OGH 5Ob122/16a

OGH5Ob122/16a11.7.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** W*****, vertreten durch Prader, Ortner, Fuchs, Wenzel, Rechtsanwälte GesbR in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Mag. I***** W*****, vertreten durch MMag. Dr. Thomas Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. März 2016, GZ 2 R 34/16s‑61, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 7. Jänner 2016, GZ 12 Cg 136/13z‑57, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00122.16A.0711.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.801,98 EUR (darin enthalten 300,33 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Streitteile sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ 362 KG ***** mit einem darauf errichteten Zweifamilienhaus.

Der Kläger begehrte von seiner beklagten Mutter die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft durch die Begründung von Wohnungseigentum. Er und seine Mutter würden bereits jetzt über getrennte Wohneinheiten verfügen, sodass die Begründung von Wohnungseigentum unter Zuweisung von den jeweiligen Miteigentumsanteilen entsprechenden Wohnungseigentumsobjekten ohne großen finanziellen Aufwand möglich sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das dem Klagebegehren stattgebende Urteil des Erstgerichts. Für die Frage, ob die Naturalteilung ohne beträchtliche Minderung des Werts der gemeinsamen Sache vorgenommen werden könne, sei auf deren tatsächlichen und rechtlichen Zustand abzustellen, weswegen der Wert der Liegenschaft unter Zugrundelegung des bestehenden Miteigentums und nicht der hypothetische Zustand einer im Alleineigentum stehenden Liegenschaft zur Beurteilung des Wertverlustes heranzuziehen sei. Ausgehend davon erfahre die Liegenschaft durch die Begründung von Wohnungseigentum im Vergleich zum bestehenden schlichten Miteigentum eine Wertsteigerung. Umbaukosten von rund 6 % des Verkehrswerts der Liegenschaft bei schlichtem Miteigentum stünden der Begründung des Wohnungseigentums ebenfalls nicht entgegen.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision über Antrag der Beklagten gemäß § 508 ZPO zur Klärung der Frage für zulässig, ob für den Wertvergleich bei Realteilung durch die Begründung von Wohnungseigentum der Wert der Gesamtliegenschaft ohne Berücksichtigung der Miteigentumsverhältnisse oder jener, der sich unter Berücksichtigung der bestehenden Miteigentumsverhältnisse ergebe, maßgeblich sei.

Entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Beklagten wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) unzulässig; die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich folgend auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

1. Die Begründung von Wohnungseigentum gilt als Sonderform der Realteilung (RIS‑Justiz RS0106352; RS0013236 [T2]). Der Realteilung kommt grundsätzlich Vorrang vor der Zivilteilung zu (§ 843 ABGB; RIS-Justiz RS0013236; Sailer in KBB4 § 843 ABGB Rz 1).

2. Realteilung ist regelmäßig dann möglich und tunlich, wenn die Sache (physisch bzw im Rechtssinn) geteilt werden kann, ohne dass es im Verhältnis der Summe der Einzelwerte zum Wert der ungeteilten Sache zu einer wesentlichen

Wertminderung käme (vgl RIS‑Justiz RS0013831; RS0013829) und die Sache zwischen den Teilhabern so aufgeteilt werden kann, dass die entstehenden Teile den Anteilen etwa gleichwertig und diese annähernd gleich beschaffen sind, ohne dass ein unverhältnismäßiger Wertausgleich notwendig wird (vgl RIS‑Justiz RS0013856; RS0013854). Unverhältnismäßige Kosten, insbesondere notwendige Aufwendungen für Umbaumaßnahmen können die Naturalteilung unzulässig machen (RIS‑Justiz RS0013865).

3.1 Das Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG) gilt für die Ermittlung des Werts von Liegenschaften in allen gerichtlichen Verfahren einschließlich Zivilprozessen. Nach dem Bewertungsgrundsatz des § 2 Abs 1 LBG ist, sofern durch Gesetze oder Rechtsgeschäft nichts anderes bestimmt wird, der Verkehrswert der Sache zu ermitteln (RIS‑Justiz RS0115307). Die Revisionswerberin bemängelt hier auch gar nicht, dass die Vorinstanzen bei der Beurteilung der Frage, ob mit der Begründung von Wohnungseigentum eine Werterhöhung oder Wertminderung der Liegenschaft verbunden ist, den Verkehrswert zugrunde legten, sondern meint, dass bei der Gegenüberstellung der Verkehrswerte vor und nach Wohnungseigentumsbegründung vom einem Wert der Liegenschaft auszugehen gewesen wäre, als stünde diese im Alleineigentum.

3.2 Abgesehen davon, dass die Revisionswerberin gar nicht darzulegen versucht, inwieweit eine Gegenüberstellung der entsprechenden Schätzwerte die Naturalteilung unzulässig machen würde, bieten die Vorschriften über die Liegenschaftsbewertung keine Handhabe für den Sachverständigen, fiktive Sachverhalte in seine Beurteilung einzubeziehen. Vielmehr kommt es auf die konkreten Umständen des Einzelfalls an, denen durch Abschläge und Zuschläge zum üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr zu erzielenden Preis nach § 2 Abs 2 LBG Rechnung zu tragen ist.

3.3 An der Liegenschaft besteht schlichtes Miteigentum, das der Sachverständige bei der Ermittlung des Verkehrswerts in Form eines Abschlags gegenüber dem Alleineigentum berücksichtigte. Indem sich die Beklagte mit ihren Revisionsausführungen gegen den derart ermittelten Wert wendet, spricht sie in Wahrheit keine Rechtsfragen an. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Ermittlung der Höhe des Verkehrswerts nach den jeweils spezifischen Umständen eine Tatfrage darstellt, die vor dem Obersten Gerichtshof nicht bekämpft werden kann (RIS-Justiz RS0043122 [T7; T11], RS0043704 [T1; T5], RS0099292 [T3; T8]). Dieser Grundsatz gilt auch für die Beurteilung von Wertminderungen (vgl 10 Ob 64/02p mwN) und damit auch für den hier vom Sachverständigen aus dem schlichten Miteigentum an der Liegenschaft abgeleiteten Minderwert.

4.1 Zur Frage wann ein Objekt wohnungseigentumstauglich ist, besteht umfangreiche Judikatur (RIS-Justiz RS0111284; RS0082876). Im Verfahren über die Teilungsklage ist darüber abzusprechen, ob grundsätzlich die Möglichkeit einer Liegenschaftsteilung durch Begründung von Wohnungseigentum besteht (RIS‑Justiz RS0101774). Ist das der Fall, ist dieser Teilungsart gegenüber der Zivilteilung der Vorzug zu geben. Die konkrete Durchführung der Teilung hat, wurde – wie hier – kein Teilungsvorschlag erstattet, im Exekutionsverfahren zu erfolgen (RIS-Justiz RS0118839).

4.2 Nach den auf einem Sachverständigengutachten basierenden Feststellungen können im vorliegenden Zweifamilienhaus ohne unverhältnismäßig hohen Aufwand wohnungseigentums-taugliche Objekte geschaffen werden, wobei die Streitteile auch über ihren Miteigentumsanteilen entsprechende Mindestanteile verfügen können, die die Zuweisung von Sondernutzungsrechten an konkreten Objekten erlauben (vgl RIS‑Justiz RS0101771; Würth in Rummel 3 § 3 WEG Rz 6). Gegen diese Feststellungen wendet sich die Beklagte, wenn sie auch noch im Revisionsverfahren unter Verweis auf Grundsätze des Wohnungseigentumsgesetzes oder verwaltungsrechtliche Vorschriften in Frage stellt, ob überhaupt wohnungseigentumstaugliche Objekte baulich geschaffen werden können. Als Rechtsinstanz ist der Oberste Gerichtshof aber ausschließlich zur Überprüfung von Rechtsfragen zuständig (RIS‑Justiz

RS0123663). Ein Eingehen auf die von der Revisionsrekurswerberin in diesem Zusammenhang vorgetragenen Argumente ist dem Höchstgericht daher verwehrt.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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