BVwG G313 2177249-1

BVwGG313 2177249-118.11.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:G313.2177249.1.00

 

Spruch:

G313 2177243-1/8E

 

G313 2177245-1/6E

 

G313 2177249-1/7E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, (BF1), XXXX alias XXXX, geb. XXXX, (BF2), und XXXX alias XXXX, geb. XXXX, (BF3), alle StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2017, Zl. XXXX (BF1), XXXX (BF2), und XXXX (BF3), zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesasylamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wurden die gegenständlichen Anträge der BF vom 29.05.2015 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ihre Anträge bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.), den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 jeweils nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG gegen die BF jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise der BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

 

2. Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

 

3. Am 21.11.2017 langten beim BVwG die gegenständlichen Beschwerden samt dazugehörigen Verwaltungsakten ein. Mit Beschwerdevorlage wurde beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

4. Mit Schreiben des BVwG von August 2019 wurden den BF die aktuellen Länderfeststellungen vorgehalten.

 

5. Eine Stellungnahme dazu ist innerhalb der den BF dazu gewährten Frist beim BVwG jedenfalls nicht eingelangt.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

1.1. Die BF sind Staatsangehörige vom Irak und stammen aus Mossul. Der BF1 ist der Ehegatte der BF2, und der BF3 der Bruder der BF2 und damit Schwager des BF1.

 

1.2. Fest steht, dass die BF, die in Österreich keine berücksichtigungswürdigen Bezugspersonen haben, in Mossul, ihrer Heimatstadt, noch familiäre Anknüpfungspunkte haben. In der Nähe des Elternhauses der BF2 und ihres Bruders, des BF3, gibt es Verwandte, der BF1 hat zudem noch einen Bruder und (fünf) Schwestern in Mossul.

 

Die BF2 war bereits vor ihrer nunmehrigen Ehe mit dem BF1 einmal verheiratet. Aus dieser Ehe stammen zwei - im März 2004 und im Juli 2007 geborene, nunmehr 15 und 12 Jahre alte - Kinder, die im Irak bei den Großeltern väterlicherseits verblieben sind. Im Jahr 2006 hat sich die BF2 von ihrem ersten Ehegatten scheiden lassen, hat dann bis 2008 bei ihren Eltern gelebt und im Jahr 2008 ihren zweiten Ehegatten, den BF1, geheiratet.

 

Die Mutter und fünf Brüder der BF2 und BF3 sind in die Türkei und ein weiterer Bruder der BF2 und BF3 nach Deutschland ausgereist. Ein Bruder des BF1 ist nach Amerika ausgereist.

 

1.3. Die BF sind zusammen im letzten Quartal des Jahres 2014 aus dem Irak ausgereist - wann genau die BF aus ihrem Herkunftsstaat ausgereist sind, konnte nicht festgestellt werden. Sie reisten zunächst nach Syrien, dann von dort in die Türkei, haben sich dort ungefähr ein halbes Jahr aufgehalten und sind dann, um woanders bessere Lebensbedingungen vorzufinden, weitergereist und schlepperunterstützt zunächst nach Griechenland gelangt, wo sie im Mai 2015 wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes angehalten und ausgewiesen wurden, und dann über Mazedonien und Serbien weiter nach Ungarn und von dort weiter nach Österreich gefahren.

 

Dass die BF, wie der BF1 in seiner Erstbefragung am 28.05.2015 anführte, in der Türkei einen Asylantrag gestellt haben, den Ausgang des Asylverfahrens in der Türkei jedoch nicht abwarten wollten und weitergereist sind, konnte nicht festgestellt werden, gab die Ehegattin des BF1, die BF2, in der Erstbefragung doch widersprüchlich dazu ausdrücklich an, in der Türkei keinen Asylantrag gestellt zu haben, sondern dort nur registriert gewesen zu sein. Festgestellt werden kann als Grund für ihre Weiterreise jedenfalls eine woanders erhoffte bessere Lebenssituation. Sie sind auf dem Weg nach Österreich über Griechenland und Ungarn gefahren. Einen Asylantrag haben sie jedoch weder in Griechenland noch in Ungarn gestellt.

 

1.4. Festgestellt werden kann, dass alle drei BF vor ihrer Ausreise in Mossul erwerbstätig waren:

 

Der BF1 hatte langjährig mit zwei Brüdern zusammen ein Malergeschäft und hat bis zu seiner Ausreise im Jahr 2014 als Maler gearbeitet.

 

Die BF2, die Ehegattin des BF1, arbeitete von 2011 bis Juni 2014 privat und öffentlich als Kinderbetreuerin, und der BF3, ihr Bruder, arbeitete bis Mai 2014 als Straßenverkäufer.

 

1.5. Das Fluchtvorbringen der BF konnte nicht für wahr gehalten werden:

 

1.5.1. Das Fluchtvorbringen des BF1 vor dem BFA, infolge eines von der irakischen Regierung dem BF1 und seinen Brüdern, die gemeinsam einen Malerbetrieb führten, erteilten Auftrags von IS-Angehörigen bedroht worden zu sein, konnte nicht für glaubwürdig gehalten werden.

 

1.5.2. Die BF2 stützte sich vor dem BFA auf die von ihrem Ehegatten, dem BF1, angeführten Fluchtgründe. Diese konnten jedoch nicht für glaubwürdig gehalten werden.

 

1.5.3. Das Fluchtvorbringen des BF3 vor dem BFA, im Zuge seiner Tätigkeit als Straßenverkäufer CD¿s verkauft zu haben und damit in Zusammenhang von IS-Anhängern bedroht worden zu sein, konnte ebenso wenig wie das Fluchtvorbringen des BF1 für glaubwürdig gehalten werden.

 

1.5.4. Fest steht, dass keiner der BF jemals strafrechtlich verfolgt wurde, und auch der BF1 aufgrund seiner ehemaligen Mitgliedschaft bei der Baath-Partei keine Probleme anführen konnte.

 

1.6. Die BF leben im Bundesgebiet von Leistungen aus der Grundversorgung, konnten in ihrem Herkunftsstaat jedoch ihren Lebensunterhalt mit Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit bestreiten.

 

1.7. Von den BF wurden keine berücksichtigungswürdigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen - weder in physischer noch in psychischer Hinsicht - vorgebracht und nachgewiesen.

 

2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

 

2.1. Sicherheitslage

 

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).

 

Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).

 

Quellen:

 

-AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak,

 

-CRS - Congressional Research Service (4.10.2018): Iraq: Issues in the 115th Congress, https://fas.org/sgp/crs/mideast/R45096.pdf , Zugriff 29.10.2018

 

2.1.1. Islamischer Staat (IS)

 

Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 6.10.2018).

 

Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018). Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Gebiete, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und IS-Kämpfer, die sich tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing 6.10.2018). Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vgl. WP 17.7.2018).

 

Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

, Zugriff 30.10.2018

 

2.2. Sicherheitskräfte und Milizen

 

Im ganzen Land sind zahlreiche innerstaatliche Sicherheitskräfte tätig. Zivile Behörden haben über einen Teil der Sicherheitskräfte keine wirksame Kontrolle ausgeübt (USDOS 20.4.2018).

 

Quelle:

 

 

2.2.1.Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF)

 

Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, Sicherheitskräften, die vom Verteidigungsministerien verwaltet werden, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF, Popular Mobilization Forces), und dem Counter-Terrorism Service (CTS). Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig; es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Infrastruktur in diesem Bereich verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der Counter-Terrorism Service (CTS) ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören (USDOS 20.4.2018).

 

Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen. Sie sind noch nicht befähigt, landesweit den Schutz der Bürger zu gewährleisten. Die Anwendung bestehender Gesetze ist nicht gesichert. Personelle Unterbesetzung, mangelnde Ausbildung, mangelndes rechtsstaatliches Bewusstsein vor dem Hintergrund einer über Jahrzehnte gewachsenen Tradition von Unrecht und Korruption auf allen Ebenen sind hierfür die Hauptursachen. Ohnehin gibt es kein Polizeigesetz, die individuellen Befugnisse einzelner Polizisten sind sehr weitgehend. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung: Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt (AA 12.2.2018).

 

Straffreiheit ist ein Problem. Es gibt Berichte über Folter und Misshandlungen im ganzen Land in Einrichtungen des Innen- und Verteidigungsministeriums. Nach Angaben internationaler Menschenrechtsorganisationen findet Missbrauch vor allem während der Verhöre inhaftierter Personen im Rahmen der Untersuchungshaft statt. Probleme innerhalb der Provinzpolizei des Landes, einschließlich Korruption, bleiben weiterhin bestehen. Armee und Bundespolizei rekrutieren und entsenden bundesweit Soldaten und Polizisten. Dies führt zu Beschwerden lokaler Gemeinden bezüglich Diskriminierung aufgrund ethno-konfessioneller Unterschiede durch Mitglieder von Armee und Polizei. Die Sicherheitskräfte unternehmen nur begrenzte Anstrengungen, um gesellschaftliche Gewalt zu verhindern oder darauf zu reagieren (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

, Zugriff 31.10.2018

 

2.2.2.Volksmobilisierungseinheiten (PMF)

 

Der Name "Volksmobilisierungseinheiten" (al-hashd al-sha'bi, engl.:

popular mobilization units, PMU oder popular mobilization forces bzw. popular mobilization front, PMF), bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen (Süß 21.8.2017). Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere "Minderheiten-Einheiten" der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig (USDOS 20.4.2018). Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten wie dem Iran oder Saudi-Arabien unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mosul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt (AA 12.2.2018).

 

Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten, dessen tatsächliche Einflussmöglichkeiten aber weiterhin als begrenzt gelten (AA 12.2.2018). Obwohl die PMF laut Gesetz auf Einsätze im Irak beschränkt sind, sollen, ohne Befugnis durch die irakische Regierung, in einigen Fällen Einheiten das Assad-Regime in Syrien unterstützt haben. Die irakische Regierung erkennt diese Kämpfer nicht als Mitglieder der PMF an, obwohl ihre Organisationen Teil der PMF sind. Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. In der Praxis gehorchen aber mehrere Einheiten auch dem Iran und der iranischen Revolutionsgarde. Ende 2017 war keine einheitliche Führung und Kontrolle der PMF durch Premierminister und ISF feststellbar, insbesondere nicht der mit dem Iran verbundenen Einheiten. Die Bemühungen der Regierung, die PMF als staatliche Sicherheitsbehörde zu formalisieren, werden fortgesetzt, aber Teile der PMF bleiben "iranisch" ausgerichtet. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderung in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes (USDOS 20.4.2018). Die Schwäche der ISF hat es vornehmlich schiitischen Milizen, wie den vom Iran unterstützten Badr-Brigaden, den Asa'ib Ahl al-Haqq und den Kata'ib Hisbollah, erlaubt, Parallelstrukturen im Zentralirak und im Süden des Landes aufzubauen. Die PMF waren und sind ein integraler Bestandteil der Anti-IS-Operationen, wurden jedoch zuletzt in Kämpfen um sensible sunnitische Ortschaften nicht an vorderster Front eingesetzt. Es gab eine Vielzahl an Vorwürfen von Plünderungen und Gewalttaten durch die PMF. Diese Meldungen haben sich mit dem Konflikt um die umstrittenen Gebiete zum Teil verschärft (AA 12.2.2018).

 

Die Badr-Organisation ist die älteste schiitische Miliz im Irak und gleichermaßen die mit den längsten und engsten Beziehungen zum Iran. Hervorgegangen ist sie aus dem Badr-Korps, das 1983/84 als bewaffneter Arm des "Obersten Rates für die Islamische Revolution im Irak" gegründet wurde und von Beginn an den iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran) unterstellt war [Anm. der "Oberste Rat für die Islamische Revolution im Irak" wurde später zum "Obersten Islamischen Rat im Irak" (OIRI), siehe Abschnitt "Politische Lage"]. Die Badr-Organisation wird von Hadi al-Amiri angeführt und gilt heute als die bedeutendste Teilorganisation und dominierende Kraft der PMF. Sie ist besonders mächtig, weil sie Kontrolle über das irakische Innenministerium und damit auch über die Polizeikräfte besitzt; ein Großteil der bewaffneten Kräfte der Organisation wurde ab 2005 in die irakische Polizei aufgenommen. Sie soll über etwa 20.000 bis 50.000 Mann verfügen und ist Miliz und politische Partei in einem (Süß 21.8.2017).

 

Die Kata'ib Hizbullah (Bataillone der Partei Gottes, Hizbullah Brigades) wurden 2007 von Abu Mahdi al-Muhandis gegründet und werden auch von diesem angeführt. Die Miliz kann als Eliteeinheit begriffen werden, die häufig die gefährlichsten Operationen übernimmt und vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv ist. Ihre Personalstärke ist umstritten, teilweise ist die Rede von bis zu 30.000 Mann. Die Ausrüstung und militärische Ausbildung ihrer Mitglieder sind besser als die der anderen Milizen innerhalb der PMF. Kata'ib Hizbullah arbeiten intensiv mit Badr und der libanesischen Hizbullah zusammen und gelten als Instrument der iranischen Politik im Irak. Die Miliz wird von den USA seit 2009 als Terrororganisation geführt (Süß 21.8.2017).

 

Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous) wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Asa'ib Ahl al-Haqq unternahm den Versuch, sich als politische Kraft zu etablieren, konnte bei den Parlamentswahlen 2014 allerdings nur ein einziges Mandat gewinnen. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist wie die Badr-Oganisation und Kata'ib Hizbullah vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Sie gilt heute als gefürchtetste, weil besonders gewalttätige Gruppierung innerhalb der Volksmobilisierung, die religiös-politische mit kriminellen Motiven verbindet. Ihr Befehlshaber Khaz'ali ist einer der bekanntesten Anführer der PMF (Süß 21.8.2017). Die Saraya as-Salam (Schwadronen des Friedens, Peace Brigades) wurden im Juni 2014 nach der Fatwa von Großayatollah Ali al-Sistani, in der alle junge Männer dazu aufgerufen wurden, sich im Kampf gegen den IS den Sicherheitskräften zum Schutz von Land, Volk und heiligen Stätten im Irak anzuschließen, von Muqtada as-Sadr gegründet. Die Gruppierung kann de facto als eine Fortführung der ehemaligen Mahdi-Armee bezeichnet werden. Diese ist zwar 2008 offiziell aufgelöst worden, viele ihrer Kader und Netzwerke blieben jedoch aktiv und konnten 2014 leicht wieder mobilisiert werden. Quellen sprechen von einer Gruppengröße von 50.000, teilweise sogar 100.000 Mann, ihre Schlagkraft ist jedoch mangels ausreichender finanzieller Ausstattung und militärischer Ausrüstung begrenzt. Dies liegt darin begründet, dass Sadr politische Distanz zu Teheran wahren will, was in einer nicht ganz so großzügigen Unterstützung Irans resultiert. Das Haupteinsatzgebiet der Miliz liegt im südlichen Zentrum des Irak, wo sie vorgibt, die schiitischen heiligen Stätten zu schützen. Ebenso waren Saraya as-Salam aber auch mehrfach an Kämpfen nördlich von Bagdad beteiligt (Süß 21.8.2017).

 

Auch die Kata'ib al-Imam Ali (Bataillone des Imam Ali, Imam Ali Batallions) ist eine der Milizen, die im Juni 2014 neu gebildet wurden. Sie sticht hervor, weil sie sich rasant zu einer schlagkräftigen Gruppe entwickelte, die an den meisten wichtigen Auseinandersetzungen im Kampf gegen den IS beteiligt war. Dies lässt auf eine beträchtliche Kämpferzahl schließen. Die Funktion des Generalsekretärs hat Shibl al-Zaidi inne, ein früherer Angehöriger der Sadr-Bewegung. Zaidi steht in engem Kontakt zu Muhandis und den Pasdaran, weshalb die Miliz intensive Beziehungen zur Badr-Organisation, den Kata'ib Hizbullah und den iranischen Revolutionsgarden unterhält. Die Miliz betreibt außerdem wirkungsvolle Öffentlichkeitsarbeit, wodurch ihr Bekanntheitsgrad schnell gestiegen ist. Vor allem der Feldkommandeur Abu Azrael erlangte durch Videos mit äußerst brutalen Inhalten zweifelhafte Berühmtheit. Die Gruppe scheint Gefangene routinemäßig zu foltern und hinzurichten (Süß 21.8.2017).

 

Rechtsstellung und Aktivitäten der PMF

 

Obwohl das Milizenbündnis der PMF unter der Aufsicht des 2014 gegründeten Volksmobilisierungskomitees steht und Ende 2016 ein Gesetz in Kraft trat, das die PMF dem regulären irakischen Militär in allen Belangen gleichstellt und somit der Weisung des Premierministers unterstellt, hat der irakische Staat nur mäßige Kontrolle über die Milizen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem Badr eine große Bedeutung zu: Die Milizen werden zwar von der irakischen Regierung in großem Umfang mit finanziellen Mitteln und Waffen unterstützt, unterstehen aber formal dem von Badr dominierten Innenministerium, wodurch keine Rede von umfassender staatlicher Kontrolle sein kann. Die einzelnen Teilorganisationen agieren größtenteils eigenständig und weisen eigene Kommandostrukturen auf, was zu Koordinationsproblemen führt und letztendlich eine institutionelle Integrität verhindert (Süß 21.8.2017). Die militärischen Erfolge der PMF gegen den IS steigerten ihre Popularität vor allem bei der schiitischen Bevölkerung, gleichzeitig wurden allerdings auch Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Hinrichtungen, Entführungen und Zerstörung von Häusern veröffentlicht (Süß 21.8.2017). In Gebieten, die vom IS zurückerobert wurden, klagen Einheimische, dass sich die PMF gesetzwidrig und unverhohlen parteiisch verhalten. In Mosul beispielsweise behaupteten mehrere Einwohner, dass die PMF weit davon entfernt seien, Schutz zu bieten, und durch Erpressung oder Plünderungen illegale Gewinne erzielten. PMF-Kämpfer haben im gesamten Nordirak Kontrollpunkte errichtet, um Zölle von Händlern einzuheben. Auch in Bagdad wird von solchen Praktiken berichtet. Darüber hinaus haben die PMF auch die Armee in einigen Gebieten verstimmt. Zusammenstöße zwischen den PMF und den regulären Sicherheitskräften sind häufig. Auch sind Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen der PMF weitverbreitet. Die Rivalität unter den verschiedenen Milizen ist groß (ICG 30.7.2018).

 

Neben der Finanzierung durch den irakischen, sowie den iranischen Staat bringen die Milizen einen wichtigen Teil der Finanzmittel selbst auf - mit Hilfe der organisierten Kriminalität. Ein Naheverhältnis zu dieser war den Milizen quasi von Beginn an in die Wiege gelegt. Vor allem bei Stammesmilizen waren Schmuggel und Mafiatum weit verbreitet. Die 2003/4 neu gegründeten Milizen kooperierten zwangsläufig mit den Mafiabanden ihrer Stadtviertel. Kriminelle Elemente wurden aber nicht nur kooptiert, die Milizen sind selbst in einem dermaßen hohen Ausmaß in kriminelle Aktivitäten verwickelt, dass manche Experten sie nicht mehr von der organisierten Kriminalität unterscheiden, sondern von Warlords sprechen, die in ihren Organisationen Politik und Sozialwesen für ihre Klientel und Milizentum vereinen - oft noch in Kombination mit offiziellen Positionen im irakischen Sicherheitsapparat. Die Einkünfte kommen hauptsächlich aus dem großangelegten Ölschmuggel, Schutzgelderpressungen, Amtsmissbrauch, Entführungen, Waffen- und Menschenhandel, Antiquitäten- und Drogenschmuggel. Entführungen sindwaren ein wichtiges Geschäft aller Gruppen, dessen hauptsächliche Opfer zahlungsfähige Iraker sind waren (Posch 8.2017).

 

Quellen:

 

 

 

, Zugriff 31.10.2018

 

 

 

 

2.3.Sunnitische Araber

 

Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richteten sich 2017 vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.2.2018). Es gab zahlreiche Berichte über Festnahmen und die vorübergehende Internierung von überwiegend sunnitisch-arabischen IDPs durch Regierungskräfte, die PMF und die Peshmerga (USDOS 20.4.2018).

 

Quellen:

 

 

 

, Zugriff 19.7.2018

 

2.4. Ex-Ba'athisten

 

Nach dem Fall des Regimes Saddam Husseins durchlief der Irak eine Ent-Ba'athifizierung, die die Auflösung der Ba'ath-Partei und verschiedener mit ihr verbundener Organisationen umfasste. Es kam zu Verhaftungen ehemaliger Parteimitglieder, sowie zur Säuberung des Staatsapparates, der Streitkräfte und der öffentlichen Verwaltung. Sunniten stellen die Ent-Ba'athifizierung wiederholt als "Ent-Sunnifizierung" dar und beklagen, dass der Prozess zu einem Instrument konfessioneller Politik geworden ist (UKHO 11.2016; vgl. EUISS 10.2017, ICTJ 3.2013). Eine Vielzahl von ehemaligen Mitgliedern der seit 2003 verbotenen Ba'ath-Partei ist, soweit nicht ins Ausland geflüchtet, häufig aufgrund der Anschuldigung terroristischer Aktivitäten in Haft. Viele von ihnen haben weder Zugang zu Anwälten noch Kontakt zu ihren Familien (AA 12.2.2018). Einige mittel- bis hochrangige Ba'athisten können für schwere, unter dem Saddam Regime begangene Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sein. Es ist darüber hinaus auch möglich, dass einige frühere Ba'athisten Verbindungen zum IS oder zu anderen aufständischen Organisationen, wie der "Armee der Männer des Naqshbandi-Ordens" (JRTN, Jaysh Rijal al-Tariqa al-Naqshbandiyya), haben (UKHO 11.2016).

 

Im Zuge der Ent-Ba'athifizierung von 2003-2013 soll es zu Festnahmen unter dem Anti-Terror-Gesetz, zu Inhaftierungen ohne ordentliche Verfahren und zur Folter von Tausenden von Menschen, die der Mitgliedschaft in der Ba'ath-Partei bezichtigt wurden, gekommen sein (UKHO 11.2016). Schrittweise aufeinander folgende Gesetze zur Entfernung von Ba'athisten aus dem öffentlichen Dienst basierten auf "Schuld durch Assoziation" anstatt individuell begangener und nachgewiesener Verbrechen (EUISS 10.2017). Tausende von Personen wurden so aufgrund ihres Rangs in der Partei und nicht wegen ihres eigentlichen Verhaltens bzw. ihrer Taten entlassen (Al Jazeera 12.3.2013; vgl. ICTJ 3.2013).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

, Zugriff 27.9.2018

 

2.5.Rückkehr

 

Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. Zu einer begrenzten Anzahl an Abschiebungen in den Zentralirak kommt es jedenfalls aus Deutschland, Großbritannien, Schweden und Australien. Rückführungen aus Deutschland in die Autonome Region Kurdistan finden regelmäßig statt (AA 12.2.2018).

 

Quellen:

 

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

 

2.2. Zur Person des BF und seinen individuellen Verhältnissen:

 

2.2.1. Die im Spruch angeführten, teilweise (Alias-), Identitäten des BF ergaben sich aus den jeweiligen Akteninhalten und dienen nur der gegenständlichen Verfahrensführung.

 

2.2.2. Die Zugehörigkeit der BF zur arabischen Volksgruppen und sunnitisch-muslimischen Glaubensrichtung ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

 

2.2.3. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen der BF ergaben sich aus dem diesbezüglich glaubhaftem Vorbringen der BF.

 

Aufgrund diesbezüglich einheitlicher glaubhafter Angaben der BF2 und des BF3 vor dem BFA sind einige Familienangehörige der BF2 und des BF3 in die Türkei und ist ihr Bruder nach Deutschland ausgereist. Dass zwei minderjährige Kinder der BF2 aus ihrer ersten Ehe bei den Großeltern ihres ersten Ehegatten väterlicherseits in Mossul verblieben sind, ergab sich aus den glaubhaften Angaben der BF2 (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 3).

 

Festgestellt werden konnten weitere familiäre Anknüpfungspunkte der BF im Irak.

 

Zunächst hat sich der BF3 hinsichtlich seines letzten Wohnortes im Irak widersprochen, und zwar insofern, als er in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 17.07.2017 zunächst angab, zuletzt im Irak bei seiner Mutter und seinen Geschwistern gewohnt zu haben, dann jedoch erklärte, nach dem fluchtauslösenden Vorfall im Mai 2014 bei seinen Verwandten - nahe seiner Eltern - versteckt geblieben zu sein.

 

Demnach kann noch von Verwandten der BF in der Nähe des Wohnortes der Eltern der BF2 und des BF3 ausgegangen werden.

 

Festgestellt konnte des Weiteren, dass einer der beiden Brüder des BF1, mit denen er in Mossul ein Malereigeschäft hatte, noch in Mossul lebt, dies aufgrund der glaubhaften Angaben des BF1 in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 18.07.2017, er habe noch zwei Brüder, die noch am Leben seien (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor dem BFA, S. 4), und seines Vorbringens etwas später in der Einvernahme, der Bruder des BF1, der ihr Geschäft verkauft habe, lebe noch im Irak (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor dem BFA, S. 4). Sein Vorbringen davor, zu dritt mit seinen beiden Brüdern, wovon einer ausgereist und der andere bereits verstorben sei, zusammen einen Malereibetrieb geführt zu haben (Niederschrift über Einvernahme vor dem BFA, S. 3), und sein Vorbringen danach, ein Bruder sei ausgereist, der andere ebenso wie der BF1 bedroht und umgebracht worden (Niederschrift über Einvernahme vor dem BFA, S. 6), und das diesbezügliche Beschwerdevorbringen, einer seiner zwei Brüder sei getötet worden (während der andere ausgereist ist), widerspricht eindeutig seinem glaubhaften Vorbringen vor dem BFA:

 

"Mein Bruder der noch dort lebt hat das Geschäft verkauft."

(Niederschrift über Einvernahme des BF1, S. 4).

 

Der BF1 hat sein Vorbringen mitten in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, sein "Bruder, der noch dort lebt, hat das Geschäft verkauft", auch nach Rückübersetzung gegen Schluss seiner Einvernahme, nicht korrigiert, sondern angegeben, es sei alles richtig wiedergegeben worden und er habe den Dolmetscher während der gesamten Einvernahme einwandfrei verstanden.

 

Sein Vorbringen über einen in Mossul lebenden Bruder war somit glaubhaft. Ob die Brüder vor Ausreise des BF1 gemeinsam ihr Geschäft verkauft haben, wie der BF1 zunächst vor dem BFA angab (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor BFA, S. 7), oder das Geschäft nur durch den in Mossul verbliebenen Brüder verkauft worden ist (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor BFA, S. 4), konnte wegen widersprüchlicher Angaben dazu nicht festgestellt werden.

 

Festgestellt werden konnte jedenfalls, dass das mit den beiden Brüdern des BF1 gemeinsam geführte Geschäft mittlerweile verkauft ist und einer seiner beiden Brüder in Mossul lebt.

 

Der BF1 hat vor dem BFA zudem glaubhaft vorgebracht, in Mossul noch fünf Schwestern und aufrechten Kontakt zu diesen zu haben. (Niederschrift über Einvernahme des BF1, S. 5)

 

Mit seinem Beschwerdevorbringen, in Mossul sei kein unterstützendes familiäres oder soziales Netzwerk mehr vorhanden, wollte der BF1 offenbar nur bekräftigen, in Mossul überhaupt keine familiären Anknüpfungspunkte mehr zu haben. Dies ist ihm jedoch nicht gelungen.

 

Es wird von weiteren Familienangehörigen des BF1 und damit auch der BF2 und BF3 ausgegangen, führte der BF1 doch sowohl in der Erstbefragung als auch in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 18.07.2017 an, noch fünf Schwestern in Mossul und mit ihnen aufrechten Kontakt zu haben. Seinem nur rund drei Monate später - nach negativer Asylentscheidung des BFA vom 17.10.2017 Ende Oktober 2017 erstatteten Beschwerdevorbringen, es gebe in Mossul kein unterstützendes familiäres oder soziales Umfeld, kann daher nicht geglaubt werden.

 

2.2.4. Dass der BF1 im Irak mit seinen zwei Brüdern ein Malereigeschäft hatte und bis zu seiner Ausreise im Jahr 2014 als Maler gearbeitet hat, ergibt sich aus seinem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen vor dem BFA. (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor BFA, S. 3).

 

2.3. Zur Ausreise der BF

 

Die Feststellungen zur Ausreise der BF und ihrem Reiseweg mit den jeweiligen Zwischenhalten bzw. -stationen konnte aufgrund des diesbezüglichen aus den Erstbefragungen der BF hervorgehenden glaubhaften Akteninhalts festgestellt werden.

 

Nicht festgestellt werden konnte, in welchem Quartalsmonat die BF aus ihrem Herkunftsstaat ausgereist sind, sprach der BF1 doch zunächst davon, im September 2014 seinen Ausreiseentschluss gefasst zu haben und zwei Monate später im November 2014 ausgereist zu sein, gab er jedoch etwas später nach nochmaliger Befragung an, doch bereits im September 2014 ausgereist zu sein und zwei Monate davor seinen Entschluss dazu gefasst zu haben (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor BFA, S. 4).

 

Der BF1 brachte im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA vor, sie seien zunächst nach Syrien ausgereist. Befragt, ob die Ausreise illegal oder legal gewesen sei, antwortete der BF1:

"Illegal nach Syrien und von Syrien dann weiter." Nach Vorhalt der Angabe des BF1 in seiner Erstbefragung, den Irak legal verlassen zu haben, behauptete der BF1: "Nein, das habe ich nicht gesagt." Weiter befragt, "wieso nach Syrien", gab der BF1 an: "Das geht nicht anders." (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor BFA, S. 4).

 

Aufgrund des diesbezüglich glaubhaften Vorbringens des BF1 in der Erstbefragung kann jedenfalls von einer legalen Ausreise der BF aus dem Irak ausgegangen werden (Niederschrift über Erstbefragung des BF1, S. 5).

 

Dass der BF1, wie er vor dem BFA angab, mit den BF2 und BF3 zusammen nicht legal, sondern illegal, ausgereist sein soll, kann aufgrund seines diesbezüglich glaubhaften Vorbringens in der Erstbefragung nicht geglaubt werden, zumal gegen Ende der Erstbefragung ausdrücklich festgehalten wurde, "die aufgenommene Niederschrift wurde mir in einer für mich verständlichen Sprache übersetzt."

Verständigungsprobleme hat der BF1 ausdrücklich ausgeschlossen.

 

3. Zum Fluchtvorbringen der BF

 

3.1. Das Fluchtvorbringen des BF1 vor dem BFA, worauf sich auch seine Ehegattin, die BF2, stützte, konnte aufgrund zahlreicher Widersprüche nicht für glaubwürdig gehalten werden.

 

In der Niederschrift über die Einvernahme des BF1 vor dem BFA wurde zu den vom BF1 vorgebrachten Fluchtgründen Folgendes festgehalten:

 

"Mein Bruder ist damals bedroht worden und umgebracht. Mein zweiter Bruder ist auch bedroht worden, er reiste aber aus. Ich wurde auch bedroht. Wir haben in einem Bereich der Malerei für Großfirmen gearbeitet. Wir haben eine große Firma gehabt, sodass wir auch für die Regierung gearbeitet und Amtshäuser und ähnliches auch angemalt haben. Das sind Terrorgruppen, die mich und meinen Bruder bedroht haben. Ich wurde zweimal telefonisch bedroht. Ich ging dann zu meinen Schwestern und habe mich dort versteckt....

 

AW überlegt lange."

 

Befragt, "und dann", gab der BF1 an, dass er aus Angst geflüchtet sei. (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor BFA, S. 6).

 

Dieses anfängliche Fluchtvorbringen vor dem BFA war unzusammenhängend, bruchstückhaft und teilweise widersprüchlich:

 

Der BF1 hat zunächst von einer Bedrohung seiner beiden Brüder berichtet, bevor er eine eigene Bedrohung erwähnte, ist dann kurz auf auch von der "Regierung" übernommene Malerarbeitsaufträge eingegangen, bevor er davon sprach, er selbst und einer seiner Bruder, "mein Bruder", seien von Terrorgruppen bedroht worden, obwohl er anfangs von einer Bedrohung aller drei Personen - des BF1 und seiner beiden Brüder gesprochen hat. Abschließend hat er noch kurzgehalten eine zweimalige telefonische Bedrohung angeführt und angegeben, sich dann bei seinen Schwestern versteckt zu haben.

 

Erst nach - niederschriftlich festgehaltener - langer Überlegungspause, gab der BF1, befragt, was dann geschehen sei, an, dass er aus Angst geflüchtet sei.

 

Bei tatsächlicher Furcht vor Bedrohung wäre eine ausführliche zusammenhängende Schilderung der wahren Fluchtgründe durch den BF1 selbst zu erwarten gewesen, dies auch deshalb, weil der BF1 vor seinem Fluchtvorbringen auch extra aufgefordert worden ist, von sich aus vollständig, detailliert und wahrheitsgemäß seine Fluchtgründe zu schildern.

 

Weiter näher befragt zu seinen Fluchtgründen gab der BF1 an, es habe sich bei der Terrorgruppe, die ihn bedroht habe, sicher um IS-Angehörige gehandelt, die den BF1 aufgefordert hätten, Lösegeld zu zahlen. Der BF1 habe ihnen jedoch erklärt, kein Geld zu haben, woraufhin er von ihnen in Ruhe gelassen worden sei. (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor BFA, S. 7).

 

Aus diesem Vorbringen ist jedenfalls keine tatsächliche Bedrohungssituation ersichtlich, kann doch nicht nachvollzogen werden, dass eine Terrorgruppe nur deshalb von jemandem ablässt, wenn er das geforderte Lösegeld nicht zahlen kann, sondern wäre bei einem tatsächlichen Interesse am BF1 vielmehr zu erwarten gewesen, dass der BF1 auch persönlich zuhause aufgesucht worden wäre. Der BF1 gab jedoch an, dass sie erst zu ihm gekommen wären, wenn er sich mit der Lösegeldzahlung einverstanden erklärt hätte.

 

Die Bedrohung habe laut Angaben des BF1 insgesamt zweimal am Telefon stattgefunden, erstmals im Jahr 2008 und das zweite Mal zwei Monate nach der ersten Bedrohung (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor BFA, S. 7). Der vom BF1 angeführte zweimonatige Abstand zwischen den beiden angeblichen telefonischen Bedrohungen erscheint bei einem tatsächlichen Interesse am BF1 bzw. am von ihm verlangten Lösegeld jedenfalls als zu lange.

 

Erst befragt danach, was dem BF1 beim zweiten Telefonat gesagt worden wäre, gab er an, "sie sagten, wenn ich das Geld nicht zahle, werden sie mich umbringen", woraufhin er sich bei seinen Schwestern versteckt gehalten habe (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor BFA, S. 7).

 

Während der BF1 im Zuge seines kurzen unzusammenhängenden Fluchtvorbringens angab, nachdem er sich bei seinen Schwestern versteckt gehabt habe, geflüchtet zu sein, gab er nunmehr, befragt, wie lange er sich bei seinen Schwestern aufgehalten habe, an: "Ca. ein Jahr."

 

Aus seinem auf Zwischenfragen gefolgten Vorbringen, danach nachhause zurückgekehrt zu sein, dann, nachdem sie das Geschäft verkauft hätten, "nicht oft raus" gegangen zu sein und bis zur Ausreise 2014 unbehelligt im Irak leben können zu haben, geht keine vor Ausreise des BF1 für ihn bestandene Bedrohungssituation hervor, hätte er doch andernfalls nach seinem Versteckthalten bei seinen Schwestern nicht bis zu seiner Ausreise im Jahr 2014 unbehelligt im Irak verbleiben, geschweige denn, das mit seinen Brüdern gemeinsam geführte Geschäft verkaufen, können.

 

Es konnte jedenfalls nicht festgestellt werden, dass in Zusammenhang mit ihrem gemeinsamen Malerbetrieb der BF1 bedroht und ein Bruder des BF1 bedroht und umgebracht worden ist. Feststellbar war vielmehr, dass ein Bruder des BF1 ausgereist ist und ein anderer Bruder des BF1 in Mossul lebt (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor BFA, S. 4). Diesbezüglich wird auf die obige Beweiswürdigung zu den familiären Verhältnissen des BF1 verwiesen.

 

Dass der BF1 bis zur Ausreise seiner selbstständigen Malertätigkeit nachgegangen ist, ergab sich aus seinem diesbezüglich glaubwürdigen Vorbringen vor dem BFA (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor BFA, S. 3).

 

Der BF1 hat sich dann insofern widersprochen, als er dann befragt, wann sein letzter Arbeitstag gewesen sei, angab:

 

"Vor 2014 habe ich die Arbeit beendet. Nachgefragt, ich kann mich nicht erinnern, wann das genau war."

 

Weiter befragt, warum der BF1 aufgehört habe zu arbeiten, gab dieser an:

 

"Ich wurde bedroht, aus diesem Grund musste ich meine Arbeit niederlegen. Ich habe mich bei meinen weiblichen Geschwistern versteckt." (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor BFA, S. 4).

 

Demnach hätte der BF1 nach seiner behaupteten zweimaligen telefonischen Bedrohung im Jahr 2008 nicht mehr gearbeitet, was aufgrund seines anfänglichen Vorbringens, dies bis zur Ausreise getan zu haben, jedenfalls nicht glaubwürdig ist.

 

Das gesamte Fluchtvorbringen des BF1 war widersprüchlich und nicht für glaubwürdig zu halten. Der BF1 brachte vor dem BFA glaubhaft vor, im Irak nie politisch tätig, jedoch früher Mitglied der Baath-Partei gewesen zu sein. Probleme wegen seiner früheren Parteimitgliedschaft konnte der BF1 jedenfalls nicht anführen. Laut seinen glaubhaften Angaben gab es auch keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit und Religion und wurde er im Irak auch nie strafrechtlich verfolgt. Der BF1 ist offenbar wegen der allgemein schlechten - auch andere sunnitische Araber vor Ort betroffene - Sicherheitslage vor Ort aus dem Irak ausgereist.

 

3.2. Die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringen des BF1 gilt auch für die BF2, die sich vor dem BFA darauf gestützt hat. Die BF2 konnte zudem vor dem BFA keine einzige gegen sie selbst gesetzte Bedrohungshandlung anführen.

 

Die BF2 sprach vor dem BFA vielmehr von einer vor ihrer Ausreise ungehindert möglichen Lebensführung, indem sie vorbrachte, von 2011 bis Juni 2014 privat und auch öffentlich als Kinderbetreuerin gearbeitet zu haben (Niederschrift über Einvernahme der BF2 vor BFA, S. 4).

 

Befragt danach, wann genau sich die BF2 entschlossen habe, den Irak zu verlassen, gab diese an:

 

"3 Jahre haben wir in Horror gelebt. Ich wollte meine Kinder nicht verlassen, deshalb haben wir nicht früher das Land verlassen."

 

Die BF2 weinte und gab an, drei Jahre lang ihre Kinder nicht mehr gesehen zu haben.

 

Mit ihrem Vorbringen, sie habe ihre Kinder nicht verlassen wollen, weshalb sie nicht früher ausgereist seien, bestätigte die BF2, dass sie mit ihrem Ehegatten und ihrem Bruder nicht infolge einer bestimmten Bedrohungssituation, sondern aus anderen Gründen ausgereist ist. Bei einer tatsächlichen fluchtauslösenden Bedrohungssituation hätten die BF jedenfalls keinen Entscheidungsspielraum gehabt, sondern - mit oder ohne Kinder - unmittelbar danach ausreisen müssen. Dies war offenbar jedoch nicht der Fall.

 

In der Beschwerde der BF2 wurde dann "neu" vorgebracht:

 

"Zwischenzeitlich ist die Beziehung zu (BF1) zerbrochen und ist die BF von ihm geschieden.

 

Bei einer Rückkehr in den Irak wäre die BF nunmehr als alleinstehende Frau in Anschauung der prekären humanitären und Sicherheitslage einer erhöhten Gefährdungslage ausgesetzt.

 

Erschwerend kommt noch dazu, dass sie durch ihre zweimalige Scheidung religiöse und patriarchale Moralvorstellungen verletzt hat.

 

Ihre Kernfamilie hätte ihr, da sie sich sowieso nicht mehr im Irak befindet, keiner Unterstützung zukommen lassen können. Nun ist eine Unterstützung schon alleine deshalb ausgeschlossen, da die BF von ihr wegen der abermaligen Scheidung verstoßen worden ist."

 

Da dieses Vorbringen über eine zwischenzeitig zum BF1 zerbrochene Beziehung erst kurze Zeit, nachdem die BF2 in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 17.07.2017 den BF1 ausdrücklich als ihren Ehegatten bezeichnet hatte, und mit BFA-Bescheid vom 17.10.2017 über die Asylanträge der BF jeweils eine negative Entscheidung ergangen war, erstattet wurde, ist hinsichtlich der mit Beschwerde der BF2 behaupteten Scheidung vom BF1, die mit keinem Beweismittel bescheinigt wurde, von einer "Scheinscheidung" auszugehen.

 

Nachdem die BF2 nach negativer Asylentscheidung des BFA erkannt hatte, mit dem bereits vom BFA als unglaubwürdig erachteten Fluchtvorbringen des BF1 keinen Schutzstatus erlangen zu können, hat sie mit ihrer Beschwerde offenbar einen eigenen Fluchtgrund konstruieren wollen und in ihrer Beschwerde auf eine sie bei einer Rückkehr wegen "zum BF1 zerbrochener Beziehung" als alleinstehende Frau treffende erhöhte Gefährdungslage hingewiesen.

 

Wie die BF2 ihrem nicht näher begründen Beschwerdevorbringen zufolge von ihrer Familie aufgrund einer erneuten Scheidung verstoßen worden sein soll, ist nicht nachvollziehbar, hält sie sich doch in Österreich auf und hat nur drei Monate vor ihrem Beschwerdevorbringen im Juli 2017 den BF1 noch ausdrücklich als ihren Ehegatten bezeichnet.

 

Die BF1 ist außerdem auch nach ihrer ersten Scheidung im Jahr 2006 zu ihren Eltern gezogen und konnte sich dort - offenbar - problemlos bis zu ihrer Eheschließung mit dem BF1, woraufhin sie zu diesem gezogen ist, aufhalten. Eine Bedrohung der BF2 aufgrund ihrer Scheidung von ihrem ersten Ehegatten hat sie vor dem BFA weder seitens der Behörden noch seitens der Familie ihres ersten Ehegatten vorgebracht, weshalb auch keine solche erkennbar und feststellbar war.

 

Nunmehr steht jedenfalls fest, dass die BF2 nicht allein in den Irak zurückkehren müsste, sondern aufgrund der mit Erlassung gegenständlicher Sammelentscheidung rechtskräftigen negativen Asylentscheidungen aller drei BF jedenfalls auch in Begleitung ihres Bruders.

 

3.3. Das Fluchtvorbringen des BF3, vor seiner Ausreise als Straßenverkäufer CD¿s verkauft zu haben und, weil er solche CD¿s nicht verkaufen hätte dürfen, im Mai 2014 von IS-Angehörigen bedroht worden zu sein, woraufhin der BF3 mit zwei Geschäftspartnern sich an die Polizei gewandt habe, diese ihnen zum Weiterverkauf geraten habe, woraufhin am sechsten Tag nach der ersten Bedrohung ein Geschäftspartner des BF3 infolge eines Sprengstoffattentats getötet und der BF3 selbst verletzt worden sei, woraufhin sie auch durch die irakische Armee beschossen und dann verletzt von der Rettung mitgenommen worden seien, war ebenfalls nicht glaubwürdig, bereits deswegen, weil dieser angeblich fluchtauslösende Vorfall im Mai 2014 stattgefunden haben soll, der BF3 seinen Ausreiseentschluss jedoch erst viel später, im September 2014, gefasst haben will.

 

Ausgereist ist der BF3 jedenfalls erst im letzten Quartal im Jahr 2014, zusammen mit der BF2 und dem BF1. Es kann aufgrund des glaubhaften Vorbringens des BF1 in der Erstbefragung, die Ausreise habe legal stattgefunden, jedenfalls von keiner illegalen schlepperunterstützten, sondern von einer legalen Ausreise ausgegangen werden (Niederschrift über Erstbefragung des BF1, S. 5).

 

3.4. Wo sich die BF in Mossul zuletzt vor ihrer Ausreise aufgehalten haben, kann aufgrund diesbezüglich widersprüchlichen Vorbringens nicht festgestellt werden, führte der BF3 doch zunächst an, zuletzt bei seiner Mutter und seinen Geschwistern gewohnt zu haben (Niederschrift über Einvernahme des BF3 vor BFA, S. 4), gab dann jedoch an, zuletzt bei seinen Verwandten in der Nähe seines Elternhauses gewesen zu sein (Niederschrift über Einvernahme des BF3 vor BFA, S. 6), brachte die BF2 vor, sie habe sich zuletzt im Irak zusammen mit ihren Schwiegereltern, den Eltern des BF1, aufgehalten, sprach der BF1 davon, zuletzt von Juni bis zur Ausreise im September 2014 bei seinen Schwiegereltern und damit den Eltern der BF2 aufhältig gewesen zu sein (Niederschrift über Einvernahme des BF1 vor BFA, S. 4), und behauptete die BF2, sie habe nach der Bedrohung des BF1 zusammen mit ihrem Ehegatten ihren Aufenthaltsort stets gewechselt (Niederschrift über Einvernahme der BF2 vor BFA, S. 4).

 

Dass die BF2 angab, zuletzt "mit den Schwiegereltern" zusammengewohnt zu haben und der BF1 vorbrachte, bevor er sich zuletzt bei seinen Schwiegereltern aufgehalten habe, im Haus seines Vaters gelebt und "mit seinen Eltern" zusammengewohnt zu haben, widerspricht zudem dem Vorbringen des BF1, sein Vater sei bereits, als er ca. sechs Jahre alt gewesen sei, gestorben.

 

Das widersprüchliche Vorbringen der BF rund um ihren letzten Aufenthaltsort in Mossul spricht jedenfalls für die Unglaubwürdigkeit der BF und ihres Vorbringens.

 

3.5. Keiner der BF konnte, befragt nach ihrer Rückkehrbefürchtung, zudem eine Furcht vor einer konkreten Bedrohung anführen, der BF1 sprach in der Erstbefragung von Angst vor Tötung durch den IS (Niederschrift über Erstbefragung des BF1, S. 7), und gab vor dem BFA befragt nach der Rückkehrbefürchtung allgemeingehalten an, im Irak gebe es keine Regierung und kein Gesetz, das ihn schütze (Niederschrift über Einvernahme der BF1, S. 7), die BF2 gab in ihrer Erstbefragung an, zu fürchten, dass der IS sie alle töten werde (Niederschrift über Erstbefragung der BF2, S. 6), und brachte vor dem BFA vor, sie wolle nicht sterben, sie habe Angst, im Irak ein Opfer zu werden (Niederschrift über Einvernahme des BF3, S. 7), und ihr Bruder, der BF3, gab in der Erstbefragung allgemeingehalten an, er habe Angst um sein Leben (Niederschrift über Erstbefragung des BF3, S. 6), und brachte vor dem BFA vor, Angst vor dem IS, vor sog. "Schläfern" zu haben (Niederschrift über Einvernahme des BF3, S. 7).

 

3.6. Feststellbar war, auch unter Berücksichtigung der Tatsachen, dass die BF nach (legaler) Ausreise nach Syrien und Weiterreise in die Türkei, wo sie sich ungefähr ein halbes Jahr lang aufgehalten und wegen woanders erhoffter besserer Lebenssituation weitergereist sind, die BF weder in Griechenland noch in Ungarn einen Asylantrag gestellt haben, in ihrer Erstbefragung jeweils Angst vor dem IS vorgebracht haben und nach dem jeweils behaupteten fluchtauslösenden Vorfall des BF1 im Jahr 2008 und des BF3 im Mai 2014 erst viel später, im September 2014, den Ausreiseentschluss gefasst haben wollen, jedenfalls eine Ausreise nicht aufgrund einer konkreten Bedrohungssituation, sondern aufgrund der allgemeinen - auch andere arabische Sunniten betroffene - Lage vor Ort.

 

4. Zur allgemeinen Lage im Irak:

 

Die dieser Entscheidung zugrunde gelegten Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat der BF stützen sich auf die die im Rahmen des Parteiengehörs von den BF unbestrittenen gebliebenen Länderberichten aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Zu Spruchteil A):

 

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

 

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

 

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht der BF, in ihrem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist, konnte ihr Fluchtvorbringen, wie oben in der Beweiswürdigung ausgeführt, doch nicht für glaubwürdig gehalten werden.

 

Ferner liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass den BF eine über die allgemeinen Gefahren der im Irak gebietsweise herrschenden bürgerkriegsähnlichen Situation hinausgehende Gruppenverfolgung droht. Dass im Irak eine generelle und systematische Verfolgung von Arabern mit sunnitischer Glaubensrichtung stattfindet, kann aus den Länderfeststellungen zur Lage im Irak sowie dem Umstand, dass Familienmitglieder der BF nach wie vor im Irak wohnhaft sind, nicht abgeleitet werden. Eine zielgerichtete und systematische Verfolgung von Muslimen sunnitischer Glaubensrichtung liegt im Irak jedenfalls nicht vor.

 

Abgesehen von der Unglaubwürdigkeit ihres Vorbringens und keiner sich daraus ergebenden Bedrohungssituation haben die BF aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur arabisch-sunnitischen Volksgruppe vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage im Irak jedenfalls auch keine drohenden Diskriminierungen und Repressalien asylrelevanter Intensität zu erwarten. Alle drei BF haben vor dem BFA Probleme aufgrund ihrer Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit zudem ausdrücklich ausgeschlossen.

 

Eine den BF bei einer Rückkehr in den Irak drohende Verfolgung iSv Art. 1 Abschnitt A der GFK konnten sie somit nicht glaubhaft machen.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher jeweils als unbegründet abzuweisen.

 

3.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

 

Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind zunächst konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein "real risk" einer gegen Art. 3 MRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236; VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwH).

 

Unter "real risk" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (grundlegend VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; RV 952 BlgNR XXII. GP 37). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die Feststellung einer Gefahrenlage im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erfordert das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung.

 

Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; 14.10.1998, Zl. 98/01/0122).

 

Nach der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofs obliegt es dabei grundsätzlich dem Beschwerdeführer, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos glaubhaft zu machen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (EGMR U 05.09.2013, I. gegen Schweden, Nr. 61204/09; VwGH 18.03.2015, Ra 2015/01/0255; VwGH 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich das erkennende Gericht nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214). Wenn es sich um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand handelt (etwa die familiäre, gesundheitliche oder finanzielle Situation), besteht eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 18.12.2002, Zl. 2002/18/0279). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86). So führt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller, Beweise zu beschaffen, dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (EGMR U 05.07.2005, Said gegen Niederlande, 5.7.2005).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

 

3.3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben sind.

 

Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

 

Mossul, die Herkunftsstadt der BF, ist seit Juli 2017 vom IS befreit. Den getroffenen Länderfeststellungen lässt sich entnehmen, dass mit Stand Oktober 2018 Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte mit dem Ziel im Gang waren, den "IS" von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten.

 

Bezüglich der von den BF vor dem BFA angeführten Angst vor dem IS bzw., wie vom BF3 vor dem BFA wörtlich angegeben, Angst vor sogenannten Schläfern, ist darauf hinzuweisen, dass aus einzelnen sicherheitsrelevanten Vorfällen im Herkunftsstaat der BF und schlummernder terroristischer Gefahr nicht auf eine den BF bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Art. 2, 3 EMRK-Verletzung geschlossen werden kann.

 

Bei den BF1 und BF3 handelt es sich außerdem um arbeitsfähige und mangels gegenteiliger Nachweise grundsätzlich gesunde Männer, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vor ihrer Ausreise im Jahr 2014 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind, und zwar der BF1 als Maler und der BF3 als Straßenverkäufer. Auch die gesunde, arbeitsfähige BF2 war vor ihrer Ausreise erwerbstätig und zwar sowohl privat als auch öffentlich als Kinderbetreuerin. Alle BF bekräftigten vor dem BFA zudem, dass ihnen die Bestreitung ihres Lebensunterhaltes im Irak möglich gewesen ist. Der BF1 sprach sogar von einer wirtschaftlich guten Situation vor der Ausreise.

 

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), geht auch aus den gegenständlicher Entscheidung zugrunde gelegten Länderberichten nicht hervor.

 

Wie aus den gegenständlich zugrunde gelegten Länderberichten geht auch aus einer aktuellen Anfragebeantwortung vom 14.10.2019 hervor, dass die Sicherheit von Rückkehrern von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit und den Verhältnissen vor Ort. Bei einer Rückkehr können die BF jedenfalls von einem unterstützenden familiären Umfeld in ihrer Heimatstadt ausgehen, hat der BF1 doch in Mossul noch einen Bruder, mit welchem er zusammen mit einem weiteren Bruder ein Malergeschäft betrieben hat, und Schwestern - der BF1 gab vor dem BFA glaubhaft an, mit seinen fünf Schwestern im Irak aufrechten Kontakt zu haben - und haben die BF2 und BF3 noch Verwandte in der Nähe des Elternhauses.

 

In Gesamtbetrachtung aller aus dem Akteninhalt ersichtlichen Umstände kann vor dem Hintergrund der aktuellen Länderberichtslage somit nicht erkannt werden, dass den BF bei einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. hiezu grundlegend VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059).

 

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die BF somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

 

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß

 

§ 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

 

3.4. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

 

3.4.1. § 10 AsylG 2005 lautet folgendermaßen:

 

"§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

 

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

(...)

 

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

"§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

 

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 58 AsylG 2005, Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln, wird wie folgt normiert:

 

"§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

 

(...)."

 

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

 

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

 

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

 

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

 

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

 

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

 

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

 

(...),

 

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, (...).

 

3.4.2. Es liegen im gegenständlichen Fall keine Umstände vor, dass den BF von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich auch in der Beschwerde jeweils nichts dazu dargetan.

 

3.4.3. Im Zuge einer Interessensabwägung muss nunmehr geprüft werden, ob im vorliegenden Fall die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gerechtfertigt ist:

 

Bei der vorzunehmenden Interessensabwägung ist zwar nicht ausschlaggebend, ob der Aufenthalt des Fremden zumindest vorübergehend rechtmäßig war (EGMR 16.09.2004, Ghiban / BRD; 07.10.2004, Dragan / BRD; 16.06.2005, Sisojeva u.a. / LV), bei der Abwägung jedoch in Betracht zu ziehen (vgl. VfGH 17.03.2005, G 78/04; EGMR 08.04.2008, Nnyazi / GB). Eine langjährige Integration ist etwa zu relativieren, wenn der Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten, insbesondere etwa die Vortäuschung eines Asylgrundes (vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169), zurückzuführen ist (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168). Darüber hinaus sind auch noch Faktoren wie etwa Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, sowie der Grad der Integration welcher sich durch Intensität der Bindungen zu Verwandten und Freunden, Selbsterhaltungsfähigkeit, Schulausbildung bzw. Berufsausbildung, Teilnahme am sozialen Leben, Beschäftigung manifestiert, aber auch die Bindungen zum Herkunftsstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (VfGH 29.09.2007, B1150/07 unter Hinweis und Zitierung der EGMR-Judikatur).

 

Im gegenständlichen Fall haben die BF im Bundesgebiet keine Familienangehörigen, in ihrem Herkunftsstaat jedoch noch einen Bruder und Schwestern des BF1 und Verwandte der BF2 und BF3 als familiäre Anknüpfungspunkte. Ein im Bundesgebiet bestehendes Familienleben iSv Art. 8 EMRK liegt jedenfalls nicht vor.

 

Fest steht, dass die BF sich seit ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet Ende Mai 2015 aufhalten und seit ihrer Asylantragstellung im Bundesgebiet am 29.05.2015 nur vorläufig aufenthaltsberechtigt sind bzw. seither einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben und während ihres aufrechten Asylverfahrens nie auf ein weiteres Bleiberecht vertrauen durften.

 

Die während ihrer nunmehr mehr als vierjährigen Aufenthaltszeit im Bundesgebiet gesetzten Integrationsschritte bzw. entstandenen privaten Interessen haben daher bei der Interessensabwägung nur sehr wenig Gewicht.

 

Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist zudem jedenfalls dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (vgl. VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes (vgl. VwGH 2.10.1996, 95/21/0169), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich (vgl. VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).

 

Fest steht im gegenständlichen Fall, dass die BF ihrem Asylverfahren ein unglaubwürdiges Fluchtvorbringen erstattet haben. Die BF haben sich ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben folgend ungefähr ein halbes Jahr in der Türkei aufgehalten, bevor sie weitergereist sind, um in Österreich eine bessere Lebenssituation vorzufinden. Mit der sich herausgestellten unberechtigten Asylantragstellung der BF in Österreich wollten die BF sich offenbar ein Bleiberecht in Österreich erschleichen. Dies ist ihnen jedoch nicht gelungen.

 

Zunächst ist anzuführen, dass einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren ohne weitere maßgebliche Umstände nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zukommt (VwGH 15.03.2016, Ra 2016/19/0031 mwN).

 

Der BF1 besuchte nachweislich im Zeitraum von 11.05.2016 bis 29.06.2016 einen Deutschkurs A1, Teil 1, die BF2 hat nachweislich im Dezember 2016 an einer Veranstaltung "Wertedialog" teilgenommen, und der BF3 hat nachweislich im April 2017 das "ÖSD A1" Zertifikat erworben und ein Monat von Juni bis Juli 2017 einen Deutschkurs A2, Teil 2, besucht. Darüberhinausgehende Integrationsschritte haben die BF in Österreich nicht gesetzt.

 

Hinsichtlich der von den BF während ihrer bislang mehr als vierjährigen Aufenthaltsdauer in Österreich erworbenen Deutschkenntnissen und etwaigen Sozialkontakten ist auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 6.11.2009, 2008/18/0720; VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

Zu berücksichtigen ist zudem, dass alle drei BF den Großteil ihres Lebens im Irak verbracht haben und dort noch familiäre und private Anbindung haben.

 

In Gesamtbetrachtung aller individuellen Umstände überwiegen die öffentlichen Interessen und da vor allem das öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens eindeutig die privaten Interessen der BF, weshalb jeweils eine Rückkehrentscheidung zu erlassen war.

 

3.4.4. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Konkrete Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Abschiebung der BF in den Irak gehen aus dem gesamten Akteninhalt und der aktuellen Länderberichtssituation nicht hervor.

 

Fest steht, dass die BF, alle grundsätzlich arbeitsfähig und gesund, in Mossul, ihrer Herkunftsstadt im Irak, noch Familienangehörige bzw. Verwandte haben, die sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr bei ihrer Wiedereingliederung in die irakische Gesellschaft unterstützen können. Da alle drei BF vor ihrer Ausreise einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind - der BF1 als Maler, die BF2 als Kinderbetreuerin, sowohl privat als auch in öffentlicher Einrichtung, und der BF3 als Straßenverkäufer - und die BF mit ihrem Erwerbseinkommen ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten, kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch bei einer Rückkehr der BF - gegebenenfalls mit anfänglicher Unterstützung durch Familienangehörige und Verwandte - von einer alsbaldigen Eingliederung der BF auf dem irakischen Arbeitsmarkt ausgegangen werden, wenn dies auch mit anfänglichen seitens Bezugspersonen der BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit überbrückbarer Hürden verbunden sein mag.

 

3.5. Mit Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

 

Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Gemäß § 55 Abs. 3 FPG kann bei Überwiegen besonderer Umstände die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

 

Da im vorliegenden Fall keine besonderen bei Regelung der persönlichen Verhältnisse der BF zu berücksichtigenden Umstände, die die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführten Gründe überwiegen, feststellbar waren, war gemäß § 55 Abs. 2 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen und die Beschwerde auch insoweit als unbegründet abzuweisen.

 

3.6. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

 

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

 

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

 

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

 

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt. Mit den Beschwerden der BF konnte jedenfalls kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise dargelegt werden.

 

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall unterbleiben, weil das Fluchtvorbringen der BF aufgrund zahlreicher Widersprüche und Ungereimtheiten als unglaubwürdig erachtet wurde und feststellbar war, dass die von den BF vor der belangten Behörde einheitlich vorgebrachte Angst vor dem IS auf der allgemeinen Sicherheitslage und nicht auf einer konkreten Bedrohungssituation begründet ist, auch die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von den BF in einer Verhandlung kein anderes Ergebnis herbeiführen könnte, und aus dem Vorbringen der BF eindeutig hervorgegangen ist, dass die BF noch familiäre Anknüpfungspunkte in Mossul haben, die sie bei einer Rückkehr auffangen und bei der Wiedereingliederung in die irakische Gesellschaft unterstützen könnten.

 

Es konnte die gegenständliche Entscheidung jedenfalls auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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