OGH 4Ob211/11z

OGH4Ob211/11z28.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** S*****, vertreten durch rechtsanwälte.tusch.flatz.dejaco.kaseroller.gmbh in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Gemeinde S*****, dieser vertreten durch Dr. Rolf Philipp und Dr. Frank Philipp, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen 6.650 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 5. Oktober 2011, GZ 1 R 268/11m-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Montafon vom 10. August 2011, GZ 1 C 662/10a-14, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 27. 6. 2010 befuhr der Kläger den Güterweg S*****, über den die Güterweggenossenschaft S***** (in der Folge: Weginteressent) verfügungsberechtigt ist, mit einem Mountainbike, kam dabei zu Sturz und zog sich dabei Verletzungen zu.

Der Weginteressent als über den Güterweg Verfügungsberechtigter traf mit der beklagten Gemeinde am 4. 11. 2008 eine schriftliche „Vereinbarung über die Öffnung einer Mountainbike-Route“, die unter anderem folgenden unstrittigen Inhalt aufweist:

I. [...] Der Weginteressent gibt den oben angeführten Weg für den Verkehr für das Mountainbiken zu den in dieser Vereinbarung angeführten Rechten und Pflichten frei.

II. Auf Grund dieser Vereinbarung übernimmt der Berechtigte die Pflichten als Wegehalter für den Verkehr für das Mountainbiken im Sinne des § 1319a ABGB (Wegehalterhaftung nach dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch) auf der vertragsgegenständlichen Wegstrecke. Der Berechtigte ist für den ordnungsgemäßen Zustand des Weges für den Verkehr für das Mountainbiken verantwortlich. [...]

IV. Weitere Rechte und Pflichten der Vertragspartner: […]

2. Vor der erstmaligen Eröffnung der Mountainbikeroute hat der Berechtigte die Weganlage in Absprache mit dem Weginteressenten - entsprechend dem gegebenen Schwierigkeitsgrad - in einen für das Mountainbiken tauglichen Zustand zu versetzen und nach dem Mountainbike-Konzept des Landes Vorarlberg zu beschildern und sie während der Vertragsdauer in einem für die Mountainbiker tauglichen Zustand zu erhalten.

3. Der Berechtigte hat die Wegstrecke und den angrenzenden Bewuchs regelmäßig, zumindest jährlich im Frühjahr oder nach besonderen Naturereignissen, zu kontrollieren und auf besondere Gefahren für den Verkehr für das Mountainbiken hin zu weisen und gegebenenfalls zu beseitigen. [...]

4. Der Weginteressent und Personen, die im Einzugsbereich des Weges arbeiten, sind berechtigt, den freigegebenen Weg als Arbeitsfeld für Bewirtschaftungsmaßnahmen oder aus Sicherheitsgründen auf die Dauer der Gefahrenlage zu sperren. […]

Der Kläger machte Schadenersatzansprüche aus diesem Unfall gegen die beklagte Gemeinde geltend. Er sei auf dem geschotterten Güterweg mit angepasster Geschwindigkeit talwärts gefahren, als er vor sich ein gelbes Weideband erblickt habe, das quer über den Weg gespannt gewesen sei. Trotz Vollbremsung sei er gestürzt. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen der beklagten Gemeinde und der Weginteressentin über die Öffnung einer Mountainbike-Route auf dem Güterweg hafte die Beklagte für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Das Verschulden am Unfall treffe den Kläger, der bei gehöriger Aufmerksamkeit und Einhaltung einer angepassten Geschwindigkeit das über den Güterweg gespannte Weideband rechtzeitig erkennen und unfallvermeidend reagieren hätte können. Auf einer mit Vieh besetzten Alpe müsse jederzeit mit Viehsperren gerechnet werden. Beobachtungen in den Vorjahren hätten gezeigt, dass das Weideband im Bereich der Unfallstelle zu keinerlei Unfällen geführt habe, da es von den Straßenbenützern bei Bedarf geöffnet und wieder geschlossen worden sei. Die Beklagte und ihre Leute hätten sich nicht grob fahrlässig verhalten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf - teilweise disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - folgende wesentliche Feststellungen: Der befestigte geschotterte Güterweg ist im Bereich der Unfallstelle 2,7 m breit und verläuft in Fahrtrichtung des Klägers annähernd gerade mit einem durchschnittlichen Gefälle von rund 10 %. Auf die Unfallstelle bestand in Fahrtrichtung des Klägers Sicht auf über 60 m. Der Kläger fuhr - seinen Blick auf die Straße gerichtet - mit ca 25 km/h auf dem Güterweg talwärts, als er erstmals etwa 14,5 m vor der späteren Unfallstelle ein grauweißes, ca 1 bis 1,5 cm breites Weideband aus Kunststoff erblickte, das in einer Höhe von rund 76 cm quer über den Weg gespannt war. Talseitig war das Band an einem ca 1,3 m neben der Fahrbahn stehenden Pfosten, bergseitig entweder an einem Pfosten oder an einer Wurzel befestigt. Das ihm nicht bekannte Weideband war für den Kläger aufgrund des Kontrasts zwischen dem grau-weißen Band und dem grünen Hintergrund im Bereich der rechts und links unmittelbar an die Fahrbahn angrenzenden Grünzone aus rund 40 m Entfernung, über der Straße hingegen erst aus 12,5 m Entfernung erkennbar. Der Kläger bremste scharf mit Vorder- und Hinterbremse, fuhr mit geringer Restgeschwindigkeit in das Weideband, wurde abrupt gestoppt und kam zu Sturz. Bei 25 km/h beträgt der Bremsweg 14,5 m, dies bei einer Reaktionszeit von 0,8 sec, einer Bremsschwellphase von 1 sec, einer Bremsverzögerung von 4 m/sec² und einem Gefälle von rund 10 %. Um noch vor dem Band anhalten zu können, hätte der Kläger - legt man die genannten Parameter zugrunde - nicht schneller als 23 km/h fahren dürfen. Der Viehhirte J***** S***** hatte am 19. 6. 2010 Kühe auf die Alpe W***** getrieben und etwa fünf bis sechs Tage später das Weideband für die Dauer von vier Tagen über den Weg gespannt, um die Milchkühe daran zu hindern, weiter zu gehen.

In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, die Beklagte habe mit der Vereinbarung vom 4. 11. 2008 nur eine Haftung als Wegehalter iSd § 1319a ABGB für die Mountainbike-Strecke mit der Unfallstelle übernommen. Grobe Fahrlässigkeit könne der Beklagten nicht angelastet werden. In Weidegebieten sei mit Viehsperren zu rechnen. Ein Moutainbiker müsse auf Forststraßen auf Sicht fahren und auch auf den Bereich neben der Straße achten. Das Weideband sei keine atypische Gefahrenquelle, die den Eintritt eines Schadens als geradezu wahrscheinlich voraussehen habe lassen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil; es sprach - auf Antrag des Klägers gemäß § 508 Abs 1 ZPO - aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Werde ein Forstweg als Mountainbike-Strecke ganz allgemein - ohne individuelles Regelwerk, ohne Einzelbetreuung und ohne organisierte Veranstaltung - zur unentgeltlichen Benützung zur Verfügung gestellt, komme eine vertragliche Haftung nicht in Betracht. Im hier vorliegenden Vertrag werde ausdrücklich festgehalten, dass die Beklagte nur als Wegehalter iSd § 1319 ABGB zu haften habe. Auch wenn sie gegenüber der Güterweggenossenschaft die Verantwortung für einen verkehrssicheren Zustand des Wegs als Mountainbike-Strecke übernommen habe, sei daraus keine Ausweitung ihrer Haftung abzuleiten. Die vertragliche Übernahme der - auf grobe Fahrlässigkeit eingeschränkten - Wegehalterhaftung könne nicht zu einem strengeren Haftungsmaßstab als jenem des § 1319a ABGB führen, weil nicht anzunehmen sei, die Beklagte hätte den Benützern des Wegs einen - auch leichte Fahrlässigkeit umfassenden - vertraglichen Schutz zukommen lassen. Punkt IV. des Vertrags lege der Beklagten Pflichten auf, die verhindern sollten, dass eine Wegehalterhaftung schlagend werde. Daraus sei nicht abzuleiten, dass die Beklagte auch für leichte Fahrlässigkeit gegenüber den Nutzern der Mountainbike-Strecke zu haften habe. Dem Kläger gegenüber bestehe daher keine vertragliche Haftung.

Welche Maßnahmen ein Wegehalter im Einzelnen zu ergreifen habe, richte sich danach, was nach der Art des Wegs, besonders nach seiner Widmung, seiner Lage in der Natur und dem daraus folgenden Maß seiner vernünftigerweise zu erwartenden Benützung (Verkehrsbedürfnis) für seine Instandhaltung angemessen und nach objektiven Maßstäben zumutbar sei. Es komme darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen habe, um eine gefahrlose Benützung des Wegs sicherzustellen. Die beklagte Gemeinde habe als Wegehalterin für die Unfallfolgen nur einzustehen, wenn ihr oder ihren Leuten grobe Fahrlässigkeit vorwerfbar sei. So hafte der Wegehalter, sofern er atypische Gefahrenquellen nicht beseitige oder als solche kenntlich mache. Ob der Viehhirt J***** S***** als einer der „Leute“ der Beklagten iSd § 1319a ABGB anzusehen sei, könne offen bleiben. Ein Mountainbiker sei wie jeder andere Sportausübende grundsätzlich selbst für seine eigene Sicherheit verantwortlich und habe dem mit der Sportausübung verbundenen Verletzungsrisiko durch kontrolliertes und bestehenden Gefahren Rechnung tragendes Verhalten zu begegnen. Die besondere Gefahrengeneigtheit des Mountainbikens rühre daher, dass dabei für Radfahrer gefahrenträchtige Strecken in freiem Gelände (typischerweise abseits der öffentlichen Straßen) befahren würden. Ein für den Mountainbike-Verkehr freigegebener Güterweg in einem alpwirtschaftlich genutzten Gebiet müsse somit nicht die selben Sicherheitserfordernisse erfüllen wie ein ausschließlich zum Zweck des Radfahrens angelegter Weg. Deshalb sei von einem Mountainbike-Fahrer besondere Aufmerksamkeit während der Sportausübung zu fordern; vor allem müsse er auf Sicht fahren. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, sich - vor allem durch die Wahl einer entsprechenden Geschwindigkeit und durch Beachtung der vor ihm liegenden Wegstrecke - auf solche Gefahrenquellen einzustellen, mit denen auf einem in erster Linie landwirtschaftlich genutzten und nur 2,7 m breiten Güterweg gerechnet werden müsse, wie etwa Viehsperren. Mögen auch Viehsperren in Form eines über den Weg gespannten, kaum sichtbaren und nicht gesicherten Weidedrahts ein schweres Verschulden des Wegehalters begründen, treffe solches auf die hier zu beurteilende Viehsperre nicht zu. Das quer über den Weg gespannte Weideband sei farblich auffällig und für den Kläger bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits aus einer Entfernung von ca 40 m erkennbar gewesen. Zwar hätte eine zusätzliche Kennzeichnung oder Beschilderung der Viehsperre deren Auffälligkeitswert erhöht, doch sei das Unterlassen dieser Maßnahmen noch nicht als grobe Fahrlässigkeit des Wegehalters zu beurteilen. In einem Alpgebiet, in dem mit Viehhaltung gerechnet werden müsse, sei ein quer über einen Güterweg gespanntes Weideband keine atypische Gefahrenquelle, die den Eintritt eines Schadens als geradezu wahrscheinlich voraussehen lasse. Der Beklagten sei daher keine grobe Fahrlässigkeit in Bezug auf den Zustand des auch als Mountainbike-Strecke genutzten Güterwegs anzulasten. Damit komme es auf ein Verschulden des Klägers am Unfall nicht weiter an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig; das Rechtsmittel ist im Rahmen eines in jedem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsbegehrens (Kodek in Rechberger ZPO³ § 471 Rz 4; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 506 ZPO Rz 14 mwN; 4 Ob 3/06d; RIS-Justiz RS0041774) berechtigt.

Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe es vertraglich übernommen, die Weganlage in einen für das Moutainbiken tauglichen Zustand zu versetzen, sie in diesem Zustand zu erhalten, zu kontrollieren und auf besondere Gefahren für Mountainbiker hinzuweisen. Der Vertrag ziele damit auf den Schutz von Mountainbikern ab, die die Weganlage benutzen, und löse Sorgfaltspflichten ihnen gegenüber aus, da sie der Erfüllung des Vertrags nahestünden. Die Beklagte hafte dem Kläger deshalb ex contractu. Da die Weganlage für Moutainbiker freigegeben gewesen sei, habe sich der Kläger voll auf die Beschaffenheit der Schotterstraße konzentrieren dürfen und nicht auf - nicht gekennzeichnete - Gefahren abseits des Wegs achten müssen. Es wäre an der Beklagten als Wegehalterin gelegen, Gefahrenquellen zu verhindern und bei unverzichtbaren Absperrungen eine ausreichende Sicherung durch auf größere Distanz erkennbare Bänder, Schilder uä vorzusehen; solches sei keinesfalls unzumutbar. Die Beklagte habe dies unterlassen und grob fahrlässig gehandelt.

1. Vertragsverhältnisse gehen § 1319a ABGB vor (Harrer in Schwimann, ABGB³ § 1319a Rz 28; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1319a Rz 26 je mN). Die Bestimmung des § 1319a ABGB betrifft nur Pflichten, die nicht vertraglich übernommen wurden. Bei Verletzung vertraglicher Pflichten haftet auch der Halter eines Wegs ohne die in dieser Sondervorschrift normierten Beschränkung, wird also schon bei leichter Fahrlässigkeit ersatzpflichtig (RIS-Justiz RS0023459 [T2]).

2. Zutreffend haben die Vorinstanzen - im Anschluss an die Entscheidung 1 Ob 260/05z = SZ 2006/14 = RIS-Justiz RS0120625) eine vertragliche Haftung der Beklagten verneint. Der Oberste Gerichtshof hat in der genannten Entscheidung ausführlich begründet, dass eine vertragliche Haftung nicht Platz greift, wenn ein Tourismusverband einen Forstweg ohne individuelles Regelwerk, ohne Einzelbetreuung und ohne organisierte Veranstaltung unentgeltlich zur Verfügung stellt, auch wenn der Weg in Prospekten und Radführern beworben wird; es greift diesfalls nur die Wegehalterhaftung ein. Für die Haftung der hier beklagten Gemeinde gilt nichts anderes.

3.1. Der Kläger kann sich auch nicht auf Schutzwirkungen aus dem Vertrag zwischen der Beklagten und dem Weginteressenten berufen.

3.2. Eine Sorgfaltspflicht und Schutzpflicht zugunsten dritter am Vertrag nicht beteiligter Personen wird von Lehre und Rechtsprechung dann angenommen, wenn bei objektiver Auslegung des Vertrags anzunehmen ist, dass eine Sorgfaltspflicht auch in Bezug auf die dritte Person, wenn auch nur der vertragschließenden Partei gegenüber, übernommen wurde (RIS-Justiz RS0017195). Eine solche ist nicht anzunehmen, wenn die Vertragsparteien zulässig auf Schadenersatzansprüche verzichtet haben (RIS-Justiz RS0017195 [T3]).

3.3. Zu den außerhalb des Vertragsverhältnisses stehenden, begünstigten Personen werden alle jene gerechnet, die der Vertragspartner erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte oder an denen er sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist. Ihnen wird die Geltendmachung des eigenen Schadens aus dem fremden Vertrag zuerkannt (RIS-Justiz RS0020769 [T1]; vgl auch RS0107082, RS0021557).

3.4. Die Beklagte hat mit Vereinbarung vom 4. 11. 2008 gegenüber dem Weginteressenten zwar die Verantwortung als Wegehalter iSd § 1319a ABGB für den verkehrssicheren Zustand der Forststraße als Mountainbike-Strecke, nicht aber - als weitere vertragliche Hauptleistung - auch eine Sorgfaltspflicht gegenüber den diesen Weg benutzenden Mountainbikern übernommen. Die vertragliche Übernahme der - auf grobe Fahrlässigkeit eingeschränkten - Wegehalterhaftung durch die Beklagte kann damit nicht zu einem strengeren Haftungsmaßstab als jenem in § 1319a ABGB normierten führen (vgl 1 Ob 260/05z = SZ 2006/14 mwN).

4.1. Besteht dem Kläger gegenüber keine vertragliche Haftung, greift demnach die Wegehalterhaftung des § 1319a ABGB ein, die auch Mountainbike-Strecken erfasst (1 Ob 260/05z mwN). Dass die Beklagte im Unfallszeitpunkt Wegehalter des betreffenden Güterwegs war, ist unstrittig.

4.2. Nach der Rechtsprechung haftet der Wegehalter nicht nur für den Weg selbst, sondern auch für dessen Verkehrssicherheit im weitesten Sinn. Beurteilungsmaßstab sind das Verkehrsbedürfnis und die Zumutbarkeit entsprechender Maßnahmen, die ua mit der Lage des Wegs und den jahreszeitlichen Bedingungen zusammenhängen (Danzl in KBB³ § 1319a Rz 5 mwN; RIS-Justiz RS0087605; vgl auch RS0030180, RS0023271).

4.3. Im Zusammenhang mit Sicherungsvorkehrungen auf einer Schipiste hat der Oberste Gerichtshof ganz allgemein ausgesprochen, dass eine für Schifahrer geöffnete Piste das Vertrauen erzeugt, diese biete mehr Sicherheit als das freie Gelände, was Schifahrer häufig dazu veranlassen wird, mit geringerer Vorsicht und Aufmerksamkeit zu fahren als im ungesicherten Gelände. Wenn das Befahren der Piste mit ungewöhnlichen Risken verbunden ist, muss sie gesperrt werden (RIS-Justiz RS0023548 [T3]). Künstlich geschaffene Hindernisse und Gefahrenquellen sind zu entfernen oder doch so kenntlich zu machen, dass sie für den vernünftigen Durchschnittsfahrer auch bei schlechten Sichtverhältnissen keine besondere Gefahr bedeuten (RIS-Justiz RS0023469; vgl auch RS0023255). Auch nach Betriebsschluss der Schilifte ist ein über die Piste gespanntes Stahlseil („Seilwindenpräparierung“) eine atypische Gefahr für Schifahrer, die im Gefahrenbereich entsprechend abzusichern ist (9 Ob 28/08w = RIS-Justiz RS0124298).

4.4. Ist ein Weg für das Befahren mit Rodeln freigegeben, kann der Benützer auf dessen verkehrssicheren Zustand vertrauen und damit rechnen, dass atypische Gefahrenquellen entweder ganz fehlen, oder - soweit vorhanden - ausreichend gekennzeichnet oder durch Absicherungen entschärft sind (vgl RIS-Justiz RS0023735).

4.5. Der Wegehalter hat für Unfallsfolgen nur einzustehen, wenn ihm oder seinen Leuten grobe Fahrlässigkeit vorwerfbar ist. Darunter ist eine auffallende Sorglosigkeit zu verstehen, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falls in ungewöhnlicher Weise verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist (RIS-Justiz RS0030171; vgl auch RS0030359, RS0030644, RS0030477, RS0030272, RS0038120, RS0031127). Es kommt im jeweils zu prüfenden Einzelfall darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um eine gefahrlose Benützung gerade dieses Wegs sicherzustellen (RIS-Justiz RS0087607; vgl auch RS0109002)

5.1. Nach diesen Grundsätzen greift die Auffassung der Vorinstanzen, die Beklagte habe unter keinen Umständen grobe Fahrlässigkeit im Sinn einer auffallenden Sorglosigkeit zu verantworten, nach den bisherigen Verfahrensergebnissen zu kurz.

5.2. Ein Weide-Absperrband aus Kunststoff, das in einer Höhe von rund einem dreiviertel Meter im rechten Winkel zur Längsachse über einen als Moutainbike-Strecke freigegebenen, abschüssigen Weg gespannt wird, ist eine künstliche Gefahrenquelle, die (etwa mit Hilfe von deutlich sichtbaren Bändern, Tüchern oder Warnhinweisen auf Schildern) vom Wegehalter besonders zu kennzeichnen ist. Für die Beurteilung der Sorgfaltswidrigkeit der Beklagten ist es daher von entscheidender Bedeutung, ob ihr das Verhalten jenes Viehhirts, der das Absperrband an der späteren Unfallstelle gespannt hat, im Sinne der Leutehaftung des § 1319a ABGB zuzurechnen ist.

5.3. Bejaht man diese Frage, hätte die Beklagte eine sie unmittelbar treffende Pflicht zur unmittelbaren Absicherung einer atypischen Gefahrenquelle des Wegs grob fahrlässig verletzt. Verneint man sie, wäre die Beklagte nur verpflichtet, in zumutbarer Art und Weise Kontrollen der Verkehrssicherheit der Weganlage durchzuführen und durch Anweisungen sicherzustellen, dass dritte Nutzer die Verkehrssicherheit des Wegs nicht beeinträchtigen. Auch in diesem Fall kann grob fahrlässiges Verhalten der Beklagten aber nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Aus deren eigenem Vorbringen im Einspruch ist nämlich zu schließen, dass ihr bekannt ist, dass an der Unfallstelle regelmäßig jedes Jahr eine Viehsperre errichtet wird. Unter diesen Umständen wäre die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Wegehalterin gehalten, den hiefür verantwortlichen Personen - mag ihr deren Verhalten auch nicht zurechenbar iSd § 1319a ABGB sein - konkrete und wirksame Sicherungsmaßnahmen für die Dauer der Wegsperren vorzuschreiben und deren Einhaltung zu kontrollieren.

6.1. Ausgehend von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsmeinung haben die Vorinstanzen zu den zuvor aufgeworfenen Fragen keine Feststellungen getroffen. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verbreiterung der Tatsachengrundlagen im aufgezeigten Sinn an das Erstgericht zurückzuverweisen.

6.2. Im fortgesetzten Verfahren wird davon auszugehen sein, dass in der Errichtung einer kaum sichtbaren, nicht gekennzeichneten Wegsperre durch Leute des Wegehalters grob fahrlässiges Verhalten vorliegt. Der Sachverhalt im Anlassfall ist jenem, der der Entscheidung 1 Ob 260/05z zu grunde liegt, deshalb nicht vergleichbar, weil dort die Glasfiberstäbe der Elektroschranke mit gelben Markierungen gekennzeichnet waren und zusätzlich ein gesonderter Fußgängerübergang bestand, wodurch die Wegsperre insgesamt wesentlich augenfälliger war als hier (die Befestigungspfosten und der Fußgängerdurchgang waren dort schon aus einer Entfernung von 55 m erkennbar). Sollte der Viehirt der Beklagten nicht zurechenbar sein, wird das Erstgericht zu beurteilen haben, ob die Beklagte aufgrund ihrer Kenntnis von der regelmäßigen Wegabsperrung allenfalls gebotene Instruktionen an den Errichter der Viehsperre grob fahrlässig unterlassen hat.

6.3. Ein Eigenverschulden des Klägers ist nach den bisherigen Verfahrensergebnissen hingegen nicht anzunehmen.

Die Erkennbarkeit gefährlicher Verhältnisse am bzw neben dem Straßenrand richtet sich danach, welchen optischen Eindruck die Fahrzeuglenker bei ihrer Fahrt bei gebotener Aufmerksamkeit haben konnten und nicht danach, ob bei eingehender Untersuchung - wozu ein Verkehrsteilnehmer in einem solchen Fall nicht verhalten sein kann - die wirklichen Verhältnisse zu erkennen waren (RIS-Justiz RS0029993).

Ein Moutainbiker muss im freien Gelände zwar mit allen Arten von Gefahren rechnen (vgl 1 Ob 260/05z); bei land- und forstwirtschaftlich genutzten Wegen können dies Hindernisse wie Viehgatter, abgestellte Arbeitsmaschinen, Holzstapel uä sein. Der Unfall ereignete sich aber auf einem als Moutainbike-Strecke freigegebenen Güterweg, bei dem der Kläger nicht mit besonders schwer erkennbaren Gefahren (hier in Form des schwer sichtbaren Absperrbands) rechnen musste, sondern davon ausgehen durfte, dass solche Hindernisse so gekennzeichnet und abgesichert sind, dass er bei einer dem Weg angepassten Geschwindigkeit und Aufmerksamkeit ungefährdet ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Moutainbiker auf einer unbefestigten Schotterstraße regelmäßig auf den Boden zu sehen hat und deshalb schwer sichtbaren Gefahren neben der Straße weniger Aufmerksamkeit widmen kann. Auch bietet die Unfallstelle nicht das typische Bild eines Weidegebiets, in dem jederzeit mit Viehsperren zu rechnen ist. Eine überhöhte Geschwindigkeit oder eine Reaktionsverspätung nach Erkennen des Hindernisses über der Straße ist dem Kläger nach den bisherigen Verfahrensergebnissen nicht vorzuwerfen.

7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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