Spruch:
Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 26. 4. 2004 um ca 18:10 Uhr wurde der Kläger als Schifahrer bei einer Kollision mit dem Stahlseil eines Pistenpräparierungsgeräts erheblich verletzt. Er war im Besitz einer Liftkarte, die ihn zur Benützung der Liftanlagen und Schipisten der Beklagten berechtigte.
Die Unfallstelle liegt im Bereich der F*****lifte. Bis zum Unfallstag - seinem letzten Urlaubstag - war der Kläger im Rahmen seines Schiurlaubs nicht im Bereich dieser Lifte unterwegs gewesen; er war aber bereits früher mehrmals dort auf Urlaub gewesen.
Um ca 16:00 Uhr fuhr der Kläger mit Freunden zur F*****hütte. Diese Hütte, in deren Nähe sich auch eine „Schirmbar" befindet, steht auf einem kleine Plateau unweit der Bergstation der F*****bahn. Um von dort zur Talstation zu gelangen, kann ua die Piste Nr. 3 befahren werden. Neben der Bergstation der F*****bahn befindet sich neben einem großen gelben Orientierungsschild eine kleinere gelbe Warntafel (50 x 50 cm) mit folgender Aufschrift:
„ACHTUNG - Schipisten täglich ab 17:00 Uhr bis 08:30 außer Betrieb! Während dieser Zeit keine Gefahrensicherung! Verletzungsgefahr: durch Pistenbearbeitung - Spurrinnen, Windenseile, freiliegende Kabel und Schläuche der Schneekanonen".
Steigt man in der Bergstation aus der F*****bahn aus und beabsichtigt, von dort nach Betriebsschluss die Piste Nr. 3 zu befahren, muss man zwangsläufig in unmittelbarer oder mittlerer Nähe an dieser Warntafel vorbei. Bewegt man sich von der Bergstation über das kleine Plateau zum F*****restaurant oder umgekehrt, wird die Warntafel ebenfalls in mittlerer Entfernung passiert; bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit kann „mit Blickwendung" die Aufschrift auf der Warntafel gelesen werden. Wählt man die Route vom Plateau von der Bergstation der P*****bahn oder des Gipfellifts talwärts blickend rechter Hand zur F*****hütte und fährt nicht direkt über das flache Gelände in Richtung Piste Nr. 3, so ist eine Linienwahl über präpariertes Gelände in einer Entfernung von rund 50 m zu der Warntafel möglich. Aus dieser Distanz kann man mit einer Blickwendung die neben dem deutlich größeren Orientierungsschild positionierte Warntafel als gelbe Fläche erkennen, bei überdurchschnittlicher Erfahrung dort vermerkte wichtige Hinweise auf Gefahren erahnen, aber nicht lesen. Bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit und unter dem Aspekt, dass man eine Gaststätte aufsuchen will und die Abfahrt nicht fortsetzt, dringt eine allfällige Wahrnehmung der Warntafel nicht ins Bewusstsein.
Von der Terrasse des Restaurants ist - je nach Sitzposition - die Warntafel etwa 35 bis 45 m entfernt, allerdings ist nur die Rückseite in Schrägposition sichtbar. Verlässt man die Terrasse des Restaurants und begibt sich in den Bereich zwischen Schiständer und Pavillon in Richtung Piste Nr. 3, so befindet sich zwar die Warntafel in einer Entfernung von nur ca 15 bis 19 m; allerdings ist dann nur die schräg gestellte Rückseite der Tafel sichtbar. Bei der Einfahrt vom Restaurant- in den Pavillonbereich in die Piste Nr. 3 war weder ein zusätzliches Warnschild noch eine Sichtabsperrung angebracht.
Um weitere Beförderungsanlagen im Schigebiet bergwärts zu erreichen, muss man die F*****bahn im Bereich der Bergstation verlassen.
Die Betriebszeiten der Lifte sind an jeder Station sowohl bei der Auf- als auch bei der Abfahrt angeschlagen.
Der Kläger war mit seinen Freunden von der P*****bahn talwärts blickend rechter Hand zur F*****hütte gefahren, wobei er das oben beschriebene Warnschild in einer Entfernung von ca 50 m passierte. Der Kläger und seine Freunde hatten auf der Terrasse etwas getrunken. Der Liftbetrieb war um 16:30 Uhr beendet worden, die F*****hütte seit 16:30 Uhr geschlossen. Es ist üblich und auch den Mitarbeitern der Beklagten bekannt, dass bei schönem Wetter auch nach Betriebsschluss der Lifte und der Hütte weiterhin Leute auf der Terrasse sitzen bleiben und erst später abfahren. Zwischen 16:15 Uhr und 16:30 Uhr wurde - wie üblich - den auf der Terrasse befindlichen Schifahrern über Lautsprecher mitgeteilt, dass die Hütte ab 16:30 Uhr geschlossen ist und dass sie beim Abfahren auf Pistenwindenmaschinen achten sollen. Regelmäßig geht überdies das Hüttenpersonal zu den etwas weiter hinten befindlichen Tischen und informiert die Gäste in diesem Sinn. Der Kläger hat die Lautsprecherdurchsagen nicht gehört und wurde vom Hüttenpersonal nicht auf den Betriebsschluss hingewiesen. Er wusste aber, dass die Lifte nur bis 16:00 Uhr bzw 16:30 Uhr in Betrieb sind. Die Schlusskontrolle der Pisten fand um 16:45 Uhr statt.
Der Kläger und seine Begleiter verließen die Hütte zwischen 17:45 Uhr und 18:00 Uhr, wobei sie von der Terrasse der Hütte über den Bereich zwischen Schiständer und Pavillon in Richtung Piste Nr. 3 fuhren. Es ist nicht feststellbar, ob der Kläger dabei das Warnschild bezüglich der Präparierungsgefahren lesen konnte oder hätte lesen können.
Der Kläger fuhr auf der Piste Nr. 3 langsam voraus und kollidierte in einem Bereich, in dem die Piste als Schiweg geführt wird, mit einem 11 mm dicken Stahlseil, das vom Pistenboden des talseitigen Schiwegrands in einem ansteigenden Winkel von ca 30 Grad bis zu einer Höhe von etwa 50 cm über der Fahrfläche quer über den Schiweg gespannt und an einem bergseitig rechts des Schiwegs gelegenen Ankerpunkt befestigt war. An diesem Seil hing ein Pistengerät, das ca 150 m tiefer im talseitig linken Hang zu Präparierungsarbeiten („Seilwindenpräparierung") im Einsatz war. Die Drehleuchte des Pistengeräts war eingeschalten, nicht aber das akustische Signal. Der Schiweg weist eine Präparierungsbreite von ca 5,5 m bei einer sich gleichmäßig verstärkenden Neigung von 8 % auf ca 24 % auf. Am talseitigen Rand des Schiwegs befindet sich eine massive Sicherheitseinrichtung, die es unmöglich machte, das Pistengerät im talseitigen Hang wahrzunehmen und auf ein Hindernis im Sinne eines Seils zu schließen. Für den Kläger war es auch nicht möglich, die Motorengeräusche des Pistengeräts zu hören.
Am Unfalltag war das Wetter wolkenlos und sonnig. Zur Unfallzeit war es im Unfallbereich allerdings schon schattig. Der Kläger hätte das gespannte Seil aus mindestens 30 m Entfernung wahrnehmen können. Bei der vom Kläger eingehaltenen eher langsamen Geschwindigkeit hätte die Wahrnehmung des Seils aus einer Distanz von 8 bis 13 m genügt, um den Unfall mit großer Wahrscheinlichkeit zu vermeiden.
Der Kläger begehrte den Ersatz seines letztlich mit 13.002,25 EUR sA bezifferten Schadens (Schmerzengeld von 12.000 EUR sowie Kosten für Krankentransport, medizinische Behandlung und Kleidung). Das Alleinverschulden am Unfall treffe die Beklagte, die das Stahlseil des Pistengeräts weder entsprechend abgesichert noch markiert habe. Warntafeln seien jedenfalls nicht auffällig genug aufgestellt gewesen. Weder von ihm noch von seinen Begleitern sei eine solche Tafel wahrgenommen worden. Auf der Terrasse der Hütte sei er nicht auf die drohende Gefahr hingewiesen worden. Zum Zeitpunkt seiner Abfahrt seien noch mindestens 50 Leute auf der Terrasse gesessen.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Das Alleinverschulden am Unfall treffe den Kläger. Es sei durch Warntafeln deutlich darauf hingewiesen worden, dass die Schipisten ab 17:00 Uhr bis 08:30 Uhr außer Betrieb seien und in dieser Zeit keine Gefahrensicherung bestehe. Ua sei auch auf die Verletzungsgefahr durch Pistenbearbeitung und insbesondere durch Windenseile hingewiesen worden. Die Restaurantbesucher seien zusätzlich vor diesen Gefahren gewarnt worden. Da der Unfalltag der letzte Urlaubstag des Klägers gewesen sei, habe er wissen müssen, dass ab 17:00 Uhr mit der Präparierung der Pisten begonnen werde. Da sich der Unfall 1 ½ Stunden nach Betriebsschluss und 1 ¼ Stunden nach der letzten Kontrollfahrt ereignet habe, habe keine vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflicht der Beklagten mehr bestanden. Der Kläger sei aufgrund der Benützung der Piste außerhalb der Betriebszeiten zu besonderer Vorsicht und Aufmerksamkeit verpflichtet gewesen und habe mit Pistenpräparierungen, ua auch mit Seilwinden, rechnen müssen. Bei vorsichtiger Abfahrt hätte er den Unfall vermeiden können. Er habe gegen den Grundsatz des Fahrens auf Sicht (FIS‑Regel Nr. 2) sowie gegen den Grundsatz verstoßen, Markierungen und Signalisationen zu beachten (FIS‑Regel Nr. 8).
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Durch den Anschlag der Betriebszeiten an den Stationen, die Lautsprecherdurchsagen und die Schlusskontrolle um 16:45 Uhr habe die Beklagte ausreichend kund getan, dass ihre vertraglichen Pflichten aus den Beförderungsverträgen mit den Schiläufern beendet seien. Der Kläger, dem der Betriebsschluss um 16:30 Uhr bewusst gewesen sei, habe das Schigebiet trotzdem erst rund eine Stunde nach der Schlusskontrolle verlassen, sodass zum Unfallszeitpunkt keine vertraglichen (Neben‑)Pflichten der Beklagten mehr bestanden haben. Auch auf die Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB könne sich der Kläger nicht berufen. Der Beklagten könne nur vorgeworfen werden, dass sie nicht an einer geeigneten Stelle ein zusätzliches, deutlich sicht- und lesbares Warnschild bzw eine Sichtabsperrung aufgestellt habe. Da sie sonst ihrer Pflicht zur Aufstellung von Warntafeln nachgekommen, die Pistenpräparierung außerhalb der Betriebszeiten erfolgt und das Seil auch aus einer Entfernung von ca 30 m sichtbar gewesen sei, könne aber nicht von einer auffallenden Sorglosigkeit gesprochen werden. Das geringe Mitverschulden, das die Beklagte wegen der Unterlassung zusätzlicher Absicherungen zu verantworten habe, sei gegenüber dem erheblichen Verschulden des Klägers zu vernachlässigen, der unaufmerksam gefahren sei und das für ihn rechtzeitig sichtbare Hindernis nicht beachtet habe.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das Ersturteil iSd Zuspruchs von 5.501,13 EUR sA ab. Das Mehrbegehren des Klägers wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Vertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten bestünden auch noch nach der Erfüllung der Hauptleistungspflicht. Dazu zähle auch die Pflicht, im Fall von Beförderungen im Rahmen des Zumutbaren für einen sicheren Abgang der Fahrgäste zu sorgen.
Die Schipiste sei ein Weg iSd § 1319a ABGB. Der (auch) vertraglich zur Pistensicherung Verpflichtete hafte als Wegehalter nur für atypische Hindernisse. Atypisch sei eine Gefahr, die unter Bedachtnahme auf das Erscheinungsbild und den angekündigten Schwierigkeitsgrad der Piste auch für einen verantwortungsbewussten Schifahrer unerwartet oder schwer abwendbar sei. Für Art und Umfang der Pistensicherungspflicht sei das Verhältnis zwischen Größe und Wahrscheinlichkeit der atypischen Gefahr sowie ihrer Abwendbarkeit einerseits durch das Gesamtverhalten eines verantwortungsbewussten Pistenbenützers und andererseits durch den Pistenhalter mit den nach der Verkehrsanschauung adäquaten Mitteln maßgebend.
Die Pistensicherungspflicht sei als Nebenpflicht aus dem Beförderungsvertrag in erster Linie auf die Zeit bezogen, während derer Beförderungsleistungen erbracht werden. Der durchschnittliche Bergbahnbenützer sei an einer Pistensicherung auch außerhalb der Betriebszeiten nicht interessiert. Doch bleibe das Gelände ein Weg iSd § 1319a ABGB. Der tagsüber vertraglich zur Pistensicherung Verpflichtete hafte als Wegehalter aber für keine weitergehende Sorgfaltspflicht als vertraglich. Zu sichern seien jedenfalls nur atypische Hindernisse. Deren Kreis sei in der Zeit nach Betriebsschluss wesentlich kleiner. Der „Spätheimkehrer" müsse besonders vorsichtig fahren und damit rechnen, dass nichts mehr gegen natürliche Hindernisse - soweit es sich nicht um besonders massive Gefahrenquellen handle - unternommen werde. Künstliche Hindernisse seien abzusichern, wenn ihre Gefährlichkeit über das Erwartbare hinausgehe. Der „Spätheimkehrer" müsse mit Arbeiten auf der Piste rechnen. Solche Arbeiten seien nach Pistenschluss nur abzusichern, wenn ihre Gefährlichkeit über das bei derartigen Arbeiten Übliche hinausgehe.
Ein quer über die Piste gespanntes Seil sei auch nach Pistenschluss atypisch und daher zu sichern.
Bei der Seilwindenpräparierung handle es sich um eine ausschließlich nach Pistenschluss gehandhabte Pistenpräparierung mit Pistengeräten, deren Spezifikum darin bestehe, dass im steileren Gelände zur Sicherung des Pistengeräts und zur Unterstützung seiner Bergauffahrt ein über die Seilwinde des Geräts mit diesem verbundenes Stahlseil verwendet werde. Dieses werde an einem oberhalb der zu präparierenden Fläche befindlichen Verankerungspunkt befestigt und am Pistengerät eingehängt. Dadurch sei es möglich, dass sich das Pistengerät zusätzlich zur Kraftübertragung über die Ketten gleichsam selbst hinaufziehe. Von dieser Möglichkeit müsse häufig nicht permanent Gebrauch gemacht werden. Das Seil sei daher bei der Windenpräparierung nicht ständig zwischen dem Pistengerät und dem oberen Verankerungspunkt gespannt, sondern liege nicht selten zunächst im Schnee, um dann - wenn es zur Hilfe genommen und gespannt werde - plötzlich in die Höhe zu schnellen, wobei es manchmal auch seitlich ausschlage. Dies könne für Menschen im Nahbereich des Seils äußerst gefährlich sein.
Das Berufungsgericht schließe sich in diesem Zusammenhang den vom Rechtssymposium des Fachverbands der Seilbahnen zur Seilwindenpräparierung formulierten Thesen an (zusammengefasst von Reindl/Stabentheiner/Dittrich, Bergbeförderung, Pistenbetreuung, Wintersport - Verhaltenspflichten und Handlungsmöglichkeiten des Seilbahnunternehmers - 25 Jahre Seilbahnsymposium, ZVR 2006, 549 ff): Demnach sei auf die Durchführung von Windenpräparierungen und die davon ausgehende Gefahr allgemein hinzuweisen, zB auf Panoramatafeln oder auf Schihütten. Zusätzliche Hinweise in Prospekten oder ähnlichen Informationsmaterialien werden empfohlen. Zudem seien die üblichen Einfahrten und Zugänge zum Gefahrenbereich für die Dauer der Arbeiten in geeigneter Weise (zB mit Stocknetzen) abzusperren. Bei der Absperrung sei ein Hinweis auf den Grund der Sperre anzubringen, gegebenenfalls verbunden mit einem Hinweis auf eine Ausweichmöglichkeit. Bei Dunkelheit seien Absperrungen und Hinweise zu beleuchten; zumindest sei eine auffallende Lichtquelle, wie etwa ein Blinklicht, anzubringen.
Die Beklagte habe zwar den aus dem Beförderungsvertrag resultierenden Schutz- und Sorgfaltspflichten durch verschiedene Reglements (Warntafel, Lautsprecherdurchsagen) Rechnung getragen, aber eben nicht umfassend und vollständig. Schon im Hinblick auf ihr Wissen, dass bei schönem Wetter auch nach Betriebsschluss der Lifte und der F*****hütte weiterhin Leute auf der Terrasse sitzen bleiben und erst später abfahren, wäre die Beklagte verpflichtet gewesen, den Schiweg der Piste Nr. 3 während der Präparierungsarbeiten mit der Seilwinde in geeigneter Weise (Bänder, Stocknetze) abzusperren und bei der Absperrung einen Hinweis auf den Grund der Sperre anzubringen. Eine Absperrung des nur 5,5 m breiten Schiwegs samt Anbringung einer Hinweistafel wäre ohne weiteres möglich und damit für die Beklagte auch zumutbar gewesen. Sie hafte daher dem Grunde nach für die dem Kläger entstandenen Unfallfolgen.
Aber auch dem Kläger sei ein Mitverschulden iS einer Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten anzulasten. Er sei über den Zeitpunkt der letzten Kontrollfahrt informiert gewesen und habe daher zum Zeitpunkt seiner Abfahrt mit Arbeiten auf der Piste - ua mit einer Seilwindenpräparierung - rechnen müssen. Er hätte daher zu dieser Zeit besonders vorsichtig fahren müssen und hätte auf diese Weise das über den Schiweg gespannte Seil aus einer Entfernung von 30 m erkennen und die Kollision durch Abschwingen verhindern können. Es falle ihm daher ein Verstoß gegen § 5 POE („Kontrolliertes Fahren" - diese Bestimmung entspreche der FIS‑Regel Nr 2) zur Last.
Bei Gewichtung des beiderseitigen Fehlverhaltens sei von einem gleichteiligen Verschulden des Klägers und der Beklagten auszugehen.
Das dem Kläger zustehende Schmerzengeld sei mit 10.000 EUR zu bemessen. Die restlichen von ihm geltend gemachten Schadenspositionen seien nicht strittig.
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Parteien. Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung iS des Zuspruchs weiterer 5.501,13 EUR abzuändern. Die Beklagte beantragt die Abänderung des Berufungsurteils iS der Abweisung des Klagebegehrens und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.
Beide Parteien bestreiten die Zulässigkeit der jeweils gegnerischen Revision und beantragten hilfsweise, dem Rechtsmittel des Gegners nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
1) Zur Revision der Beklagten:
Unter Hinweis auf die Entscheidung 2 Ob 213/05w macht die Revisionswerberin zunächst geltend, dass sie nach dem Zeitpunkt des Betriebsschlusses der von ihr betriebenen Bahnen und Lifte bzw nach der letzten Kontrollfahrt keine nachvertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten mehr getroffen haben.
In der zitierten Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof die Frage nach der zeitlichen Begrenzung dieser Schutz- und Sorgfaltspflichten mit dem „Pistenschluss" zwar angesprochen, aber letztlich offen gelassen. Sie braucht auch hier nicht weiter erörtert zu werden, weil das Berufungsgericht seine Entscheidung ohnedies nicht auf eine Verletzung vertraglicher Sorgfaltspflichten, sondern auf die von der Rechtsprechung auch für die Haftung für Schipisten herangezogene Bestimmung des § 1319a ABGB (RIS‑Justiz RS0030361, 8 Ob 164/00a; Dittrich/Reindl, Pistensicherung nach Betriebsschluss - Deklaration von Pisten und Routen, ZVR 1992, 97 [98]) gestützt hat.
Gegen ihre Haftung nach § 1319a ABGB wendet die Revisionswerberin ein, dass die Ersatzpflicht nach dieser Bestimmung grobe Fahrlässigkeit voraussetze, hier aber von grober Fahrlässigkeit der Beklagten nicht die Rede sein könne.
Auch dieser Einwand ist nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof teilt die Auffassung des Berufungsgerichts, dass ein quer über eine Schipiste gespanntes dünnes Stahlseil auch in der Zeit nach dem Ende des Pistenbetriebs als atypisches Hindernis zu qualifizieren ist, das wegen seiner besonderen Gefährlichkeit ausreichend abgesichert werden muss. Das Berufungsgericht ist ohnedies davon ausgegangen, dass nach dem Ende des Pistenbetriebs der Begriff der atypischen Gefahr anders zu beurteilen ist, als vorher. Der Kreis der atypischen Hindernisse ist in dieser Zeit wesentlich kleiner; der „Spätheimkehrer", der erst nach Pistenschluss abfährt, ist zu besonderer Vorsicht verpflichtet. Er muss nicht nur damit rechnen, dass nichts mehr gegen natürliche Hindernisse, die den Pistenzustand betreffen, unternommen wird; er muss vielmehr mit Arbeiten auf der Piste rechnen, die nur um diese Zeit überhaupt oder ausreichend intensiv ausgeführt werden können. Bei der Abgrenzung, welche Gefahren auch außerhalb der Betriebszeit atypisch sind, ist vor allem nach dem Ingerenzprinzip zwischen natürlichen und künstlichen Gefahrenquellen zu unterscheiden. Natürliche Gefahrenstellen sind nach Pistenschluss im Allgemeinen nicht bzw nur in Ausnahmefällen zu sichern; künstliche nur, wenn ihre Gefährlichkeit über das bei derartigen Erhaltungsarbeiten Übliche hinausgeht; vor allem dann, wenn sie auch für einen mit besonderer Vorsicht fahrenden Schiläufer schwer erkennbar sind. Dass dies bei einem über die Piste gespannten 11 mm dicken Stahlseil der Fall ist, kann wohl nicht ernsthaft bezweifelt werden. Ein derartiges über die Piste gespanntes Stahlseil ist daher im dargestellten Sinn atypisch und deshalb zu sichern (Dittrich/Reindl, ZVR 1992, 97 [99]; Reindl/Stabentheiner/Dittrich, ZVR 2006, 549 [570]). Dass das Seil im konkreten Fall aus 30 m sichtbar war, vermag daran nichts zu ändern. Zwar trifft es zu, dass - wie die Revisionswerberin geltend macht - der durchschnittliche Schifahrer nach Beendigung des Pistenbetriebs mit Präparierungsmaßnahmen rechnet. Mit einem nicht abgesicherten, in geringer Höhe quer über die Piste gespannten Stahlseil wird hingegen von einem durchschnittlichen Schifahrer nicht gerechnet, was umso mehr gilt, wenn das Seil an einer Stelle gespannt ist, an der - wie hier - für den Schifahrer weder ein Pistengerät noch andere Hinweise auf Pistenpräparierungsmaßnahmen wahrnehmbar sind.
Von einer nur annähernd ausreichenden Absicherung des über die Piste gespannten Seils kann bei weitem nicht die Rede sein. Die Absicherungsmaßnahmen der Beklagten erschöpften sich nach den Feststellungen einerseits in der Anbringung einer einzigen Warntafel und in akustischen Warnungen. Selbst diese Maßnahmen waren aber nicht effektiv: Der Warntafel kam schon wegen ihrer Größe kein besonderer Auffälligkeitswert zu und auch ihr Aufstellungsort war so gewählt, dass sie von Schifahrern nicht zwangsläufig in geringer Entfernung passiert werden musste. Die akustischen Warnungen (insbesondere die Lautsprecherdurchsagen) wurden vom Kläger - wie von den Vorinstanzen festgestellt - nicht gehört, womit angesichts des im Bereich einer Schihütte üblichen Betriebs wohl gerechnet werden muss. Zudem fehlt beiden Maßnahmen jeder unmittelbare Bezug zum eigentlichen Gefahrenort.
Angesichts der extremen Gefahr, die mit einem quer über die Piste gespannten Stahlseil verbunden ist, ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, dass - soweit dies unter den gegebenen Umständen möglich ist - die üblichen Einfahrten und Zugänge zum Gefahrenbereich in geeigneter Weise abzusperren sind. Der - durch entsprechende Feststellungen nicht gedeckte - Einwand, eine derartige Absperrung sei hier nicht möglich gewesen, weil sonst die noch am Berg befindlichen Personen nicht mehr hätten abfahren können, wurde erstmals im Revisionsverfahren erhoben und verstößt daher gegen das Neuerungsverbot. Aber selbst wenn man von der faktischen Unmöglichkeit einer Absperrung ausgehen wollte, wäre für die Beklagte daraus nichts zu gewinnen, weil sie ja überhaupt keine wirksamen Absicherungsmaßnahmen im Gefahrenbereich getroffen hat. Auch unter dieser Voraussetzung wären der Beklagten zahlreiche andere und ihr unter den gegebenen (besonders gefährlichen) Umständen auch zumutbare Möglichkeiten einer ausreichenden Absicherung zur Verfügung gestanden (eine größere Zahl auffälligerer, besser platzierter Warntafeln, vor allem im Nahbereich der Gefahrenzone; Blinklichter, partielle Absperrungen zur weitestgehenden Reduzierung der Geschwindigkeit in Annäherung an die Gefahr etc). Angesichts der schon hervorgehobenen extremen Gefahr, die mit einem in geringer Höhe quer über die Piste gespannten Stahlseil für die Schifahrer verbunden ist, müssen daher die völlig unzureichenden Absicherungsmaßnahmen der Beklagten sehr wohl als grobe Fahrlässigkeit qualifiziert werden.
Dass von einem verantwortungsbewussten Schifahrer in der Zeit nach dem Pistenschluss eine besonders vorsichtige Fahrweise zu erwarten ist, trifft zu. Ebenso ist richtig, dass das Stahlseil für den Kläger aus 30 m Entfernung erkennbar und es ihm daher bei gehöriger Aufmerksamkeit rechtzeitig möglich gewesen wäre, vor dem Seil abzuschwingen. All dem trug das Berufungsgericht aber ohnedies dadurch Rechnung, dass es auch dem Kläger ein erhebliches Mitverschulden am Unfall anlastete. Die Sorglosigkeit des Klägers kann aber die Beklagte nicht exkulpieren, die ein derartiges Verhalten von - durch die Situation regelmäßig wohl überraschten - Schifahrern einkalkulieren und ihm durch hinreichende Absicherungsmaßnahmen entgegenwirken hätte müssen.
Das Berufungsgericht hat daher die Haftung der Beklagten nach § 1319a ABGB zu Recht bejaht.
Durch die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung kann sich die Beklagte angesichts der Schwere ihres Verschuldens nicht als beschwert erachten.
Der Revision der Beklagten war daher ein Erfolg zu versagen.
2) Zur Revision des Klägers:
Der Kläger vertritt die Auffassung, ihm könne keinerlei Verschulden am Unfall angelastet werden.
Die Frage, ob bzw in welchem Umfang den Kläger ein Mitverschulden am Unfall trifft, ist einzelfallbezogen und erfordert keine grundsätzlichen Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofs. Von einer unvertretbaren Fehlbeurteilung der zweiten Instanz, die dessen ungeachtet die Zulässigkeit der Revision des Klägers rechtfertigen könnte, kann keine Rede sein. Der Kläger lässt völlig außer Acht, dass er erst längere Zeit nach dem „Pistenschluss" auf der Piste ins Tal fuhr und daher im Sinne der dargestellten Rechtslage zu besonderer Vorsicht verpflichtet war. Ebenso lässt er außer Acht, dass das über die Piste gespannte Stahlseil aus mindestens 30 m Entfernung für ihn sichtbar war und es ihm daher bei gehöriger Aufmerksamkeit ein Leichtes gewesen wäre, rechtzeitig zum Stillstand zu kommen. Dass ihm das Berufungsgericht unter diesen Umständen ein Verschulden am Unfall angelastet hat, ist ebenso wenig unvertretbar, wie die Gewichtung dieses Verschuldens durch die zweite Instanz.
Die Revision, in der somit keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird, war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers hingewiesen. Beide Parteien haben daher dem jeweiligen Gegner die Kosten seiner Revisionsbeantwortung zu ersetzen. Die beiderseitigen (gleich hohen) Kosten sind daher gegeneinander aufzuheben.
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