OGH 3Ob223/07a

OGH3Ob223/07a27.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz Leopold S*****, vertreten durch Dr. Harald Jahn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. A***** GmbH, ***** 2. Ing. Andreas P*****, beide vertreten durch Burghofer & Pacher Rechtsanwälte GmbH in Wien,

3. Dipl. Ing. Maria P*****, vertreten durch Dr. Rolf Schuhmeister und Dr. Walter Schuhmeister, Rechtsanwälte in Schwechat, und 4. S***** GmbH, ***** vertreten durch Mag. Stephan Podiwinsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 18.830,48 EUR und Feststellung, aus Anlass der „außerordentlichen Revision" der erstbeklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juli 2007, GZ 13 R 262/06d-51, womit infolge Berufungen der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. September 2006, GZ 53 Cg 38/04d-39, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Die erstbeklagte GmbH ist Eigentümerin einer Eigentumswohnung. Der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte sind Geschäftsführer bzw Gesellschafter der erstbeklagten GmbH. Die viertbeklagte Partei führte Bauarbeiten durch und entfernte nach Beendigung ihrer Arbeiten ein Pfostenplateau, das die Verbindung zum Obergeschoss herstellte. Der Kläger führte am Folgetag Installationsarbeiten durch und stürzte bei der Benützung des Übergangs zum Obergeschoss in die Tiefe. Er begehrte von den Beklagten zur ungeteilten Hand 18.830,48 EUR (Verdienstentgang; Heilungskosten, Schmerzengeld) sowie die Feststellung ihrer Solidarhaftung für künftige Schäden. Die erstbeklagte Partei hafte wegen Nichtbestellung eines Baukoordinators und Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten, der Zweitbeklagte wegen Verletzung von Kontrollpflichten, die Drittbeklagte als Projektleiterin und die viertbeklagte Partei als Bauführer für das Verschulden ihrer Leute.

Das Erstgericht wies mit Teilurteil das Klagebegehren gegen die zweit- bis viertbeklagten Parteien ab und erkannte mit Zwischenurteil (Teilzwischenurteil), dass das Zahlungsbegehren gegenüber der erstbeklagten Partei „in vollem Ausmaß" zu Recht bestehe. Das Berufungsgericht gab der nur gegen die Klageabweisung in Ansehung des Zweitbeklagten und der Drittbeklagten erhobenen Berufung des Klägers gegen das Teilurteil sowie der Berufung der erstbeklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil (dessen Spruch vom Berufungsgericht dahin berichtigt wurde, dass der Zahlungsanspruch des Klägers gegenüber der erstbeklagten Partei als dem Grunde nach zu Recht bestehend festgestellt wurde und weiters, dass die Entscheidung über das gegen die erstbeklagte Partei gerichtete Feststellungsbegehren vorbehalten wird) nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Mit ihrer rechtzeitig eingebrachten „außerordentlichen Revision" beantragte die erstbeklagte Partei, dass das gegen sie gerichtete Klagebegehren abgewiesen werde. In dem über Anregung des Obersten Gerichtshofs durchgeführten Verbesserungsverfahren erklärte die Revisionswerberin in ihrer „Stellungnahme" vom 3. Oktober 2007 (ON 58), dass der Streitwert inklusive des mit 5.000 EUR bewerteten Feststellungsbegehrens 23.330,48 EUR betrage. Mit dem Zwischenurteil sei „bereits über das Feststellungsbegehren positiv entschieden" worden. Wenn der Anspruch dem Grunde nach anerkannt werde, impliziere dies, dass die erstbeklagte Partei für sämtliche Schäden, die aus dem Unfall entstanden seien oder in Zukunft entstehen werden, hafte. Für den Fall, dass ihre Ansicht nicht geteilt werde, beantrage die erstbeklagte Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO, die ordentliche Revision zuzulassen.

Das Erstgericht legt den Akt neuerlich dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor. Die Aktenvorlage ist verfrüht:

Rechtliche Beurteilung

I. Die Ansicht der Revisionswerberin, das Berufungsgericht habe mit seinem Teilzwischenurteil entgegen der gegenteiligen Spruchfassung auch schon über das Feststellungsbegehren (positiv) entschieden, kann nicht geteilt werden. Es ist keineswegs zwingend und denkunmöglich, dass zwar dem Zahlungsbegehren, nicht aber dem Feststellungsbegehren stattzugeben ist. Die Berechtigung des Letzteren hängt von der Feststellung von Spät- und Dauerfolgen ab, die nicht vorliegen müssen, wenn eine andere Schadensfolge schon feststeht.

II. Zu dem für die Rechtsmittelzulässigkeit maßgeblichen Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Berufungsgericht entschied, ist Folgendes auszuführen:

1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen, andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RIS-Justiz RS0053096). Gegen materielle Streitgenossen (§ 11 Z 1 ZPO) erhobene Ansprüche sind zusammenzurechnen (§ 55 Abs 1 Z 2 JN; RIS-Justiz RS0035483). Hier könnte bezweifelt werden, ob die beklagten Parteien überhaupt materielle Streitgenossen sind, weil ihre Haftung nicht auf demselben rechtserzeugenden Sachverhalt beruht. Eine deliktische Solidarhaftung begründet noch keine Rechtsgemeinschaft iSd § 11 Z 1 ZPO (7 Ob 701/81). Entscheidend ist aber ohnehin schon, dass der Kläger nur einen Leistungsanspruch gegen mehrere solidarisch haftende beklagte Parteien geltend macht, sodass nach dem klaren Wortlaut des § 55 Abs 2 JN sich der Wert nach der Höhe des einfachen Anspruchs richtet. Es kommt daher bei der Solidarhaftung auch bei Vorliegen einer materiellen Streitgenossenschaft eine Zusammenrechnung iSd § 55 Abs 1 JN nicht in Betracht (1 Ob 510/89; Gitschthaler in Fasching, Zivilprozessgesetze², § 55 JN Rz 23 f).

2. Bei einem Zwischenurteil über den Geldanspruch bestimmt dieser den Wert des Entscheidungsgegenstands (2 Ob 1060/89; 3 Ob 173/05w; 9 ObA 124/06k).

3. Daraus folgt, dass das Erstgericht den Akt nicht dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über die außerordentliche Revision, sondern dem Berufungsgericht zur Entscheidung über den schon gestellten Abänderungsantrag der Revisionswerberin iSd § 508 ZPO vorzulegen hat.

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