt (RS0110440; RS0013831 ua). Dabei ist von der objektiven gegenwärtigen Beschaffenheit der Gesamtliegenschaft auszugehen (RS0015827). Bei der Ermittlung des Werts der ungeteilten Sache ist somit das bestehende schlichte Miteigentum zu berücksichtigen. Fiktive Sachverhalte haben demgegenüber außer Betracht zu bleiben (vgl 5 Ob 122/16a). Dass bei Zivilteilung ein potenzieller (Allein‑)Ersteher alleine über den Dachbodenausbau entscheiden könne, bei Naturalteilung durch Wohnungseigentum die beiden Dachböden hingegen im Allgemeineigentum verblieben, wie die Klägerin meint, um zu begründen, warum bei der Gegenüberstellung der Schätzwerte die Ausbaufähigkeit der Dachböden nur bei der ungeteilten Sache wertmäßig zu berücksichtigen sei, bei der Ermittlung des Werts der geteilten Sache hingegen nicht, ist damit ohne Bedeutung.
[10] 2.2 Der erkennende Senat hat vielmehr bereits ausgesprochen, dass die mögliche Wertschöpfung durch einen Ausbau des Dachgeschosses einer Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum nicht entgegensteht (5 Ob 109/21x). Die rein faktische Möglichkeit der Verwertung eines Dachbodens hängtnämlich nicht von der Art der Teilung ab. Ob eine Zivil‑ oder Realteilung durch Wohnungseigentumsbegründung erfolgt, verändert ein mögliches Wertschöpfungspotenzial nicht (5 Ob 133/14s). Damit kann die Klägerin mit ihrer Argumentation zur möglichen Widmung der beiden Rohdachböden als Allgemeinflächen im Sinn des § 2 Abs 4 WEG auch nicht aufzeigen, dass das Berufungsgericht das ihm eingeräumte Ermessen überschritten hätte, weil es bei der Gegenüberstellung der Schätzwerte die Ausbaufähigkeit der Dachböden wertmäßig auch für den Fall der Realteilung durch Begründung von Wohnungseigentum berücksichtigte, indem es diese beiden Räume als selbständig wohnungseigentumstauglich qualifizierte und in die Gesamtbetrachtung miteinbezog. Die Naturalteilung wäre auch nicht unzulässig, ließe man beim Vergleich des Werts der geteilten Sache zur ungeteilten Sache jeweils die Ausbaufähigkeit der beiden Dachböden unberücksichtigt.
[11] 3. Unverhältnismäßig hohe Teilungskosten können die Naturalteilung unzulässig machen. Als solche Kosten kommen insbesondere notwendige Umbaumaßnahmen in Frage. Ob das der Fall ist, kann immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RS0112673; RS0013865 [T5]). Da seit Geltung des WEG 2002 auch an Substandardwohnungen Wohnungseigentum begründet werden kann, bedeutet es entgegen der Ansicht der Klägerin auch keine Fehlbeurteilung, dass das Berufungsgericht die Kosten für die Sanierung einzelner Wohneinheiten nicht als Teilungskosten anerkannte. Abgesehen davon versucht sie auch gar nicht darzulegen, dass diese Kosten im Vergleich zum Verkehrswert der Liegenschaft (dazu RS0013865 [T6]) unverhältnismäßig wären und damit die Naturalteilung untunlich wäre, selbst wenn man diese Sanierungskosten mitberücksichtigen wollte. Warum das Berufungsgericht von den Feststellungen des Erstgerichts abgegangen sei, weil es die Frage, ob die Kosten der Sanierung der Wohnungen als Teilungskosten zu berücksichtigen seien, anders beurteilte als das Erstgericht, ist nicht nachvollziehbar.
[12] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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