OGH 2Ob201/20b

OGH2Ob201/20b16.9.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* J*, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1. F* GmbH & Co KG, *, und 2. G* AG, *, beide vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 39.735 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. August 2020, GZ 6 R 77/20s‑42, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 4. April 2020, GZ 10 Cg 21/18y‑38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132722

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird zur Gänze und das Urteil des Erstgerichts, das im Umfang des Zuspruchs von 19.566,80 EUR sA und der Abweisung von 50 EUR sA als unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, wird im bekämpften Umfang des Zuspruchs von (richtig) 20.118,20 EUR sA aufgehoben.

Die Rechtssache wird insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Der 1966 geborene Kläger wurde bei einem Verkehrsunfall am 18. April 2013 als Lenker eines Motorrads durch einen von derErstbeklagten gehaltenen und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten LKW verletzt. Er kann aufgrund der gesundheitlichen Dauerfolgen des Unfalls seinen Beruf als Justizwachebeamter nicht mehr ausüben und bezieht daher eine „vorzeitige Pension“. Die Beklagten haften ihm aufgrund eines Feststellungsurteils zur ungeteilten Hand bis zur Höhe der Versicherungssumme für sämtliche künftige Schäden im Umfang von 75 %.

[2] Der Kläger hätte ohne den Unfall im Jahr 2016 einschließlich des Entgelts für Überstunden 37.813,32 EUR und im Jahr 2017 38.388,27 EUR verdient. Seine tatsächlichen Pensionseinkünfte beliefen sich im Jahr 2016 auf 20.550,36 EUR und im Jahr 2017 auf 20.767,88 EUR.

[3] Der Kläger begehrte auf dieser Grundlage zuletzt den Ersatz seines um die Mitverschuldensquote von 25 % gekürzten Verdienstentgangs für die Jahre 2016 und 2017 zuzüglich des „Steuerschadens“ in Höhe von insgesamt 39.735 EUR sA (26.212,48 EUR Nettoersatz nach Steuer + 13.522,52 EUR Mehrsteuer).

[4] Die Beklagten wandten ein, bei der Berechnung des Verdienstentgangs sei „das Quotenvorrecht“ zu berücksichtigen. Der Anspruch des Klägers bestehe lediglich in Höhe der Differenz zwischen dem um sein Mitverschulden gekürzten fiktiven Nettoeinkommen und dem Nettopensionsbezug zuzüglich der für diesen Differenzbetrag auflaufenden Steuer zu Recht.

[5] Das Erstgericht erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger 39.685 EUR sA zu zahlen und wies das Mehrbegehren von 50 EUR sA (unbekämpft und daher rechtskräftig) ab. Es erachtete das Vorbringen der Beklagten „zum Quotenvorrecht (wessen?)“ als nicht nachvollziehbar. Ein solches komme weder zugunsten des Sozialversicherungsträgers noch zugunsten des Geschädigten in Betracht. Bei der Berechnung des Verdienstentgangs brachte das Erstgericht daher – wie zuletzt auch der Kläger – die Mitverschuldensquote erst vom Differenzbetrag zwischen fiktivem Nettoeinkommen und den Pensionseinkünften in Abzug. Vom Ergebnis berechnete es den „Steuerschaden“.

[6] Das von den Beklagten in Ansehung eines Zuspruchs von 20.118,20 EUR sA angerufene Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die von den Beklagten gewünschte Berechnungsmethode könne nur zur Anwendung gelangen, wenn eine Legalzession zugunsten des Sozialversicherungsträgers eingreife. Der Kläger sei als Justizwachebeamter Bundesbeamter gewesen. Eine dem § 332 ASVG bzw dem § 125 B‑KUVG entsprechende Legalzessionsvorschrift sei in dem für ihn einschlägigen Bundesgesetz über die Pensionsansprüche der Bundesbeamten, ihrer Hinterbliebenen und Angehörigen (Pensionsgesetz 1965) nicht vorgesehen. Auch eine analoge Anwendung der Legalzessionsnormen komme nicht in Betracht, weshalb das Quotenvorrecht nicht zum Tragen kommen könne. Vielmehr habe eine Vorteilsanrechnung zu erfolgen: Die Pension sei vom fiktiven Nettoeinkommen abzuziehen und erst von dem sich daraus ergebenden Differenzbetrag sei die dem Mitverschuldensanteil entsprechende Quote zu bilden.

[7] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Aktualisierung der zwar vorhandenen, jedoch bereits älteren einschlägigen Judikatur (2 Ob 58/88 und 2 Ob 184/99v) wünschenswert erscheine, zumal auch Teile der Lehre eine analoge Anwendung der Legalzessionsnorm des § 332 ASVG auf das Beamtenpensionsrecht für erwägenswert erachteten.

[8] Gegen den Zuspruch eines Teilbegehrens von (richtig) 20.118,20 EUR richtet sich die Revision der Beklagtenmit dem Antrag, das Klagebegehren in diesem Umfang abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision der Beklagten zurückzuweisen und hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichtszulässig; sie ist auch berechtigt.

[11] Die Beklagte macht geltend, das Fehlen einer dem § 332 ASVG oder § 125 B-KUVG vergleichbaren Legalzessionsnorm führe zu einer regelwidrigen Lücke im Pensionsrecht der österreichischen Bundesbeamten, die durch analoge Anwendung der genannten Bestimmungen zu schließen sei.

[12] Hiezu wurde erwogen:

[13] 1. Zur analogen Anwendung der Legalzession:

[14] 1.1. Gemäß § 14 Abs 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 ist die Beamtin oder der Beamte von Amts wegen oder auf ihren oder seinen Antrag in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie oder er dauernd dienstunfähig ist. Der dienstunfähig gewordene Beamte hat Anspruch auf Ruhegenuss nach den §§ 3 ff Pensionsgesetz (PG) 1965. Hat der Beamte die Dienstunfähigkeit nicht vorsätzlich herbeigeführt, steht ihm der Ruhegenuss schon unter den in § 8 Abs 1 PG 1965 genannten günstigeren Voraussetzungen zu.

[15] Im vorliegenden Fall ist in dritter Instanz nicht strittig, dass der Kläger eine auf seiner Dienstunfähigkeit beruhende „vorzeitige“ Pension nach dem Pensionsgesetz 1965 bezieht.

[16] 1.2. In der Entscheidung 2 Ob 258/12y (vgl RS0128725) wurde dazu bereits klargestellt, dass die Leistungen nach dem Pensionsgesetz 1965 aus den Mitteln des Bundes erbracht werden und die BVA (nun BVAEB) nur im übertragenen Wirkungsbereich agiert. Eine Legalzession von Ansprüchen geschädigter Beamter gegen haftpflichtige Dritte sieht das Pensionsgesetz 1965 – anders als etwa § 332 Abs 1 ASVG und § 125 Abs 1 B‑KUVG – nicht vor.

[17] 1.3. Allerdings hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 2 Ob 323/97g SZ 70/221 ausgeführt, dass die für die Ersatzberechtigung des Dienstgebers bei Verpflichtung zur Lohnfortzahlung bestehende Judikatur (2 Ob 21/94 SZ 67/52; RS0043287) auch dann zur Anwendung gelangt, wenn ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis vorliegt und aus Anlass einer unfallbedingten Dienstunfähigkeit eine Pension (dort nach der Pensionsordnung der Stadt Wien) geleistet wird. Durch deren Zahlung solle der Beamte trotz Dienstunfähigkeit abgesichert und keineswegs zugleich auch der Schädiger entlastet werden. Wie im Falle einer Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension bestehe sachliche Kongruenz zwischen dem Verdienstentgangsanspruch des Verletzten und den vom Dienstgeber erbrachten Leistungen. Denn es wäre nicht einzusehen, dass es für den Schädiger einen Unterschied mache, ob der von ihm Verletzte von einem Sozialversicherungsträger oder aber von seinem Dienstgeber wegen unfallbedingter Dienstunfähigkeit eine Pension erhält (vgl RS0043287 [T6]; RS0105072; RS0108855).

[18] 1.4. In der Entscheidung 2 Ob 258/12y ging der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit den vom Bund an die Witwe eines Polizeibeamten erbrachten Versorgungsleistungen nach § 14 PG 1965 ausdrücklich auch von der analogen Anwendbarkeit der sozialversicherungsrechtlichen Legalzessionsnormenaus. Das Fehlen einer entsprechenden Zessionsnorm im Pensionsgesetz 1965 sei als planwidrige Lücke anzusehen, die in Analogie zu § 332 ASVG und § 125 B‑KUVG zu schließen sei (so die für zutreffend erachtete Begründung des damaligen Berufungsgerichts).

[19] Die analoge Anwendbarkeit des § 332 ASVG hatte der Oberste Gerichtshof bei vergleichbarer Problemstellung im Übrigen auch schon in der Entscheidung 2 Ob 366/99h SZ 73/4 (zust Reischauer in Rummel³ § 1312 Rz 13a) bejaht, in der derÜbergang von Ersatzansprüchen an eine zu Versorgungsleistungen an die Hinterbliebenen eines Rechtsanwalts verpflichtete Rechtsanwaltskammer zu beurteilen war. Anders fiel dagegen bei vergleichbarer Ausgangslage die Beurteilung in der Entscheidung 2 Ob 205/07x SZ 2007/179 = ZVR 2008/110 (Huber) aus, in welcher der Oberste Gerichtshof als Analogiebasis für den Forderungsübergang nur § 1358 ABGB und § 67 VersVG, nicht aber § 332 ASVG heranzog und deshalb auch ein Quotenvorrecht ablehnte (vgl RS0112975).

[20] 1.5. In den Entscheidungen 2 Ob 58/88 und 2 Ob 184/99v, auf die sich das Berufungsgericht stützte, hatte der Oberste Gerichtshof hingegen die Berücksichtigung eines Quotenvorrechts des öffentlich-rechtlichen Dienstgebers bei der Berechnung des Ersatzanspruchs des Geschädigten noch mit der Begründung abgelehnt, dass das Pensionsgesetz 1965 keine Legalzession vorsehe. Daher komme auch keine analoge Anwendung des § 332 ASVG in Betracht (2 Ob 184/99v = RS0114008; krit Reischauer in Rummel³ § 1312 Rz 13a, der darin einen Widerspruch zur Entscheidung 2 Ob 366/99h sieht). Jedenfalls in ihrer zuletzt erwähnten Aussage ist diese Rechtsprechung, aber auch die Entscheidung 2 Ob 205/07x durch die Entscheidung 2 Ob 258/12y überholt.

[21] 1.6. Auch für den vorliegenden Fall ist daran festzuhalten, dass die Verdienstentgangsansprüche des Klägers im Umfang seiner auf Dienstunfähigkeit beruhenden (vorzeitigen) Pensionsansprüchegegen den Bund in analoger Anwendung von § 332 ASVG und § 125 B‑KUVG auf diesen übergegangen sind. Ist doch die Situation nicht anders gelagert als bei jenen vergleichbaren Leistungen, die ein Sozialversicherungsträger zum Schutz eines verletzten Versicherten vor sozialen Härten kraft eigener Verpflichtung zu erbringen hat. Der Umstand, dass bei Leistungen nach dem Pensionsgesetz 1965 der Bund die Aufgaben des Sozialversicherungsträgers übernimmt, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung eines ansonsten identischen Sachverhalts (für die Analogie bereits W. Schuhmacher, Schadenersatz und soziale Sicherheit, ÖJZ 1976, 477 [486]; auf diesen verweisend auch Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek 4 § 332 ASVG Rz 10 [FN 73]; vgl auch Neumayr in Schwimann/Neumayr, ABGB‑TaKomm5 § 332 ASVG Rz 14).

[22] 2. Zum Quotenvorrecht:

[23] 2.1. Eine andere – und hier letztlich entscheidende – Frage ist, ob in Fällen der Analogie zu § 332 ASVG und § 125 B‑KUVG in Bezug auf die Legalzession auch – in weiterer Analogie – ein Quotenvorrecht des Leistenden anzunehmen ist (vgl Reischauer in Rummel 3 § 1312 Rz 13a). Aus der Bejahung einer mangels Legalzessionsnorm schließungsfähigen Lücke folgt nämlich noch nicht gleichsam automatisch ein Quotenvorrecht des Leistenden analog einem Sozialversicherungsträger, ist dieses doch nur eines der denkbaren Modelle der Verteilung eines den eingetretenen Schaden nicht zur Gänze abdeckenden Haftpflichtanspruchs (vgl 2 Ob 205/07x).

[24] 2.2. Auch bei Leistungspflicht eines Sozialversicherungsträgers stellt sich, wenn weder Haftpflichtanspruch noch Sozialversicherungsanspruch für sich allein den Schaden ausgleichen können, die grundsätzliche Frage, ob der Direktanspruch des Geschädigten primär auf die kongruenten Sozialversicherungsleistungen anzurechnen sein soll (Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers) oder auf den nicht von kongruenten Sozialversicherungsleistungen gedeckten Schadenersatzanspruch (Quotenvorrecht des Versicherten). In Betracht käme auch noch eine „Quotenteilung“ in der Form, dass der verbleibende Schadenersatzanspruch zwischen Sozialversicherungsträger und Versichertem aufgeteilt wird (Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek 4 § 332 ASVG Rz 76).

[25] 2.3. In Fällen unmittelbarer Anwendbarkeit des § 332 ASVG gehen die herrschende Lehre (Selb, Quotenvorrecht der Sozialversicherungsträger [1969] 15 ff; Kunst/Espig, Ist das Quotenvorrecht der Sozialversicherer im Rückgriffsverfahren gemäß § 332 ASVG ein Privileg? ZAS 1979, 7; Mayer in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV‑Komm § 332 Rz 110 mwN; Neumayr, Rechtsfragen an der Schnittstelle von Sozialversicherungs- und Schadenersatzrecht, RZ 2010, 161 [166 f]) und die ständige Rechtsprechung (2 Ob 178/04x; 2 Ob 268/06k; 2 Ob 230/18i; RS0026975; RS0027370) vom Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers aus. Demnach geht der Ersatzanspruch des Geschädigten, auch wenn er wegen Mitverschuldens bzw Mitverantwortung geringer ist als der eingetretene Schaden, im Umfang des Leistungsanspruchs des Geschädigten gegenüber dem Sozialversicherungsträger zur Gänze auf diesen über (Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek 4 § 332 ASVG Rz 77).

[26] 2.4. Im Gegensatz zu § 332 ASVG sieht § 67 Abs 1 Satz 2 VersVG bei der versicherungsrechtlichen Legalzession vor, dass der Übergang des dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zustehenden Schadenersatzanspruchs auf den Versicherer, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt, nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden kann. Daher geht beim Übergang der Ersatzansprüche nach § 67 VersVG der übergehende Anspruch den etwa verbleibenden Ersatzansprüchen des Versicherungsnehmers nach (RS0080525), was zu dessen Quotenvorrecht führt.

[27] 2.5. Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 116 SGB X gegen solche allgemeine Lösungsmodelle entschieden (vgl Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek 4 § 332 ASVG Rz 79). In einem differenzierten Ansatz stellt er je nach dem Grund der unzureichenden Schadensdeckung einerseits auf die Verwirklichung des Grundsatzes „nemo cedet contra se“ ab, der es dem Legalzessionar untersagt, den Übergang zum Nachteil des Geschädigten geltend zu machen (vgl Kunst/Espig, Ist das Quotenvorrecht der Sozialversicherer im Rückgriffsverfahren gemäß § 332 ASVG ein Privileg? ZAS 1979, 7 [9 f]), andererseits sieht er im Fall der Begrenzung des Schadenersatzanspruchs durch Mitverschulden oder Mitverursachung des Geschädigten in § 116 Abs 3 SGB X vor, dass in diesem Fall zivilrechtliche Schadenersatzansprüche im Verhältnis der Leistung des Sozialversicherungsträgers (oder Sozialhilfeträgers) zum nicht durch die Sozialleistung gedeckten Teil des Schadens aufgeteilt werden und der Anteil des Schadenersatzanspruchs, der dem Prozentsatz der Schadensdeckung durch den Sozialleistungsträger entspricht, auf diesen übergeht. Im Ergebnis erhält also der Sozialleistungsträger in diesem Fall den Teil seiner übergangsfähigen Leistungen erstattet, der der Haftungsquote des Schädigers entspricht (BGH VI ZR 120/99; Bieresborn in Schütze, SGB X9 § 116 Rn 36). Ein Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers ist demnach ausgeschlossen (2 Ob 230/18i mwN).

[28] 3. Schlussfolgerungen:

[29] 3.1. Nach 2 Ob 205/07x ist die unterschiedliche Interessenlage zu beachten: Während es in der Legalzessionsfrage im Anschluss an § 1358 ABGB, § 67 VersVG vor allem um die Vermeidung einer Entlastung des Schädigers geht, steht in der Quotenvorrechtsfrage das Verhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Sozialversicherungsträger im Vordergrund.

[30] 3.2. Das Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers nach § 67 VersVG soll dem Geschädigten eine vorrangige Sicherung für den Ersatz seines Schadens verschaffen. Nicht der Versicherungsnehmer soll die Lücke zwischen dem Schaden und dem Schadenersatzanspruch füllen, sondern der Versicherer, der für seine Leistung in Gestalt der Prämie bezahlt worden ist und daher seine Entschädigung ohne Rücksicht darauf zu erbringen hat, ob und in welcher Höhe er einen Regressanspruch gewinnt (2 Ob 36/94; 2 Ob 119/08a; RS0081196; RS0081384).

[31] 3.3. Dagegen zeichnet sich § 332 ASVG bei der Abgrenzung der Legalzessionen in öffentlichen und privatrechtlichen Ausgleichssystemen durch die Anerkennung des Deckungsfondsprinzips zugunsten der Träger öffentlich-rechtlicher Ausgleichssysteme aus (Kunst/Espig, Ist das Quotenvorrecht der Sozialversicherer im Rückgriffsverfahren gemäß § 332 ASVG ein Privileg? ZAS 1979, 7 [10]).

[32] 3.4. § 1358 ABGB wiederum geht – entgegen seinem Wortlaut – weit über die Regelung des Bürgenregresses hinaus und findet ganz allgemein auf jeden Anwendung, der eine fremde Schuld begleicht, für die er persönlich oder mit bestimmten Vermögensstücken haftet (RS0112742).

[33] 3.5. Im vorliegenden Fall rechtfertigt die in Punkt 1. bereits bejahte Analogie zu den sozialversicherungsrechtlichen Legalzessionsnormen auch die Anwendung des Quotenvorrechts zugunsten des Bundes als (ehemaligen) öffentlich-rechtlichen Dienstgeber des Klägers. Dieser erbringt unter Mitwirkung eines Sozialversicherungsträgers Leistungen nach dem Pensionsgesetz 1965 an einen dienstunfähig gewordenen Dienstnehmer, die sonst typischerweise ein Sozialversicherungsträger im eigenen Wirkungsbereich zu erbringen hat, und die nicht durch diedargestellte Nahebeziehung zwischen Prämie und Leistung wie in der Privatversicherung gekennzeichnet ist. Da insgesamt kein relevanter Unterschied zur Interessenlage zwischen einem sozialversicherten Geschädigten und seinem Sozialversicherungsträger in Bezug auf das Quotenvorrecht zu erkennen ist, erstreckt sich die Analogie auch auf dieses. Die in 2 Ob 205/07x vertretene Rechtsansicht (ihr folgend Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek 4 § 332 ASVG Rz 77), dass mangels direkter Anwendbarkeit des § 332 ASVG das Quotenvorrecht des Regressgläubigers nicht zum Tragen komme, wird – jedenfalls für den vorliegenden Fall – nicht aufrecht erhalten (vgl schon Pkt 1.5.).

[34] Vielmehr ist in den Fällen der Leistungen nach dem Pensionsgesetz 1965 die bestehende Gesetzeslücke nicht nur in Bezug auf die Legalzession, sondern auch betreffend das Quotenvorrecht mit der Analogie zu § 332 ASVG zu schließen.

[35] 4. Ergebnis:

[36] Im Hinblick auf diese Rechtsansicht ist eine Aufhebung des Verfahrens erforderlich:

[37] Zwar lassen die Feststellungen zum hypothetischen Erwerbseinkommen und zu den Pensionseinkünften des Klägers bereits eine Berechnung des Verdienstentgangs unter Anwendung des Quotenvorrechts zu: Der entgangene Verdienst für die Jahre 2016 und 2017 belief sich auf insgesamt 76.201,59 EUR (37.813,32 + 38.388,27). Vermindert um die Mitverschuldensquote von 25 % ergibt dies einen Betrag von 57.151,19 EUR, auf den die Pensionsleistungen von insgesamt 41.318,24 EUR (20.550,36 + 20.767,88) anzurechnen sind. Daraus resultiert ein Anspruch des Klägers von 15.832,95 EUR, der im bereits rechtskräftigen Zuspruch des Erstgerichts Deckung findet.

[38] Da aber der zusätzlich geltend gemachte „Steuerschaden“ bisher nur auf der Grundlage einer unzutreffenden „Nettoersatzrate“ ermittelt wurde, bedarf es einer ergänzenden Berechnung durch den Sachverständigen unter Zugrundelegung obiger Rechtsausführungen. Erst anhand darauf gegründeter Feststellungen wird die Höhe des Ersatzanspruchs des Klägers abschließend beurteilt werden können.

[39] 5. Kosten:

[40] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 dritter Satz ZPO.

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