Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben, soweit darin die Zurückweisung der Klage gegen die erst-, zweit-, dritt-, siebent- bis zwölft-, neunzehnt-, zwanzigst- und einundzwanzigstbeklagte Partei ausgesprochen wurde. Dem Erstgericht wird auch insoweit die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Hingegen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben, soweit er sich gegen die Zurückweisung der Klage gegen die fünftbeklagte Partei richtet.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger begehrt, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, ihm binnen 14 Tagen 986.722 EUR zuzüglich 4 % Zinsen ab Klageeinbringung und ihm vom 1. 1. 2013 bis einschließlich September 2020 eine Rente von monatlich 33.426 EUR (12-mal jährlich) und ab 1. 1. 2020 eine lebenslange Rente von monatlich 2.979 EUR (12-mal jährlich) zu zahlen, und zwar die bis zur Rechtskraft fällig werdenden Beträge binnen 14 Tagen und die weiteren Rentenbeträge monatlich im Vorhinein direkt zu seinen Handen. Darüber hinaus erhob der Kläger zwei Feststellungsbegehren, die die Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand ihm bzw seinen Eltern gegenüber für alle weiteren Schäden, die ihm infolge des Verzehrs des mit Listerien kontaminierten, von der Erstbeklagten hergestellten Sauermilchkäseprodukts im Dezember 2009 und der dadurch verursachten Listerien-Infektion entstanden seien, aber noch nicht bezifferbar bzw bekannt seien, und/oder in Zukunft noch entstehen würden, zum Gegenstand haben. Zusätzlich erhob er ein Feststellungsbegehren, wonach ihm die Viertbeklagte für alle weiteren Schäden hafte, mögen sie entstanden, aber noch nicht bezifferbar bzw bekannt sein, und/oder in Zukunft noch entstehen, die darauf zurückzuführen seien, dass in einem von der Viertbeklagten gehaltenen Krankenhaus die Liquor-Probe des Klägers sorgfaltswidrig entsorgt bzw vernichtet worden sei.
Die Erstbeklagte habe in den Jahren 2009/2010 mit Listerien befallenen Quargel hergestellt und in Verkehr gebracht, was deren Verantwortlichen bekannt gewesen sei. Er habe dieses kontaminierte Lebensmittel verzehrt und dadurch ab Anfang 2010 eine Infektion mit besonders schweren Folgen erlitten. Als Folge der Infektion leide er an einer Vielzahl gravierender körperlicher und psychischer Beeinträchtigungen, die ein normales Leben unmöglich machten. Gehen und selbst längerfristiges Stehen seien ihm unmöglich, weswegen er an den Rollstuhl gefesselt sei. Er habe unter schweren Sehstörungen und einer massiven Beeinträchtigung seines Sprechvermögens zu leiden. Damit einher gingen schwerste seelische bzw psychische Beeinträchtigungen als Dauerfolgen der Infektion ohne Aussicht auf Besserung.
Die Erstbeklagte habe den Quargel unter unhaltbaren hygienischen Bedingungen, insbesondere in ihrem Betrieb in der Steiermark, produziert und österreichweit in Verkehr gebracht. Ungeachtet massiver Verdachtsmomente habe sie es unterlassen, das kontaminierte Lebensmittel rechtzeitig zurückzurufen.
Die Zweitbeklagte sei durch Spaltung aus der Erstbeklagten hervorgegangen und deren Universalrechtsnachfolgerin.
Die Drittbeklagte hafte für schwere Versäumnisse, die im Bereich des Bundesministeriums für Gesundheit und der Einundzwanzigstbeklagten begangen worden seien. Spätestens im Herbst 2009 sei der gebotene sofortige österreichweite Rückruf der Lebensmittel der Erstbeklagten unterlassen worden. Auch hafte die Drittbeklagte als funktioneller Rechtsträger für Versäumnisse des Landeshauptmanns der Steiermark als den für die lokale Lebensmittelpolizei Verantwortlichen. Die weiteren Organe hätten den in der Steiermark ansässigen Betrieb der Erstbeklagten besser kontrollieren müssen, um zu verhindern, dass die Auslieferung dieser Lebensmittel insbesondere nach Wien erfolgen könne. Auch sei die Drittbeklagte für Versäumnisse im Bereich der Wiener Lebensmittelaufsichtsbehörden verantwortlich. Sie habe für die Versäumnisse ihrer Organe aus dem Titel der Amtshaftung und aus anderen Rechtsgründen einzustehen.
Die Viertbeklagte hafte für Fehler und Versäumnisse bei der Behandlung des Klägers nach dem Auftreten der Listerieninfektion in einem von ihr gehaltenen Krankenhaus. Die Diagnose sei nicht lege artis erfolgt, weswegen seine Erkrankung zu spät erkannt worden sei. Dadurch sei es zu irreversiblen Folgen gekommen, die sonst verhindert werden hätten können. Eine beim Kläger entnommene Liquor-Probe sei vorschriftswidrig entsorgt bzw vernichtet worden. Aus Gründen der Vorsicht würden die Ansprüche der Viertbeklagten gegenüber auch aus dem Titel Amtshaftung geltend gemacht.
Die Fünftbeklagte hafte als organisatorischer Rechtsträger aus dem Titel der Amtshaftung für Fehler und Versäumnisse der steirischen Lebensmittelpolizei.
Die Sechst- bis Zehntbeklagten hätten es als Mitarbeiter der Erstbeklagten zu verantworten, dass der verseuchte Quargel in Verkehr gesetzt worden sei. Dazu erstattete der Kläger ein detailliertes Vorbringen zu dem ihnen vorgeworfenen Fehlverhalten.
Der Elftbeklagte sei Geschäftsführer der Zwölftbeklagten und darüber hinaus der beauftragte persönliche Berater der Erstbeklagten gewesen. Die Zwölftbeklagte sei von der Erstbeklagten mit der Untersuchung des Quargels beauftragt worden. Gemeinsam mit dem Elftbeklagten habe sie die mangelhafte Durchführung dieser Untersuchungen zu verantworten.
Die Dreizehntbeklagte, ein in Deutschland ansässiger Lebensmittelhändler, sei schon im Sommer 2009 in Kenntnis darüber gewesen, dass die Erstbeklagte listerienverseuchten Quargel produziere, habe dies jedoch nur gegenüber der Erstbeklagten beanstandet, anstatt die Öffentlichkeit, insbesondere auch in Österreich, darüber zu informieren. Ungeachtet ihrer aus dem frühen Sonderwissen um die Missstände resultierenden Ingerenzstellung habe sie die weitere Gefährdung großer Verkehrskreise in Kauf genommen.
Die Vierzehnt- bis Achtzehntbeklagten seien jene Lebensmittelhändler, bei welchen der Kläger regelmäßig eingekauft habe und die im Zeitraum 2009/2010 das von der Erstbeklagten erzeugte Produkt im Sortiment gehabt hätten. Er müsse den kontaminierten Käse in einem von diesen Beklagten betriebenen Warenhäusern gekauft haben. Ihnen werfe er insbesondere vor, dass sie bereits frühzeitig von den Beanstandungen der Dreizehntbeklagten gegenüber der Erstbeklagten in Kenntnis gewesen seien und die gebotenen Maßnahmen unterlassen hätten.
Der Neunzehnt- und Zwanzigstbeklagte seien mit dem Transport der von der Erstbeklagten hergestellten Waren betraut gewesen. Sie hätten eine allfällig ungenügende Kühlung der kontaminierten Produkte während des Transports zu verantworten. Eine solche sei als Mitursache für eine Listerienerhöhung nach Auslieferung des Quargels durch die Erstbeklagte anzusehen.
Die Einundzwanzigstbeklagte nehme diverse Aufgaben in Vollziehung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG) wahr und hafte für die Ansprüche des Klägers aus dem Titel der Amtshaftung. Es gelte das zur Drittbeklagten Vorgebrachte. Zu den ihr angelasteten Versäumnissen verwies der Kläger auf sein Vorbringen zur Drittbeklagten.
Zur örtlichen Zuständigkeit brachte der Kläger vor, wesentliche Teile des Sachverhalts hätten sich in Wien ereignet. Insbesondere hätten die aus dem Titel der Amtshaftung belangten Parteien ihr schadensverursachendes Verhalten in Wien gesetzt. Das gelte für die Erstbeklagte bzw für die für diese handelnden Personen, die es in Wien unterlassen hätten, jene Handlungen zu setzen, zu denen sie verpflichtet gewesen wären, ebenso wie für den unterlassenen Rückruf der kontaminierten Lebensmittel aus den von den Vierzehnt- bis Achtzehntbeklagten in Wien betriebenen Geschäften. Das angerufene Gericht sei daher gemäß § 9 Abs 1 AHG, allenfalls auch aufgrund des Gerichtsstands der Schadenszufügung (§ 92a JN) örtlich zuständig. Vorsichtshalber werde die örtliche Zuständigkeit auch auf § 86a JN (Prokuraturgerichtsstand) gestützt. Der Kläger habe seinen allgemeinen Gerichtsstand im Sprengel des angerufenen Gerichts.
Jeder einzelne der Beklagten habe sich auf eine Art verhalten, die geeignet gewesen sei, den gesamten beim Kläger eingetretenen Schaden zu verursachen, weswegen sie zur Gänze für den beim Kläger eingetretenen Schaden haften würden. Da nicht feststellbar sei, welche Schadensquoten auf die einzelnen Beklagten entfielen, hafteten diese gemäß § 1302 ABGB per analogiam solidarisch für den Gesamtbetrag. Hilfsweise werde die örtliche Zuständigkeit daher hinsichtlich aller Beklagten mit Ausnahme der Dritt- und Viertbeklagten auch auf den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft (§ 93 JN) gestützt. Die Dritt-, Viert- und Einundzwanzigstbeklagten hätten ihren allgemeinen Gerichtsstand in Wien, weswegen die anderen Beklagten als materielle Streitgenossen gemeinsam mit diesen vor dem angerufenen Gericht belangt werden könnten.
Das Erstgericht wies die Klage gegen alle Beklagten mit Ausnahme der Viert- sowie der Vierzehnt- bis Achtzehntbeklagen zurück.
Die Klage gegen die Drittbeklagte wies das Erstgericht zurück, insoweit sie nicht auf Amtshaftung „für Versäumnisse der Wiener Lebensmittelaufsichtsbehörden“ gestützt werde.
Aus § 9 Abs 1 AHG sei die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für die Klage gegen die Viert- und die Drittbeklagte, soweit Unterlassungen in Wien behauptet würden, abzuleiten. Daraus folge die Zuständigkeit für die Vierzehnt- bis Achtzehntbeklagten, weil sich der Kläger insoweit auf eine Solidarhaftung eines Rechtsträgers mit Dritten berufe.
Darüber hinaus stütze der Kläger sein Begehren auf zeitlich davor anzusetzende amtshaftungsrelevante Unterlassungen, wobei die versäumten Tätigkeiten nicht im Sprengel des angerufenen Gerichts, sondern in der Steiermark vorzunehmen gewesen wären. Die damit zusammenhängenden Tätigkeiten bzw Unterlassungen der genannten Beklagten begründeten keine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gemäß § 9 Abs 1 AHG. Daraus folge die Zurückweisung der Klage hinsichtlich aller anderen Beklagten, zumal sich der Kläger hinsichtlich des Sechstbeklagten nicht auf den allgemeinen Gerichtsstand berufen habe.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers teilweise Folge.
Es hob den Beschluss des Erstgerichts, soweit darin die Zurückweisung der Klage gegen den Sechst-, die Dreizehnt- und die Einundzwanzigstbeklagte ausgesprochen wurde, auf, hinsichtlich der letztgenannten jedoch nur „soweit sie [Anm.: die Klage] nicht auf Amtshaftung des Versäumnisses im Bereich der Wiener Lebensmittelaufsichtsbehörde gestützt wird“, und trug dem Erstgericht insoweit die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Das Rekursgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach dessen aus § 9 Abs 1 AHG abzuleitende Zuständigkeit nur in dem Umfang zum Tragen komme, soweit Unterlassungen in Wien behauptet worden seien. Soweit versäumte Tätigkeiten geltend gemacht würden, die nicht im Sprengel des angerufenen Gerichts angesiedelt seien, sondern in der Steiermark vorzunehmen gewesen wären, könne die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht auf § 9 Abs 1 AHG gestützt werden. Daraus ergebe sich auch die Unzuständigkeit für die Klage gegen die Fünftbeklagte.
Zwar sei eine Solidarverpflichtung der Vierzehnt- bis Achtzehntbeklagten gemeinsam mit den Organen der Drittbeklagten anzunehmen, jedoch sei bezüglich der Erst-, Zweit-, Siebent- bis Zwölft- sowie Neunzehnt- und Zwanzigstbeklagten keine Solidarschuld gegeben. Daher könne sich der Kläger insoweit auch nicht auf den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft gemäß § 93 Abs 1 JN berufen, die nur bei materieller Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO vorliege.
Hingegen sei die Klage am allgemeinen Gerichtsstand des Sechstbeklagten eingebracht worden, weswegen von der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit des Erstgerichts für diesen Beklagten auszugehen sei. Auch hinsichtlich der Dreizehntbeklagten sei die Klage zu Unrecht a limine zurückgewiesen worden. Nach Art 6 Nr 1 EuGVVO könne eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats habe, wenn mehrere Personen zusammen verklagt würden, auch vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz habe, sofern zwischen den Klagen eine so enge Beziehung gegeben sei, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheine. Das habe der Kläger in tatsächlicher Hinsicht zu behaupten und zu beweisen. Ob tatsächlich der geforderte materiell-rechtliche Zusammenhang vorliege, sei erst im Hauptverfahren zu prüfen.
Bereits in der Klage habe der Kläger vorgebracht, dass die Einundzwanzigstbeklagte nach § 19 Abs 5 Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz (GESG) eine Körperschaft öffentlichen Rechts im Sinne des Amtshaftungsgesetzes sei, die diverse Aufgaben in Vollziehung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes wahrnehme und daher gegen ihre gesetzliche Verpflichtung zur Warnung der Öffentlichkeit und zum Rückruf von Produkten aus dem Handel verstoßen habe. Daher könne der Kläger die Einundzwanzigstbeklagte neben der Drittbeklagten aus dem Titel der Amtshaftung in Anspruch nehmen, jedoch nur, soweit sie auf Amtshaftung für Versäumnisse im Bereich der Wiener Lebensmittelaufsichtsbehörden gestützt werde.
Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil - soweit überblickbar - der Oberste Gerichtshof zur Frage der ausschließlichen Zuständigkeit des Amtshaftungsgerichts bei einem Sachverhalt, dem amtshaftungsbegründende Unterlassungen auch außerhalb des Sprengels des angerufenen Gerichts zugrunde liegen, bisher noch nicht Stellung genommen habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Klägers ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist auch berechtigt.
Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit ist zunächst festzuhalten, dass Verfahrensgegenstand (neben dem im folgenden Absatz behandelten) im Revisionsrekursverfahren nur noch die Zurückweisung a limine der Klagen gegen die Erst-, Zweit-, Fünft-, Siebent- bis Zwölft-, Neunzehnt- und Zwanzigstbeklagten ist. Ihnen wirft der Kläger jeweils ein schadensverursachendes Handeln bzw Unterlassen vor, das zu einem einheitlichen Schaden - einer Listerien-Infektion - geführt habe, und dem gemeinsam ist, dass es örtlich außerhalb des Sprengels des in erster Instanz angerufenen Gerichts erfolgte. Keiner dieser Beklagten hat seinen allgemeinen Gerichtsstand im Sprengel dieses Gerichts.
Was die Klage gegen die Dritt- und Einundzwanzigstbeklagte anlangt, beschränkt sich der Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens auf deren Zurückweisung „soweit sie nicht auf Amtshaftung für Versäumnisse im Bereich der Wiener Lebensmittelaufsichtsbehörden gestützt wird“.
1. Bei der Prüfung der Zuständigkeit ist gemäß § 41 Abs 2 JN zunächst von den Klagsangaben auszugehen (RIS-Justiz RS0046236; Mayr in Rechberger, ZPO3 § 41 JN Rz 2). Wird ein anderer als der allgemeine Gerichtsstand in Anspruch genommen, hat der Kläger schon in der Klage ausdrücklich und konkret jene Tatsachen zu behaupten, die den besonderen Gerichtsstand begründen. Er ist dabei nicht gehalten, Zuständigkeitstatbestände in ihrer rechtlichen Konfiguration zu benennen, muss aber das erforderliche Tatsachensubstrat vorbringen (RIS-Justiz RS0046204).
Auf den noch in der Klage geltend gemachten Wahlgerichtsstand der Schadenszufügung (§ 92a JN) und den Prokuraturgerichtsstand nach § 86a JN, den er offensichtlich mit Blick auf die Fünftbeklagte angewendet wissen wollte, kommt der Kläger zu Recht nicht mehr zurück.
2. Zur (teilweisen) Zurückweisung der Klage gegen die Dritt- und Einundzwanzigstbeklagte:
2.1 Nach § 9 Abs 1 AHG ist zur Entscheidung über die Klage des Geschädigten gegen den Rechtsträger (§ 1 Abs 1 AHG) auf Ersatz in erster Instanz das mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen betraute Landesgericht, in dessen Sprengel die Rechtsverletzung begangen wurde, ausschließlich zuständig. Dass auch die Einundzwanzigstbeklagte als Rechtsträger iSd § 1 Abs 1 AHG in Anspruch genommen wird, steht im Revisionsrekursverfahren nicht mehr in Frage (§ 19 Abs 5 GESG).
2.2 Der Kläger leitet die Haftung der Dritt- und Einundzwanzigstbeklagten aus einer Unterlassung des gebotenen Handelns ab. In einem solchen Fall wird die Ersatzpflicht des Rechtsträgers dann begründet, wenn das pflichtgemäße Handeln den Schaden abgewendet hätte und die Handlung von den Organen schuldhaft nicht gesetzt wurde (RIS-Justiz RS0081378 [T3]; Schragel, AHG³ Rz 141). Zutreffend haben die Vorinstanzen in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass bei einer auf der Nichtvornahme des gebotenen Handelns gegründeten Klage grundsätzlich jenes Landesgericht zuständig ist, in dessen Sprengel das Organverhalten zu setzen gewesen wäre, nicht aber das Landesgericht, in dessen Sprengel sich der Schaden verwirklicht hat (Schragel aaO § 9 Rz 247).
2.3 Nach den Behauptungen in der Klage sind die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche aus einer Listerien-Infektion abzuleiten. Dabei wirft er der Dritt- und Einundzwanzigstbeklagten die Unterlassung der gebotenen gesundheitspolizeilichen bzw lebensmittelpolizeilichen Maßnahmen vor, die sich auch außerhalb des Sprengels des angerufenen Gerichts verwirklicht haben soll. Daraus folgt entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht, dass das angerufene Gericht nur insoweit zuständig wäre, als sich das behauptete Fehlverhalten auf dessen Sprengel bezieht.
2.4 Selbst wenn ein Anspruch auf zwei Rechtstitel gestützt wird, die - jeder für sich - bei verschiedenen Gerichten geltend zu machen wären, steht dem Kläger grundsätzlich das Wahlrecht zu, und zwar auch dann, wenn es sich um eine unprorogierbare Zuständigkeit handelt (RIS-Justiz RS0046229; Ballon in Fasching² I § 41 JN Rz 10; differenzierend 4 Ob 154/12v).
2.5 Bezieht sich das behauptete schuldhafte Organverhalten auf mehrere Gerichtshofsprengel, ist jedes Landesgericht zuständig, in dessen Sprengel die Rechtsverletzung ebenfalls stattgefunden hat (vgl Schragel aaO Rz 247). Das bedeutet nicht, dass die im Zusammenhang mit der Infektion des Klägers stehenden Ansprüche von verschiedenen Gerichten zu beurteilen wären, je nachdem, wo das gebotene Organhandeln vorzunehmen gewesen wäre. Kann für einen behaupteten einheitlichen Schaden nach den Klageangaben die ausschließliche Zuständigkeit mehrerer Gerichte nach § 9 Abs 1 AHG abgeleitet werden, kommt dem Kläger die Wahl zu, vor welchem der danach zuständigen Gerichte er sein Rechtsschutzbegehren beurteilen lassen will. Dieses Wahlrecht des Klägers folgt aus dem allgemeinen Grundsatz des § 102 JN, wobei es gleichgültig ist, ob die mehrfache Zuständigkeit durch mehrere allgemeine Gerichtsstände, den allgemeinen Gerichtsstand und einen der mehreren, daneben tretenden Wahlgerichtsstände, durch mehrere Wahlgerichtsstände oder mehrere ausschließliche Gerichtsstände entsteht (Simotta in Fasching² I § 102 JN Rz 1; Mayr in Rechberger, ZPO³ § 102 JN Rz 1). Für eine Teilzurückweisung der Klage gegen die Dritt- und Einundzwanzigstbeklagte, „soweit sie nicht auf Amtshaftung für Versäumnisse im Bereich der Wiener Lebensmittelaufsichtsbehörden gestützt wird“, gibt es daher keine gesetzliche Grundlage. Das Erstgericht ist für die Klage somit insoweit uneingeschränkt zuständig.
3. Zur Zurückweisung der Klage gegen die Erst-, Zweit-, Siebent- bis Zwölft-, Neunzehnt- und Zwanzigstbeklagte:
3.1 Der Kläger hat sich bereits in erster Instanz auf die Zuständigkeitsvoraussetzungen nach § 93 Abs 1 JN berufen, deren Vorliegen nach den Angaben in der Klage zu prüfen ist (5 Ob 615/83 = RIS-Justiz RS0035340; RS0117035). Dieser Gerichtsstand wird am allgemeinen Gerichtsstand eines Streitgenossen begründet. Selbst wenn für einen von mehreren Beklagten ein ausschließlicher Gerichtsstand besteht, richtet er sich nach dem allgemeinen Gerichtsstand eines der Beklagten (6 Ob 10/11f = RIS-Justiz RS0126585 [zum ausschließlichen Gerichtsstand des § 83 JN]). Er setzt weiters voraus, dass das angerufene Gericht für alle übrigen Beteiligten auch durch Vereinbarung zuständig gemacht werden könnte und auf der Beklagtenseite eine materielle Streitgenossenschaft gemäß § 11 Z 1 ZPO gegeben ist (Simotta aaO § 93 JN Rz 1 und 7; Mayr aaO § 93 JN Rz 1 und 3, je mwN).
3.2 Der Kläger nimmt mit seiner Klage Streitgenossen zur ungeteilten Hand in Anspruch, wobei die Zuständigkeit des Erstgerichts für den Sechstbeklagten schon nach dessen allgemeinem Gerichtsstand begründet ist. Insoweit hat bereits das Rekursgericht die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts für die vorliegende Klage bejaht. Nach den Klagebehauptungen liegt auch ein ausreichendes Tatachensubstrat vor, das - sofern es sich als richtig herausstellt - eine materielle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO begründet:
3.2.1 Haften mehrere Mitschädiger solidarisch, sind sie materielle Streitgenossen nach § 11 Z 1 letzter Fall ZPO. Ob diese Voraussetzungen für eine materielle Streitgenossenschaft vorliegen, ist dabei ebenfalls nach den Angaben in der Klage zu beurteilen (6 Ob 316/02t). Es entspricht der herrschenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass jede Solidarverpflichtung ausreicht, die verpflichteten Personen als Streitgenossen nach § 93 Abs 1 JN gemeinsam zu klagen (6 Ob 316/02t). Wesentlich ist nur, dass eine Erfüllungsgemeinschaft vorliegt und dem Gläubiger das Privileg zukommt, wählen zu können, auf welchen seiner Schuldner er zuerst greifen will (7 Ob 148/02v; 6 Ob 316/02t; RIS-Justiz RS0017315). Unter solidarische Verpflichtung iSd § 11 Z 1 ZPO fallen daher alle im ABGB vorgesehenen Fälle von Solidarhaftung (Schubert in Fasching/Konecny ZPO² § 11 Rz 9; zweifelnd für den Fall der deliktischen Solidarhaftung, allerdings unter Berufung auf eine Entscheidung zur Rechtslage vor der ZVN 1983, mit der der Tatbestand des § 11 Z 1 ZPO um die solidarische Berechtigung oder Verpflichtung erweitert wurde, 3 Ob 223/07a [Erwägung war nicht tragend]).
3.2.2 § 1302 zweiter Satz ABGB normiert die Solidarhaftung bei vorsätzlicher Schadenszufügung, oder wenn sich die Anteile der einzelnen an der Beschädigung nicht bestimmen lassen. Kommen mehrere Ursachen für den eingetretenen Schaden in Betracht, und kann nicht festgestellt werden, welches von mehreren potentiell schädigenden Ereignissen Ursache ist, wird in analoger Anwendung der Regelung des § 1302 ABGB solidarische Haftung angenommen (1 Ob 40/83 = SZ 57/51 mwN; RIS-Justiz RS0022712; vgl RS0026600). Es kommt dabei nicht auf einverständliches Handeln der Täter an; die Beteiligung an der Kausalkette genügt (7 Ob 723/86 = SZ 60/55; 7 Ob 541/87 = SZ 60/91 mwN). Für die Annahme einer passiven Korrealität bedarf es auch nicht zwingend gleichzeitigen Handelns der Täter, sondern die Tathandlungen können zeitlich gestreckt nacheinander erfolgen, solange dadurch ein einheitlicher Schaden herbeigeführt wird (1 Ob 207/98t = SZ 72/47).
3.2.3 Angesichts dieser Rechtsprechung ist es zumindest möglich, dass die Beklagten für die vom Kläger behaupteten Schäden solidarisch einzustehen haben: Der Kläger wirft allen noch in Rede stehenden Beklagten vor, durch Handlungen oder Unterlassungen zur Schadensbegründung beigetragen zu haben. Die Vorwürfe umfassen zum einen die Verantwortlichkeit dafür, dass der mit Listerien verseuchte Käse produziert (Erst- und Zweitbeklagte) bzw in weiterer Folge in Verkehr gesetzt (Sechst- bis Zehntbeklagte) oder während des Transports ungenügend gekühlt wurde (Neunzehnt- und Zwanzigstbeklagte), zum anderen auch die Unterlassung einer sorgfältigen Untersuchung der Produkte (Elftbeklagte), was ebenso zur Schädigung geführt habe, wie die den aus dem Titel der Amtshaftung in Anspruch genommenen Rechtsträgern (Dritt- und Einundzwanzigstbeklagte) anzulastenden Versäumnisse. In Anbetracht der Behauptung eines einheitlichen, den jeweiligen Entstehungsursachen nicht getrennt zuweisbaren Schadens werden in der Klage daher Ursachen geltend gemacht, die entweder gleichzeitig wirksam geworden oder nacheinander eingetreten sind, deren jede für sich aber den einheitlichen Schaden herbeigeführt haben könnte, oder - soweit ein Unterlassen geltend gemacht wird - verhindern hätten können. Bei Zutreffen solcher Behauptungen trifft alle Schädiger Solidarhaftung, sofern ein schuldhaftes oder sonst einen Haftungsgrund bildendes Verhalten vorliegt (vgl 1 Ob 207/98t = SZ 72/47; 4 Ob 2319/96z = JBl 1997, 245 [Dullinger]; nicht rechtzeitige Verfahrensfortsetzung durch zwei nacheinander einschreitende Rechtsanwälte). Da für den Ersatzanspruch wegen eines bestimmten Schadens mehrere Personen als Solidarschuldner auch aufgrund unterschiedlicher Rechtsgründe haften können (vgl dazu 1 Ob 221/06s), liegt nach den Klagebehauptungen eine passive Korrealität und damit eine materielle Streitgenossenschaft vor.
4. § 9 Abs 1 AHG schafft keine besondere Verfahrensart. Es ist daher zulässig, dass der Kläger neben dem aus dem Titel der Amtshaftung in Anspruch genommenen Rechtsträger weitere Mitschädiger, die nicht in Vollziehung der Gesetze zu handeln hatten, aus einem anderen Rechtstitel gemeinsam belangt (1 Ob 6/90 = RIS-Justiz RS0035558 = RZ 1990/108 mwN; Schragel aaO Rz 246 f). Wird daher mit dem Rechtsträger eine Partei - wie hier der Sechstbeklagte - als Haftpflichtiger in Anspruch genommen, die ihren allgemeinen Gerichtsstand am Sitz des Amtshaftungsgerichts hat, und daher den Gerichtsstand nach § 93 Abs 1 JN für solche Beklagte begründen kann, für die das nicht zutrifft, ist die Zuständigkeit des Amtshaftungsgerichts grundsätzlich auch für jene Beklagten zu bejahen, die ihren allgemeinen Gerichtsstand nicht im Sprengel des angerufenen Amtshaftungsgerichts haben. Für sie wird der Gerichtsstand nach § 93 Abs 1 JN schon durch den allgemeinen Gerichtsstand des nicht aus dem Titel der Amtshaftung belangten Beklagten begründet. Der gemeinschaftlichen Einklagung steht dabei auch eine sachliche Unzuständigkeit wegen des Vorliegens der Handelsgerichtsbarkeit für jene Beklagten, deren Haftung der Kläger aus dem Produkthaftungsgesetz ableitet (vgl § 51 Abs 1 Z 8a JN), nicht entgegen (vgl RIS-Justiz RS0117283; Simotta aaO § 93 JN Rz 7). Damit ist nach den bei einer Zuständigkeitsprüfung a limine allein ausschlaggebenden Klagebehauptungen die Zuständigkeit des Erstgerichts auch für die Klage gegen die Erst-, Zweit-, Siebent- bis Zwölft-, Neunzehnt- und Zwanzigstbeklagten gegeben. Insoweit ist dem Revisionsrekurs des Klägers daher ebenfalls Folge zu geben.
5. Zur Zurückweisung der Klage gegen das fünftbeklagte Land:
Der Kläger nimmt dieses aus dem Titel der Amtshaftung in Anspruch, wobei für die von diesem Rechtsträger nach den Klageangaben zu verantwortenden Versäumnisse nach § 9 Abs 1 AHG ein anderes als das angerufene Gericht zuständig ist. Diese Zuständigkeitsbestimmung schafft einen ausschließlichen Gerichtsstand (1 Ob 115/06b; Simotta aaO Vor §§ 76 - 84 JN Rz 12; Schragel aaO Rz 47; Ziehensack, AHG § 9 Rz 24). Demgegenüber handelt es sich bei dem Gerichtsstand der Streitgenossenschaft, auf den sich der Kläger auch hinsichtlich der fünftbeklagten Partei beruft, um einen Wahlgerichtsstand, der nur an Stelle des allgemeinen Gerichtsstands angerufen werden kann. Liegt aber - wie hier in Bezug auf die Genannte - für den geltend gemachten Anspruch ein ausschließlicher Gerichtsstand vor, finden die Wahlgerichtsstände - hier der nach § 93 Abs 1 JN - keine Anwendung (1 Ob 115/06b; RIS-Justiz RS0119169; Mayr aaO Vor § 76 JN Rz 1). Damit kann der Kläger die fünftbeklagte Partei nicht nach § 93 Abs 1 JN vor dem Erstgericht belangen. Insoweit hat es bei der Zurückweisung der Klage zu bleiben.
7. Die Entscheidung über einen Überweisungsantrag kommt dem Erstgericht zu (Mayr in Fasching/Konecny 2 III § 230a ZPO Rz 8). Auf den vom Kläger in eventu gestellten Delegationsantrag ist daher derzeit nicht einzugehen.
8. Dem Revisionsrekurs ist damit teilweise Folge zu geben.
9. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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