OGH 3Ob132/14d

OGH3Ob132/14d21.8.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Andreas Haberl, Dr. Gotthard Huber, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Mag. Lothar Korn, Rechtsanwalt in Linz, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Musey rechtsanwalt gmbH in Salzburg, wegen 63.242,33 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Mai 2014, GZ 6 R 83/14i‑64, womit über Berufung der beklagten Partei und der Nebenintervenientin das Zwischenurteil des Landesgerichts Wels vom 10. Februar 2014, GZ 26 Cg 86/11t‑57, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00132.14D.0821.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das auf einem Grundstück der Versicherungsnehmer der Klägerin errichtete Garagengebäude wurde durch eine Hangbewegung im Juni 2009 beschädigt. Ursache der Hangbewegung war die von der Beklagten geduldete und von der Nebenintervenientin vorgenommene Ablagerung von rund 3.000 Tonnen Aushubmaterial auf einer Fläche von 1600 ‑ 2000 m² des östlich oberhalb des Grundstücks der Versicherungsnehmer der Klägerin gelegenen Grundstücks der Beklagten.

In ihrer außerordentlichen Revision gegen das das Zwischenurteil des Erstgerichts bestätigende Berufungsurteil macht die Beklagte insbesondere eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend, die darin liege, dass das Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 182a ZPO eine Haftung gemäß § 1319 ABGB bejaht habe, obwohl sich die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren ausschließlich auf einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch berufen habe. Hätte das Berufungsgericht diese Frage erörtert, hätte die Beklagte vorgebracht, dass sie mangels Vorhersehbarkeit der Hangrutschung kein Verschulden treffe.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesem Vorbringen zeigt die außerordentliche Revision allerdings keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

Abgesehen davon, dass die Klägerin in erster Instanz ihr Begehren auch auf eine Verschuldenshaftung der Beklagten gründete (vgl etwa S 4 in ON 4), wobei die Beklagte das nun in der Revision wiederholte Vorbringen zu ihrem mangelnden Verschulden ohnedies bereits in erster Instanz erstattete (S 4 in ON 5), fehlt es an einer Relevanz des behaupteten Mangels des Berufungsverfahrens:

1. Das Erstgericht bejahte einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch nach § 364b ABGB.

2. In den dagegen erhobenen Berufungen, in deren Mittelpunkt ‑ ebenso wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren ‑ die Bestreitung der Kausalität zwischen der Lagerung von Aushubmaterial und der Hangrutschung stand, machten die Beklagte und die Nebenintervenientin geltend, dass die Versicherungsnehmer der Klägerin eine vorbeugende Unterlassungsklage hätten erheben können, weshalb keine Grundlage für eine analoge Anwendung von § 364a ABGB bestehe.

3. Das Berufungsgericht erledigte die Tatsachenrügen der Berufungen und übernahm sämtliche Feststellungen des Erstgerichts. Die Kausalität steht daher für den Obersten Gerichtshof bindend fest.

4. Ausgehend vom Zweck des § 364b ABGB, die Festigkeit und Standsicherheit des Nachbargrundstücks gegen „menschliche“ (5 Ob 163/08v SZ 2008/155; RIS‑Justiz RS0010697) Einwirkungen zu sichern (RIS‑Justiz RS0010703 [T1]), hat das Erstgericht zutreffend eine Haftung der Beklagten, mit deren Zustimmung die Nebenintervenientin das Aushubmaterial lagerte (vgl RIS‑Justiz RS0010648), nach § 364b ABGB bejaht.

5. Die Klägerin hat in erster Instanz ausdrücklich vorgebracht (S 5 in ON 4), dass ihr ein verschuldensunabhängiger Geldersatzanspruch analog § 364a ABGB (vgl RIS‑Justiz RS0010449 [T12, T14]) zustehe, weil sie ‑ wegen des Störfalls als Einmalereignis bzw wegen dessen Unvorhersehbarkeit ‑ faktisch nicht auf Unterlassung habe klagen können.

Dieses Vorbringen bestritt die Beklagte in erster Instanz nicht nur nicht ausdrücklich; sie berief sich vielmehr zur Dartuung ihres mangelnden Verschuldens selbst auf die Unvorhersehbarkeit der Hangrutschung. Wenn aber, wie vom schädigenden Liegenschaftseigentümer selbst behauptet, die Gefahr einer Hangrutschung für ihn nicht vorhersehbar war, kann es umso weniger dem Nachbarn zugemutet werden, einer vom Liegenschaftseigentümer geschaffenen Gefahrensituation mit vorbeugender Unterlassungsklage zu begegnen (1 Ob 620/94 SZ 68/101).

6. Der Mitverschuldenseinwand ist unberechtigt: Nach den Feststellungen war ausschließlich die Ablagerung des Aushubmaterials kausal für die Hangrutschung und den dadurch verursachten Schaden am Garagengebäude.

7. Daraus folgt, dass das Erstgericht zutreffend davon ausging, dass den Versicherungsnehmern der Klägerin ein auf diese gemäß § 67 VersVG übergegangener verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch gemäß § 364b ABGB zusteht. Aus diesem Grund ist unerheblich, ob auch eine Haftung der Beklagten nach § 1319 ABGB in Betracht käme.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte