OGH 2Ob71/15b

OGH2Ob71/15b8.6.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch die Sachwalterin Dr. K***** F*****, beide vertreten durch BINDER GRÖSSWANG Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei W***** AG *****, vertreten durch Rechtsanwaltspartnerschaft Kolarz & Augustin in Stockerau, wegen 15.821,89 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. November 2014, GZ 16 R 173/14z‑22, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Juni 2014, GZ 29 Cg 93/13d-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00071.15B.0608.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 978,84 EUR (darin enthalten 163,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall im Jahr 2008 schwer verletzt und bedarf deswegen seither der Hilfe eines Sachwalters. Der beklagte Haftpflichtversicherer hat die Haftung für sämtliche Ansprüche aus dem Unfall anerkannt. Die Tochter der Klägerin ist Ärztin und seit 2009 die Sachwalterin der Klägerin.

Die Klägerin leidet seit dem Unfall in körperlicher Hinsicht unter einer Hemiparese und einer Spastik auf der linken Seite. Die Sachwalterin kümmerte sich ‑ auch im Jahr 2011 ‑ intensiv um die Klägerin. Sie erbrachte Leistungen in medizinischer und in wirtschaftlicher Hinsicht. Sie erstellte eine 3-Säulen-Therapie für ihre Mutter, die einerseits Psychopharmaka, anderseits die Motorik sowie die soziale Interaktion umfasst. Im Jahr 2011 besuchte sie etwa alle zwei Tage ihre Mutter und arbeitete aktiv an ihrer Mobilisierung. Sie holte darüber hinaus die Rezepte und die Medikamente für ihre Mutter und „schachtelte“ diese für sie ein. Dies tat sie auch deswegen, um zu verhindern, dass weiteres, krankenschwesterlich geschultes Pflegepersonal angestellt werden musste. Die Klägerin wurde mit einer 24‑Stunden-Pflege betreut. Die Pflegerinnen kümmerten sich um die Klägerin in körperlicher Hinsicht und verrichteten sonst alle Tätigkeiten in Haus und Heim.

Das zuständige Pflegschaftsgericht hat die Entschädigung der Sachwalterin für ihre Tätigkeit im Jahr 2011 mit 15.821,89 EUR bestimmt.

Die Klägerin begehrt diesen Betrag samt 4 % Zinsen seit 16. 1. 2014 von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes.

Die Beklagte bestritt ua mit dem Vorbringen, der Beschluss im Pflegschaftsverfahren entfalte mangels Parteistellung der Beklagten für sie keine Bindungswirkung. Der eingeklagte Schadenersatzanspruch sei in dieser Höhe nicht adäquat verursacht worden, und es mangle am Rechtswidrigkeitszusammenhang, da die gesetzlichen Voraussetzungen zu dessen Bemessung (insbesondere betreffend 2 % des 10.000 EUR übersteigenden Vermögens) nicht erfüllt seien, weil ein Großteil des der Klägerin gehörenden Vermögens in Sparbüchern und Wertpapieren bestehe, dessen Verwaltung keinen besonderen Aufwand erfordere. Ferner verfüge die Klägerin über eine 24-Stunden-Hilfe. Daher wären die Voraussetzungen für die Minderung der Entschädigung erfüllt gewesen, da die von der Sachwalterin zu besorgende Vermögensverwaltung keiner besonderen Bemühungen bedurft habe. Außerdem habe die Sachwalterin gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen, indem sie keinen geringeren Betrag geltend gemacht habe. Das Pflegschaftsgericht hätte darüber hinaus einen Kollisionskurator bestellen müssen, da die Belohnung der Sachwalterin mit einem derart hohen Betrag erfolgt sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 15.564,36 EUR samt 4 % Zinsen seit 16. 1. 2014 statt und wies das Mehrbegehren von 257,25 EUR samt 4 % Zinsen seit 16. 1. 2014 ab. Es stellte ua den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte in rechtlicher Hinsicht aus, selbst wenn die Klägerin die Entschädigung noch nicht an die Sachwalterin abgeführt haben sollte, wäre der Klägerin allein durch die rechtskräftig bestimmte Entschädigung ein Nachteil am Vermögen und somit ein Schaden entstanden. Gerade bei schweren Verkehrsunfällen könne eine typische Folge sein, dass eine dadurch verletzte Person Hilfestellung durch einen Sachwalter bedürfe; die adäquate Verursachung der Kosten des Sachwalters sei daher zu bejahen. Auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang liege vor. In der (bloßen) Geltendmachung eines Anspruchs in gesetzlicher Höhe durch die Sachwalterin liege kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht. Überdies müsste nach § 1304 ABGB die dort genannte und zu beachtende Obliegenheitsverletzung durch den Geschädigten selbst, hier also die Klägerin, und nicht durch eine dritte Person, hier also die Sachwalterin, erfolgen. Eines Kollisionskurators zur Bestimmung der Entschädigung der Sachwalterin habe es nicht bedurft. Das Pflegschaftsgericht habe - mit Ausnahme eines zu hoch angenommenen Depotwerts - die Entschädigung der Sachwalterin nach § 276 Abs 1 ABGB rechtsrichtig bestimmt. Voraussetzungen für die Minderung der Entschädigung gemäß § 276 Abs 1 letzter Satz ABGB lägen nicht vor. Die Bemühungen und die Intensität der Befassung der Sachwalterin mit ihrer Mutter übersteige ein gewöhnliches Mutter-Tochter-Verhältnis im Alter der Sachwalterin bei weitem. Der Entschädigungsbestimmungsbeschluss des Pflegschaftsgerichts entfalte für die Beklagte keine Bindungswirkung, weil ihr bei dessen Fassung keine Parteistellung zugekommen sei. Daher sei der den Vermögensverhältnissen nicht entsprechende Betrag von 257,25 EUR, resultierend aus der bloßen Dritteleigentümerstellung der Klägerin am Wertpapierdepot, abzuweisen, im Übrigen dem Klagebegehren jedoch stattzugeben gewesen.

Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Selbst einen allfällig überhöht geltend gemachten jährlichen Belohnungsanspruch der Sachwalterin (Verstoß der Sachwalterin gegen die Schadensminderungspflicht) ‑ ein insofern strafrechtlich relevantes Verhalten sei nicht behauptet worden ‑ müsse sich die Klägerin nicht als Verschulden zurechnen lassen. Ein bestimmtes Fehlverhalten der Klägerin selbst werde von der Beklagten nicht behauptet. Die Klägerin habe sich ‑ mangels eines entsprechenden rechtserheblichen Vorbringens der Beklagten ‑ selbst eine mögliche unrichtige Entscheidung des Pflegschaftsgerichts bei der Bestimmung der jährlichen Entschädigung der Sachwalterin nicht zuzurechnen. Die Beklagte habe für die durch das schuldhafte Verhalten ihres Versicherungsnehmers verursachten Folgen einzustehen, worunter hier auch die durch das Sachwalterschaftsverfahren ausgelösten Schäden fielen. Lediglich bei ‑ hier nicht vorliegenden ‑ besonders schweren Unterbrechungsgründen des Kausalzusammenhangs (etwa Vorsatz des Dritten) wäre eine Weiterhaftung zu verneinen. Der Klägerin stehe ein Schadenersatzanspruch in Höhe der vom Bezirksgericht M***** bestimmten Sachwalterentschädigung zu, weil es hier auf eine nähere Überprüfung der diesbezüglichen gerichtlichen Entscheidung nicht ankomme. Das auf den erwähnten Beschluss des Pflegschaftsgerichts über die Entschädigung der Sachwalterin für ihre Tätigkeit im Jahr 2011 gestützte Klagebegehren sei demnach im vollen Umfang berechtigt. Inwieweit nun das Wertpapierdepot tatsächlich vollständig der Klägerin zuzurechnen sei, sei für die erwähnte vorzunehmende umfassende Interessensabwägung nicht ausschlaggebend.

Das Berufungsgericht erklärte erst nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO die Revision für zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen einer Minderung der Entschädigung eines Sachwalters im Sinn des § 276 Abs 1 letzter Satz ABGB in der Fassung des BGBl I 2006/92 nicht vorliege.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinn der Klageabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zwar nicht aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund, wohl aber deswegen zulässig, weil zur Frage, ob ein Haftpflichtversicherer, der die Kosten eines unfallkausal bestellten Sachwalters zu ersetzen hat, an die Bestimmung von dessen Entschädigung durch das Pflegschaftsgericht gebunden ist, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt; die Revision ist aber nicht berechtigt.

1. Die Beklagte haftet jedenfalls nur dann, wenn das haftungsbegründende Verhalten ihres Versicherungsnehmers einen Schaden der Klägerin verursachte.

Diese Voraussetzung ist hier erfüllt: Schaden ist nicht nur eine Einbuße an Aktiven, sondern auch jedes Anwachsen der Passiven; der Schaden kann daher auch darin bestehen, dass das Vermögen des Geschädigten durch Entstehen einer Verbindlichkeit vermindert wurde (RIS-Justiz RS0022518, RS0022568; zuletzt etwa 1 Ob 184/12h, 3 Ob 206/13k, 5 Ob 157/14w). Die Verpflichtung der Klägerin, ihrer Sachwalterin die gerichtlich bestimmte Entschädigung zu leisten, ist eine solche Verbindlichkeit. Diese Verbindlichkeit wurde ‑ nach der Lehre von der conditio sine qua non (

RIS-Justiz RS0022687) ‑ durch den Unfall verursacht. Denn ohne diesen Unfall wäre kein Sachwalter bestellt worden, und es gäbe daher weder einen (materiell‑rechtlichen) Entschädigungsanspruch im Sinn von § 276 ABGB noch eine Entscheidung über dessen Höhe im Sinn von § 137 Abs 2 AußStrG.

2. Zu prüfen bleibt, ob die Beklagte im Schadenersatzprozess einwenden kann, dass das Pflegschaftsgericht die Entschädigung ‑ nach den Kriterien des § 276 ABGB - zu hoch festgelegt habe.

2.1. Von der Rechtskraft dieses Beschlusses ist die Beklagte jedenfalls nicht erfasst.

Die materielle Rechtskraft einer Entscheidung erfasst auch im Außerstreitverfahren nur die Parteien ( Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 43 Rz 25; vgl auch Rechberger in Rechberger , AußStrG 2 § 43 Rz 1). Die Beklagte war im Pflegschaftsverfahren jedenfalls nicht formelle Partei (§ 2 Abs 1 Z 1 und 2 AußStrG) oder Legalpartei (§ 2 Abs 1 Z 4 AußStrG), sie hatte aber auch keine materielle Parteistellung im Sinn von § 2 Abs 2 Z 3 AußStrG. Dies hätte vorausgesetzt, dass ihre rechtlich geschützte Stellung durch die Entscheidung des Gerichts unmittelbar beeinflusst worden wäre. Unmittelbar beeinflusst ist eine Person aber nur dann, wenn die in Aussicht genommene Entscheidung deren Rechte oder Pflichten ändert, ohne dass noch eine andere Entscheidung gefällt werden muss; Reflexwirkungen allein reichen nicht aus, eine materielle Parteistellung zu begründen (6 Ob 186/07g, RIS-Justiz RS0123028, zuletzt etwa 6 Ob 98/14a und 2 Ob 114/14z). Maßgebend ist dabei insbesondere der Zweck des Verfahrens ( G. Kodek in Gitschthaler , AußStrG § 2 Rz 54 ff mwN), der im vorliegenden Fall allein auf den Schutz des Pflegebefohlenen und die Wahrung der berechtigten Ansprüche des Sachwalters gerichtet ist. Die bloße Möglichkeit einer schadenersatzrechtlichen Überwälzung der Entschädigung auf einen Dritten begründet daher dessen Parteistellung nicht. Damit kann dieser aber auch nicht von der Rechtskraft der Entscheidung erfasst sein.

2.2. Allerdings schließen es materielle Wertungen des Schadenersatzrechts aus, die Entscheidung des Pflegschaftsgerichts im vorliegenden Verfahren unbeachtet zu lassen und die Höhe der Entschädigung statt dessen inhaltlich ‑ als Vorfrage ‑ zu prüfen.

(a) Zunächst ist festzuhalten, dass das bloße Entstehen der Verbindlichkeit nicht anders behandelt werden kann als eine aufgrund des Beschlusses tatsächlich erfolgte Zahlung. Hielte man eine vorfrageweise Beurteilung der Entschädigungshöhe im Schadenersatzprozess für zulässig, müsste das auch dann gelten, wenn die Klägerin tatsächlich gezahlt hätte. Es müsste daher begründet werden, weshalb eine solche ‑ zweifellos durch den Unfall verursachte ‑ Vermögensminderung nicht oder nicht zur Gänze dem Schädiger (hier Haftpflichtversicherer) zuzurechnen wäre.

(b) Mangelnde Adäquanz stünde dieser Zurechnung nicht entgegen.

Ein Schaden ist adäquat herbeigeführt, wenn seine Ursache ihrer allgemeinen Natur nach für die Herbeiführung eines derartigen Erfolgs nicht als völlig ungeeignet erscheinen muss und nicht nur infolge einer ganz außergewöhnlichen Verkettung von Umständen zu einer Bedingung des Schadens wurde. Der Schädiger haftet für alle, auch für zufällige Folgen, mit deren Möglichkeit abstrakt zu rechnen gewesen ist, aber nicht für einen atypischen Erfolg (RIS-Justiz RS0022906; RS0022546; RS0022944; RS0022914). Auch wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden dazu tritt, ist die Adäquanz zu bejahen, wenn nach den allgemeinen Erkenntnissen und Erfahrungen das Hinzutreten der weiteren Ursache, wenn auch nicht gerade normal, so doch wenigstens nicht gerade außergewöhnlich ist (RIS-Justiz RS0022918). Wenn die weitere Ursache im Fehler eines Dritten liegt, scheidet die Haftung aus, wenn mit dem dadurch bedingten Geschehensablauf nach der Lebenserfahrung nicht zu rechnen war (RIS-Justiz RS0022621; RS0022575; zuletzt etwa 1 Ob 238/07t, 9 Ob 42/08d), er also außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit lag (RIS-Justiz RS0022940). Dies gilt nach einigen Entscheidungen selbst dann, wenn die weitere Ursache eine gewollte rechtswidrige Handlung eines Dritten war (RIS-Justiz RS0022940 [insb T4]).

Eine falsche gerichtliche Entscheidung liegt nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit; dies gilt umso mehr, wenn ‑ wie im konkreten Fall ‑ ein Ermessensspielraum bestand und nur strittig sein kann, ob dieser überschritten wurde oder nicht. Hier (schon) die Adäquanz zu verneinen, wäre mit der dargestellten Rechtsprechung unvereinbar.

(c) Auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang ist zumindest im konkreten Fall zu bejahen.

Mangels jeglichen Anhaltspunkts in den haftungsbegründenden Normen der Straßenverkehrsordnung und des ABGB kann nur aufgrund einer Interessensabwägung beurteilt werden, ob auch die Folgen einer (allenfalls) falschen gerichtlichen Entscheidung in deren Schutzbereich fallen oder nicht. Ausgangspunkt dieser Abwägung ist der Umstand, dass das Risiko einer solchen Entscheidung erst durch das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Schädigers entstanden ist. Damit liegt es grundsätzlich näher, dieses Risiko ihm und nicht dem Geschädigten zuzurechnen.

Anders ist die Interessenlage zwar dann, wenn der Geschädigte dieses Risiko durch Erheben von Rechtsmitteln beherrschen kann. Hier könnte ein Rückgriff auf die Rechtsprechung erwogen werden, wonach einzelne (adäquate) Schadensfolgen dem Schädiger dann nicht zuzurechnen sind, wenn diese auf einem selbständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluss des Verletzten beruhen (1 Ob 626/89; RIS-Justiz RS0022912 [T1, T3]), dies insbesondere dann, wenn eine umfassende Interessensabwägung ergibt, dass die Belastungsmomente auf Seiten des Verletzten jene des Täters bei weitem überwiegen (2 Ob 155/97a; RIS-Justiz RS0022912 [T2]; zuletzt etwa 9 Ob 76/14p). Das Unterlassen von Rechtsmitteln könnte als solcher Grund für die Nichtzurechnung angesehen werden.

Richtigerweise handelt es sich dabei aber um einen Aspekt der Schadensminderungspflicht, der nicht schon auf der Ebene der Schadenszurechnung wahrzunehmen ist; vielmehr ist darüber aufgrund eines Einwands nach den Kriterien des § 1304 ABGB zu entscheiden (2 Ob 205/08y mwN). Daher kann im vorliegenden Fall das (objektive) Unterbleiben eines Rechtsmittels nicht schon auf der Ebene des Rechtswidrigkeitszusammenhangs zu einer Nichtzurechnung des Schadens führen. Auch diese Frage wäre - einen entsprechenden Einwand vorausgesetzt - erst in einem weiteren Schritt zu prüfen.

(d) Damit im Ergebnis übereinstimmend hat der Oberste Gerichtshof mehrfach ausgesprochen, dass der Schädiger eine von ihm verursachte Abgabenbelastung des Geschädigten, die mit Bescheid festgesetzt wurde, zu tragen habe; der Bescheid sei im Schadenersatzprozess inhaltlich nicht zu überprüfen (4 Ob 94/06m; 2 Ob 210/07g; 4 Ob 7/08w; 2 Ob 9/09a [obiter]). Diese Auffassung lag auch der Entscheidung 6 Ob 31/08i zugrunde, die zudem eine allfällige Schadensminderungspflicht des Geschädigten (Erheben von Rechtsmitteln) erörterte. Es ist kein Grund erkennbar, die Bestimmung der Sachwalterentschädigung grundsätzlich anders zu behandeln.

3. Die Beklagte hat daher den Umstand, dass die Klägerin mit der Entscheidung des Pflegschaftsgerichts zur Zahlung einer Sachwalterentschädigung in bestimmter Höhe verpflichtet wurde, aufgrund materiell‑rechtlicher Wertungen als Tatsache hinzunehmen. Die von der Beklagten dagegen erhobenen Einwände schlagen nicht durch.

3.1. Gegen die (faktische) Bindung der Beklagten scheint zwar die (jüngere) Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Tatbestandswirkung (Reflexwirkung) von Entscheidungen zu sprechen.

(a) Als Tatbestandswirkung einer gerichtlichen Entscheidung wird der Umstand bezeichnet, dass das historische Ereignis dieser Entscheidung für die Tatfrage eines Folgeverfahrens von Bedeutung ist, weil entweder das Gesetz oder ein Rechtsgeschäft an deren Vorhandensein besondere Rechtsfolgen knüpft oder weil die Existenz dieser Entscheidung einen Sachverhalt schafft, der selbst wieder das Merkmal eines bestimmten Tatbestands ist (3 Ob 4/80, SZ 53/42; 1 Ob 694/89, SZ 63/4; 1 Ob 2123/96d, SZ 70/60 [verst Senat]; RIS-Justiz RS0041401). Letzteres ist hier der Fall: Die Entscheidung des Pflegschaftsgerichts begründet eine Zahlungspflicht der Klägerin, die ihrerseits wieder ‑ durch Auslegung ermitteltes ‑ Tatbestandsmerkmal der die Haftung der Beklagten begründenden Norm (§ 1325 ABGB) ist.

(b) In der älteren Rechtsprechung wurde eine solche Tatbestandswirkung als unproblematisch angesehen: Die gerichtliche Entscheidung sei als eine „juristische Tatsache“ hinzunehmen, eine Überprüfung finde nicht statt (vgl etwa 3 Ob 843/31, SZ 14/13; 8 Ob 40/70, SZ 43/47; 5 Ob 11, 12/70, SZ 43/23; 5 Ob 320/74, JBl 1976, 90 [ Kralik ]). Die Judikatur hat sich hier aber ‑ insbesondere aufgrund der Kritik Kraliks (aaO) ‑ gewandelt: Nunmehr überwiegt die Auffassung, dass Bindungen an nachteilige Wirkungen eines Verfahrens, in das der nun davon Betroffene nicht eingebunden war und die er als unabänderlich hinnehmen müsste, gegen Art 6 EMRK verstoßen und daher nicht bestehen können (1 Ob 694/89, SZ 63/4; 3 Ob 185/94, SZ 68/151; 8 Ob 128/09w, SZ 2010/112; RIS-Justiz RS0074953 ua). Dies entspricht der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs, wonach die Bindung eines Tribunals an die in einem anderen Verfahren ergangene Entscheidung gegen Art 6 Abs 1 EMRK verstößt, wenn der Partei dadurch die Möglichkeit genommen ist, einen für die Entscheidung über ihre zivilrechtlichen Ansprüche (Verpflichtungen) wesentlichen Umstand in Frage zu stellen und die Partei zu diesem anderen Verfahren (rechtlich oder tatsächlich) keinen Zugang hatte (G 73/89, Slg 12.504; G 127/96, Slg 14.703; B 184/03, Slg 17.086).

3.2. Die pauschale Annahme einer fehlenden Bindung wird allerdings in anderen Entscheidungen relativiert oder schlicht nicht beachtet: Bereits dargestellt wurde die Rechtsprechung zur Bindung an Steuerbescheide, aus denen sich ein (weiterer) Schaden des Klägers ergibt (4 Ob 94/06m, 2 Ob 210/07g, 2 Ob 9/09a); Entsprechendes wurde für einen Gleichstellungsbescheid nach § 27a Abs 2 BAG angenommen, der von einem am Verfahren nicht beteiligten Sozialversicherungsträger hinzunehmen sei (10 ObS 25/01a, SZ 74/78; vgl auch VfGH B 639/87 zu einem Behindertenfeststellungsbescheid). Unstrittig ist weiters, dass sich die Verweigerung der Genehmigung eines Vertrags oder einer anderen Rechtshandlung durch das Pflegschafts- oder Insolvenzgericht (faktisch) auch auf die Gegenpartei auswirkt, ohne dass diese am Verfahren beteiligt wäre (vgl RIS-Justiz RS0006207, RS0006212, RS0006225 zum Pflegschaftsverfahen; RS0065256, RS0006953 zum Insolvenzverfahren); gleiches gilt für die allenfalls bestehenden Folgen einer Beschlussanfechtung nach § 41 GmbHG auf mit Dritten geschlossene Rechtsgeschäfte (6 Ob 42/12p). Weiters wird in einzelnen Entscheidungen zwar eine Bindung Dritter an Entscheidungen verneint, die im Tatbestand einer Norm genannt sind, wohl aber eine Behauptungs- und Beweislast desjenigen angenommen, der die Unrichtigkeit einer ohne seine Beteiligung ergangenen Entscheidung behauptet (7 Ob 503/96; 3 Ob 1/10h, SZ 2010/58; jeweils zur Tatbestandswirkung nach § 8 AnfO).

3.3. Diese Rechtsprechung zeigt, dass eine differenzierte Betrachtung erforderlich ist. Nicht alles, was Einfluss auf jemandes Rechtsstellung hat, ist schon „seine Sache“ im Sinn von Art 6 EMRK (VfGH B 639/87, Slg 11.934). Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob nicht Wertungen des materiellen Rechts ‑ hier das Einstehenmüssen der Beklagten für adäquate Folgen eines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens ‑ eine eingeschränkte Auslegung des Art 6 EMRK erfordern. Das trifft zweifellos dort nicht zu, wo eine streng verstandene Tatbestandswirkung zum Wegfall eines zivilrechtlich an sich bestehenden Anspruchs führte, etwa im Anwendungsbereich des § 364a ABGB (8 Ob 128/09w, SZ 2010/112 mwN; RIS-Justiz RS0126291) oder bei einem behördlich verfügten Abbruch eines Bestandgegenstands (3 Ob 37/94, SZ 67/64 [verst Senat]; RIS-Justiz RS0027764). Hingegen kann ein Überwiegen der materiell‑rechtlichen Wertungen zur Schadenszurechnung angenommen werden, wenn eine Entscheidung im Vorverfahren nur die Höhe des vom Beklagten zu ersetzenden Schadens konkretisiert. Dem Rechtsgedanken des Art 6 EMRK kann in solchen Fällen ‑ unter Bedachtnahme auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ‑ auch durch eine Obliegenheit des Klägers Rechnung getragen werden, den Beklagten, soweit die Verfahrensgesetze das ermöglichen, zur Beteiligung am Vorverfahren aufzufordern oder zumindest den Schaden durch Erheben von Rechtsmitteln gering zu halten.

3.4. Soweit es sich beim Vorverfahren um einen Zivilprozess handelt, wird regelmäßig eine Streitverkündung möglich sein. Insofern ist daher an der Rechtsprechung festzuhalten, dass bei Unterbleiben der Streitverkündung von vornherein keine Bindung eintritt (1 Ob 2123/96d, SZ 70/60 [verst Senat]; RIS-Justiz RS0107338). Ist demgegenüber ‑ wie im Außerstreitverfahren (RIS-Justiz RS0120721) ‑ eine Beteiligung des Schädigers am Vorverfahren nicht möglich, wird nach § 1304 ABGB eine Obliegenheit des Geschädigten bestehen, den Schaden durch Erheben von Rechtsmitteln gering zu halten (8 Ob 504/94; 6 Ob 31/08i [jeweils zu Abgabenbescheiden]; vgl in anderem Zusammenhang 3 Ob 572/76 [vertraglich übernommene Pflicht zur Zahlung einer Grunderwerbsteuer]; 9 Ob 83/10m [§ 692 ABGB]). Verletzt der Geschädigte schuldhaft diese Obliegenheit, wäre zu prüfen, ob ein Rechtsmittel (allenfalls auch ein anders begründetes Rechtsmittel) Erfolg gehabt hätte, weil nur in diesem Fall die Obliegenheitsverletzung kausal für einen Teil des Schadens wäre (vgl RIS-Justiz RS0022831). Insofern könnte der Geschädigte daher in der Sache ohnehin die Unrichtigkeit der Vorentscheidung geltend machen.

4. Im konkreten Fall hat die Beklagte allerdings keinen auf § 1304 ABGB gestützten Einwand erhoben. Das war folgerichtig, weil nur eine schuldhafte Verletzung der Schadensminderungspflicht zu einer Kürzung der Ansprüche führen kann (RIS-Justiz RS0027062; vgl insb 2 Ob 349/98g zur Verschuldensfähigkeit ieS). Dass die Klägerin trotz ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung, die zur Bestellung der Sachwalterin geführt hatte, in der Lage gewesen wäre, die (allfällige) Unrichtigkeit des Beschlusses über die Sachwalterentschädigung zu erkennen und ein Rechtsmittel zu erheben, lässt sich dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen.

5. Damit hat es im Ergebnis bei der Entscheidung des Berufungsgerichts zu bleiben. Die von der Revisionswerberin gerügten Feststellungs- und Verfahrensmängel in Bezug auf die Leistungen der Sachwalterin und die Vermögensverhältnisse der Klägerin liegen wegen rechtlicher Irrelevanz dieser Fragen nicht vor.

6. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Schädiger haftet grundsätzlich für Verbindlichkeiten des Geschädigten, die sich aus einer gerichtlichen Entscheidung ergeben, die im Kausalzusammenhang mit dem haftungsbe-gründenden Verhalten steht. Adäquanz und Rechtswidrigkeitszusammenhang sind nicht allein deswegen zu verneinen, weil diese Entscheidung allenfalls falsch sein könnte. Allerdings besteht keine inhaltliche Bindung an die Entscheidung, wenn der Geschädigte eine verfahrensrechtlich mögliche Streitverkündung unterlassen hat. War keine Streitverkündung möglich, wäre auf Einwand des Schädigers zu prüfen, ob der Geschädigte durch Unterlassen eines Rechtsmittels seine Schadensminderungspflicht verletzt hat.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

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