OGH 5Ob157/14w

OGH5Ob157/14w23.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** S***** GmbH, *****, vertreten durch Greiml & Horwath RechtsanwaltsPartnerschaft in Graz, gegen die beklagte Partei V***** P*****, vertreten durch Univ. Prof. Dr. Friedrich Harrer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 870.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 31. Juli 2014, GZ 2 R 121/14y‑10, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 19. Mai 2014, GZ 4 Cg 10/14f‑6, abgeändert wurde,

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00157.14W.1023.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin bietet seit 2005 im Rahmen eines damals in Österreich neuen Geschäftsmodells ein Lottosystemspiel an, bei dem die Spielteilnehmer Mitglieder einer Spielegemeinschaft werden und damit an Lottoausspielungen teilnehmen. Zu diesem Zweck wird zwischen dem jeweiligen Spieleteilnehmer und der Klägerin ein unbefristeter Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen, demzufolge die Klägerin die einzelnen Teilnehmer zu Tippgemeinschaften vermittelt, für die Spielgemeinschaften Tipps nach dem Zufallsprinzip erstellt, die Spielscheine treuhändig verwahrt, die Gewinne ermittelt und verteilt. Für diese Tätigkeiten erhält die Klägerin ein Verwaltungsentgelt („Handling‑Erlös“), das sie vom Teilnahmeentgelt einbehält. Ein Teil des Entgelts wird als Spieleinsatz an die Lottogesellschaften weitergeleitet.

Die Beklagte war mit der steuerlichen Vertretung der Klägerin beauftragt. In den Geschäftsjahren 2005 bis 2008 führte die Klägerin nach Beratung durch die Beklagte von jenem Teil des Teilnahmeentgelts, das bei ihr verblieb, Umsatzsteuer ab. Der an die Lotteriegesellschaften weitergeleitete Anteil wurde entsprechend einer über Anfrage der Beklagten erteilten Auskunft des zuständigen Finanzamts vom 1. 9. 2005 als steuerfreier Durchlaufposten betrachtet.

Am 1. 8. 2008 erging eine Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenats (UFS) Innsbruck, die ein vergleichbares Geschäftsmodel betraf. Darin wurde ausgesprochen, dass nicht nur der bei der Dienstleisterin verbleibende Anteil der Teilnahmegebühr der Umsatzsteuer unterliege, sondern das gesamte Entgelt. Diese Entscheidung wurde am 13. 8. 2008 in die Finanzdokumentation des Bundesministeriums für Finanzen (FINDOK) aufgenommen. In diesem Verfahren wurde eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, der darüber mit Erkenntnis vom 29. 7. 2010 entschieden hat.

Anlässlich einer ab Ende 2008 bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung vertrat die Finanzbehörde unter Bezugnahme auf die Entscheidung des UFS Innsbruck die Auffassung, dass die gesamte Teilnahmegebühr der Umsatzsteuer unterliege. Am 15. 7. 2009 fand die Schlussbesprechung statt, als deren Ergebnis eine Wiederaufnahme des Verfahrens zur Umsatz- und Körperschaftssteuerbemessung für die Jahre 2005 und 2006 ausgesprochen und der Klägerin die Umsatzsteuer für 2007 und 2008 vorgeschrieben wurde; hinsichtlich der Körperschaftssteuer für 2009 wurde eine Vorauszahlung festgesetzt. Am 5. 8. 2009 erging der endgültige Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2007. Mit Bescheid vom 14. 8. 2009 wurde der für das Jahr 2008 erlassene Umsatzsteuerbescheid vom 27. 7. 2009 berichtigt. Auf Grund dieser Bescheide ergab sich für die Klägerin eine Umsatzsteuernachforderung von 2.232.037,53 EUR. Mit Bescheid vom 13. 8. 2013 bewilligte das Finanzamt der Klägerin eine Nachsicht dieser Abgabenschuld unter anderem unter der Bedingung, dass ein Betrag von 850.000 EUR in Raten bezahlt und eine in dieser Sache beim Verwaltungsgerichtshof anhängig gemachte Beschwerde zurückgezogen wird.

Mit ihrer am 4. 2. 2014 eingebrachten Mahnklage begehrte die Klägerin von der Beklagten zunächst aus „anwaltlicher Vorsicht“ 20.000 EUR sA an Schadenersatz und dehnte das Klagebegehren in der Tagsatzung vom 30. 4. 2014 auf 870.000 EUR sA aus. Dazu brachte sie im Wesentlichen vor, die Beklagte habe sie über die wahre Rechtslage und die bestehenden Ungewissheiten bei der Umsatzsteuerbemessung nicht aufgeklärt, sondern eine lediglich unverbindliche Auskunft des Finanzamts als gesichert dargestellt. Angesichts der unklaren Rechtssituation hätte die Beklagte die Klägerin auffordern müssen, sicherheitshalber von ihren Kunden Umsatzsteuer für die gesamte Teilnahmegebühr zu verrechnen, was im Nachhinein nicht mehr möglich sei. Dadurch sei ihr ein Schaden in der Höhe des Vergleichsbetrags von 850.000 EUR entstanden. Bei richtiger Beratung durch die Beklagte hätte sie im Jahr 2008 eine Rückstellung für Umsatzsteuer bilanziert, womit sie im Folgejahr einen Verlustvortrag mit Gewinnen ausgleichen und sich dadurch Körperschaftssteuer ersparen hätte können. Insoweit werde ein Schaden von 20.000 EUR sA geltend gemacht. Die Verjährungsfrist habe erst im Jahr 2013 zu laufen begonnen, als mit dem Finanzamt ein Vergleich ausverhandelt worden sei. Bis dahin sei die Schadenshöhe unklar gewesen. Auch sei ihr der Beratungsfehler der Beklagten nicht bekannt gewesen.

Die Beklagte bestritt den ihr von der Klägerin angelasteten Beratungsfehler und wendete Verjährung der Forderungen ein. Der Schadenseintritt sei der Klägerin bereits mit dem Abschluss der Betriebsprüfung im Sommer 2009 bekannt geworden, ebenso die Person des möglichen Schädigers.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung, aber auch mangels schuldhafter Fehlleistung der Beklagten ab. Die Vermögensverminderung bei der Klägerin sei bereits mit Erlassung der Steuerbescheide im Juli bzw August 2009 eingetreten, weil die Rechtskraft der Steuervorschreibung ebenso wenig Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist sei wie die Fälligkeit der Steuerschuld. Die Argumentation der Klägerin, ihr sei bei Erlassung der Abgabenbescheide erster Instanz die Person des Schädigers nicht bekannt gewesen, überrasche. Wer sonst, wenn nicht die Beklagte als Steuerberaterin, solle einen derartigen Beratungsfehler zu verantworten haben. Darüber hinaus verneinte das Erstgericht auch ein schuldhaftes Fehlverhalten der Beklagten.

Das Berufungsgericht verneinte über Berufung der Klägerin mit Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO die von der Beklagten eingewendete Verjährung des Anspruchs und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Zwar werde in der Rechtsprechung bereits das Entstehen einer Abgabenschuld durch einen erstinstanzlichen Steuerbescheid als erkennbarer Schadenseintritt angesehen, weswegen der Klägerin der in der Umsatzsteuernachforderung liegende Schaden spätestens mit Erhalt der Steuerbescheide aus Juli/August 2009 bekannt geworden sei. Wann die Klägerin von dem in der Körperschaftssteuer gelegenen Schaden Kenntnis erlangt habe, sei hingegen nicht ersichtlich; dazu würden auch Behauptungen der Beklagten fehlen. Die Kenntnis vom Eintritt des „Umsatzsteuerschadens“ bedeute aber noch nicht, dass sich die Klägerin zugleich auch schon über das Vorliegen eines dafür ursächlichen und schuldhaften Fehlverhaltens (Beratungsfehlers) der Beklagten im Klaren sein habe müssen. Einerseits wäre es überzogen, von der Klägerin zu erwarten, sie hätte wegen des vom Finanzamt im Zuge der Betriebsprüfung eingenommenen Standpunkts der Beklagten sofort das Vertrauen entziehen und deren Beratungstätigkeit einer fachkundig‑sachverständigen Überprüfung auf das Vorliegen von Haftungstatbeständen unterziehen lassen müssen. Andererseits sei der Umsatzsteuernachforderung ein Rechtsstandpunkt der Abgabenbehörde zugrunde gelegen, der neu und noch nicht endgültig ausjudiziert gewesen sei, weswegen wohl auch ein Sachverständiger vorweg keine verlässliche Prognose über den Ausgang der Sache und damit über die Richtigkeit bzw Vertretbarkeit des Ratschlags der Beklagten stellen hätte können. Da sich das Erstgericht nur mit der Verjährungsfrage befasst habe, würden Feststellungen fehlen, was eine abschließende Beurteilung der Haftungsfrage hindere.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht nicht zu, weil zu den erörterten verjährungsrechtlichen Fragen bereits eine umfangreiche Judikatur des Obersten Gerichtshofs vorliege, deren Umlegung auf den vorliegenden Einzelfall keine darüber hinausgehende Bedeutung beizumessen sei.

Dagegen richtete sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der ihr durch den Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung die Revision der Beklagten zurückzuweisen; in eventu, ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil diesem eine Fehlbeurteilung der Verjährungsfrage unterlaufen ist, die aus Gründen der Rechtssicherheit auch im Einzelfall aufzugreifen ist; sie ist auch berechtigt.

1. Die Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB beginnt zu laufen, wenn dem Geschädigten der Schaden und die Person des Schädigers bekannt geworden sind. Lehre und Rechtsprechung legen diese Bestimmung dahin aus, dass dies der Fall ist, wenn der Sachverhalt dem Geschädigten so weit bekannt ist, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen kann, also in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RIS‑Justiz RS0034524; M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1489 Rz 3; Mader/Janisch in Schwimann, ABGB³ § 1489 Rz 9). Das bedingt die Kenntnis des Kausalzusammenhangs und ‑ bei verschuldensabhängiger Haftung ‑ auch die Kenntnis der Umstände, die das Verschulden begründen (RIS‑Justiz RS0034524 [T14; T27; T29]; RS0034603; RS0034951). Bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände genügen nicht. Erst objektives Bekanntsein der maßgeblichen Tatumstände bedeutet Kenntnis des Schadens (RIS‑Justiz RS0034547; Dehn in KBB4 § 1489 Rz 3)

. Seit der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 621/95 = SZ 68/238 entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen beginnt (RIS‑Justiz RS0083144).

2. Ob ein Schaden entstanden ist, ist im Vergleich zweier Vermögenslagen zu beurteilen, nämlich der wirklichen, die durch das schädigende Ereignis eingetreten ist, und einer hypothetischen ohne dieses Ereignis (vgl RIS‑Justiz RS0022477). Vermögensminderung ist nicht bloß die Einbuße an Aktiven, sondern auch jedes Anwachsen der Passiven. Der Schaden kann daher auch darin bestehen, dass das Vermögen des Geschädigten durch Entstehen einer Verbindlichkeit vermindert wurde, auch wenn diese noch nicht fällig sein sollte (RIS‑Justiz RS0022518, RS0022568; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1293 Rz 5a).

3. Nach herrschender Rechtsprechung ist es prozessual unbedenklich, unstrittiges Parteivorbringen ‑ und dazu gehört auch der Inhalt einer von beiden Seiten für bedeutsam angesehenen Urkunde ‑ ohne weiteres der Entscheidung zugrundezulegen (§§ 266 f ZPO). Dies gilt auch für das Verfahren vor dem Revisionsgericht (vgl 2 Ob 119/09b; zuletzt 2 Ob 36/14d; RIS‑Justiz RS0121557). Damit kann über die vom Erstgericht ohnedies unter Berufung auf die Berufungsentscheidung des UFS Salzburg vom 18. 3. 2013 (./3) getroffenen Feststellungen hinaus zum Verlauf des Verwaltungsverfahrens auf den Inhalt dieser Entscheidung zurückgegriffen werden.

4. Die Klägerin hat gegen die Bescheide aus 2009, mit welchen die Umsatzsteuer für die Jahre 2007 und 2008 endgültig festgesetzt worden war, Berufung erhoben, mit der sie den Antrag verband, die Entscheidung darüber bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs „in einem praktisch gleichgelagerten Fall zu verschieben“. Damit bezog sich die Klägerin auf § 38 AVG, nach dem die Behörde berechtigt ist, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, entweder selbst zu beurteilen, oder das Verfahren bis zur rechtskräftigen

Entscheidung der Vorfrage

auszusetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird. Mit Bescheid vom 6. 10. 2009 hat das Finanzamt die Entscheidung über die Berufung der Klägerin ausgesetzt und nach Vorliegen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom 29. 7. 2010, Zl 2008/15/0272, die Berufungsvorentscheidung vom 12. 9. 2011 erlassen. Über Vorlageantrag der Klägerin entschied der UFS Salzburg über deren Berufung mit Berufungsentscheidung vom 18. 3. 2013.

5. Nach § 254 BAO wird durch die Einbringung einer Berufung die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheids nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten. Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer

Berufung abhängt, ist aber bei Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen nach § 212a BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen auszusetzen. Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht gemäß § 212a Abs 5 BAO in einem Zahlungsaufschub (VwGH 2009/17/0148). Bereits das Entstehen einer Abgabenschuld durch einen erstinstanzlichen Steuerbescheid stellt daher den erkennbaren Schadenseintritt dar, selbst wenn dieser Bescheid noch nicht rechtskräftig ist und im finanzbehördlichen Instanzenzug angefochten wird (RIS‑Justiz RS0123388; 4 Ob 94/06m; 4 Ob 7/08w; R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.01 [2011], § 1489 Rz 13). Mit dem Vorliegen des erstinstanzlichen Steuerbescheids bestand für die Klägerin somit keine Ungewissheit mehr über die Vermögensminderung infolge einer entstandenen Abgabenschuld (vgl 4 Ob 7/08w). Zutreffend gelangte daher das Berufungsgericht zum Schluss, dass der Klägerin der in der Umsatzsteuernachforderung liegende Schaden, den sie auf die Schlechtberatung der Beklagten zurückführt, spätestens mit Erhalt der Steuerbescheide vom Juli/August 2009 zur Kenntnis gelangte. Dass ausgehend davon der von der Klägerin behauptete Anspruch verjährt wäre, steht nicht in Frage.

6.1 Grundsätzlich zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, dass bei geltend gemachter Verschuldenshaftung auch die Kenntnis des Geschädigten von jenen Umständen, aus denen das Verschulden des Schädigers hervorgeht, erforderlich ist (RIS‑Justiz RS0034322). Soweit es aber die Auffassung vertritt, dass die Klägerin erst nach Vorliegen der Berufungsentscheidung des UFS Salzburg vom 18. 3. 2013 ausreichend Klarheit darüber haben konnte, dass ein der Beklagten anzulastender Beratungsfehler vorliegen könnte, ist ihm nicht zu folgen.

6.2 Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 29. 7. 2010 auch die für die Umsatzsteuerpflicht der Klägerin relevante Rechtsfrage geklärt. Bereits mit dieser Entscheidung stand daher fest, dass die von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung vom Höchstgericht nicht geteilt wurde. Aus der Verfahrensdarstellung in der Berufungsentscheidung des UFS Salzburg ergibt sich, dass die Klägerin ihren Antrag auf Vorlage der Berufung an den UFS Salzburg vom 13. 10. 2011 auch nicht mehr mit Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Umsatzsteuerfestsetzung begründete, sondern im Kern damit argumentierte, dass die angefochtenen Bescheide gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen würden, und damit auf das Schreiben des zuständigen Finanzamts vom 1. 9. 2005 Bezug nahm, auf dessen Richtigkeit sie vertraut habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem UFS vom 18. 3. 2013 hielten die Parteien dazu ausdrücklich fest, dass sich der Streitpunkt auf die Anwendbarkeit dieses Grundsatzes reduziere. Fragen, die im Zusammenhang mit einer möglichen Schlechtberatung der Beklagten stehen hätten können, waren damit gar nicht mehr Gegenstand der Entscheidung vom 18. 3. 2013, weswegen die Klägerin dadurch auch keine weitere Aufklärung über einen möglicherweise der Beklagten anzulastenden Beratungsfehler erlangen konnte, wie das Berufungsgericht vermeint.

6.3 Die Klägerin lastet der Beklagten an, diese habe sie über die bestehende Unsicherheit bei der Umsatzsteuerbemessung nicht aufgeklärt, und sei davon ausgegangen, dass die Festsetzung der Umsatzsteuer rechtswidrig erfolgt sei. Ausreichende Klarheit über einen der Beklagten dabei anzulastenden Beratungsfehler und damit über Umstände, die allenfalls ein Verschulden begründeten, bestand für die Klägerin hiebei bereits mit der Kenntnis der Entscheidung des VwGH vom 29. 7. 2010, das am 2. 9. 2010 im Rechtsinformationssystem des Bundes veröffentlicht wurde. Damit musste ihr der Sachverhalt so weit bekannt sein, dass sie das zur Begründung ihres Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret erstatten hätte können.

7. Feststellungen, die eine verlässliche Beurteilung erlauben würden, wann der Klägerin die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zur Kenntnis gelangte, fehlen aber, weswegen über die Verjährungsfrage noch nicht abschließend abgesprochen werden kann. Nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen kann aber bereits jetzt festgehalten werden, dass dem Verjährungseinwand der Beklagten Berechtigung zukommt, sollte die Klägerin vom erwähnten Erkenntnis des VwGH vor dem 4. 2. 2011 (Klageeinbringung 4. 2. 2014) Kenntnis erlangt haben. Da sie ihren Schaden aus der Körperschaftssteuer daraus ableitet, dass sie bei richtiger Beratung durch die Beklagte im Jahr 2008 eine Rückstellung für Umsatzsteuer bilanziert und sich dadurch Körperschaftssteuer erspart hätte, und damit einen Folgeschaden (vgl dazu RIS‑Justiz RS0034623) aus der Schlechtberatung im Zusammenhang mit den umsatzsteuerrechtlichen Fragen geltend macht, wäre in diesem Fall ihr gesamter Anspruch verjährt, ohne dass es noch auf die vom Berufungsgericht angesprochene Kenntnis vom diesbezüglichen Schadenseintritt ankäme.

8. Die Urteile der Vorinstanzen sind damit aufzuheben. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren die zur Beurteilung der Verjährungsfrage fehlende Feststellungen nachzutragen haben.

9. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte