Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.938,82 (darin enthalten EUR 323,14 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer einer Liegenschaft mit einem darauf befindlichen Einfamilienhaus. Bergwärts (oberhalb) liegt eine im Alleineigentum des Beklagten stehende Liegenschaft samt Wohnhaus. Zwischen den beiden Liegenschaften verläuft eine Gemeindestraße. In den Jahren 1998, 2000 und 2001 nahm der Beklagte auf seiner Liegenschaft in etwa 20 m Entfernung vom Wohnhaus der Kläger ca. 1,5 m hohe Aufschüttungen vor. Erstmals Ende 1998/Anfang 1999 bemerkten die Kläger an ihrem Wohnhaus Risse, die großteils entlang der Gebäudetrennfugen zwischen dem alten Hausteil und den später errichteten Zubauten (Hauszugang und Garage) verliefen. In der Folge hob sich der Kellerfußboden.
Die Kläger forderten vom Beklagten den Ersatz des erforderlichen Sanierungsaufwands im Ausmaß von EUR 39.200,85. Der Beklagte habe durch die Aufschüttungen den unterirdischen Wasserlauf verändert. Die damit verbundenen Erdbewegungen hätten zu den Gebäudeschäden geführt. Der Beklagte hafte nicht nur deliktisch, sondern auch nach den nachbarrechtlichen Bestimmungen der §§ 364 ff ABGB und nach § 39 Abs 1 WRG.
Der Beklagte wendete ein, es liege kein ursächlicher Zusammenhang zwischen den von ihm vorgenommenen Aufschüttungen und den behaupteten Schäden vor. Die 20 m vom Wohnhaus der Kläger entfernten Aufschüttungen seien nicht dazu geeignet gewesen, Verformungen bzw Setzungen in den oberflächennahen Bodenschichten zu erzeugen. Mangels Beachtung der Bauvorschriften hätten die Kläger die auf Grund ihrer Bauführung eingetretenen Schäden selbst verschuldet. Das Haus sei an einem untauglichen Platz und entgegen dem Stand der Technik gebaut worden. Es bestehe lediglich ein Streifenfundament, welches für die extrem feuchten Bodenverhältnisse der Gegend ungeeignet sei. Die Risse an der Garage bzw zwischen Zubau und Wohnhaus seien allein auf eine nicht entsprechende Bauweise zurückzuführen. Sollte doch ein ursächlicher Zusammenhang mit den Aufschüttungen bestehen, so liege kein Verschulden des Beklagten vor. Eine analoge Anwendung des § 364a ABGB komme nicht in Betracht, da lediglich eine mittelbare Zuleitung erfolgt sei. Der Schadenseintritt sei jedenfalls völlig untypisch, da durch die Schüttungen keine besondere Gefahrensituation geschaffen worden sei und die Schadensfolgen für niemanden kalkulierbar gewesen seien (AS 315f).
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus folgende weitere wesentliche Feststellungen:
Der Grund, auf dem das im Jahr 1979 großteils in „Eigenregie" errichtete Wohnhaus der Kläger steht, weist bereits ab einer geringen Tiefe von rund 1 m schluffiges und sandiges, locker gelagertes Bodenmaterial auf, das bis in Tiefen von 7 bis 8 m ansteht. Solche Böden sind auf Dauer durch Ausspülungen von Feinmaterial als Baugrund nur dann geeignet, wenn - aus heutiger Sicht - eine Tiefengründung bis auf tragfähige Bodenformationen durchgeführt wird, da Ausspülungen Volumsverringerungen der unter dem Bauwerk liegenden Bodenschichten bewirken, die immer wieder auftreten können. Die Folgen sind ungleichmäßige Setzungen des Baukörpers und damit verbundene Rissbildungen. Wird keine Tiefengründung vorgenommnen, sind Setzungen und Rutschungen die Folge. Im Zeitpunkt der Errichtung des Wohnhauses der Kläger entsprachen Streifenfundamente dem damaligen Stand der Technik. Das Grundstück des Beklagten ist weitgehend muldenförmig ausgebildet. Die Ableitung von Niederschlags- und Hangwässern wird durch einen Drainageschacht durchgeführt. Weiters wird die Entwässerung durch wasserdurchlässige und somit wasserführende Schichten im Bodenaufbau des hangabwärts gelegenen Grundstücks der Kläger ermöglicht. Die vom Beklagten mit einer Mächtigkeit von rund 1,50 m aufgebrachten Schüttungen (aus Aushubmaterial) sind - infolge der Entfernung von etwa 20 m - nicht geeignet, Setzungseinflüsse am Gebäude der Kläger durch eine Erhöhung der Bodenpressung zu bewirken; dies wäre höchstens bei einer Entfernung von 3 m bis maximal 5 m möglich. Die Aufschüttungen führten zu keiner Ableitung von Wässern auf das Grundstück der Kläger, hatten aber eine Veränderung des Grundwasserspiegels zur Folge. Der Grundwasserspiegel ist zugleich von der Niederschlagsmenge abhängig. Durch die Aufschüttungen wurde der in Oberflächennähe ursprünglich ungehinderte Abfluss der Wässer zum Drainageschacht verlangsamt. Die bei großen Niederschlagsmengen wassergesättigte Schüttung gab das Wasser teilweise nicht mehr an den Drainageschacht ab, sodass es vermehrt zu Versickerungen kam, insbesondere in jene Bodenschicht, die mit jener unter dem Haus der Kläger gelegenen Bodenschicht verbunden ist. Dort ist diese Schicht von anderen, kaum wasserdurchlässigen Bodenschichten überlagert, weshalb sich darunter ein Wasserdruck aufbauen konnte. Dadurch wurden Ausspülungen feiner Teile ausgelöst, die zu einer Volumsverringerung und zu Setzungen führten. Entlang der Ostfront des Hauses der Kläger entstand durch die Setzungen eine Mulde, die eine Neigung des Wohnhauses nach Osten bewirkte. Als Folge der Druckerhöhung unter dem Haus hob sich der Kellerfußboden. Die am Gebäude aufgetretenen Risse wurden durch ungleichmäßige Setzungen auf Grund der Nachgiebigkeit der unter dem Wohnhaus liegenden wasserführenden Schichten hervorgerufen. Nur eine Tiefengründung bis auf die tragenden Bodenformationen hätte eine Rissbildung am Objekt verhindern können. Die Risse im Garagenbereich sind aber auch darauf zurückzuführen, dass bei Herstellung der Garage im Übergangsbereich zum bestehenden Wohnhaus konstruktive Regeln außer Acht gelassen wurden, zumal die Deckenplatte der Garage ungedämmt den starken Temperaturwechseln zwischen Frost und Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist. Eine Baubewilligung existiert weder für den Zubau noch für die Garage. Die vom Beklagten vorgenommenen Aufschüttungen stellen im Hinblick auf die Entfernung vom Wohnhaus der Kläger ein untypisches Risiko (für die eingetretenen Folgen) dar. Selbst ein Sachverständiger hätte vor Beginn der Aufschüttungen die damit einhergehenden Folgen bzw deren Auswirkungen nicht erkennen können. Im Jahr 2002 nahm das Amt der Steiermärkischen Landesregierung eine Tiefendrainage vor, die zu einer Beruhigung der Setzungen am Wohnhaus der Kläger führte. Die Bodenplatten des Kellerfußbodens senkten sich wieder etwa auf das ursprüngliche Niveau.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass das Verhalten des Beklagten für den eingetretenen Schaden zwar ursächlich gewesen sei, es aber am Adäquanzzusammenhang mangle. Im Zeitpunkt der Aufschüttungsarbeiten sei die Veränderung des Grundwasserspiegels und der Schadenseintritt nicht voraussehbar gewesen. Auch aus § 364a ABGB sei keine Haftung des Beklagten abzuleiten, weil es zu keiner Zu- und/oder Ableitung von Wässern auf das Grundstück der Kläger gekommen sei. Die analoge Anwendung des § 364b ABGB komme nicht in Betracht.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung in der Hauptsache und änderte sie nur im Kostenpunkt ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die erfolgreiche Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs scheitere bereits daran, dass ein Verschulden des Beklagten am Eintritt der Schäden nicht vorliege. Eine Haftung nach § 39 WRG werde in der Berufung nicht mehr geltend gemacht. Ein der in Analogie zu § 364a ABGB gewährter verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch sei zu verneinen:
Veränderungen der natürlichen Höhenlage einer nach dem Flächenwidmungsplan im Bauland gelegenen Grundfläche seien gemäß § 20 Z 4 Stmk BauG bloß anzeigepflichtige Vorhaben. Schon mangels Erforderlichkeit einer behördlichen Genehmigung könne deshalb eine Analogie zu § 364a ABGB nicht hergestellt werden. Überdies scheitere ein (analoger) Ausgleichsanspruch auch daran, dass die Aufschüttungen ein untypisches Risiko darstellten und somit kein „typischerweise von der Anlage ausgehender Schaden" vorliege. Die analoge Anwendung des § 364b ABGB auf den Fall der - hier infolge der Aufschüttung bewirkten - Erhöhung des Nachbargrundstücks sei abzulehnen. § 1319 ABGB führe nicht zu dem von den Klägern gewünschten Erfolg, weil Voraussetzung einer Haftung die Erkennbarkeit oder doch Voraussehbarkeit der Gefahr und damit eine Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kläger ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsauspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Nach den auf den Ergebnissen der Sachverständigengutachten fußenden Feststellungen des Erstgerichts liegt die Ursache für die Setzungsschäden am Gebäude der Kläger nicht in der Erhöhung der Bodenpressung, sondern eindeutig in der durch die Aufschüttung ausgelösten Anhebung des Grundwasserspiegels. Diese stellt eine Immission gemäß dem ersten Satz des § 364 Abs 2 ABGB, aber keine unmittelbare Zuleitung nach dessen zweiten Satz dar, weil die Aufschüttung nicht unmittelbar auf diese Einwirkung abzielte, also keine „Veranstaltung" war, die für eine Einwirkung gerade in Richtung auf den Nachbargrund ursächlich war (1 Ob 58/04t mwN). Die Berufung auf § 364 Abs 2 ABGB scheitert jedoch daran, dass dem Beklagten kein Verschulden zur Last gelegt werden kann, da die Veränderung des Grundwasserspiegels in ihren schadensträchtigen Auswirkungen für niemanden vorhersehbar war.
Ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch stünde den Klägern dann zu, wenn der Schaden durch eine „genehmigte Anlage" im Sinne des § 364a ABGB verursacht worden und eine Analogie zu dieser Bestimmung angezeigt wäre (SZ 50/160; SZ 51/47; SZ 65/38 uva). Eine Analogie zu § 364a (oder §364b) ABGB wird von der Rechtsprechung grundsätzlich bei Erteilung einer den Anschein der Gefahrlosigkeit und Rechtmäßigkeit der bewilligten Maßnahme hervorrufenden Baubewilligung, aber auch in jenen Fällen gezogen, in denen die Baubehörde eine bauliche Maßnahme dadurch gestattet, dass sie die Anzeige eines anzeigepflichtigen Bauvorhabens zur Kenntnis nimmt (1 Ob 615/94 = SZ 67/212). Jede Analogie zu § 364a ABGB muss aber auf das Wesen dieser Bestimmung Bedacht nehmen: Voraussetzung ist, dass unmittelbar von der Anlage Einwirkungen ausgehen, die für den Betrieb der Anlage typisch sind (SZ 69/220; SZ 67/212; SZ 65/38, SZ 61/7; ecolex 1991, 454; RIS-Justiz RS0010670). Mit in diesem Sinn „betriebstypischen" Schäden können nur adäquat verursachte Folgen gemeint sein. Nach der ständigen Rechtsprechung zur Theorie des adäquaten Kausalzusammenhangs ist eine adäquate Verursachung nicht dann anzunehmen, wenn ein Verhalten seiner Natur nach völlig ungeeignet erscheint, einen Erfolg nach der Art des eingetretenen herbeizuführen und bloß eine außergewöhnliche Verkettung der Umstände vorliegt (Karner in KBB, Kommentar zum ABGB, § 1295 Rz 7 mwN; SZ 69/147 u.a; RIS-Justiz RS0098939). Adäquanz liegt nur dann vor, wenn unter Zugrundelegung menschlichen Erfahrungswissens und unter Berücksichtigung der zur Zeit der Handlung dem Verursacher oder einem Durchschnittsmenschen bekannten oder erkennbaren Umstände des Falls das Verhalten geeignet war, eine Schadenfolge von der Art des eingetretenen Schadens in nicht ganz unerheblichem Grad zu begünstigen. Die Frage, ob der eingetretene Schaden noch adäquate Folge der Handlung des Schädigers war, betrifft im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO, weil dabei die Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind und der Lösung der Rechtsfrage keine über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukommt (1 Ob 303/99m mwN). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Aufschüttungen hätten für die durch die Erhöhung des Grundwasserspiegels eingetretenen Schadenfolgen ein untypisches Risiko dargestellt, stellt keine Fehlbeurteilung dar, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Zwar sind Aufschüttungen an sich nicht ungeeignet, die natürlichen Abflussverhältnisse von Niederschlagswässern zu verändern und deren Abflussgeschwindigkeit zu verlangsamen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung war aber die vom Beklagten in 20 m Entfernung vom Wohnhaus der Kläger jenseits einer Straße vorgenommene Aufschüttung von 1,50 m Höhe für die eingetretenen Setzungsschäden allein ungeeignet und wurde nur durch eine außergewöhnliche Verkettung der Umstände Bedingung für den Schaden. Diese Verkettung von Umständen liegt in den zum Zeitpunkt der Vornahme der Aufschüttungen für den Beklagten und selbst für einen Sachverständigen nicht erkennbaren äußerst ungünstigen Bodenverhältnissen des Grundstücks der Kläger sowie im Verlauf unterirdischer, wasserführender Schichten direkt unter dem Haus der Kläger und der dadurch bewirkten schadensträchtigen Erhöhung des Wasserdrucks bzw des Grundwasserspiegels. Die Voraussetzung, dass die von der Aufschüttung ausgehenden Einwirkungen für eine solche typisch sein müssen, ist daher nicht gegeben. Bei einem solchen Sachverhalt ist die analoge Anwendung des § 364a ABGB nicht mehr gerechtfertigt; ein verschuldenunabhängiger Ausgleichsanspruch analog zu § 364a oder § 364b ABGB ist sohin zu verneinen.
Ob der Beklagte die Aufschüttung als anzeigepflichtiges Vorhaben tatsächlich angezeigt hat, ist nicht entscheidungsrelevant. Die analoge Anwendung des § 364a ABGB wäre auch bei Fehlen einer behördlichen Bewilligung angezeigt, vorausgesetzt dass durch die Herstellung der Anlage eine besondere Gefahrensituation geschaffen wird, die auch für den, der die Anlage herstellt, Schadenfolgen zumindest objektiv kalkulierbar macht (SZ 60/265). Um eine reine Erfolgshaftung und damit eine uferlose Haftungsausweitung zu vermeiden, wird in diesen Fällen die objektive Vorhersehbarkeit der Schadensfolgen durch den Schädiger für erforderlich erachtet. Maßgeblich ist, ob der geschädigte Nachbar der Schadensgefahr ausgeliefert war und für den Haftpflichtigen der Eintritt des Schadens ein kalkulierbares bzw kalkuliertes Risiko darstellte, das er zu seinem Nutzen eingegangen ist (10 Ob 33/00a). Dies ist hier zu verneinen, da die Auswirkungen der vorgenommenen Aufschüttungen für den Beklagten nicht erkennbar waren, ja selbst ein Sachverständiger diese nicht hätte erkennen können.
An der mangelnden Vorhersehbarkeit der Schadensfolgen scheitert auch die Haftung des Beklagten nach § 1319 ABGB. Diese Bestimmung normiert nämlich weder eine Erfolgs-, noch eine Gefährdungshaftung, sondern eine Verschuldenshaftung mit Umkehr der Beweislast (RIS-Justiz RS0023525; JBl 2002, 463), sodass die Erkennbarkeit oder doch Voraussehbarkeit der Gefahr vorausgesetzt wäre (EvBl 1983/63 uva). Auf § 1319 ABGB können die Kläger somit ihre Ersatzansprüche nicht mit Erfolg stützen.
Auf § 39 Abs 1 WRG haben sich die Revisionswerber im Berufungsverfahren nicht mehr gestützt, sodass Ausführungen zu dieser „Haftungsgrundlage" entbehrlich sind.
Da weder die vom Berufungsgericht aufgeworfenen noch die von den Klägern in deren Revision für bedeutsam erachteten Rechtsfragen über die besonderen Verhältnisse des Einzelfalls hinaus von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO sind, ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass die Kosten der Revisionsbeantwortung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nötig erscheinen.
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