OGH 2Ob1/19i

OGH2Ob1/19i25.7.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. DI R* E* H*, 2. G* GmbH, beide *, beide vertreten durch Dr. Roland Reichl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. K* GmbH, 2. E* GmbH, beide *, beide vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 117.302,64 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der beklagten Parteien (Revisionsinteresse 58.651,32 EUR sA) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. September 2018, GZ 4 R 80/18i‑44, mit welchem das Teilzwischenurteil des Landesgerichts Salzburg vom 5. April 2018, GZ 4 Cg 74/16w‑40, im Ausspruch über das Begehren der erstklagenden Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E125905

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

A. Soweit die Revisionsbeantwortung auch von der zweitklagenden Partei eingebracht wurde, wird sie zurückgewiesen.

B. Der Revision wird Folge gegeben.

Die über das Begehren der erstklagenden Partei ergangenen Urteile der Vorinstanzen werden im Ausspruch, dass die Klageforderung dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe, aufgehoben, und die Rechtssache wird insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der Erstkläger und die Zweitbeklagte sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Die Zweitklägerin nutzt aufgrund eines Mietvertrags eine auf dem Grundstück des Erstklägers stehende Lagerhalle, die Erstbeklagte betreibt auf dem Grundstück der Zweitbeklagten ein Transportunternehmen.

Die Erstbeklagte errichtete in den Jahren 2002/2003 an der Grundstücksgrenze eine Portalkrananlage. Durch Errichtung und Betrieb dieser Anlage erhöhte sich der Erddruck auf das Kellermauerwerk der Lagerhalle am Nachbargrundstück um 10 bis 18 %, wodurch dieses Mauerwerk über eine Länge von zwei Dritteln nach innen gedrückt wurde. Dadurch kam es zu (weiteren) Rissen im Mauerwerk, die sich von zuvor entstandenen deutlich unterschieden.

Die Lagerhalle war 1963 von einem Einzelrechtsvorgänger des Erstklägers errichtet worden. Entgegen der Baubeschreibung waren die Kellermauern nicht aus Stampfbeton mit Aussteifungsstützen aus Stahlbeton errichtet worden; vielmehr wurde der Bereich zwischen den Stützen ausgemauert. Dabei wurde entgegen (auch) dem damaligen Stand der Technik keine kraftschlüssige Verbindung zwischen dem Stahlbetonskelett und den Ausmauerungen hergestellt. Weiters sollte die Kellerwand nach der Baubeschreibung 165 cm unter das Bodenniveau reichen. Tatsächlich reicht sie aber 203 cm unter dieses Niveau, wobei die Vorinstanzen nicht feststellen konnten, ob bei der Errichtung der Wert von 165 cm eingehalten worden war.

Lasterhöhungen im festgestellten Umfang werden „üblicherweise“ von einem dem Stand der Technik entsprechenden Gebäude ohne Schäden aufgenommen. Im konkreten Fall bestand dieser „Sicherheitspolster“ aber nicht, weil eine kraftschlüssige Verbindung zwischen dem Stahlbeton und den Ausmauerungen fehlte und die Kellermauern tiefer reichten als ursprünglich vorgesehen. Aus diesen Gründen führte der erhöhte Erddruck zu den Verformungen. Dass die Bereiche zwischen den Stahlbetonstützen nicht mit Stampfbeton gefüllt, sondern ausgemauert wurden, war demgegenüber nur von untergeordneter Bedeutung.

Die Kläger begehren von den Beklagten 117.302,64 EUR samt Zinsen als Kosten der Schadensbehebung sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden. „Eventualbegehren“ richten sich auf Zahlung nur an einen der Kläger bzw nur durch eine der Beklagten. Die Schäden an der Lagerhalle seien durch den erhöhten Erddruck aufgrund der Errichtung und des Betriebs der Krananlage verursacht worden, wofür die Beklagten nach § 364a ABGB hafteten. Weitere Schäden bis zum Einbrechen der Kellerwände seien zu befürchten. Die Erstbeklagte hafte als Betreiberin der schadensverursachenden Anlage, die Zweitbeklagte habe als Grundeigentümerin der Errichtung der Anlage zugestimmt. Anspruchsberechtigt sei neben dem Erstkläger als Grundeigentümer auch die Zweitklägerin, die als Bestandnehmerin „Millionen investiert“ habe.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Begehren. Von ihrem Grundstück gingen keine ortsunüblichen Immissionen aus. Es bestehe kein Kausalzusammenhang zwischen der gewerberechtlich bewilligten Krananlage und den Schäden. Die Kellermauer sei mangelhaft gebaut worden, weshalb nie eine „normgerechte Standsicherheit“ bestanden habe. Bei ordnungsgemäßer Ausführung wären keine Schäden entstanden. Weder die Beklagten noch ihre Rechtsvorgänger hätten gewusst, dass die Rechtsvorgänger der Kläger die Halle nicht nach dem Stand der Technik errichtet hätten. Die Kläger müssten den Schaden daher selbst tragen, hilfsweise treffe sie ein Mitverschulden. Die Zweitklägerin sei als bloße Mieterin in Bezug auf die geltend gemachten Substanzschäden nicht aktiv legitimiert.

Das Erstgericht sprach mit Teilzwischenurteil aus, dass die Beklagten zur Hälfte für die Schäden der Kläger hafteten. Die Schäden seien durch die Erddruckerhöhung verursacht worden, wofür die Beklagten nach § 364a ABGB einzustehen hätten. Dabei sei unerheblich, ob die Krananlage der insofern erteilten Bewilligung entsprochen habe oder nicht. Die Schäden seien allerdings auch durch den mangelhaften Kraftschluss und die tiefere Einschüttung der Kellermauer verursacht worden. Insofern treffe die Kläger ein Mitverschulden, wobei der Oberste Gerichtshof eine Mitverursachung ausreichen lasse. Mangels Bestimmbarkeit der Anteile führten die Mängel in der Sphäre der Kläger zu einer hälftigen Schadensteilung. Die Zweitklägerin sei als Bestandnehmerin aktiv legitimiert. Die Erstbeklagte hafte als Verursacherin der Störung, die Zweitbeklagte als Grundeigentümerin.

Gegen diese Entscheidung richtete sich nur eine Berufung der Beklagten.

Das Berufungsgericht bestätigte das Teilzwischenurteil über den Anspruch des Erstklägers und ließ insofern die Revision zu. Das Teilzwischenurteil über den Anspruch der Zweitklägerin hob es ohne Rechtskraftvorbehalt auf.

Die Beklagten hafteten dem Erstkläger nach § 364a ABGB. Der Erddruck auf das Nachbargrundstück sei eine Immission iSv § 364 Abs 2 ABGB. Verursache er wie hier einen Schaden, sei er als ortsunüblich anzusehen. Auf die Erkennbarkeit einer möglichen Gefährdung komme es nicht an, weil § 364a ABGB einen verschuldensunabhängigen Anspruch begründe. Zwar müssten Schäden betriebstypisch sein. Das treffe aber schon im Fall adäquater Verursachung zu. Diese sei hier zu bejahen, weil ein durch Bodenlasterhöhung verursachter Schaden an Nachbargebäuden nicht auf einer außergewöhnlichen Verkettung von Umständen beruhe. Zudem komme es bei Ansprüchen nach §§ 364 und 364a ABGB nicht darauf an, ob sich das gefährdete Gebäude bereits in einem schadhaften Zustand befunden habe. Richtig sei, dass der Mitverschuldenseinwand auch bei Ansprüchen nach § 364a ABGB möglich sei. Die Kellermauer habe allerdings seit 1963 eine ausreichende Standfestigkeit bewiesen. Die insofern bestehenden Mängel seien daher nicht „primär kausal“; „unmittelbare Ursache“ der Schäden sei vielmehr der erhöhte Erddruck durch den Betrieb der Krananlage. Ein Fall kumulativer oder überholender Kausalität liege nicht vor, weil nicht feststehe, dass die Schäden auch ohne Erddruckerhöhung eingetreten wären. Die Kläger seien „daher keineswegs beschwert, da das Erstgericht ohnedies die Mitverschuldensquote mit 50 % gewichtet“ habe und die Kläger dies „unbekämpft“ gelassen hätten. Daher sei das Teilzwischenurteil über den Anspruch des Erstklägers zu bestätigen. Hingegen fehle ein schlüssiges Vorbringen zu einem Schaden der Zweitklägerin, was insofern zur Aufhebung in die erste Instanz führe. Die Revision sei zur Klarstellung der Frage zulässig, ob ein Schaden am Nachbargebäude aufgrund erhöhten Erddrucks, der „üblicherweise“ aufgenommen werde, ein adäquat verursachter Schaden sei.

In ihrer Revision streben die Beklagten eine zur Gänze abweisende Entscheidung an, hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag. Eine verschuldensunabhängige Haftung komme nur bei objektiv kalkulierbaren Schäden in Betracht. Das sei bei Schäden an Gebäuden, die sich – wie hier – in bauordnungswidrigem Zustand befänden, nicht der Fall. Das Berufungsgericht habe auch unzutreffend die Möglichkeit eines Mitverschuldenseinwands verneint.

In der Revisionsbeantwortung beantragen beide Kläger, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben. Die Begründung des Berufungsgerichts treffe zu. Dessen Erwägungen zum Ausschluss des Mitverschuldenseinwands seien unerheblich, weil ohnehin rechtskräftig feststehe, dass die Beklagten nur für die Hälfte des Schadens hafteten.

Rechtliche Beurteilung

A. Die Revisionsbeantwortung der Zweitklägerin ist zurückzuweisen.

Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil ausschließlich über den Anspruch des Erstklägers entschieden. Damit ist auch nur dieser zur Rechtsmittelbeantwortung legitimiert. Der zum Begehren der Zweitklägerin ergangene Aufhebungsbeschluss ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

B. Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Das Erstgericht hat mit Teilzwischenurteil ausgesprochen, dass das Zahlungsbegehren des Erstklägers dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe. Zwar unterließ es einen ausdrücklichen Ausspruch über die zweite Hälfte des Schadens. Seiner Begründung („Schadensteilung“) ist aber ohne jeden Zweifel zu entnehmen, dass sich die Haftung der Beklagten auf die Hälfte des Schadens beschränken sollte. Damit ist von einer impliziten Abweisung der anderen Hälfte des Zahlungsbegehrens (58.651,32 EUR samt Zinsen) auszugehen (7 Ob 107/00m; 2 Ob 15/17w). Da die Kläger diese Abweisung nicht bekämpften, ist insofern – wie der Erstkläger in der Revisionsbeantwortung selbst ausführt – Rechtskraft eingetreten. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher ausschließlich die Frage, ob die Beklagten dem Erstkläger dem Grunde nach für die Hälfte des Schadens haften.

2. Zwar haben die Vorinstanzen ihre Entscheidung (nur) auf § 364a ABGB gestützt. Grundlage für den Anspruch des Erstklägers ist jedoch richtigerweise § 364b iVm § 364a ABGB.

2.1. Nach § 364b ABGB darf ein Grundstück nicht in einer Weise vertieft werden, dass der Boden oder das Gebäude des Nachbarn die erforderliche Stütze verliert. Trifft das zu, ist eine gesonderte Prüfung der Ortsunüblichkeit iSv § 364 ABGB nicht erforderlich (RS0053268; Winner in Rummel/Lukas 4 § 364b Rz 1; Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 364b Rz 1), wobei die systematische Frage offen bleiben kann, ob § 364b dem § 364 ABGB als lex specialis vorgeht (so Kerschner/Wagner in Klang3 § 364b Rz 28) oder ob diese Bestimmung lediglich zum Ausdruck bringt, dass solche Einwirkungen das nach § 364 ABGB zu duldende Maß jedenfalls überschreiten (so Oberhammer in Schwimann/Kodek 3 § 364b Rz 1).

2.2. Zweck von § 364b ABGB ist ganz allgemein die Sicherung der Festigkeit und Standsicherheit des Nachbargrundstücks gegen Vorkehrungen, die einen Eingriff in dessen natürliche bodenphysikalische Beschaffenheit bewirken (1 Ob 221/98a und 3 Ob 95/11h mwN; RS0010703 [T1]; Kerschner/Wagner in Klang3 § 364b Rz 28; Oberhammer in Schwimann/Kodek 3 § 364b Rz 2). Erfasst ist auch das Aufführen eines Baues oder das Ablagern von Material, das durch Erhöhung des Erddrucks zu Auswirkungen auf dem Nachbargrund führt (3 Ob 932/29 SZ 11/233; 1 Ob 72/75 EvBl 1976/47; 1 Ob 221/98a; 3 Ob 132/14d; Winner in Rummel/Lukas 4 § 364b Rz 2; Holzner in ABGB-ON1.02 § 364b Rz 2).

2.3. § 364b ABGB begründet an sich nur einen Unterlassungsanspruch. Im Fall von Schäden besteht aber ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch, wenn der Eingriff in die bodenphysikalische Beschaffenheit des Nachbargrundes durch eine genehmigte Anlage iSv § 364a ABGB verursacht wurde oder eine Analogie zu dieser Bestimmung angezeigt ist (5 Ob 130/00d mwN; Kerschner/Wagner in Klang3 § 364b Rz 22 ff). Letzteres gilt jedenfalls dann, wenn aufgrund einer die Unterlassungsklage nicht ausschließenden Genehmigung der Anschein der Gefahrlosigkeit und damit der Rechtmäßigkeit der bewilligten Maßnahme besteht und dadurch die Abwehr zwar nicht rechtlich ausgeschlossen, aber faktisch derart erschwert wird, dass der Nachbar die Maßnahme praktisch hinnehmen muss (1 Ob 716/77 SZ 50/160; 1 Ob 742/83 SZ 56/158; RS0010668; RS0106324; zuletzt etwa 4 Ob 233/18w mwN).

2.4. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Erhöhung des Erddrucks auf dem Grundstück der Erstbeklagten zu Schäden an den Fundamenten des Nachbargebäudes führte. Weiters bringen die Beklagten selbst vor, dass es sich bei dem Kran um eine behördlich genehmigte Anlage handle. Zwar haben die Vorinstanzen nähere Feststellungen zur Art dieser Genehmigung unterlassen. Allein deren Vorliegen reicht aber wegen des damit verbundenen Anscheins der Gefahrlosigkeit für die grundsätzliche Bejahung eines verschuldensunabhängigen Ersatzanspruchs (jedenfalls) analog § 364a ABGB aus.

3. Ungeachtet dessen ist die Sache aber nicht spruchreif.

3.1. Die (auch analoge) Anwendung von § 364a ABGB setzt nach allgemeinen Grundsätzen voraus, dass die Immission von der schadensverursachenden Anlage ausgeht und für deren Betrieb typisch ist (RS0010670). Der Eintritt des Schadens muss für den Haftpflichtigen ein objektiv kalkulierbares oder gar kalkuliertes Risiko bilden, das er zu seinem Nutzen eingegangen ist (RS0010670 [T7]; RS0010448 [T3]; RS0111420). Im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 364a ABGB wird dies von der Rechtsprechung dahin konkretisiert, dass der Nachbar für alle adäquaten Schäden haftet, die aus dem besonderen Gefährdungspotenzial der Anlage resultieren (1 Ob 196/06i = RS0010670 [T4]; 4 Ob 200/17s; 4 Ob 233/18w RdU 2019/77 [Wagner]; vgl Kerschner/Wagner in Klang3 § 364a Rz 316 mwN). Eine adäquate Verursachung ist (auch) in diesem Zusammenhang (nur) dann nicht anzunehmen, wenn ein Geschehen seiner Natur nach völlig ungeeignet erscheint, einen Erfolg nach der Art des eingetretenen herbeizuführen, und bloß eine außergewöhnliche Verkettung der Umstände vorliegt (5 Ob 190/11v; 4 Ob 233/18w; allgemein zur Adäquanz RS0098939; Kerschner/Wagner in Klang3 § 364a Rz 317).

3.2. Beim verschuldensunabhängigen Anspruch nach §§ 364b iVm 364a ABGB stellt die Rechtsprechung vordergründig auf ein anderes Kriterium ab.

(a) Ein mangelhafter – auch dem Stand der Technik nicht entsprechender (3 Ob 95/11h) – Zustand des Gebäudes oder der sonst betroffenen Anlage auf dem Nachbargrund schließt nach dieser Rechtsprechung die Haftung nicht aus (RS0010708, RS0010709 [T2]; zuletzt 3 Ob 95/11h mwN; Kerschner/Wagner in Klang3 § 364b Rz 45). Allerdings führen mehrere Entscheidungen aus, dass dies „jedenfalls“ dann gelte, wenn der Zustand des Gebäudes „nicht bauordnungswidrig“ gewesen sei (1 Ob 80/97i; 1 Ob 221/98a; 3 Ob 95/11h). Das legt den Umkehrschluss nahe, dass „Bauordnungswidrigkeit“ eine Haftung ausschließe.

(b) Die Rechtsprechung zur „Bauordnungswidrigkeit“ geht auf die Entscheidung 1 Ob 674/77 SZ 51/46 zurück. Gegenstand waren dort Kosten von Baumaßnahmen, die auch ohne den durch die Abtragung des Nachbargebäudes verursachten Stützverlust zwingend erforderlich gewesen wären. Der Umstand allein, dass die Abtragung des Nachbarhauses der „unmittelbare Anlass“ für die Durchführung der dadurch „noch dringlicher“ gewordenen Sanierung der Baugebrechen war, berechtigte die Klägerin nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs nicht zum Ersatz des damit verbundenen, ihr aber auch ohne den Stützverlust erwachsenen Sanierungsaufwands; hätte die Klägerin die Gefährdung ihres Gebäudes gegen das Vorhaben auf dem Nachbargrund eingewendet, so hätte die Baubehörde sie „zweifellos“ zur Behebung dieser Baugebrechen angehalten. Entscheidend war somit nicht die formale Übereinstimmung mit einer irgendwann erteilten Baubewilligung, sondern der konkrete Zustand des Gebäudes. Die späteren Entscheidungen nahmen mehr oder weniger deutlich auf diese Begründung Bezug, verneinten aber jeweils das Vorliegen einer „Bauordnungswidrigkeit“. Ihnen kann daher nicht Weiterführendes entnommen werden.

3.3. An dieser Rechtsprechung ist grundsätzlich festzuhalten.

(a) Sie konkretisiert bei richtigem Verständnis den allgemeinen Grundsatz, dass die verschuldensunabhängige Haftung nach § 364a ABGB nur solche Schäden erfasst, die als adäquate Folge des ursächlichen Geschehens noch ein (grundsätzlich) kalkulierbares Risiko bilden (oben 3.1.): Anfängliche Baumängel (Konsenswidrigkeit) oder ein nachträglich verschlechterter Zustand schließen das an sich noch nicht aus, da mit solchen Mängeln schon nach allgemeiner Lebenserfahrung zu rechnen ist. Die Zurechnung des Schadens wird durch die Mitursächlichkeit eines objektiven Mangels in der Sphäre des Geschädigten nicht grundsätzlich ausgeschlossen (vgl zur Verschuldenshaftung RS0022684, RS0022746). Die Interessen des Schädigers werden in diesem Zusammenhang ohnehin durch die Berücksichtigung eines allfälligen Mitverschuldens gewahrt.

(b) Die Grenze ist aber dort erreicht, wo Mängel so gravierend sind, dass sie – wenn sie erkannt würden – wegen der Gefährdung von Personen oder Sachen zu einem Einschreiten der Baubehörden führen und unabhängig von der vom Nachbargrund ausgehenden Einwirkung behoben werden müssten. In diesem Fall können Schäden, die (auch) auf der Einwirkung vom Nachbargrund beruhen, nicht mehr als typische und damit kalkulierbare Folge dieser Einwirkung angesehen werden; vielmehr ist im Sinn der oben (3.1.) dargestellten Rechtsprechung – bei wertender Betrachtung (RS0081105) – die Adäquanz zu verneinen. Die Rechtsprechung zur „Bauordnungswidrigkeit“ ist in diesem Sinn zu verstehen.

(c) Zur Klarstellung ist allerdings festzuhalten, dass es in diesem Zusammenhang nicht auf die konkrete Ausgestaltung der jeweiligen Bauordnung ankommen kann. Denn dies führte zum Ergebnis, dass die Ersatzpflicht nach §§ 364b iVm 364a ABGB je nach Bundesland unterschiedlich zu beurteilen wäre. Entscheidend ist vielmehr, ob Mängel am Gebäude so gravierend sind, dass sie wegen der Gefährdung von Personen oder Sachen jedenfalls ein Einschreiten der Baubehörde erfordern.

3.4. Im konkreten Fall steht fest, dass die Schäden am Fundament der Lagerhalle auch durch Mängel im Bereich des Kellermauerwerks verursacht wurden (fehlende kraftschlüssige Verbindung, tiefere Lage der Kellermauern). Diese Mängel würden die Haftung der Beklagten aber, wie oben ausgeführt, nur dann ausschließen, wenn sie so gravierend wären, dass sie wegen der Gefährdung von Personen oder Sachen schon als solche zu einem baubehördlichen Sanierungsauftrag führen müssten.

3.5. Ob das zutrifft, kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Aus ihnen ergeben sich zwar Mängel der Fundamentierung. Ob diese aber auch ohne den erhöhten Erddruck geeignet gewesen wären, Personen oder Sachen Dritter zu gefährden, und ob sie daher unabhängig von der Errichtung der Krananlage zu sanieren gewesen wären, lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Damit ist die Sache schon dem Grunde nach nicht spruchreif. Dies führt zur Aufhebung in die erste Instanz, ohne dass es auf die behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens ankäme.

4. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht die oben dargestellte Rechtslage mit den Parteien zu erörtern, gegebenenfalls weitere Beweise aufzunehmen und Feststellungen zum Vorliegen eines Baugebrechens im Sinn einer Gefährdung von Personen oder Sachen zu treffen haben. Lag ein solches Gebrechen vor, wäre das Begehren zur Gänze abzuweisen, sonst hätte es nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens beim Teilzwischenurteil zu bleiben. Ein – auch bei der Haftung nach oder analog § 364a ABGB zu berücksichtigendes (RS0010449 [T9]) – Mitverschulden des Erstklägers könnte nur darin liegen, dass er Mängel an der Fundamentierung fahrlässig nicht erkannt oder behoben hätte; dies wäre aber durch die von ihm hingenommene (implizite) Abweisung des halben Zahlungsbegehrens jedenfalls abgedeckt. Einen Grund, weshalb sich der Erstkläger das allfällige Verschulden eines Voreigentümers zurechnen lassen müsste, zeigen die Beklagten nicht auf.

5. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Eine Haftung nach §§ 364b iVm 364a ABGB ist ausgeschlossen, wenn die Schäden am Gebäude auch auf Baugebrechen zurückzuführen sind, die schon als solche, also unabhängig von der Einwirkung vom Nachbargrund, wegen der Gefährdung von Personen oder Sachen zu einem Einschreiten der Baubehörde führen müssten.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 3 ZPO.

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