Spruch:
Der Revision wird, soweit sie sich gegen die Bestätigung der Abweisung der Punkte 1 und 2 des Klagebegehrens (Zahlung von 2.440 EUR sA und Feststellung der Haftung der Beklagten für Schäden aus dem Betrieb des Hubschrauberlandeplatzes) wendet, nicht Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden insoweit als Teilurteil bestätigt.
Die Kostenentscheidung wird der Endentscheidung vorbehalten.
II. den
B e s c h l u s s
gefasst:
Der Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung des Punkts 3 des Klagebegehrens (Unterlassungsbegehren) wendet, Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden insoweit sowie im Kostenpunkt aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung wird vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist seit 1980 Hälfteigentümer einer Liegenschaft im Bauland-Wohngebiet in der Nähe eines Schigebiets. Getrennt durch eine ebene Wiese befindet sich im gleichen Ort auf der Liegenschaft der beklagten S***** - das Sanatorium wurde 1995 errichtet - ein Hubschrauberlandeplatz. Abgesehen von den Geräuschen des Hubschraubers ist die nicht abgeschirmte Landesstraße die bestimmende Geräuschquelle auf der Liegenschaft des Klägers.
In den vergangenen Jahren wurden jeweils in der Wintersaison Flugbewegungen vom Hubschrauberlandeplatz durchgeführt, und zwar in der Zeit von November bis April im Winter 2001/2002 834, im Winter 2003/2004 765, im Winter 2004/2005 622 sowie letztlich im Winter 2005/2006 492 Bewegungen. Die gewöhnliche Gesamtschallimmission im Gebiet des Wohnhauses des Klägers beträgt 51 dB, was auch der Widmung „ländliches Wohngebiet“ entspricht. Durch den Betrieb des Hubschrauberlandeplatzes auf dem Grundstück der Beklagten kommt es zu einer Erhöhung der Gesamtschallimmission auf 57 dB. Dadurch wird eine Verschiebung in die nächst höhere Nutzungskategorie - beschrieben als „städtisches Wohngebiet oder Gebiet für Bauten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe mit Wohnungen“ - bewirkt. Wegen der in den vergangenen Jahren wesentlich häufigeren Flugbewegungen war eine Immissionssituation vorhanden, die schalltechnisch sogar noch intensiver war und einem Kerngebiet (Büros, Geschäfte, Verwaltung ohne wesentliche Immissionen störenden Schalls, Wohnungen) entsprochen hat. Insgesamt ist die Veränderung der akustischen Situation durch die Hubschrauberimmissionen deutlich wahrnehmbar (57 dB statt 51 dB Gesamtimmission). Die ortsüblichen Schallpegelspitzen - verursacht durch LKW-Vorbeifahrten - liegen bei 60 bis 62 dB, durch den Hubschrauberbetrieb erhöhen sie sich auf 81 bis 87 dB (durchschnittliche Häufigkeit viermal täglich). Die in den letzten Jahren verzeichnete Abnahme der Lärmeinwirkung ergibt sich aus den gesunkenen Flugbewegungszahlen, sodass die Gesamtschallimmission von im Winter 2001/2002 mit 59 dB auf zuletzt 2005/2006 57 dB abgesenkt wurde. Im Wesentlichen bestehen diese Belastungen während der drei Monate mit den häufigsten Flugbewegungen von Jänner bis März (2001/2002 - 660 Flugbewegungen, 2002/2003 - 563, 2003/2004 - 562 und 2005/2006 - 334).
Der Kläger erlitt in den Jahren 2002 und 2005 Blutvergiftungen. Er leidet seit 2002 auch an massiven Schlafbeschwerden. Er ist nach einem Glaukom im Jahr 2003 am rechten Auge erblindet und sieht am linken nur noch zu 40 %. Darüber hinaus leidet er an einem erhöhten Blutzuckerspiegel, wobei dessen Werte im Winter höher sind als im Sommer. Es liegt bei ihm der typische Verlauf einer Blutzuckerkrankheit vom Typ der Altersdiabetes vor. Externe Belastungen (Stress, Lärm) sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die Ursache der Blutzuckererkrankung. Sowohl die Zuckerkrankheit als auch das Erblinden ist mit größter Wahrscheinlichkeit nicht auf die Lärmbelästigung durch den Hubschrauberlandeplatz zurückzuführen. Es konnte nicht festgestellt werden, ob die übrigen vom Kläger beschriebenen Erkrankungen - Depressionen - auf den Fluglärm zurückzuführen sind.
Der Kläger hat die Beklagte nie persönlich aufgefordert, die Hubschrauberflüge zu unterlassen. Es ist deren Geschäftsführer aber bereits seit April 2000 bewusst, dass sich der Kläger vom Fluglärm gestört fühlt. Es wurde bereits die Volksanwaltschaft und eine Plattform gegen Hubschrauberlärm, in der der Kläger tätig ist, aktiv. Es wurden auch mehrere Strafanzeigen gegen den Geschäftsführer der Beklagten erstattet, wobei jedoch sämtliche Verfahren eingestellt wurden. Die Flugbewegungen werden mit Einverständnis der Beklagten von einer eigenen GmbH durchgeführt.
Zu den behördlichen Bewilligungen wurde bisher festgestellt, dass der Landeshauptmann mit einem Bescheid vom 29. 6. 2000 der Beklagten die luftfahrtrechtliche Bewilligung zur Errichtung eines Zivilflugplatzes für Hubschrauber zur Durchführung von Rettungsflügen gemäß § 2 der Zivilluftfahrt-Ambulanz- und Rettungsflugverordnung (ZARV 1985, BGBl 126/1985) unter Sichtflug - Wetterbedingungen bei Tag und Nacht unter Auflagen und Bedingungen erteilt hat. Die Dokumentationspflicht wurde mit Bescheid aus dem Jahr 2001 erweitert und mit einem weiteren Bescheid aus dem Jahr 2002 auch noch eine Markierung - Gewichtsbeschränkung von 3,5 t - vorgesehen.
Mit Bescheiden vom 16. 7. 2002 wurde der Beklagten die Betriebsaufnahmebewilligung für Sichtflüge bei Tag und Sichtflug - Wetterbedingungen erteilt sowie die Flugplatzbetriebsvorschrift, die Benützungsbedingungen nach § 64 Abs 3 Luftfahrtgesetz und der Einsatzplan nach § 12 Abs 3 der Zivilluftfahrt-Such- und Rettungsdienstverordnung 1999 genehmigt. Die Genehmigung der Flugplatzbetriebsvorschrift, der Benützungsbedingungen und des Einsatzplanes erfolgte mit Bescheid vom 18. 6. 2004.
Schließlich hat die Bezirkshauptmannschaft mit Bescheid vom 30. 12. 2004 gemäß §§ 68 Abs 1, 71 Abs 1 und 72 Abs 3 Luftfahrtgesetz iVm § 3 Abs 2 der Zivilluftplatz-VO die Zivilflugplatzbewilligung dahin erweitert, dass zusätzlich täglich am Vormittag und am Nachmittag ein Bereitstellungsflug zugelassen wurde. Sonstige zahlenmäßigen Beschränkungen finden sich in den Bescheiden nicht. Im Ermittlungsverfahren wurde iSd § 3 Abs 2 der Zivilflugplatz-VO auch geprüft, inwieweit eine unzumutbare Lärmimmission herbeigeführt wird. Der beigezogene lärmtechnische Sachverständige kam dabei in seinem Gutachten vom 19. 9. 2002 zum Schluss, dass die bestehende Umgebungslärmsituation deutlich verändert und der Geräuschpegel um mehr als 10 dB überschritten werde. Bei dem im Nahebereich der Liegenschaft des Klägers befindlichen Messpunkt wurde der Geräuschpegel bei durchschnittlich vier Flugbewegungen pro Tag sogar mit einer Überschreitung um 15 bis 19 dB angenommen. Der beigezogene medizinische Sachverständige kam zum Schluss, dass durch die Fluglärmbelastung keine Gesundheitsbeeinträchtigung zu befürchten sei und auch keine unzumutbare Belästigung der Nachbarn vorliege. Im Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft im Jahr 2004 haben das Bundesministerium für Verkehr, Technologie und Innovation sowie jenes für Landesverteidigung, die Austrocontrol GmbH und das Amt der Vorarlberger Landesregierung sowie die Landwirtschaftskammer für Vorarlberg und die Marktgemeinde keine Einwände erhoben. Das Bundesministerium für Verkehr, Technologie und Innovation verwies aber auf die Verpflichtung zur Überprüfung allfälliger entgegenstehender Rechte sowie der Anrainerrechte. Die Nachbarn der Liegenschaft der Beklagten wurden dem Verfahren nicht beigezogen.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage 1) 2.100 EUR an Schmerzengeld sowie 300 EUR Pauschalkosten für Arztbesuche und 40 EUR an Unkosten, 2) die Feststellung, dass die Beklagte dem Kläger für sämtliche weitere Schäden aus dem Betrieb des Hubschrauberlandeplatzes hafte und 3) die Unterlassung, auf dem Grundstück der Beklagten Hubschrauber in Betrieb zu nehmen, von dort wegzufliegen oder zu landen, soweit dadurch die Lärmimmission 50 dB überschreite. Er stützt dies zusammengefasst darauf, dass durch den Hubschrauberbetrieb die Grenzwerte für den Gesundheitsschutz und die zulässigen Flugbewegungen überschritten werden. Diese Lärmbelästigung habe zu gravierenden Gesundheitsschädigungen beim Kläger geführt. Auf § 364a ABGB könne sich die Beklagte nicht berufen, da der Kläger im luftbehördlichen Genehmigungsverfahren keine Parteistellung gehabt habe.
Die Beklagte bestritt, beantragte die Klagsabweisung und wendete zusammengefasst ein, dass die Gesundheitsschädigungen in keinem Kausalzusammenhang mit dem Flugbetrieb stünden. Dem Unterlassungsbegehren stehe darüber hinaus entgegen, dass es sich um eine behördlich genehmigte Anlage iSd § 364a ABGB handle. Im Bewilligungsverfahren seien entsprechend § 10 Luftfahrtgesetz und § 3 Zivilflugplatz-VO auch die Interessen der Anrainer berücksichtigt worden. Diese hätten auch die Möglichkeit gehabt, im Rahmen der Verhandlungen ihre Standpunkte einzubringen. Die Flüge hätten sich innerhalb der behördlichen Bewilligungen gehalten. Entsprechend §§ 9, 10 Luftfahrtgesetz seien Rettungsflüge stets überall und ohne Bewilligung zulässig. Der dadurch erzeugte Schall übersteige auch nicht das gewöhnliche ortsübliche Ausmaß und stelle keine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benützung des Grundstücks des Klägers dar. Im Rahmen der öffentlichen Interessen sei auch zu berücksichtigen, dass die Flüge der Erhaltung des Lebens anderer Menschen dienten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es ging dabei rechtlich davon aus, dass es sich bei Flugplätzen um behördlich genehmigte Anlagen iSd § 364a ABGB handle. Es reiche aus, dass im Genehmigungsverfahren die Beschränkung gesundheitsschädlicher und belästigender Einwirkungen als Voraussetzung für die Bewilligung des Betriebs der Anlage geprüft werde. Die Parteistellung der Nachbarn sei nicht entscheidungswesentlich. Es solle der Bestand behördlich genehmigter Anlagen nicht durch nachbarrechtliche Unterlassungsansprüche gefährdet werden. Vielmehr seien die Nachbarn auf den Entschädigungsanspruch verwiesen. Ein Anhaltspunkt für ein Überschreiten der vorgesehenen Grenzen habe sich nicht ergeben. Hinsichtlich des Schadenersatzanspruchs und des Feststellungsbegehrens fehle es schon am Nachweis der Kausalität.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Es schloss sich im Wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an. Hinsichtlich der Ersatzansprüche und des Feststellungsbegehrens mangle es schon am Nachweis der Kausalität. Aber auch die Abweisung des Unterlassungsbegehrens sei berechtigt erfolgt. Nach § 364a ABGB stehe dem Nachbarn bei Einwirkungen durch eine behördlich genehmigte Anlage kein Unterlassungsanspruch, sondern nur ein Entschädigungsanspruch zu. Im Allgemeinen werde von der Rechtsprechung vorausgesetzt, dass die Genehmigung aufgrund eines Verfahrens erfolge, in dem die Berücksichtigung der Interessen der Nachbarn in gleich wirksamer Weise vorgesehen sei wie in dem Verfahren zur Genehmigung von Betriebsanlagen nach der Gewerbeordnung. Im Wesentlichen sei es eine Frage des öffentlichen Rechts, wie die Interessen der Nachbarn berücksichtigt werden. In der Lehre sei strittig, ob auch die Einräumung einer Parteistellung im Verwaltungsverfahren für die Wirkungen des § 364a ABGB erforderlich sei. Das Berufungsgericht erachtete aber die Parteistellung nicht als wesentlich, sondern nur die Frage, ob die Verhinderung der Immissionen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gewesen sei. Nach § 3 Abs 2 der Zivilflugplatz-VO müsse die Zumutbarkeit als Voraussetzung für die Bewilligung des Zivilflugplatzes nachgewiesen werden. Darauf habe sich auch der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 30. Dezember 2000 bezogen. Dementsprechend sei von einer behördlich genehmigten Anlage auszugehen und der Untersagungsanspruch des Klägers zu verneinen.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da der Oberste Gerichtshof teilweise die Ansicht vertreten habe, dass von behördlich genehmigten Anlagen iSd § 364a ABGB und der sich daraus ergebenden Duldungspflicht nur dann auszugehen sei, wenn dem Nachbarn im behördlichen Genehmigungsverfahren Parteistellung zugekommen sei, und eine Rechtsprechung zu dieser Frage bei einem Verfahren nach dem Luftfahrtgesetz nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und teilweise auch berechtigt.
I. Schadenersatz- und Feststellungsbegehren
Soweit der Kläger in seiner Revision erneut auch die Stattgebung seines Zahlungs- und Feststellungsbegehrens begehrt, ist er auf die vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen zu verweisen. Danach konnte die Kausalität des Lärms für die Erkrankungen des Klägers nicht nachgewiesen werden, vielmehr sind mit höchster Wahrscheinlichkeit die gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf andere Umstände zurückzuführen. Das Schmerzengeldbegehren hat der Kläger auf konkrete körperliche und seelische Schmerzen gestützt. Die nunmehrigen Ausführungen zu einer dem „Mobbing“ vergleichbaren physischen Beeinträchtigung verstoßen gegen das Neuerungsverbot (§ 503 ZPO).
II. Zum Unterlassungsbegehren
II.1. Vorbringen des Klägers zum Unterlassungsanspruch
In diesem Zusammenhang macht der Kläger einerseits geltend, dass der Flugbetrieb nicht konsensgemäß erfolgt sei und andererseits, dass ihm der Untersagungsanspruch auch deshalb zustehe, weil keine iSd § 364a ABGB genehmigte Anlage vorliege, da ihm im Verwaltungsverfahren keine Parteistellung zugekommen sei.
II.2. Gesetzeslage
Nach § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Immissionen insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitungen sind ohne Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.
Der im Rahmen der 3. Teilnovelle eingefügte § 364a ABGB schränkt dieses Recht wie folgt ein:
„Wird jedoch die Beeinträchtigung durch eine Werksanlage oder eine behördlich genehmigte Anlage auf dem nachbarlichen Grund in einer dieses Maß überschreitenden Weise verursacht, so ist der Grundbesitzer nur berechtigt, den Ersatz des zugefügten Schadens gerichtlich zu verlangen, auch wenn der Schaden durch Umstände verursacht wird, auf die bei der behördlichen Verhandlung keine Rücksicht genommen wurde.“
II.3. Zur Abgrenzung zwischen § 364 ABGB und § 364a ABGB
Der Untersagungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB setzt einerseits ein Überschreiten des nach den „örtlichen Verhältnissen gewöhnlichen Ausmaßes“ und andererseits eine wesentliche Beeinträchtigung der „ortsüblichen Benutzung des Grundstücks“ voraus. Der Begriff der Ortsüblichkeit ist also sowohl bei der Frage der Qualifikation der Immission als auch bei der Frage der Einschränkung der Nutzung, die korrespondierend beurteilt werden, entscheidend (Spielbüchler in Rummel ABGB3 § 364 Rz 13; Oberhammer in Schwimann ABGB3 § 364 Rz 15 ff; Eccher in KBB2 § 364 Rz 9 jeweils mwN). Dabei wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass die Beeinträchtigung der Benutzung umso wesentlicher sein muss, je näher die Immission an der Ortsüblichkeit liegt (Oberhammer in Schwimann ABGB3 § 364 Rz 15; Eccher in KBB ABGB2 § 364 Rz 9 ua). Geht man nun davon aus, dass sich hier durch den Hubschrauberlandeplatz der Charakter des Wohngebietes unter dem Aspekt des Lärms von einem „ländlichen Wohngebiet“ in ein „städtisches Wohngebiet“ gewandelt hat, so ist darin doch eine wesentliche Beeinträchtigung der Nutzung zu sehen (nunmehr statt 50 dB 57 dB Gesamtschallimmission; allgemein zur Bedeutung dieser Veränderungen auch Kerschner in seiner Entscheidungsbesprechung RdU 2008, 71). Inwieweit dies als „ortsüblich“ angesehen werden kann, wird im Folgenden zu erörtern sein.
II.4. Allgemein zu § 364a ABGB und zur „Ortsüblichkeit“ iSd § 364 ABGB
II.4.1. Zu § 364a ABGB
Vorweg stellt sich aber die Frage, inwieweit hier nicht ohnehin eine „behördlich genehmigte Anlage“ iSd § 364a ABGB vorliegt und schon deshalb der Unterlassungsanspruch ausscheidet.
II.4.2. Zum Prüfungsumfang bei § 364a ABGB
Allerdings wären auch dann nur die typischen Emissionen innerhalb der behördlichen Auflagen vom Unterlassungsanspruch ausgenommen (zur GewO Kerschner in Stolzlechner/Wendl/Bergthaler, Die gewerbliche Betriebsanlage [2008], 238 ff, Oberhammer in Schwimann ABGB3 § 364a Rz 4; Eccher in KBB2 § 364a Rz 4; Kind Lärmrecht [1999], 304 f jeweils mwN; differenziert Spielbüchler in Rummel ABGB3 § 364 Rz 4). Der Kläger hat aber auch einen Verstoß gegen diese Auflagen behauptet. Eine nähere Erörterung sowie Feststellungen dazu fehlen noch. Schon insoweit erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig.
II.4.3. Zur Anwendbarkeit des § 364a ABGB
Vorweg geht es aber um die Frage, ob hier die Einschränkung des Untersagungsrechts nach § 364 ABGB durch § 364a ABGB zur Anwendung kommt, also um die Auslegung des Begriffs der „behördlich genehmigten Anlage“ in § 364a ABGB. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung 8 Ob 135/06w (= WoBl 2007, 317 [Vonkilch] = RdU 2008/42 [Kerschner]) ausgeführt, dass im Hinblick auf die zahlreichen Stellungnahmen der Lehre eine neuerliche Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich ist, ob auch dann das Vorliegen einer „behördlich genehmigten Anlage“ iSd § 364a ABGB angenommen werden kann, wenn dem betroffenen Nachbarn im behördlichen Bewilligungsverfahren keine Parteistellung zukommt. Die Auseinandersetzung mit dieser Frage konnte allerdings in der genannten Vorentscheidung unterbleiben, da schon prozessuale Gründe zur Abweisung des Klagebegehrens führten.
II.4.4. Rechtsprechung
In seiner Entscheidung 4 Ob 619/74 (= SZ 48/15) hat sich der Oberste Gerichtshof in einem Verfahren, in dem es um Lärmbelästigungen ging, die von einem Schießstand verursacht wurden, der von der zuständigen Sicherheitsbehörde genehmigt worden war, allgemein mit der Entstehungsgeschichte des § 364a ABGB befasst. Danach wurde diese Bestimmung in Anlehnung an § 26 der deutschen GewO eingeführt, um im Zuge der Industrialisierung einen Interessenausgleich zwischen Gewerbetreibenden und Nachbarn herbeizuführen. Die Eigentümer der Nachbargrundstücke hatten damals in dem gewerberechtlichen Verfahren Parteistellung, weshalb es billig erschien, ihnen im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung nach rechtskräftiger gewerberechtlicher Bewilligung nur noch einen finanziellen Ausgleichsanspruch zuzubilligen. Daraus hat der Oberste Gerichtshof ganz allgemein geschlossen, dass es nur dann gerechtfertigt sei, dem Nachbarn das aufgrund seines Eigentumsrechts an sich gegebene Untersagungsrecht zu nehmen und ihn auf einen Ersatzanspruch zu verweisen, wenn die Genehmigung der Anlage aufgrund eines Verfahrens erfolgt, in dem die Berücksichtigung der Interessen der Nachbarn in derselben oder doch gleich wirksamer Weise vorgesehen ist, wie im Verfahren zur Genehmigung von Betriebsanlagen nach der Gewerbeordnung (in diesem Sinne nunmehr die ständige Rechtsprechung RIS-Justiz RS0010682; § 74 Abs 2 Z 2, § 77 und § 70a GewO verweisen ausdrücklich auf den Schutz der Nachbarn).
Zuletzt hat dies der Oberste Gerichtshof im Hinblick auf die Einschränkung der Parteistellung der Nachbarn im vereinfachten Bewilligungsverfahren nach § 359b GewO für die Gewerbeordnung dahin präzisiert, dass ohne vollwertige Parteistellung im gewerberechtlichen Verfahren keine „behördlich genehmigte Anlage“ iSd § 364a ABGB vorliegt (RIS-Justiz RS0117838 = 4 Ob 137/03f und 1 Ob 123/08g).
Auch wurde der Untersagungsanspruch dort bejaht, wo nachträglich gewisse Auflagen erforderlich wurden (3 Ob 508/93 = RdU 1996/82 [Kerschner/Jabornegg] = JBl 1996, 446 [Jabornegg] = ecolex 1996, 162 [Wilhelm]; nunmehr allerdings § 79a GewO - 2 Ob 222/02i).
Nicht geschützt durch § 364a ABGB ist etwa der Bauherr, dem eine Baugenehmigung erteilt wurde (RIS-Justiz RS0010689; RS0010685; RS0010682; ebenso zur Genehmigung nach dem Dampfkesselemissionsgesetz oder dem Denkmalschutzgesetz Davy, Gefahrenabwehr im Anlagerecht 1990, 653).
Der Anspruch auf Entschädigung nach § 364a ABGB wurde analog auf Fälle ausgedehnt, in denen die behördliche Genehmigung die Untersagung zwar nicht verhindert, aber durch den Anschein der Gefahrlosigkeit die Abwehr erschwert und insoweit eine besondere Gefährdungssituation geschaffen wurde (1 Ob 1/88 = SZ 61/61; Spielbüchler in Rummel ABGB3 § 364a Rz 6; Oberhammer in Schwimann ABGB3 § 364a Rz 9; Eccher in KBB2 § 364a Rz 6 jeweils mwN).
II.4.5. Lehre
II.4.5.1. Dass der Oberste Gerichtshof die Einschränkung des Untersagungsanspruchs nach § 364a ABGB nur in Fällen angenommen hat, in denen die Berücksichtigung der Interessen der Nachbarn in derselben oder doch in gleich wirksamer Weise vorgesehen ist wie im früheren Verfahren zur Genehmigung von Betriebsanlagen nach der Gewerbeordnung, wird von weiten Teilen der Lehre und des Schrifttums - meist unter Hinweis auf Art 6 EMRK und das Gebot des fairen Verfahrens - begrüßt (Thienel, Verfassungsrechtliche Grenzen für das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach § 359 GewO ZfV 2001/1558; Kerschner, Nachbarschaftsrecht Kompakt, Praxis und Theorie, 64; derselbe etwa auch zuletzt in der Entscheidungsbesprechung RdU 2008, 71; B. Raschauer Umweltschutzrecht [1988], 33 ff; derselbe, Anlagenrecht und Nachbarschutz aus verfassungsrechtlicher Sicht ZfV 1999, 506 ff; Musger, Verfahrensrechtliche Bindungswirkung und Art 6 MRK JBl 1991, 499 ff [505]; Gimpel-Hinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung [1994], 293; Oberhammer in Schwimann ABGB3 § 364a Rz 3; Kohl, Fluglärm [2005], 107; Postl, Nachbarrechtliche Abwehransprüche gegen die Errichtung von Handymasten [2001], 135).
So wird etwa darauf hingewiesen, dass die von der Verwaltungsbehörde zu treffende Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen und den Interessen des einzelnen Nachbarn ohne dessen Möglichkeit, diese Interessen im Verwaltungsverfahren zu artikulieren, nicht effektiv erfolgen kann (etwa Wilhelm, Ionisierende Strahlung als grenzüberschreitende Immission, JBl 1986, 700) und auch gleichwertige Projektalternativen, die aber eine geringere Belastung bedeuten, nicht aufgezeigt werden können (Funk, in Funk/Novak/Aicher, Militärische Luftfahrt und Verfassung, 27). Der Anlagenbetreiber habe den Vorteil eines vereinfachten und verkürzten Verwaltungsverfahrens, müsse sich aber mit allfälligen beeinträchtigten Nachbarn im Unterlassungsverfahren (vgl zur umfassenden Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen: Musger aaO, 505) auseinandersetzen oder sich durch Vereinbarungen absichern (Lindner, Privates Umweltrecht - Ausgewählte Fragen des Nachbarrechts und der Umwelthaftung, in Raschauer/Wessely, Handbuch Umweltrecht [2006], 67).
II.4.5.2. Hingegen wird von anderen Teilen der Lehre (Spielbüchler in Rummel ABGB3 § 364a Rz 4; Wessely, Eckpunkte der Parteistellung: Wegweiser für Gesetzgebung und Vollziehung [2008], 104 ff; Muzak, Zuständigkeit ordentlicher Gerichte bei Unterlassung der Vorschreibung nachträglicher Auflagen durch die Gewerbeordnung? AnwBl 1997, 19 ff) im Wesentlichen die Ansicht vertreten, dass es Sache des öffentlichen Rechts sei, in welcher Weise es auf die Interessen der betroffenen Anrainer Rücksicht nehme. Der Genehmigungsbescheid entfalte nach § 364a ABGB Tatbestandswirkung und sei insoweit bindend für die Gerichte. Eine nachfolgende gerichtliche Untersagung bedeute im Ergebnis eine Abänderung der verwaltungsbehördlichen Entscheidung und widerspreche dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung nach Art 94 B-VG (Mayer, Kontrolle der Verwaltung durch die ordentlichen Gerichte? ÖZW 1991, 97 - allerdings zu einem Änderungsvorschlag zu § 364a ABGB; Muzak aaO, 20 f; Walter, Die Funktionen der Höchstinstanzen im Rechtsstaat, RZ 1999, 58 ff). Allfällige Mängel des Verwaltungsverfahrens seien dort durch eine entsprechende Normenkontrolle durch den Verfassungsgerichtshof zu beheben (Davy, Gefahrenabwehr im Anlagerecht 1990, 657 f; N. Raschauer, Das vereinfachte Betriebsanlagengenehmigungsverfahren [§ 359b] GewO im Gefolge jüngster höchstgerichtlicher Entscheidungen RdU 2005/56, 105, 110; Wessely, Eckpunkte der Parteistellung [2008], 110) oder seien diese Verwaltungssachen ebenfalls „Tribunalen“ im Sinne der EMRK zuzuweisen (Muszak aaO). Der Gesetzgeber nehme eben in bestimmten Bereichen eine generelle antizipierte Interessenabwägung auch unter Einbeziehung der Interessen der Anrainer vor (N. Raschauer aaO, 105; ähnlich Wessely aaO, 106 f). Jedenfalls wird der Vorrang des Verwaltungsverfahrens dort bejaht, wo es um den Vollzug einer hoheitlichen Staatsaufgabe, wie etwa um einen Militärflugplatz, geht (Funk, in Funk/Novak/Aicher, Militärische Luftfahrt und Verfassung, 40; zur Unzulässigkeit des Rechtswegs: 1 Ob 10/88 = SZ 61/88).
II.4.5.3. Teilweise werden auch differenzierte Auffassungen vertreten. So propagiert etwa Wagner (Betriebsanlage im zivilen Nachbarrecht 1997, 143 ff), dass § 364a ABGB im Rahmen eines beweglichen Systems auszulegen und eine Abwägung zwischen dem jeweiligen Grad der öffentlichen Interessen am Betrieb bestimmter Anlagen und dem Ausmaß der Berücksichtigung der von diesem Betrieb betroffenen Nachbarn in dem der jeweiligen Bewilligung zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren sowie den verfahrensrechtlichen Beteiligungsmöglichkeiten der betroffenen Nachbarn vorzunehmen sei. Dabei werden aber etwa Betriebe, die dem Gemeinwohl dienen, auch ohne entsprechende Verfahrensbeteiligung der Nachbarn als dem § 364a ABGB gleichwertig angesehen, wenn die Interessen der Nachbarn berücksichtigt werden müssen. Anders wird dies beurteilt, wenn bloß ein mittelbares öffentliches Interesse an diesen Anlagen besteht (Wagner aaO; ähnlich auch Aicher in Funk/Novak/Aicher, Militärische Luftfahrt, 129 - keine Untersagung, nur Entschädigung; Kohl, Fluglärm, 108; zur differenzierten Ausgestaltung der Parteistellung aber auch Musger aaO).
II.4.6. Parteistellung im Genehmigungsverfahren als Voraussetzung für die Anwendung von § 364a ABGB
Zusammengefasst stellt sich vorweg die Frage, ob die mangelnde Berücksichtigung der „nachbarrechtlichen“ Aspekte - die ja auch eine Einschränkung des emittierenden Nachbarn (Anlagenbetreiber) darstellen - eine Einschränkung in „civil rights“ bedeutet, über die zufolge der Art 6, 13 EMRK in einem „fairen“ Verfahren unter Beteiligung des gestörten Nachbarn zu entscheiden ist. Ausgehend davon ist die Frage zu beurteilen, ob die mangelnde Parteistellung im Verwaltungsverfahren dazu zu führen hat, dass vor den Zivilgerichten die vom Betrieb der Anlage ausgehenden Immissionen untersagt werden können oder ob die Parteistellung im Verwaltungsverfahren - allenfalls im Rahmen eines Normenprüfungsverfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof - durchgesetzt werden muss.
II.4.6.1. Schutzbereich der Art 6, 13 EMRK
Zur Frage der Abgrenzung der durch die EMRK (und nunmehr auch die Grundrechtscharta; vgl zum Anwendungsvorrang EuGH 19. 10. 2010 RS C-555/07 Kükükdeveci; zur Anwendung auch RIS-Justiz RS0106868) geschützten Bereiche ist darauf zu verweisen, dass schon die Eigentumsgarantie selbst eine geschütze Position iSd Art 6 EMRK begründet (Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention4, 333). Ein auf individualisierten Kriterien beruhender Eingriff in die allgemein sonst bestehenden Eigentumsrechte (Immissionen nur im Rahmen der „Ortsüblichkeit“), der eine Beeinträchtigung der Liegenschaft und deren Bewohner bewirkt, bedarf der Möglichkeit der Überprüfung durch den Betroffenen (zum Erfordernis eines effektiven Rechtsmittels vgl etwa die Entscheidung der Großen Kammer des EGMR vom 8. 7. 2003, Bsw 36022/97, Rs Hatton = RIS-Justiz RS0121732; Ennöckl/Painz aaO, 165).
II.4.6.2. Zuordnung des Schutzes zu den verschiedenen Verfahren. Grenzen der Bindung bei Vorfragen und der Tatbestandswirkung.
Die Verpflichtung, einen verfahrensrechtlichen Schutz bei Rechtseingriffen zu gewähren, besagt aber noch nicht, dass dies nur in einem Verfahren erfolgen kann. Steht es dem Gesetzgeber doch auch frei zu trennen und die allgemeine Zulässigkeit gewisser Tätigkeiten unter dem Aspekt der öffentlichen Interessen in einem Verwaltungsverfahren zu prüfen, die Entscheidung über die Zulässigkeit von konkreten Eingriffen in die individuellen Rechtspositionen anderer Bürger aber der Entscheidung in einem Zivilrechtsverfahren zu überlassen. Wenn die Verfahrensgegenstände getrennt sind, so entspricht der Gesetzgeber damit durchaus auch dem Verfassungsgebot der klaren Zuständigkeitsverteilung (VfSlg 11.287; VfSlg 15.106).
Das Gericht hat dann, wenn bloß die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen dem Verwaltungsverfahren zugewiesen ist und nicht nur an das Vorliegen des Verwaltungsbescheides als Tatbestand angeknüpft wird, die verwaltungsrechtliche Vorfrage entweder selbst oder in Bindung an einen bereits vorliegenden Bescheid der Verwaltungsbehörde zu entscheiden (zur Negatorienklage beim Gemeingebrauch 1 Ob 126/09z; hingegen RIS-Justiz RS0009811; RS0012140 zur Durchsetzung des Gemeingebrauchs).
Andererseits kann der Gesetzgeber aber in gewissem Rahmen auch die Entscheidung über alle Fragen einem Verwaltungsverfahren zuordnen, womit die in ihren Rechten nach § 364 ABGB beeinträchtigten Anrainer dann nach § 8 AVG Parteien dieses Verfahrens sind, weil ihre „rechtlichen Interessen“ betroffen sind (vgl Davy aaO, 650 f; allgemein Walter/Thienel/Zeleny, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, 53; 1 Ob 126/09z zur Entscheidung über den Umfang des Gemeingebrauchs auch auf Privatgrundstücken).
Eine allfällige Bindung der Zivilgerichte an die Vorfragenentscheidung der Verwaltungsbehörde ist allerdings - soweit es sich um den durch die EMRK geschützten Bereich handelt - ebenfalls nur bei einer entsprechenden Beteiligung der Parteien an einem Art 6 EMRK entsprechenden Vorverfahren zulässig (RIS-Justiz RS0097968 zu § 268 ZPO; vgl etwa auch Kerschner, Art 6 MRK und Zivilrecht, JBl 1999, 698 zum Demolierungsbescheid).
Aus der Sicht der Art 6, 13 EMRK macht es aber auch keinen Unterschied, wenn der Gesetzgeber gewisse Tatbestandteile nicht nur der Verwaltungsbehörde zur Entscheidung zuweist (Vorfrage), sondern überhaupt gleich an das Vorliegen der Entscheidung der Verwaltungsbehörde als Tatbestandselement - „genehmigte Anlage“ - (dazu Muzak aaO, 26) anknüpft (Musger aaO, 423 ff). Dies wird nur dort als gerechtfertigt angesehen, wo es im Wesentlichen um die Interessen des Antragstellers oder der Allgemeinheit und um Fragen geht, die allseitig mit endgültiger Wirkung geklärt werden müssen, aber eine Beteiligung „aller Betroffener“ auf besondere Schwierigkeiten stößt (Musger aaO; vgl allerdings im Folgenden auch zur Möglichkeit des UVP-Verfahrens).
II.4.6.3. Interpretation des § 364a ABGB unter Heranziehung der verwaltungsrechtlichen Regelungen und Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen sowie europarechtlichen Vorgaben.
II.4.6.3.1. Im Hinblick auf den weiten Parteibegriff des AVG („rechtlichen Interessen“) wird dabei auch darauf verwiesen, dass es sich um eine Art „Henne/Ei“, Problematik handelt, weil dann, wenn tatsächlich über „zivilrechtliche“ Ansprüche im Verwaltungsverfahren zu entscheiden ist, wohl die Parteistellung zu bejahen ist, während umgekehrt dann, wenn das Verwaltungsverfahren diese Interessen nicht mit zu berücksichtigen hat, auch nicht über die „Genehmigung“ der Anlage unter „zivilrechtlichen“ Aspekten iSd § 364a ABGB entschieden wird (vgl dazu Wessely aaO, 103 ff).
II.4.6.3.2. Einheit der Rechtsordnung
Gerade unter Berücksichtigung dieses Aspekts ist in Erinnerung zu rufen, dass vom Grundsatz der „Einheit“ der Rechtsordnung (etwa RIS-Justiz RS0008856; RS0074824; RS0116996) auszugehen und daher § 364a ABGB im Zusammenhalt mit den jeweiligen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen zu interpretieren ist. Steht es doch dem Bundesgesetzgeber frei, auch im verwaltungsrechtlichen Kontext Abänderungen zivilrechtlicher Ansprüche vorzusehen. Im Hinblick auf die allgemeine Formulierung des § 364a ABGB („Genehmigung der Anlage“, „behördliche Verhandlung“) wird aber davon auszugehen sein, dass den jeweiligen Verwaltungsvorschriften entnommen werden muss, ob auch eine „Genehmigung“ unter Einbeziehung der „zivilrechtlichen“ Aspekte erfolgen soll, oder ob insoweit die Überprüfung den Zivilgerichten vorbehalten bleibt.
II.4.6.3.3. Trennbarkeit der Verfahrensgegenstände
Insoweit kann also zwischen dem öffentlich-rechtlichen Drittschutz (allgemeine Kriterien, Prognoseentscheidung) und dem Individualrechtsschutz (tatsächliche Einwirkung, „Ortsüblichkeit“) - gerade auch aus dem Aspekt des Mangels der Parteienidentität (N. Raschauer aaO, 110) durchaus unterschieden werden; es handelt sich also um „verschiedene Sachen“ (Davy aaO, 646 ff, 655; Gimpel-Hinteregger, Grundfragen aaO, 293; vgl dazu, dass selbst zu § 357 GewO davon ausgegangen wird, dass Einwendungen sowohl auf öffentliches als auch privates Recht gestützt werden können: Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO2, § 357 Rz 4; zur Differenzierung nach den in den jeweiligen Verwaltungsmaterien zu prüfenden Aspekten B. Raschauer, Umweltschutzrecht, aaO, 35). Die mangelnde Identität der „Rechtssache“ erhellt auch daraus, dass es nach § 364a ABGB ja dem „Störer“ überlassen bleibt, in welcher Form er auf das Verbot der Immissionen auf das andere Grundstück reagiert (RIS-Justiz RS0010526 mwN; 8 Ob 135/06w mwN), dies also durchaus in einer Form erfolgen kann, die den Betrieb der Anlage weiter ermöglicht. Das öffentliche Interesse am Umweltschutz und die privaten Interessen der Anrainer stellen durchaus unterscheidbare Aspekte dar. So wurde ja auch vertreten, dass die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen nicht nur davon abhängig sein soll, dass sich Private zur Rechtsdurchsetzung entschließen oder sich etwa im Rahmen anderer Zusagen mit dem Anlagenbetreiber einigen (Linder, Privates Umweltrecht - ausgewählte Fragen des Nachbarrechts und der Umwelthaftung in Raschauer/Wessely, Handbuch Umweltrecht, 50; ähnlich Kerschner, Nachbarrecht, JBl 1994, 786).
II.4.6.3.4. Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben.
Eine - auch nach der Rechtsprechung des EGMR durchaus im weiten Ermessen mögliche - Interessenabwägung beim Eingriff ua in das Eigentumsrecht erfordert eine inhaltliche Beurteilung der maßgeblichen Parameter, jedenfalls aber die inhaltliche Festlegung des Ergebnisses der Abwägung. Dies kann etwa durch eine konkrete gesetzliche Festlegung - auf deren Grenzen ist hier nicht einzugehen - oder durch individuelle Rechtsakte, die sich bloß im Rahmen gesetzlicher Vorgaben zu halten haben bzw auf diesen fußen, geschehen. Beim Verfahren zur Erlassung dieser individuellen Rechtsakte müssen dann aber auch die verfahrensrechtlichen Vorgaben der Art 6 und 13 EMRK beachtet werden.
II.6.4.3.5. Bedeutung für die Interpretation von § 364a ABGB iVm den verwaltungsrechtlichen Bestimmungen:
Im Hinblick auf die völlige Unterschiedlichkeit der „Anlagen“ und der Betroffenheit kann allein aus § 364a ABGB keine Absicht des Gesetzgebers zu einer antizipierten inhaltlichen (materiellen) Interessenabwägung erblickt werden, wie sie etwa § 2 LuftfahrtG, der allgemein ohne inhaltlich zu differenzieren die Servitut der Freiheit des Luftraumes festlegt, enthält. Bei den Anlagen wird durchaus nach den jeweiligen individuellen Interessen und Vorgaben inhaltlich differenziert. Bei der „Anlagengenehmigung“ wird dies aber nicht in § 364a ABGB inhaltlich festgelegt. Die Eingriffe in das Recht nach § 364 ABGB fußen auf Konkretisierungen im Einzelfall, die sich aus den jeweiligen verwaltungsrechtlichen Bestimmungen ergeben. Im Hinblick auf die Trennbarkeit des öffentlich - rechtlichen Drittschutzes (allgemeine Kriterien, Prognoseentscheidung) und des Individualrechtsschutzes ist nur aus den verwaltungsrechtlichen Bestimmungen ersichtlich, ob durch das jeweilige Verwaltungsverfahren nur der öffentlich-rechtliche Drittschutz abgedeckt werden soll oder auch der Individualrechtsschutz. Nur im letzteren Fall ist davon auszugehen, dass es sich auch um eine genehmigte Anlage im Sinne der für den Individualrechtsschutz maßgeblichen Bestimmung des § 364a ABGB handelt. Dem Gesetzgeber ist im Sinne der verfassungs- und europarechtskonformen (RIS-Justiz RS0008793; im Übrigen zur Vorrangwirkung RIS-Justiz RS0109951) Interpretation zu unterstellen, dass er zur Prüfung der Rechtmäßigkeit solcher „individueller“ Eingriffe ein den Art 6, 13 EMRK im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung entsprechendes Verfahren zur Verfügung stellt oder diesen Eingriff nicht anstrebt.
Die Entscheidung des Gesetzgebers, im Verwaltungsverfahren nicht über eine allfällige Einschränkung der individualrechtlichen Unterlassungsansprüche (§ 364a iVm den verwaltungsrechtlichen Bestimmungen) mitzuentscheiden, kann also - wie bereits in den Vorentscheidungen im Ergebnis zugrundegelegt - auch dadurch erfolgen, dass der Gesetzgeber (die Rechtsprechung des zur Auslegung zuständigen Verwaltungsgerichtshofs), eine Parteistellung der betroffenen Eigentümer verneint und damit zum Ausdruck bringt, dass eben über keine „rechtlichen Interessen“ dieser Nachbarn iSd § 8 AVG zu entscheiden ist.
Auch der Ansatz des § 364a Satz 2 ABGB, selbst „Umstände“, auf die bei der „behördlichen Verhandlung“ „keine Rücksicht“ genommen wurde, für die Haftung ausreichen zu lassen, spricht dafür, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass es den betroffenen Anrainern im Übrigen grundsätzlich möglich ist, diese Umstände in der „Verhandlung“ zu relevieren und der Abwägung durch die Behörde zuzuführen.
Schon bei teleologisch-systematischer Betrachtung, aber auch unter Beachtung des Gebotes der verfassungskonformen und auch der europarechtskonformen Interpretation, fehlt es also bei einer mangelnden Beteiligungsmöglichkeit eines betroffenen Nachbarn („behördliche Verhandlung“ iSd § 364a ABGB) am Vorliegen einer „behördlich genehmigten Anlage“ iSd § 364a ABGB und bleibt es weiter beim Grundtatbestand des § 364 ABGB. Die Entscheidung über die Frage der „Ortsüblichkeit“ und über einen allfälligen Untersagungsanspruch nach § 364 ABGB liegt bei den Gerichten. Eine „Auflösung“ der Individualinteressen im Sinne des „Allgemeinwohls“ (Davy aaO, 658) bzw der Verschiebung vom Privaten in das öffentliche Immissionsabwehrrecht (Linder aaO, 65; ähnlich im Sinne einer „Umwandlung“ - Wessely, Eckpunkte der Parteistellung, 101) wurde vom Gesetzgeber nicht angestrebt und eine Zuweisung der Entscheidung gegenüber den betroffenen Nachbarn an die Verwaltungsbehörde nicht vorgenommen.
Dass die Sachlichkeit der Einschränkung der Parteistellung im öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahren trotzdem zu überprüfen ist, kann schon aus der Berechtigung der Mitwirkung auch unter den dort geprüften Aspekten und der Unterschiedlichkeit der verfahrensrechtlichen Aufwendungen, Risken und Wirkungen (präventiv, reaktiv) erklärt werden (Thienel aaO, 721 unter Hinweis auf VfGH G 87/00 = VfSlg 16.103; Wessely, Eckpunkte der Parteistellung, 99).
II.4.6.3.6. Von der Zuständigkeit der Gerichte ausgenommen sind allerdings jene Fälle, in denen zwar ein nachbarrechtlicher Eingriff behauptet wird, in denen es aber im Ergebnis um ein Begehren auf Unterlassung hoheitlichen Handelns oder der Beseitigung der Folgen hoheitlichen Handelns geht, das den Verwaltungsbehörden zugewiesen ist. Insoweit fehlt es an der Zuständigkeit der Gerichte (RIS-Justiz RS0010522; SZ 61/88 - Militärflugplatz; 16 Ok 3/03; RIS-Justiz RS0049882 zur Abgrenzung nach den rechtstechnischen Mitteln).
II.4.6.3.7. Zweifel an der Abgrenzung von § 364a ABGB im Zusammenhang mit den verwaltungsrechtlichen „Anlagengenehmigungen“ könnten sich dort ergeben, wo das Verwaltungsrecht - anders als hier (vgl dazu unten) - eine Betriebspflicht vorgibt, die - zwingend - Immissionen verursacht, die die Grenzen der „Ortsüblichkeit“ überschreiten. In diesen Fällen könnte die Interpretation des Zusammenspiels der verschiedenen Rechtsbereiche ergeben, dass doch auch über die Interessen der betroffenen Nachbarn im Verwaltungsverfahren mit zu entscheiden ist. Primär könnte deren Parteistellung vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts durchzusetzen sein. Darauf muss jedoch hier nicht weiter eingegangen werden.
II.4.7. Auslegung der „Ortsüblichkeit“ in § 364 ABGB
II.4.7.1. Wechselspiel zwischen der Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Raums und den Immissionen auf Privatgrundstücke
Andererseits stellt sich aber auch die Frage, inwieweit die öffentlichen Interessen, die in dem ja regelmäßig viel umfassender die verschiedensten Parteien erfassenden Verwaltungsverfahren in geordneter Form berücksichtigt und geregelt werden, im zivilgerichtlichen Verfahren Berücksichtigung finden können (allgemein zum besonderen öffentlichen Interesse an der Entwicklung der Infrastruktur Ennöckl/Painz aaO, 167, auch zum weiten Spielraum bei der Abwägung zwischen öffentlichen Interesse und Privatinteressen nach der Rechtsprechung des EGMR).
II.4.7.2. Dazu bietet es sich an - wie bereits teilweise auch aus Vorentscheidungen entnehmbar (etwa 6 Ob 668/81 = SZ 54/158 ) - diese allgemeinen Interessen auch bei der Beurteilung der „Ortsüblichkeit“ mit einzubeziehen (RIS-Justiz RS0010678). Handelt es sich doch beim Begriff der „Ortsüblichkeit“ um einen wertungsabhängigen Rechtsbegriff (RIS-Justiz RS0010577 [T7]; 7 Ob 286/03i; 4 Ob 9/10t), der auch unter Berücksichtigung der im Zusammenhang stehenden Rechtsbereiche auszulegen ist. Insoweit kann die „Ortsüblichkeit“ auch nicht nur statisch verstanden werden, sondern - wie auch in den Vorentscheidungen im Ergebnis zugrundegelegt (etwa 6 Ob 668/81 = SZ 54/158; 5 Ob 120/70 - Anpassung an zeitbedingte Verkehrsbedürfnisse) - auch mit Berücksichtigung des bereits angelegten Potentials einer Entwicklung.
II.4.7.3. Die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit kann einen gewissen Indizcharakter haben (Gimpel-Hinteregger aaO, 302; Oberhammer in Schwimann ABGB3 § 364 Rz 17; Kind aaO, §§ 305 f; 3 Ob 201/99a). So hat der Oberste Gerichtshof ja auch unter Berücksichtigung der deutschen Judikatur und Lehre bereits ausgesprochen, dass im Rahmen der Prüfung der Beeinträchtigung der ortsüblichen Benützung auch zu beachten ist, dass das Nachbarrecht einen sozialrelevanten Interessenausgleich gebietet. Die Frage nach der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ist vom Standpunkt eines verständigen Durchschnittsmenschen aus zu beantworten, der auch auf die allgemeinen Interessen und gesellschaftlich bedeutsamen Gesichtspunkte wenigstens Bedacht nimmt (1 Ob 6/99k; 7 Ob 286/03i - Klavierspielen). Der Interessenausgleich erfordert von beiden Seiten gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz, um einen akzeptablen Ausgleich der gegenläufigen Interessen zu finden (1 Ob 6/99k, 7 Ob 286/03i). Daraus ist aber auch abzuleiten, dass der „Störer“ alle zumutbaren Maßnahmen zu setzen hat, um die Belastung für die gestörten Anrainer möglichst gering zu halten.
II.4.7.4. In diesem - eingeschränkten - Sinn kann auch die Entscheidung der Verwaltungsbehörde Bedeutung für das gerichtliche Verfahren haben, weil sie ja Ausdruck des allgemeinen - öffentlichen - Interesses sein kann („Bedachtnahme“), aber keine bindende Entscheidung über die Einwendungen, die auf den individualrechtlichen Positionen des betroffenen Nachbarn beruhen, darstellen soll. Die Grenzen des Entwicklungspotentials des Ortsgebrauchs sind aber eng zu sehen. Wird doch selbst bei bloßen Eigentumsbeschränkungen, die nicht den Wesensgehalt des Grundrechts auf Eigentum berühren und im öffentlichen Interesse gelegen sind, zwar die allgemeine Verpflichtung zur Leistung einer Entschädigung verneint (zu den Grenzen aus der Ablehnung von unzumutbaren „Sonderopfern“ etwa zuletzt 8 Ob 35/09v unter Hinweis auf Korinek in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht Art 5 StGG Rz 50 ff; Öhlinger Verfassungrecht7, Rz 880), aber doch gefordert, dass die Eigentumsbeschränkungen verhältnismäßig und erforderlich sind (zuletzt etwa 8 Ob 35/09v unter Hinweis auf Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungrecht10, Rz 1486 uva; 4 Ob 89/99p - zur Zulässigkeit, bei bloßen Änderungen des Bebauungsplans keinen Entschädigungsanspruch vorzusehen; zur Rechtsprechung des EGMR Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention4, 430 ff mwN; Beutler in Groeben/Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Art 6 EU, Rn 146). Genau das kann aber in einem Verfahren, an dem der Nachbar nicht beteiligt ist, nicht in einer für ihn bindenden Wirkung entschieden werden.
II.4.7.5. Zur Ermittlung dieser - deutlich unter dem Erfordernis der Entschädigungspflicht liegenden - Grenzen können die allgemeinen Überlegungen zur Beurteilung der Intensität von Eigentumsbeschränkungen fruchtbar gemacht werden. Für die Festlegung einer Entschädigungspflicht werden die Dauer und Intensität der Einschränkung im Hinblick auf die bisherige Nutzung, der Vermögensverlust, die Vorhersehbarkeit, das bloße Erfassen einzelner oder kleiner Gruppen und die Frage einer prinzipiellen Änderung oder weitgehenden Reduzierung der mit dem Eigentum verbundenen Ausübungsbefugnisse gesehen (vgl Korinek aaO mwN; Korinek/Pauger/Rummel, Handbuch des Enteignungsrechts, 42 f; ähnlich Aicher, Entsprechen die Bestimmungen über die Enteignung, insbesondere nach dem Bundesstraßengesetz, und ihre Praxis dem Grundrechtsschutz?, GA zum 9. ÖJT 1985, Bd I/1 22). Auch für die Bestimmung des noch unter dieser Schwelle der „Eigentumsbeschränkung“ anzusetzenden öffentlichen Entwicklungspotentials der „Ortsüblichkeit“ sind Kriterien wie Dauer und Intensität der Einschränkung im Hinblick auf die bisherige Nutzung, die Vorhersehbarkeit, das bloße Erfassen einzelner oder kleiner Gruppen und die Frage einer prinzipiellen Änderung oder weitgehenden Reduzierung der mit dem Eigentum verbundenen Ausübungsbefugnisse als geeignet anzusehen.
Weitgehend wurde die Problematik der für den „Anlagenbetreiber“ schwer vorhersehbaren und koordinierbaren Einzelverfahren nach § 364 ABGB durch das Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren entschärft, weil in diesem ja allen Nachbarn, deren dingliche Rechte durch das Vorhaben gefährdet werden könnten (§ 19 Abs 1 Z 1 UVP-G 2000) ausdrücklich (vgl dazu etwa Davy aaO; Raschauer/Wessely Handbuch Umweltrecht, 325 f) Parteistellung zuerkannt wurde (VwGH 25. 11. 2008 Zl 2008/06/0026; 24. 6. 2009, Zl 2007/05/0171 - siehe auch zur Parallelität mit § 75 Abs 2 GewO; VwGH 11. 10. 2007, Zl 2006/04/0250 - siehe auch zu Projektänderungen). Die so genehmigten Anlagen gelten insoweit dann wohl auch als „genehmigte Anlagen“ iSd § 364a ABGB (zur besonderen Bedeutung der Neuregelungen des AVG für Massenverfahren etwa Hengstschläger, die Entwicklung des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts in den letzten 50 Jahren in Sailer [Hrsg], Beschleunigung des Verfahrens und Schutz der Grundrechte [2010], 49 f).
II.5.1. Ausgangslage für die Beurteilung der vorliegenden „Anlage“
Im Sinne der ständigen Rechtsprechung erfolgt durch § 364a ABGB jedenfalls bei Anlagengenehmigungen, die bloß die Möglichkeit zum Betrieb der Anlage eröffnen und in deren Bewilligungsverfahren aber den betroffenen Nachbarn keine Parteistellung eingeräumt wird, keine Einschränkung des allgemeinen Untersagungsanspruchs nach § 364 ABGB. Diese Genehmigung kann aber als ein Indiz für die „Ortsüblichkeit“ iSd § 364 ABGB - je nach dem geprüften Inhalt des Verwaltungsverfahrens - im Rahmen der vom gestörten Nachbarn erwarteten Bedachtnahme auf allgemeine Interessen eine gewisse Bedeutung gewinnen.
II.5.2. Mangelnde Abdeckung der Immissionen durch die Legalservitut des § 2 LuftfahrtG
Betrachtet man nun die hier vorliegenden Bewilligungen nach dem Luftfahrtgesetz, so ist vorweg auf § 2 des Luftfahrtgesetzes (LFG) einzugehen. Danach ist die Benützung des Luftraums durch Luftfahrtzeuge und Luftfahrtgeräte im Flug frei, soweit sich aus dem Luftfahrtgesetz nichts anderes ergibt. Dazu wird die Ansicht vertreten, dass es sich um eine Legalservitut handle (Aicher in Funk/Novak/Aicher, Militärische Luftfahrt und Verfassung 1998, 119 f; Hinteregger, Privatflugplätze und Hindernisfreiheit, ZVR 2002, 236 ff). Diese wirkt jedoch nur zugunsten der Flugzeughalter, nicht aber zugunsten der Flugplatzbetreiber (vgl in diesem Sinne Aicher aaO, 120; Hinteregger aaO).
II.5.3. Gesetzliche Rahmenbedingungen der Bewilligung des Flugplatzes
Im Ergebnis entscheidend sind daher auch die Bedingungen über die Genehmigung des Flugplatzes. Die Regelungen dazu finden sich in den §§ 58 ff des LFG in der hier noch maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl I 65/2002. Danach wurde bei den Zivilflugplätzen iSd §§ 63 ff zwischen öffentlichen Flugplätzen, für die eine Betriebspflicht besteht, und Privatflugplätzen unterschieden. § 68 LFG legt fest, dass Zivilflugplätze nur mit einer Bewilligung betrieben werden können.
Die Bewilligung ist nach § 71 Abs 1 lit d LFG unter anderem nur dann zu erteilen, wenn „sonstige öffentliche Interessen“ nicht entgegenstehen. Nach § 71 Abs 2 LFG ist für öffentliche Flugplätze außerdem das Vorhandensein eines Bedarfs wesentlich. Hier erfolgte die Genehmigung aber nach § 71 Abs 1 LFG.
Die damals maßgebliche Zivilflugplatzverordnung BGBl Nr 313/1972 legt im § 3 Abs 2 unter anderem fest, dass bei der Standortwahl keine unzumutbaren Lärmimmissionen herbeigeführt werden dürfen und im Zweifelsfall die Zumutbarkeit durch Gutachten nachzuweisen ist. Die hier von der Behörde auch herangezogene Zivilluftfahrt-Ambulanz- und Rettungsflugverordnung, ZARV 1985, BGBl 126/1985, unterschied zwischen Ambulanz- und Rettungsflügen. Rettungsflüge sind danach nur solche zur Rettung von Menschen aus unmittelbar drohender Gefahr für ihr Leben und ihre Gesundheit, und zwar zur Bergung bzw Versorgung verunglückter oder in lebensbedrohende Situation geratener Personen, oder zur Beförderung von Notfallpatienten, die noch nicht in einer Krankenanstalt ärztlich versorgt wurden, oder zur Heranbringung von Rettungs- und Bergungspersonal oder zur Beförderung von Arzneimitteln, insbesondere auch von Blutkonserven, Organen für Transplantationen oder medizinischen Geräten, wenn dies auf keinem anderen Weg bzw nur mit medizinisch nicht vertretbarer Verzögerung oder unzureichend durchgeführt werden kann.
Die Regelungen des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 waren zufolge Z 14a der Anlage 1 unter anderem auf Flugplätze für Hubschrauber, die überwiegend Rettungseinsätzen dienen, nicht anzuwenden. Ein dahingehendes Verfahren und eine dahingehende Genehmigung wurde auch nicht behauptet.
II.5.4.1. Prüfung der Parteistellung im Bewilligungsverfahren
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kommt grundsätzlich nur jenen Liegenschaftseigentümern Parteistellung zu, auf deren Grundstücken der Flugplatz errichtet wird oder die sich in Sicherheitszonen (Ausnahmebewilligung notwendig) befinden (VwGH 25. 1. 1995, Zl 93/03/0188; 3. 7. 1996 Zl 95/03/0085). Zentral ist dabei die Überlegung des Verwaltungsgerichtshofs, dass es nur um Beeinträchtigungen von Rechten gehe, die das Eigentumsrecht weiter einschränkten, als dies schon durch § 2 LFG erfolgt (VwGH 11. 12. 2002, Zl 99/03/0250; VwGH 12. 9. 2006, Zl 2005/03/0226). In der Regelung des § 2 LFG liege schon eine Beschränkung des Eigentümers am Luftraum oberhalb seiner Liegenschaft (§ 297 ABGB). Eine Enteignung zugunsten Dritter werde durch diese Bestimmung aber nicht angeordnet. Der Verwaltungsgerichtshof geht weiters davon aus, dass bei der Entscheidung über die Flugplatzbewillligung die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen unter anderem hinsichtlich der Lärmbeeinträchtigung den Behörden überantwortet ist (VwGH 11. 12. 2002, 2, Zl 99/03/0250). Bei der Prüfung nach dem LFG komme daher nicht jedem einzelnen Liegenschaftseigentümer ein unmittelbares Interesse an einer möglichst lärmarmen Gestaltung des Flugplatzbetriebs zu (ebenso VwGH 25. 6. 2008, Zl 2007/03/0181). Nach dieser in der Lehre als zu restriktiv kritisierten Rechtsprechung (B. Raschauer, Anlagenrecht und Nachbarschutzrecht aus verfassungsrechtlicher Sicht, ZfV 1999, 506 [512]; Thienel, Verfassungsrechtliche Grenzen für das vereinfachte Genehmigungsverfahren § 359b GewO, ZfV 2001/1558, 718; Ennöckel/Painz, Gewährt die EMRK ein Recht auf Umweltschutz?, Juridicum 2004, 163; N. Raschauer aaO, RdU 2005, 100 ff, Reitshammer, Einmal Ediktalverfahren, immer Ediktalverfahren?, wbl 2007, 58 f), ist also davon auszugehen, dass - so wie dem Bescheid offensichtlich auch zugrundegelegt - dem Kläger im Verwaltungsverfahren keine Parteistellung zugekommen ist (Kohl aaO, 96 ff).
Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs bezieht sich auf die Legalservitut des § 2 des LFG für „Luftfahrtzeuge und Luftfahrtgeräte“ (Aicher in Funk/Novak/Aicher, Militärische Luftfahrt und Verfassung 1998, 119 f; Hinteregger, Privatflugplätze und Hindernisfreiheit ZVR 2002, 236 ff). Wie oben dargestellt, wird jedoch von der Literatur in Abrede gestellt, dass die Legalservitut auch zugunsten der Errichtung des Flugplatzes wirke (vgl in diesem Sinne Aicher aaO, 120; Hinteregger aaO).
II.5.4.2. Aber auch der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung betreffend die Einschränkung der Parteistellung bei der Bewilligung eines Militärflugplatzes G 170/88 (VfSlg 12.465) Folgendes ausgeführt (ähnlich VfSlg 7226/1973 - Reflexwirkung):
„Das Gesetz unterscheidet hinsichtlich der Einräumung der Parteistellung zwischen jenen Personen, die in der Sicherheitszone dingliche Rechte oder Leitungsrechte haben, und anderen Personen. Diese Abgrenzung ist sachlich. Aus dem V. Teil des LFG ergibt sich, daß innerhalb von Sicherheitszonen zahlreiche gesetzliche Beschränkungen des Eigentums bestehen, die bis zur Pflicht zur Beseitigung von Luftfahrthindernissen führen können (§ 96). Dinglich Berechtigte in der Sicherheitszone, also dem örtlichen Nahbereich des Flugplatzes, sind im Regelfall auch besonders intensiv von Immissionen betroffen, die von der Errichtung und Erweiterung (und damit auch vom Betrieb) des Militärflugplatzes ausgehen. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, jedermann, der durch Immissionen beeinträchtigt sein könnte, Parteistellung einzuräumen. Beschränkt der Gesetzgeber - wie im vorliegenden Fall - die Parteistellung auf einen Kreis von Personen, die im Regelfall infolge der Errichtung und des Betriebes eines Militärflugplatzes besonderen Nachteilen (einschließlich von Immissionen) ausgesetzt sind, so ist diese Beschränkung nicht unsachlich (vgl. zur Sachlichkeit der Abgrenzung der Parteistellung im Bereiche des Bundesstraßengesetzes VfSlg. 5271/1966).“
II.5.4.3. Keine Anwendung der Einschränkung des § 364a ABGB
Es kann nun unter Berücksichtigung der Vorentscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs und des Verfassungsgerichtshofs den Parteien nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Ergebnis übereinstimmend davon ausgehen, dass dem Kläger im Verwaltungsverfahren nach den dafür maßgeblichen Vorschriften nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs und des Verfassungsgerichtshofs (vgl auch Ennöckl/Painz aaO, 167) berechtigt keine Parteistellung im Bewilligungsverfahren eingeräumt wurde. Dies bedeutet aber, dass im Sinne der obigen Ausführungen die Einschränkung des Untersagungsanspruchs nach § 364 ABGB durch § 364a ABGB nicht zur Anwendung gelangt.
II.5.5.1. Mangelnde Abdeckung der Ortsüblichkeit allein durch § 2 LFG
Unter dem Aspekt des § 364 ABGB kann wohl davon ausgegangen werden, dass zwischen der Lärmentwicklung, mit der man überall durch das Überfliegen von „Luftfahrtzeugen und Luftfahrtgeräten“ rechnen muss, und den Emissionen, die durch das Starten und Landen auf einem bestimmten Flugplatz entstehen, zu unterscheiden ist; gehen diese Belastungen dann doch von einer spezifischen Liegenschaft und nicht von der allgemeinen Möglichkeit, den Luftraum im Rahmen der luftfahrtrechtlichen Bestimmungen zu nutzen (§ 2 LFG), aus. Für die allgemeine Nutzung des Luftraumes werden ja unter anderem in der Verordnung über die Luftverkehrsregeln bestimmte Mindesthöhen vorgegeben (nunmehr etwa § 9 der LVR 2010 BGBl II 80/2010; früher die LVR 1967 BGBl 56/1967). Jedenfalls dort, wo ein qualitativer Unterschied in der Belastung der von einem Flugplatz ausgehenden Start- und Landetätigkeit (vgl zur Ausnahme von der Mindestflughöhe § 9 Abs 3 Z 1 der LVR) für nahe gelegene Grundstücke verbunden ist, kann nicht mehr von einer Abdeckung durch die Legalservitut des § 2 LFG ausgegangen werden.
II.5.5.2.1. Umfassende Prüfung der Ortsüblichkeit
Es verbleibt aber im Rahmen des dargestellten „Systems“ die Prüfung, inwieweit die durch die Genehmigung hier zum Ausdruck kommenden öffentlichen Interessen an der Rettung von Menschen durch einen Flugplatz für Rettungshubschrauber nicht im Sinne dieses dynamischeren Verständnisses der „Ortsüblichkeit“ nach § 364 Abs 2 ABGB den Untersagungsanspruch ausschließen („Bedachtnahme“). Hier erfolgte nach den Feststellungen die Bewilligung nach § 71 Abs 1 LFG iVm § 2 der ZARV 1985, die auf Grundlage des § 134 LFG erlassen wurde und ua besondere Regelungen zur Sicherheit bei der Beförderung kranker Personen enthält. Eine Bedarfsprüfung ist in der ZARV 1985 nicht vorgesehen. Auch die ebenfalls herangezogene Zivilluftfahrt-Such- und Rettungsdienstverordnung 1999 (nunmehr Zivilluftfahrt-Vorfall- und Notfall-Maßnahmen-Verordnung - ZNV, BGBl II 318/2007) befasst sich nicht mit der Frage eines solchen Bedarfs. Sie wurde auf Grundlage des § 135 LFG erlassen, der im Abschnitt D über die Untersuchung von Unfällen im zivilen Luftverkehr die Koordination der Such- und Rettungsmaßnahmen ua bei Unfällen in der Zivilluftfahrt regelt. Das Rettungswesen wird ja auch nicht im Luftfahrtgesetz, sondern in den verschiedenen Landesrettungsgesetzen geregelt.
II.5.5.2.2.1. Allerdings lässt sich aus der Stellung der Beklagten als Sanatorium im Sinne des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes (KAKuG; vgl § 2 Abs 1 Z 4); aber auch aus der Anlage 1 des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetzes wohl die Annahme des Bedarfs an einem Sanatorium in diesem Bereich rechtfertigen. Dieses Sanatorium wurde auch bereits seit mehr als einem halben Jahrzehnt betrieben, bis es zur Aufnahme des Flugbetriebes kam. Konkret bedeutet dies, dass hier ein allgemeines öffentliches Interesse an dem Sanatorium dokumentiert ist.
II.5.5.2.2.2. Damit stellt sich aber die Frage, ob mit dieser medizinischen Versorgung, nicht auch schon eine Weiterentwicklung im Sinne der oben dargestellten Überlegungen „angelegt“ ist, die auch die Durchführung von Rettungsflügen in einem Schigebiet „ortsüblich“ macht (ähnlich 6 Ob 668/81 = SZ 54/158 - ein Bahngrundstück im Gewerbegebiet macht die Errichtung einer Bahnanlage ortsüblich; zuletzt zur Erweiterung des Zugsverkehrs und dessen Verlagerung in die Nachtstunden 2 Ob 57/09k).
II.5.5.2.2.3. Dies ist im eingeschränkten Umfang zu bejahen. Naturgemäß sind jene Personen, deren Interesse im Rahmen der Rettungseinsätze gerade in Schigebieten in massiver Weise gefördert werden (Verletzte), im Verfahren nicht vertreten. Andererseits wird der Schutz des Lebens und der Gesundheit in der Rechtsordnung allgemein höher bewertet als vermögensrechtliche Interessen; er fordert auch von Unbeteiligten oft Rettungsmaßnahmen, soweit sie sich dadurch nicht selbst in eine die Gesundheit und das Leben gefährdende Situation begeben oder sonstige wesentliche Interessen beeinträchtigt werden (§ 95 Abs 2 StGB; zur von § 364 ABGB gesonderten Bedeutung auch Kerschner, Nachbarrecht, JBl 1994, 784).
Weiters hat der Oberste Gerichtshof - wie oben dargestellt - bereits ausgesprochen, dass im Rahmen der Prüfung der Beeinträchtigung der ortsüblichen Benützung auch zu beachten ist, dass das Nachbarrecht einen sozialrelevanten Interessenausgleich gebietet. Die Frage nach der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ist vom Standpunkt eines verständigen Durchschnittsmenschen aus zu beantworten, der auch auf die allgemeinen Interessen und gesellschaftlich bedeutsamen Gesichtspunkte wenigstens Bedacht nimmt (1 Ob 6/99k, 7 Ob 286/03i), was gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz erfordert. Nach den oben dargestellten Kriterien geht es dabei auch um die Intensität der Einschränkung, die Vorhersehbarkeit, das bloße Erfassen einzelner oder kleiner Gruppen und die Frage einer prinzipiellen Änderung oder weitgehenden Reduzierung der mit dem Eigentum verbundenen Ausübungsbefugnisse. Das Erfordernis der Sicherung lebenswichtiger Bedürfnisse Verletzter ist hier als durchaus vorhersehbar einzustufen. Die Dauer der Einschränkung (gewisse Stunden während der Wintermonate) und auch deren Intensität (nächsthöhere Belastungsstufe) sind hier begrenzt. Außerdem handelt es sich um eine Maßnahme, die einen größeren Kreis von Anrainern erfasst, ohne deren Eigentümerbefugnisse grundsätzlich einzuschränken. Überdies hat der „Störer“ ja alle zumutbaren Maßnahmen zu setzen, um die Belastung für die gestörten Anrainer möglichst gering zu halten.
II.5.6. Kriterien für die Prüfung der „Ortsüblichkeit“ im konkreten Fall
Dies spricht aber dafür, dass dann, wenn - wie hier - eine Änderung des Charakters des Ortsbereichs unter dem Aspekt des Lärmschutzes eintritt, zum Schutz höherwertiger Güter wie des Lebens und der Gesundheit erforderliche Rettungsflüge als in einem Schigebiet in der Nähe eines Sanatoriums erwartbare Entwicklung noch „ortsüblich“ sind, wenn
a. die Grenzen der Bewilligung und deren Auflagen nicht überschritten werden,
b. damit keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die Anrainer entstehen,
c. nur die Rettungsflüge im tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen erforderlichen Ausmaß durchgeführt werden und
d. der Betreiber alle Maßnahmen trifft, um die Lärmbelastung für die Anrainer möglichst gering zu halten.
II.6. Erforderliche Ergänzungen
Hier steht noch nicht einmal fest, ob es sich bei den Flugbewegungen tatsächlich um Rettungsflüge handelt.
Allgemein hat die Behauptungs- und Beweislast dafür der „störende Nachbar“ (RIS-Justiz RS0010474; Oberhammer aaO, § 364 Rz 22; differenzierend Gimpel-Hinteregger aaO, 326 f; Kissling, Gefährdungshaftung im Nachbarrecht [2006], 45). Auch nach dem Grundsatz der Beweisnähe (3 Ob 534/90) wird hier die Beklagte entsprechende Behauptungen zur Erforderlichkeit aufzustellen und Beweise anzubieten haben.
Auch die Frage der „Auflagen“ bei der Bewilligung und deren allfällige Überschreitung werden so wie die anderen oben dargestellten Kriterien (II.5.6.) mit den Parteien zu erörtern sein.
II.7. Insgesamt erweist sich das Verfahren über das Unterlassungsbegehren also als ergänzungsbedürftig. In diesem Umfang waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
III. Zusammenfassung der wesentlichen rechtlichen Überlegungen:
Unter dem Aspekt des § 364 ABGB ist zwischen dem durch die Legalservitut des § 2 LFG abgedeckten Überfliegen von „Luftfahrtzeugen und Luftfahrtgeräten“ und der davon ausgehenden Lärmentwicklung sowie den Imissionen, die durch das Starten und Landen auf einem bestimmten Flugplatz entstehen, zu unterscheiden. Letztere sind dort, wo damit für nahe gelegene Grundstücke ein qualitativer Unterschied zu den durch das zulässige Überfliegen entstehenden Belastungen verbunden ist, nicht durch die Legalservitut des § 2 LFG abgedeckt.
Zur Berücksichtigung der ohne Beteiligung des Klägers erteilten luftfahrtrechtlichen Bewilligung des Flugplatzes als „genehmigte Anlage“ iSd § 364a ABGB ist unter dem Aspekt des verfassungs- und europarechtlichen Grundrechtsschutzes vorweg auf den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung zu verweisen.
Auch die Bestimmungen der §§ 364 und 364a ABGB sind daher iVm den Verwaltungsbestimmungen zu interpretieren.
Wenn der Gesetzgeber ein allgemeines Recht (§ 364 ABGB) ausformt und im Rahmen von Verfahren nach individualisierten Kriterien (§ 364a iVm Verwaltungsverfahren) Eingriffe zulässt, so bedarf dies zufolge Art 6 EMRK der Möglichkeit der Überprüfung und Beteiligung an diesen Verfahren durch die betroffenen Inhaber der Rechte.
Das öffentliche Interesse am Umweltschutz und die privaten Rechte der Anrainer (§ 364 ABGB) stellen unterscheidbare Aspekte dar. Die Prüfung dieser Aspekte kann gemeinsam in einem (Verwaltungs-)Verfahren erfolgen, oder getrennt in verschiedenen Verfahren (Gericht und Verwaltungsbehörde).
Ob in die privaten Rechte nach § 364 ABGB tatsächlich eingegriffen werden soll, kann nur aus der gemeinsamen Interpretation der verwaltungsrechtlichen Bestimmungen iVm § 364a ABGB abgeleitet werden. Ob in diesem Verwaltungsverfahren nur die öffentlich-rechtlichen Interessen beurteilt werden sollen oder auch die privaten Rechte der Anrainer, ergibt sich daraus, ob diese in dem Verwaltungsverfahren Parteistellung (§ 8 AVG) haben. Nur im letzteren Fall ist davon auszugehen, dass es sich auch um eine „genehmigte Anlage“ aufgrund einer „behördlichen Verhandlung“ im Sinne der für den Individualrechtsschutz maßgeblichen Bestimmung des § 364a ABGB handelt. Andernfalls bleibt es - jedenfalls wenn keine Betriebspflicht besteht, die diese Beeinträchtigungen zwingend bedingt - bei der Prüfung der „Ortsüblichkeit“ nach § 364 ABGB und der Möglichkeit der Untersagung.
Eine verwaltungsbehördliche Genehmigung kann aber - je nach dem geprüften Inhalt des Verwaltungsverfahrens - ein Indiz für die „Ortsüblichkeit“ iSd § 364 ABGB insoweit sein, als ja auch vom gestörten Nachbarn eine gewisse Bedachtnahme auf - allgemeine - Interessen erwartet wird, wenn auch der „Störer“ alle zumutbaren Maßnahmen setzt, um die Belastung für die gestörten Anrainer möglichst gering zu halten. Insoweit kann die „Ortsüblichkeit“ nicht nur statisch verstanden werden, sondern unter Berücksichtigung des bereits angelegten Entwicklungspotentials. Für die Bestimmung dieses noch unter der Schwelle der „Eigentumsbeschränkung“ anzusetzenden öffentlichen Entwicklungspotentials der „Ortsüblichkeit“ sind Kriterien wie Dauer und Intensität der Einschränkung im Hinblick auf die bisherige Nutzung, die Vorhersehbarkeit, das bloße Erfassen einzelner oder kleiner Gruppen und die Frage einer prinzipiellen Änderung oder weitgehenden Reduzierung der mit dem Eigentum verbundenen Ausübungsbefugnisse als geeignet anzusehen.
Wenn in einem Schigebiet in der Nähe eines Sanatoriums eine Änderung des Charakters des Ortsbereichs unter dem Aspekt des Lärmschutzes eintritt, dies aber durch zum Schutz höherwertiger Güter wie des Lebens und der Gesundheit erforderliche Rettungsflüge erfolgt, so kann dies als erwartbare Entwicklung noch als „ortsüblich“ iSd § 364 ABGB angesehen werden, wenn
a. die Grenzen der Bewilligung und deren Auflagen nicht überschritten werden,
b. damit keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die Anrainer entstehen,
c. nur die Rettungsflüge im tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen erforderlichen Ausmaß durchgeführt werden und
d. der Betreiber alle Maßnahmen trifft, um die Lärmbelastung für die Anrainer möglichst gering zu halten.
IV. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 2 ZPO.
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