Spruch:
Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.
Dem Rekurs der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Aufhebungsbeschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass die Entscheidung als Zwischen- und Teilurteil zu lauten hat:
Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 120.000 samt 4 % Zinsen seit 2. 9. 2004 zu bezahlen, besteht dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht.
Das auf EUR 60.000 samt 4 % Zinsen seit 2. 9. 2004 lautende Mehrbegehren wird abgewiesen.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten aller drei Instanzen bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 13. 10. 2002 ereignete sich gegen 1.50 Uhr auf der L 200 in Bersbuch ein Verkehrsunfall, im Zuge dessen der von Andreas S***** (geboren am 26. 9. 1983) gelenkte und gehaltene PKW Audi 80, amtliches Kennzeichen *****, mit dem Kläger als Fahrgast von der Fahrbahn geriet und gegen eine Hausmauer prallte. Der mit dem Lenker namensgleiche Kläger (geboren am 27. 9. 1985) wurde schwer verletzt. Der Haftpflichtversicherer des Unfallfahrzeuges lehnte mit Schreiben vom 2. 4. 2004 die Schadensdeckung mit der Begründung ab, dass der Unfall vorsätzlich herbeigeführt worden sei. Es bestehe daher kein Versicherungsschutz.
Der Kläger begehrt nun, gestützt auf § 2 Abs 1 Z 4 VerkehrsopferschutzG, mit sachwalterschaftsgerichtlich genehmigter Klage vom beklagten Fachverband die Zahlung von Schmerzengeld, das er zuletzt mit EUR 120.000 bezifferte. Er brachte vor, der Lenker des Unfallfahrzeuges sei stark alkoholisiert gewesen und auf Grund weit überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommen. Er sei angegurtet gewesen; selbst wenn dies nicht zutreffen sollte, hätte es auf das Ausmaß der Verletzungen keinen Einfluss gehabt.
Die beklagte Partei wandte ein, der Kläger habe den Unfall selbst dadurch vorsätzlich herbeigeführt, dass er dem Lenker während der Fahrt „ins Lenkrad gegriffen" habe. Sowohl der Lenker als auch der Kläger hätten vor Antritt der Fahrt Selbstmordabsichten geäußert und einen Abschiedsbrief hinterlassen. Der Kläger habe sich dem schwer alkoholisierten Lenker in der Absicht anvertraut, gemeinsam mit ihm aus dem Leben zu scheiden. Er habe auf eigene Gefahr gehandelt und den erlittenen Schaden daher selbst zu tragen. Er habe auch von der Alkoholisierung des Lenkers gewusst und sei überdies nicht angegurtet gewesen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging im Wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
Am Abend des 12. 10. 2002 konsumierten der Kläger und Andreas S***** (geb. 1983) reichlich Alkohol. Dabei machten sie gegenüber anderen Personen suizidale Andeutungen, etwa zu Cornelia F***** dahin, dass etwas passieren werde und sie am nächsten Tag schwarze Kleider anziehen könne, bzw dass sie schon sehen werde, was passiere und dass sie (der Kläger und Andreas S*****) spinnen würden. Gegen 23.30 Uhr erhielt Cornelia F***** einen Anruf, bei welchem sich der Kläger und Andreas S***** von ihr mit den Worten verabschiedeten: „Tschüss Conny, wir sehen uns nie wieder." Weiters äußerten der Kläger und Andreas S***** bei einem Fest, dass die Festteilnehmer an sie denken sollten, da sie ins Ausland gehen und erst in zehn Jahren wieder kommen würden. Sie verfassten ferner einen Abschiedsbrief, den sie am 13. 10. 2002 zwischen 00.00 Uhr und 1.00 Uhr Jörg M***** übergaben. Anschließend fuhren sie mit dem Unfallfahrzeug davon.
Im Bereich der Unfallstelle beschreibt die Fahrbahn in Fahrtrichtung des Unfallfahrzeuges eine Rechtskurve, auf deren Höhe 5,5 m außerhalb des linken Fahrbahnrandes ein Gasthaus steht. Die Sicht auf dieses Gebäude beträgt rund 180 m. Zur Unfallszeit war es dunkel, die Fahrbahn war nass. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug 50 km/h. Andreas S***** folgte nicht der Rechtskurve, sondern fuhr geradeaus auf die Mauer des Gebäudes zu. Das Fahrzeug wurde nicht ansatzweise in die Rechtskurve eingelenkt und es rutschte daher auch nicht auf Grund der für die Rechtskurve zu hohen Geschwindigkeit über eingelenkte Vorderräder geradeaus. Ohne vorheriges Auslenk- oder Bremsmanöver stieß es mit einer Geschwindigkeit von 85 bis 110 km/h gegen die Mauer des Gasthauses. Der Kläger war bei der Kollision nicht angegurtet. Er erlitt ein sehr schweres Schädel-Hirn-Trauma mit multiplen Hirnblutungen. Des weiteren trat ein Hirnödem auf.
Der Kläger war am 13. 10. 2002 jedenfalls mit Selbstmordabsichten in das Unfallfahrzeug eingestiegen. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, ob Andreas S***** sein Fahrzeug auf Grund einer gemeinsam gefassten Selbstmordabsicht gegen die Mauer des Gasthauses gelenkt hat, oder ob er keine Selbstmordabsichten hatte, der Kläger ihm ins Lenkrad griff und deshalb das Fahrzeug gegen die Hausmauer prallte. Um 4.30 Uhr, also rund zwei Stunden und vierzig Minuten nach dem Unfall, wies Andreas S***** einen Blutalkoholwert von 1,3 Promille auf.
Rechtlich folgerte das Erstgericht, gemäß § 2a Abs 3 Z 1 VerkehrsopferschutzG sei die Entschädigung ausgeschlossen, wenn der Verletzte oder Getötete den Schaden vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt habe, etwa durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand. Nach den Feststellungen habe sich der Unfall entweder deshalb ereignet, weil der Kläger dem Lenker in Selbstmordabsicht in das Lenkrad gegriffen habe oder weil der Kläger und Andreas S***** in Selbstmordabsicht gehandelt hätten. Im ersten Fall hätte der Kläger den Unfall selbst vorsätzlich verursacht; im zweiten Fall wäre ihm ebenfalls vorsätzliches Handeln vorzuwerfen, weil er in Selbstmordabsicht in ein Fahrzeug gestiegen sei, dessen Lenker ebenfalls Selbstmordabsichten geäußert habe. Da der Kläger den Schaden somit jedenfalls vorsätzlich herbeigeführt habe, stehe ihm keine Entschädigung zu.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach ferner aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
In der Entscheidungsbegründung gab das Berufungsgericht zunächst den Spruch des - nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ergangenen und in Rechtskraft erwachsenen - Urteiles des Landesgerichtes Feldkirch vom 24. 3. 2006, AZ 20 Hv 19/06i, wieder, womit der Lenker Andreas S***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung unter besonders gefährlichen Verhältnissen gemäß § 88 Abs 1 und 4 (§ 81 Abs 1 Z 1 und 2) StGB schuldig erkannt worden ist. Im Übrigen übernahm es die Feststellungen des Erstgerichtes und erörterte in rechtlicher Hinsicht, die beklagte Partei sei infolge der Bestreitung der Deckungspflicht durch den Haftpflichtversicherer gemäß § 2 Abs 3 VerkehrsopferschutzG passiv legitimiert und auch dann entschädigungspflichtig, wenn sich im Rechtsstreit die Unrichtigkeit des Standpunktes des Haftpflichtversicherers herausstellen sollte. § 2a Abs 3 leg cit beziehe sich jedoch ausschließlich auf hier nicht verfahrensgegenständliche Entschädigungen nach § 1 Abs 3 leg cit (Schäden, die durch die bestimmungsgemäße Verwendung eines Sicherheitsgurtes oder eines Sturzhelmes entstanden sind) und sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Der Unfall sei maßgeblich dadurch mitverursacht worden, dass sich der Lenker mit weit überhöhter Geschwindigkeit einer Rechtskurve genähert habe, wobei außer Betracht bleiben könne, ob dieses Fahrverhalten schon für sich allein zu einem gleichartigen Unfallgeschehen geführt hätte. Zusätzlich liege eine zielgerichtete vorsätzliche Handlung vor, durch die das Fahrzeug geradeaus gegen eine Mauer gelenkt worden sei, ohne dass feststehe, welcher der beiden Fahrzeuginsassen sie gesetzt habe. Auf vorsätzliche Schädigung könne daher weder der Entschädigungsanspruch noch dessen Entfall gestützt werden. Dass der Kläger in Selbstmordabsicht in das Fahrzeug gestiegen sei, ändere daran nichts, weil nicht feststehe, ob diese Absicht zumindest Mitursache des Unfalles gewesen sei.
Dem Lenker, für dessen Verschulden die beklagte Partei einzustehen habe, liege zur Last, mit weit überhöhter Geschwindigkeit und alkoholisiert auf eine Rechtskurve zugefahren zu sein und dadurch das Unfallgeschehen zumindest fahrlässig mitverursacht zu haben. Den Kläger treffe ein nicht zu vernachlässigendes Mitverschulden, weil er zusammen mit dem Lenker vor der Fahrt reichlich Alkohol konsumiert und sich gemeinsam mit dem Lenker mit Suidzidgedanken befasst habe. Er habe sich erkennbar in eine sehr gefährliche Situation gebracht, die letztlich zu einem gefährlichen Fahrverhalten und dem Unfall geführt habe. Da das Mitverschulden des Klägers geringer wiege, sei von einer Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Gunsten des Klägers auszugehen. Dazu komme noch der Verstoß gegen die Gurtenanlegepflicht. Der Kläger habe dazu einen nicht schlüssigen Einwand erhoben, jedoch offenbar behaupten wollen, er hätte die gleichen Verletzungen erlitten, wenn er angegurtet gewesen wäre. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren dieses Vorbringen zu erörtern und gegebenenfalls Feststellungen über die Verletzungsfolgen mit und ohne Gurt zu treffen haben.
Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass Rechtsprechung zu einer vergleichbaren Fallkonstellation noch nicht existiere und es sich hiebei um eine erhebliche Rechtsfrage handle.
Gegen diesen Beschluss richten sich die Rekurse beider Parteien. Während der Kläger erkennbar die von seinem Mitverschulden, hilfsweise einem ein Fünftel übersteigenden Mitverschuldensanteil, ausgehende Begründung des Aufhebungsbeschlusses bekämpft, strebt die beklagte Partei die Entscheidung in der Sache selbst im Sinne der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles an.
Beide Parteien beantragen in ihren Rekursbeantwortungen, dem Rechtsmittel der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse sind zulässig, weil zur Haftung des Fachverbandes der Versicherungsunternehmen für Unfallschäden eines Fahrzeuginsassen, der sich in selbstmörderischer Absicht einem ebenfalls Selbstmordabsichten äußernden Lenker anvertraut hatte, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes besteht. Nur der Rekurs der beklagten Partei ist aber auch teilweise berechtigt.
Die von der beklagten Partei in einem Verstoß gegen die Bindungswirkung des Strafurteiles erblickte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt freilich nicht vor. Es entspricht der an die Entscheidung des verstärkten Senates 1 Ob 612/95 = SZ 68/195 anknüpfenden ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass sich die Bindungswirkung des im Strafprozess gegen den schuldigen Lenker ergangenen verurteilenden Erkenntnisses nicht auch auf den Haftpflichtversicherer (umso weniger auf die hier beklagte Partei) erstreckt (2 Ob 2070/96t = SZ 69/131; RIS-Justiz RS0097968; Rechberger in Rechberger, ZPO3 § 411 Rz 12).
Im Übrigen führt die beklagte Partei in ihrer Rechtsrüge aus, der Kläger habe den Beweis der vorsätzlichen Schadenszufügung durch den Unfalllenker nicht erbracht. Es bestehe daher keine rechtliche Grundlage für eine Haftung der beklagten Partei. Das Berufungsgericht habe weiters die Selbstmordabsicht des Klägers nicht ausreichend gewürdigt. Der Kläger habe auf eigene Gefahr gehandelt, sodass ein Anspruch auch deshalb zu verneinen sei.
Der Kläger steht auf dem Standpunkt, die beklagte Partei habe den ihr obliegenden Beweis seines Mitverschuldens nicht erbracht. Bei dieser Beurteilung sei von der für ihn günstigeren Feststellungsalternative auszugehen, wonach der Unfalllenker ohne Zutun des Klägers in Selbstmordabsicht gegen die Hausmauer gefahren sei. Habe aber der Schädiger vorsätzlich gehandelt, falle eine bloße Sorgfaltswidrigkeit des Geschädigten nicht ins Gewicht. Von dem um zwei Jahre jüngeren Kläger dürfe auch nicht dasselbe vernünftige Verhalten vorausgesetzt werden wie vom Lenker des Unfallfahrzeuges. Das Mitverschulden des Klägers könne daher vernachlässigt werden; allenfalls sei es mit einem Fünftel zu bewerten.
Hiezu wurde erwogen:
1.) Zur Haftung nach dem VerkehrsopferschutzG:
Gemäß § 2 Abs 1 Z 4 des hier noch anzuwendenden Bundesgesetzes über den erweiterten Schutz der Verkehrsopfer (VerkehrsopferschutzG; seit 1. 7. 2007: Verkehrsopfer EntschädigungsG = VOEG) ist von der beklagten Partei Entschädigung im Sinne des § 1 Abs 2 leg cit für Schäden zu leisten, die im Inland durch ein nach den kraftfahrrechtlichen Bestimmungen versicherungspflichtiges Fahrzeug verursacht wurden, wenn für einen Schaden, der durch die Verwendung des ermittelten oder nicht ermittelten Fahrzeuges verursacht worden ist, ein Haftpflichtversicherer deshalb keine Deckung gewährt oder gewähren würde, weil der Schädiger den Eintritt der Tatsache, für die er schadenersatzpflichtig ist, vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt hat.
Diese Regelung beruht darauf, dass gemäß § 152 VersVG kein Versicherungsschutz besteht, wenn ein Unfall vorsätzlich, zB in selbstmörderischer Absicht herbeigeführt worden ist. Für die Passivlegitimation der beklagten Partei reicht es hin, wenn der Haftpflichtversicherer mit dieser Begründung die Versicherungsdeckung abgelehnt hat. Sie kann sich gemäß § 2 Abs 3 VerkehrsopferschutzG ihrer Haftung weder mit der Begründung entziehen, ein Haftpflichtiger habe Ersatz zu leisten, noch mit der Behauptung, ein Haftpflichtversicherer habe einzutreten, wenn dieser seine Deckungspflicht bestreitet. Die Befriedigung des Geschädigten darf nicht dadurch verzögert werden, dass strittig ist, ob ein Haftpflichtversicherer für den Schaden einzutreten hat (etwa weil unklar ist, ob zum Unfallszeitpunkt Versicherungsdeckung bestand). In einem solchen Fall hat - bei berechtigtem Schadenersatzanspruch des Geschädigten - zunächst die beklagte Partei zu leisten. Bestand im Unfallszeitpunkt doch Versicherungsdeckung, kann sie sich infolge der in § 7 leg cit normierten Legalzession beim Haftpflichtversicherer regressieren (ErlRV 642 BlgNR 18. GP 5, wiedergegeben zB bei Grubmann, KHVG2 § 2 VerkehrsopferschutzG Anm 6).
Gemäß § 1 Abs 2 leg cit sind die nach diesem Gesetz der beklagten Partei obliegenden Leistungen unter sinngemäßer Anwendung des EKHG zu erbringen, als ob ihnen ein zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch und das Bestehen einer KFZ-Haftpflichtversicherung im Rahmen der in den kraftfahrrechtlichen Bestimmungen festgesetzten Versicherungspflicht zugrundelägen. Abgesehen von den im VerkehrsopferschutzG ausdrücklich angeordneten Ausnahmen ist ein auf dieses Gesetz gegründeter Anspruch inhaltlich gleich jenem, der gegen einen versicherungspflichtigen bzw haftpflichtversicherten Schädiger bestehen würde (RIS-Justiz RS0029484); es ist daher die Judikatur zu § 1304 ABGB, § 11 EKHG anzuwenden (ZVR 1988/80; 7 Ob 82/00k = ZVR 2001/17; 7 Ob 73/05v; 7 Ob 219/05i).
Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei schon in erster Instanz außer Streit gestellt, dass der Haftpflichtversicherer des Unfallfahrzeuges seine Deckungspflicht mit der Behauptung vorsätzlicher Schadenszufügung abgelehnt hat. Damit hängt der Erfolg des zutreffend gegen sie gerichteten Klagebegehrens aber nicht mehr davon ab, ob ein Vorsatz des Schädigers tatsächlich festgestellt werden kann. Maßgeblich ist nur, ob der Schadenersatzanspruch des Klägers nach den Grundsätzen der Verschuldens- oder Gefährdungshaftung zu Recht besteht. Der in ihrem Rechtsmittel erstmals erhobene Einwand der Deckungspflicht des Haftpflichtversicherers mangels vorsätzlichen Handelns des Schädigers ist der beklagten Partei - abgesehen vom Verstoß gegen das Neuerungsverbot (§ 504 Abs 2 ZPO) - schon gemäß § 2 Abs 3 VerkehrsopferschutzG verwehrt.
2.) Zum Verschulden des Unfalllenkers:
Das Erstgericht hat in seinen beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen klargestellt, dass die zur Unfallsursache getroffenen negativen Feststellungen im Sinne zweier alternativer Sachverhaltsvarianten („entweder ...... oder") zu verstehen sind. Danach wurde der Unfall entweder durch den Lenker oder durch den Kläger selbst vorsätzlich herbeigeführt; die Annahme eines „fahrlässigen technischen Fehlers" scheidet entgegen der Ansicht der beklagten Partei als weitere Unfallsvariante somit jedenfalls aus.
Führt das Beweisverfahren zu keiner Überzeugung des Richters, greifen die Beweislastregeln ein (7 Ob 2096/96b; Rechberger aaO vor § 266 Rz 8). Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes trifft bei einer Schutzgesetzverletzung den Geschädigten die Beweislast für den Schadenseintritt und die Verletzung des Schutzgesetzes, wobei der Nachweis der Tatsache ausreichend ist, dass die Schutznorm objektiv übertreten wurde. Der Schädiger hat dagegen zu beweisen, dass ihm die objektive Übertretung der Schutznorm nicht als schutzgesetzbezogenes Verhaltensunrecht anzulasten ist, etwa weil ihn an der Übertretung kein Verschulden traf, oder weil der Schaden auch im Falle vorschriftsmäßigen Verhaltens eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0112234, insb T5).
Der Kläger hat seinen Schadenersatzanspruch unter anderem auf die Einhaltung einer weit überhöhten Geschwindigkeit durch den Lenker des Unfallfahrzeuges gestützt. Nach den Feststellungen betrug diese Geschwindigkeit statt der im Ortsgebiet (absolut) zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h tatsächlich 85 bis 110 km/h, womit der Lenker gegen § 20 Abs 1 und 2 StVO verstieß. Dabei handelt es sich um Schutznormen iSd § 1311 ABGB, deren Zweck in der Vermeidung aller durch die Einhaltung überhöhter Fahrgeschwindigkeiten im Straßenverkehr auftretenden Gefahren liegt (ZVR 1989/71; ZVR 1990/129; 2 Ob 268/06k; RIS-Justiz RS0027501, RS0027748). Der Kläger hat somit den Beweis der objektiven Übertretung eines Schutzgesetzes durch den Schädiger erbracht. Es ist auch nicht zweifelhaft, dass die Einhaltung dieser weit überhöhten Geschwindigkeit mitursächlich für das Ausmaß des eingetretenen Schadens war. Unter diesen Umständen oblag der beklagten Partei der Beweis für ihre Behauptung, der Kläger habe dem Lenker „ins Lenkrad gegriffen", sodass dieser (trotz der überhöhten Geschwindigkeit) am Zustandekommen des Unfalles schuldlos sei. Dieser Entlastungsbeweis ist der beklagten Partei nicht gelungen. Da die verbliebene Unklarheit über die tatsächlichen Vorgänge im Unfallfahrzeug zu ihren Lasten geht, ist von jener Sachverhaltsvariante auszugehen, nach welcher der Unfalllenker sein Fahrzeug „auf Grund einer gemeinsam gefassten Selbstmordabsicht gegen die Mauer des Gasthauses gelenkt hat." Die beklagte Partei hat somit für ein schuldhaftes Verhalten des Lenkers einzustehen.
3.) Zum Handeln auf eigene Gefahr:
Die soeben erwähnte Sachverhaltsvariante ist auch zur Beurteilung des Einwandes der beklagten Partei, der Kläger habe auf eigene Gefahr gehandelt, heranzuziehen. Handeln auf eigene Gefahr liegt vor, wenn sich jemand einer ihm bekannten oder zumindest erkennbaren Gefahr, die ein anderer geschaffen hat, aussetzt. Echtes Handeln auf eigene Gefahr kommt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes aber nur dann in Betracht, wenn dem Gefährder keine Schutzpflichten gegenüber jenem obliegen, der die Gefahr erkannte oder erkennen konnte und dem daher eine Selbstsicherung zumutbar war. Unechtes Handeln auf eigene Gefahr ist hingegen dann gegeben, wenn den Gefährder Schutzpflichten gegenüber der sich selbst gefährdenden Person treffen (7 Ob 14/97b = ZVR 1998/114; 7 Ob 196/99w = ZVR 1999/101; RIS-Justiz RS0023101; Koziol, Haftpflichtrecht3 I Rz 4/38).
Bei echtem Handeln auf eigene Gefahr ist auf Grund einer umfangreichen Interessenabwägung zu beurteilen, ob die Rechtswidrigkeit des Handelns des Gefährders entfällt (3 Ob 221/02z = Jbl 2003, 862; 6 Ob 17/07d; RIS-Justiz RS0023006 [T2 und 5]; Koziol aaO Rz 4/39). Liegt hingegen unechtes Handeln auf eigene Gefahr vor, ergibt sich die Rechtswidrigkeit schon aus der Verletzung der dem Gefährder obliegenden Schutzpflichten und die Selbstgefährdung des Geschädigten kann nur als Mitverschulden über § 1304 ABGB zu einer Einschränkung der Haftung führen (7 Ob 14/97p; 7 Ob 196/99w; Koziol aaO Rz 4/38).
Es ist unbestreitbar, dass der Lenker eines Kraftfahrzeuges die Verantwortung für seine Fahrgäste trägt (vgl 2 Ob 220/02w; RIS-Justiz RS0027122; Apathy, EKHG § 7 R 59). Es treffen ihn gegenüber seinen Fahrgästen Schutzpflichten, die in der Einhaltung der (auch) ihre körperliche Sicherheit bezweckenden straßenverkehrs- und kraftfahrrechtlichen Schutznormen bestehen. Es handelt sich dabei um konkrete Verhaltenspflichten, deren Übertretung schon wegen der abstrakten Gefährlichkeit eines solchen Verhaltens verboten ist (vgl Karner, KBB2 § 1311 Rz 3). Eine Verletzung dieser Pflichten bleibt selbst dann rechtswidrig, wenn sich ein Fahrgast - wie dies im Falle des Klägers dem Gesamtzusammenhang der erstinstanzlichen Feststellungen entnommen werden muss - in der durch den Lenker (mit)veranlassten und diesem bekannten Erwartung auf eine gemeinsame Fahrt einlässt, dass dabei vorsätzlich gegen solche Schutznormen verstoßen werden wird. Bereits aus der strafgesetzlichen Sanktionierung der Tötung auf Verlangen (§ 77 StGB) und der Beihilfe zum Selbstmord (§ 78 StGB), aber auch einer mit Einwilligung des Verletzten herbeigeführten schweren Körperverletzung (vgl Burgstaller/Schütz in WK2 § 90 StGB Rz 78 mwN) folgt, dass es bei derartigen einverständlichen Einwirkungen Dritter nie zu einem Ausschluss der Rechtswidrigkeit des verpönten Handelns kommen kann.
Es lag somit hinsichtlich des Klägers nur unechtes Handeln auf eigene Gefahr vor. Seine vorsätzliche Selbstgefährdung ist im Rahmen des (von der Behauptung des Alleinverschuldens umfassten und daher auch insoweit erhobenen) Mitverschuldenseinwandes der beklagten Partei zu prüfen.
4.) Zum Mitverschulden des Klägers:
a) In Fällen, in denen sich ein Fahrgast einem infolge Alkoholgenusses fahruntüchtigen Lenker anvertraut und bei einem von diesem verschuldeten oder mitverschuldeten Unfall Schaden erleidet, vertritt der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass den Fahrgast ein Mitverschulden trifft, wenn er von der die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholisierung Kenntnis hatte oder nach den Umständen haben musste (2 Ob 65/06g mwN). Bei der Verschuldensteilung entscheiden die Umstände des Einzelfalles (RIS-Justiz RS0027134), wobei in der Regel zu Lasten des Lenkers berücksichtigt wird, dass in erster Linie er selbst seine Fahrtüchtigkeit zu beurteilen hat und die Verantwortung für seine Fahrgäste trägt (RIS-Justiz RS0027122). Nur in besonders krassen Fällen, so etwa, wenn der Fahrgast den betrunkenen Lenker zum Fahrtantritt drängt und überredet, kann auch von gleichteiligem Verschulden auszugehen sein (2 Ob 220/02w mwN; vgl 2 Ob 142/03a).
Von den zahlreichen nach diesen Grundsätzen entschiedenen Fällen weicht allerdings der hier zu beurteilende Sachverhalt ganz erheblich dahin ab, dass der Lenker nicht bloß infolge des „reichlich" konsumierten Alkohols in seiner Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt war. Im Vordergrund stand vielmehr, dass der Antritt der Fahrt von dem gemeinsam gefassten, nach außen verkündeten und durch Verfassung eines gemeinsamen Abschiedsbriefes bekräftigten Entschluss, aus dem Leben scheiden zu wollen, überschattet war. Anhaltspunkte dafür, dass der damals 17-jährige Kläger auf Grund seines jugendlichen Lebensalters - sonstige Umstände werden in dritter Instanz nicht releviert - die Tragweite seines Entschlusses und Handelns nicht zu erfassen vermochte, liegen nicht vor. Das in diesem Zusammenhang stehende Rekursargument, vom Unfalllenker habe verkehrszuverlässiges und vernünftiges Handeln erwartet werden können, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Dieser bietet auch keine Hinweise dafür, dass einer der Insassen nach Antritt der Fahrt seinen Entschluss wieder rückgängig gemacht hat.
Bei dieser Sachlage kommt bei der Bemessung des Mitverschuldens des Klägers der - wie erörtert fortbestehenden - Verantwortlichkeit des Lenkers keine überwiegende Bedeutung zu. Nach Ansicht des erkennenden Senates wird die Annahme gleichteiligen Verschuldens jenem Sachverhalt, von dem in dritter Instanz auf Grund der vorinstanzlichen Feststellungen ausgegangen werden muss, am ehesten gerecht, hat sich letztlich doch auch der Kläger des Lenkers zur Verwirklichung des gemeinsamen Vorsatzes bedient.
b) Die Höhe der Mitverschuldensquote wegen Verletzung der Gurtenanlegepflicht richtet sich ebenfalls nach den Umständen des Einzelfalles (2 Ob 13/06k mwN; RIS-Justiz RS0029844). Der (im Vergleich zum „Auslösungsverschulden") regelmäßig geringere Schuldgehalt eines „Gurtenmitverschuldens" des Verletzten wird in ständiger Rechtsprechung zu dem hier noch maßgeblichen Art III Abs 1 der 3. KFG-Nov (nunmehr § 106 Abs 2 KFG idF der 26. KFG-Nov, BGBl I 2005/117) bei der Gewichtung der Verschuldensanteile dadurch zum Ausdruck gebracht, dass die Verletzung der Gurtenanlegepflicht in der Regel mit etwa 25 % bewertet wird (2 Ob 62/05i = ZVR 2006/4; 2 Ob 13/06k; je mwN). In der zuletzt erwähnten Entscheidung hat der erkennende Senat im Rahmen der Zurückweisung einer ordentlichen Revision die zweitinstanzliche Rechtsansicht als vertretbar gebilligt, dass dem in der Verletzung der Gurtenanlegepflicht bestehenden Mitverschulden bei der Verschuldensabwägung im Einzelfall so geringes Gewicht zukommen kann, dass es ausnahmsweise sogar zur Gänze vernachlässigt und von einer Kürzung des Schmerzengeldes abgesehen werden kann.
Im vorliegenden Fall ist die Unterlassung der Benutzung des Sicherheitsgurtes im Zusammenhang mit der selbstmörderischen Absicht des Klägers zu sehen. Da diese aber schon für die Bewertung seines - hier in der Mitfahrt bestehenden - „Auslösungsmitverschuldens" maßgeblich war, fällt die Verletzung der Gurtenanlegepflicht nicht noch zusätzlich erschwerend ins Gewicht; sie geht gleichsam im „Auslösungsmitverschulden" auf und vermag den Schmerzengeldanspruch des Klägers nicht weiter zu mindern.
5.) Ergebnis:
Zusammenfassend bedeutet dies, dass die vom Berufungsgericht dem Erstgericht aufgetragene Verfahrensergänzung zum Zwecke der Klärung der Ursächlichkeit der Verletzung der Gurtenanlegepflicht für das Ausmaß der Verletzungen aus den dargelegten rechtlichen Erwägungen entbehrlich ist. Dies ermöglicht die Entscheidung in der Sache selbst. Da die Verhandlung auf den Grund des Anspruches eingeschränkt wurde, ist in teilweiser Stattgebung des Rekurses der beklagten Partei mit Zwischenurteil auszusprechen, dass der Anspruch des Klägers dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht besteht, und mit Teilurteil das Mehrbegehren abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 2, hinsichtlich des Zwischenurteiles iVm § 393 Abs 4 ZPO.
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