European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00150.18B.0627.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch erfassten Fakten (auch) unter die Bestimmungen der §§ 147 Abs 1 Z 1 [vierter Fall] und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB und der hiezu gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Gernot Z***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 [vierter Fall] und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er – zusammengefasstwiedergegeben – im Zeitraum von August 2015 bis August 2016 in G***** und an anderen Orten Österreichs – teils in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Dr. Hans‑Jürgen K***** – mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, in insgesamt 39, im Urteilstenor (zu 1./ bis 39./ auf US 2 bis 4) dargestellten Fällen gewerbsmäßig die dort im Einzelnen genannten Personen „unter Verwendung falscher Daten, nämlich dem von ihm an die Patienten gerichteten Brief und der Preisliste“ durch die wahrheitswidrige Vorspiegelung, dass die als Heilmittel angepriesenen Powerlight-Produkte, bei denen es sich um eine reine Kochsalzlösung handelte, unter anderem gegen alle Arten von Krebserkrankungen, HIV, Hepatitis, Malaria und weitere Erkrankungen helfen, somit durch Täuschung über Tatsachen, zum Erwerb von Powerlight‑Produkten zu den zu 1./ bis 39./ (auf US 2 bis 4) angeführten „Werten“ jeweils zwischen 98 Euro und 3.596 Euro und somit zu Handlungen verleitet, die diese oder andere am Vermögen schädigten, wobei er durch die Taten einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden von (insgesamt) 62.135,70 Euro herbeiführte.
Rechtliche Beurteilung
1./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 9 lit b StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt:
Die begehrte Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich der Psychiatrie (ON 113 S 26 ff) zum Beweis dafür, dass beim Angeklagten eine „indizierte wahnhafte Störung“ im Sinne einer „folie a deux“ vorlag, solcherart „keine Einsichts- und Urteilsfähigkeit“ gegeben und der Genannte „nicht dispositions- und diskretionsfähig“ und damit auch „nicht schuldfähig im Sinne des StGB“ war, unterblieb – schon mangels Bezeichnung eines konkreten Sachverhaltssubstrats, aus dem die im Beweisthema bezeichneten Schlussfolgerungen gezogen werden sollten – zu Recht:
Das vorgelegte Privatgutachten sowie die Ausführungen des Privatsachverständigen Dr. Franz R***** in der Hauptverhandlung (Beilage 1 zu ON 51 und ON 113 S 2 ff) betrafen nur eine (vom Privatgutachter abgegebene) Einschätzung betreffend die Plausibilität der Einlassung des Angeklagten und seiner (fehlenden) Betrugsintention, boten aber – über den vom Privatgutachter vertretenen Schluss einer „am ehesten“ vorliegenden Unzurechnungsfähigkeit im Sinne einer „folie a deux“ (ON 113 S 6; vgl dazu aber RIS-Justiz RS0118421 [T2], RS0097540 [T1, T12, T22, T27]) hinaus – keine Anhaltspunkte tatsächlicher Art, die auf eine Aufhebung der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit des Angeklagten während des Tatzeitraums (von immerhin einem Jahr) hindeuten würden und es dem erkennenden Schöffengericht erlauben könnten, mit Hilfe des besonderen Fachwissens eines gerichtlich bestellten Sachverständigen zu den für den rechtlichen Schluss auf Zurechnungsunfähigkeit erforderlichen Sachverhaltsannahmen zu gelangen (RIS-Justiz RS0097641, RS0119248). Solcherart zielte der Antrag auf unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS-Justiz RS0118444 [T6]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330 f).
Die begehrte Einholung einer derartigen Expertise auch zum Nachweis dafür, dass der Angeklagte „eine stark spirituell geprägte Persönlichkeit aufweist, die sich ein Leben lang sowohl mit mystisch-religiösen Themen als auch mit alternativmedizinisch-esoterischen Behandlungsmethoden intensiv beschäftigt hat“, „diese Beschäftigung mit alternativmedizinischen Methoden bis in sein junges Erwachsenenalter und die Zeit seines Medizinstudiums zurückreicht“ und er „sein ganzes Berufsleben im alternativmedizinischen Bereich zugebracht hat“, sprach keinen für die Schuld- oder Subsumtionsfrage bedeutsamen oder für die Glaubwürdigkeit des Angeklagten erheblichen Aspekt an (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 332, 340). Inwieweit ein psychiatrischer Sachverständiger in der Lage sein sollte, Aussagen zum inneren Wissen und Wollen des Angeklagten im Tatzeitraum, nämlich dazu zu machen, dass „Dr. Z***** davon überzeugt war, dass die von ihm angepriesenen Powerlight-Produkte durchaus Heilmittel für die Behandlung von Krankheiten sind“, er „keinen Zweifel an der Wirksamkeit der Behandlung“ und „keinerlei Täuschungsvorsatz“ hatte, und „den Unterlagen zu entnehmen ist, dass eine Diskrepanz zwischen den realen Ergebnissen und der Wahrnehmung des Dr. Z***** hinsichtlich der Wirksamkeit der Powerlight-Produkte vorliegt“, entbehrte ebenfalls einer Erklärung (RIS-Justiz RS0097540 [T17]). Die Beurteilung von Wahrheit und Richtigkeit einer Aussage (hier: der leugnenden Einlassung des Angeklagten) ist vielmehr ein Akt freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO), der ausschließlich den Tatrichtern zukommt (RIS-Justiz RS0098297). Die in der Beschwerde nachgereichte Argumentation zur Antragsfundierung ist prozessual verspätet (RIS-Justiz RS0099618).
Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider hat das Erstgericht die (privatgutachterlichen) Ausführungen Dris. R*****s (Beilage 1 zu ON 51 und ON 113 S 2 ff) keineswegs unberücksichtigt gelassen, sondern sich vielmehr mit deren Inhalt, ohne in Ansehung der gezogenen Schlussfolgerungen hiezu verpflichtet gewesen zu sein (RIS‑Justiz RS0097545 [T19]), auseinandergesetzt (US 110 ff). Die daraus gezogenen Schlüsse (insbesondere zur mangelnden Überzeugungskraft dieses Beweismittels) bleiben einer Anfechtung mittels Mängelrüge entzogen (vgl RIS-Justiz RS0097433), weshalb sich die darauf bezogene Kritik nur (nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung) in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung wendet.
Die Tatsachenrüge (Z 5a), die auf das zur Mängelrüge (Z 5) erstattete Vorbringen verweist (vgl jedoch RIS‑Justiz RS0115902) und erneut den Versuch unternimmt, die vom Erstgericht bejahte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitraum (US 25, 37, 43, 49, 51, 69, 98, 116) anhand der Ausführungen Dris. R*****s in Zweifel zu ziehen, lässt keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der den Schuldspruch tragenden Urteilsannahmen aufkommen.
Mit der Behauptung eines Feststellungsmangels zum Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit nach § 11 StGB, lässt die Rechtsrüge (Z 9 lit b) die erstgerichtliche Konstatierung außer Acht (RIS‑Justiz RS0118580 [T14, T24, T25]), wonach der Angeklagte durchaus in der Lage war, das Unrecht seiner Handlungen einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (US 25, 37, 43, 49, 51, 69, 98, 116).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
2./ Zum Vorgehen gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – davon überzeugt (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass das angefochtene Urteil essentielle Tatsachenfeststellungen für die rechtsrichtige Subsumtion der vom Schuldspruch erfassten Taten (auch) unter die Bestimmungen der §§ 147 Abs 1 Z 1 [vierter Fall] und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB vermissen lässt (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO):
Vorliegend ging das Erstgericht (zusammengefasst) davon aus (US 6 ff), dass der Angeklagte als praktizierender Allgemeinmediziner mit Kernbereich Homöopathie im Zeitraum von August 2015 bis August 2016 ein via Internet über die Homepage „www.powerlight-pharma.com “ als Heilmittel unter anderem gegen alle Arten von Krebserkrankungen, HIV, Hepatitis, Malaria und weitere Erkrankungen angepriesenes Wasserpräparat vertrieb, welches in Wahrheit einer normalen Kochsalzlösung ohne Arzneimitteleigenschaft entsprach. Dabei gab er im Internet, auf einem den Kunden jeweils übermittelten Informationsblatt und in sogenannten „Patientenbriefen“ wahrheitswidrig vor, dass durch die Einnahme der überwiegend hochpreisigen Präparate gesundheitliche Verbesserungen zu erwarten seien und Heilungschancen bei einer Vielzahl von schweren Erkrankungen bestünden. Der Angeklagte verleitete die im Urteilsspruch angeführten 39 Personen zum Erwerb seiner Produkte in einem Gesamtwert von 62.135,70 Euro (US 2, 136 f), wobei er es ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand, die Betroffenen über die tatsächliche Heilungswirkung zu täuschen, zum Erwerb seiner Produkte zu veranlassen, sie gleichzeitig zu schädigen und sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern (US 10, 19, 23). Zudem handelte er in der Absicht, sich „durch die wiederkehrende Begehung längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen“ (US 136).
Selbst wenn ein Betrug nach § 146 StGB kein besonders raffiniertes Vorgehen des Täters erfordert (vgl RIS‑Justiz RS0094032), so setzt doch Datenbetrug (iSd § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB) voraus, dass der Täter zur Täuschung (im Sinne des Grunddelikts des Betrugs) zur automationsunterstützten Datenverarbeitung aufbereitete (personenbezogene oder nicht personenbezogene) „falsche“ oder „verfälschte“ Daten oder Programme benützt (Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 147 Rz 28/22 f; Kienapfel/Schmoller BT II² § 147 RN 60 ff; RIS-Justiz RS0122091 [T4]).
Daten sind „falsch“ (unecht), wenn sie nicht von der Person stammen, die als Hersteller bzw Aussteller angegeben ist; „verfälscht“ hingegen sind ursprünglich echte Daten, die nachträglich durch Austausch der Angabe des Herstellers oder Ausstellers oder durch einen anderen gedanklichen Inhalt geändert wurden (RIS-Justiz RS0122091; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 147 Rz 28/24; Kienapfel/Schmoller BT II² § 147 RN 64; Reindl-Krauskopf in WK2 StGB § 225a Rz 3 ff; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 147 Rz 14g). Bloß inhaltlich unrichtige Informationen oder inhaltlich unrichtige Daten („Lugdaten“) erfüllen diese Qualifikation nicht (Kirchbacher/Sadoghi in WK² § 147 Rz 28/27; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 147 Rz 14g; vgl auch Reindl-Krauskopf in WK2 StGB § 225a Rz 7).
Das Urteil, das insofern nur den Einsatz diverser, vom Angeklagten unterfertigter „Patientenbriefe“ („Brief 1“, „Brief 2“ und „Brief 3“), einer „Preisliste“ sowie eines „Informationsblatts“ und der im Internet publizierten Informationen beschreibt, wonach „Powerlight-Produkte gegen jegliche Art von Krankheit“ und „bei jedem Patienten“ wirkten (US 6), bislang „noch kein einziger Karzinompatient gestorben“ sei, der „nach sieben Tage die zweite Trinkampulle einnehmen konnte“, „alle zehn Glioblastom-Patienten mit dem schnellsten und malignesten Tumor den Tumor überlebt“ hätten und „Powerlight-Pharma die höchsten Heilungschancen“ gewährleiste (US 7), lässt nur erkennen, dass der Angeklagte wahrheitswidrige Behauptungen verschriftlicht und seinen Opfern zugänglich gemacht hat, nicht aber, dass insofern falsche oder verfälschte Daten im Sinne des § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB zum Einsatz kamen (vgl RIS-Justiz RS0103663 [T9, T16, T18]).
Indem das Urteil überdies den (objektiv) eingetretenen Vermögensschaden in den von den Kunden bezahlten Kaufpreisen (von insgesamt 62.135,70 Euro) erblickt (US 2 und US 136 f), jedoch Feststellungen zur inneren Tatseite, nämlich betreffend den Vorsatz des Angeklagten auf die einzelnen Schadensbeträge und damit den Gesamtschaden bzw eine den Betrag von 5.000 Euro übersteigende Schadenshöhe vermissen lässt, entbehrt auch die rechtliche Annahme der Wertqualifikation des § 147 Abs 2 StGB einer hinreichenden Sachverhaltsbasis.
Weiters fehlt dem – offenbar auf den unzureichenden Konstatierungen zur Benützung falscher oder verfälschter Daten im Sinne des § 147 Abs 1 Z 1 vierter Fall StGB beruhenden – Qualifikationsausspruch nach § 148 zweiter Fall StGB die notwendige Tatsachengrundlage; ist dem Urteil doch gleichermaßen nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte die inkriminierten Handlungen in der Absicht begangen hätte, sich aus der wiederkehrenden Begehung derart qualifizierter (Daten-)Betrügereien ein fortlaufendes, nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich 400 Euro übersteigendes Einkommen zu verschaffen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch erfassten Fakten (auch) unter die Bestimmungen der §§ 147 Abs 1 Z 1 [vierter Fall] und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB, demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO) und die Strafsache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.
Mit ihren Berufungen waren sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
3./ Zur Beschwerde gegen die Entscheidung über den Protokollberichtigungsantrag:
Demgemäß ist auch die Beschwerde gegen die (teilweise) Ablehnung des Protokollberichtigungsantrags, der sich auf keinen auf den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde wesentlichen Umstand bezog, erledigt (RIS‑Justiz RS0126057 [T2]).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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