BVwG W228 2106782-1

BVwGW228 2106782-126.9.2017

ASVG §410
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W228.2106782.1.00

 

Spruch:

W228 2106782-1/8E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael SCHRIEFL, Dr. Anna BUCSICS, Mag. Martin DUHAN und Mag. Karin HAAS als Beisitzer über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1100 Wien, gegen den Bescheid der Paritätischen Schiedskommission vom 20.03.2015, Zl. XXXX , beschlossen:

 

A)

 

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben und der Bescheid vom 20.03.2015 behoben.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Am 20.03.2015 erging folgender Bescheid:

 

"Die Paritätische Schiedskommission für Wien hat durch ihren Vorsitzenden XXXX. sowie den Beisitzern XXXX, Mag XXXX, Dr. XXXX und Mag. XXXX, in der Schiedssache der Antragsteller 1.) Dr. XXXX, Facharzt für Orthopädie, XXXX, 1090 Wien, 2.) XXXX Gruppenpraxis für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. XXXX Dr. XXXX OG., XXXX, 1090 Wien, beide vertreten durch XXXX Rechtsanwälte GmbH, XXXX, 1010 Wien, wider die Antragsgegnerin Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15 — 19, 1100 Wien, wegen Aufhebung einer Verwarnung nach öffentlicher Sitzung wie folgt erkannt

 

1.) Der Antrag des Erstantragstellers, festzustellen, die ad personam Dr. XXXX ausgesprochene Verwarnung vom 3.4.2014 hinsichtlich der unberechtigten Verrechnung von Euro 66.- sei zu Unrecht erfolgt und sei als gegenstandslos aufzuheben, wird zurückgewiesen.

 

2.) Die von der AG gegenüber der Zweitantragstellerin ausgesprochene Verwarnung vom 12.5.2014 wird als rechtsunwirksam aufgehoben

 

Begründung:

 

Der Erstantragsteller (kurz 1.Ast) ist alleinvetretungsberechtigter Gesellschafter der Zweitantragstellerin (kurz 2.Ast). Mit dieser besteht ein Gruppenpraxeneinzelvertrag. In einem amikalen Gespräch vom 3.4.2014, zu dem die 2.Ast geladen wurde, wurde dem 1.Ast, der als Gesellschafter und Vertreter der 2.Ast teilnahm vorgeworfen, dass er bei folgenden Testpatienten folgende Honorarpositionen nicht erbracht, diese aber dennoch von der Gruppenpraxis verrechnet worden seien: XXXX Pos. 825; XXXX Pos 825; XXXX Pos 825, Pos 814; XXXX Pos 825; XXXX Pos 814. Er hätte daher im 4. Quartal 2013 zu Unrecht Euro 66.- verrechnet. Nicht die Form der Dokumentation oder die medizinische Qualität sondern die Erbringung der Leistung werde von der Antragsgegnerin (kurz AG) bestritten. Andere Positionen wurden von der AG nicht ausdrücklich als bestritten erwähnt. Es wurde sogar außer Streit gestellt" dass die Verwarnung ausschließlich wegen der aktenkundigen fünf Patienten ausgesprochen wurde und nur die dort angeführten Honorarpositionen betrifft. Seitens der AG, für die Herr XXXX agierte wurde als Voraussetzung für die weitere Zusammenarbeit folgendes gefordert: Zukünftig wird nur das abgerechnet, was auch gemacht wurde. Die Dokumentation entspricht den Tatsachen. Das für die fünf genannten Patienten ungerechtfertigt bezogene Honorar für die Positionen 825 und 814 in Höhe von insgesamt Euro 66.- wird in Abzug gebracht. Diesbezüglich wird Herrn Dr. XXXX seitens der AG eine Verwarnung ausgesprochen. Die Verwarnung war nach Ansicht der AG deshalb Erfordernis, weil ohne Verwarnung die AG im Wiederholungsfall auf Grund der vertragsrechtlichen Bestimmungen keine Handhabe hätte. Da die 2. Ast zum amikalen Gespräch geladen war, nur diese Einzelvertragspartner war, Dr. XXXX als alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter teilnahm, mit dem kein Einzelvertrag bestand, die schriftliche Verwarnung vom 12.5.2014 an die Gruppenpraxis gerichtet war, ist davon auszugehen, dass auch die in der Sitzung vom 3.4.2014 gegen Dr. XXXX ad personam ausgesprochene Verwarnung nur an ihn als Vertreter der 2. Ast ausgesprochen worden ist, mag dies auch missverständlich formuliert sein. Dafür spricht, dass die AG nicht Vertragspartner des 1. Ast war und ihn daher auch nicht aus dem Vertragsverhältnis verwarnen konnte. Der Antrag des 1. Ast war daher zurückzuweisen, da die Verwarnung nicht mit seinem bestehenden Einzelvertrag, den er nicht hat, in rechtlichem oder tatsächlichen Zusammenhang steht.

 

Mit dem an die 2. Ast gerichteten Schreiben vom 12.5.2014 erklärte die AG die am 3.4.2014 ausgesprochene Verwarnung wegen der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen sowie einer nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechenden ärztlichen Dokumentation unverändert ausdrücklich aufrecht zu erhalten und verwies auf die im Gespräch am 3.4.2014 ausführlich besprochenen Fälle. Das bedeutet, dass diese schriftliche Verwarnung durch die mündlich ausgesprochene Verwarnung wegen der fünf Testpatienten und der vorgenannten Positionen konkretisiert ist und nicht darüber hinausgeht.

 

Die im Schriftsatz vom 7.1.2015 vertretene, der Außerstreitstellung widersprechende Meinung der AG, dass die Verwarnung sich nicht nur auf die oben angeführten Patienten und Positionen bezog, sondern ganz allgemein die Abrechnung nicht erbrachter Leistungen in ihrer Gesamtheit sowie die nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende ärztliche Dokumentation umfasst und daher auch andere bisher nicht erwähnte nicht hinreichend erbrachte Positionen umfasst (wie Pos 90 oder 819) ist durch das Sitzungsprotokoll nicht gedeckt und daher aktenwidrig. Die Angabe des Zeugen XXXX, dass auch eine Verwarnung wegen der Position 90 erfolgt sei und wegen aller nicht erbrachter Leistungen widerspricht nicht nur dem Sitzungsprotokoll vom 3.4.2014 sondern auch der Aussage des 1. Ast und war daher nicht den Feststellungen zugrunde zu legen. Außerdem wäre eine so allgemein gehaltene Verwarnung wertlos, weil ohne Substrat und würde nicht dem Sinn einer Verwarnung entsprechen, dem Verwarnten die Möglichkeit einzuräumen ein bestimmtes vertragswidriges Verhalten in der Zukunft zu vermeiden und damit einer Vertragskündigung aus dem Wege zu gehen. Die ärztliche Dokumentation ist nur wegen angeblich nicht erbrachter Leistungen gerügt worden und entspricht, wenn die Leistungen als erbracht anzusehen sind den Vorstellungen der AG (S. 3 Schriftsatz vom 28.11.2014).

 

Der 1. Ast hat bei den Patientinnen XXXX, XXXX, XXXX, XXXX, die mit Position 825 verrechenbare Leistung erbracht und zu Recht verrechnet. Er hat auch bei den Patientinnen XXXX und XXXX die mit Position 814 verrechenbare Leistung erbracht und zu Recht verrechnet, auch wenn der vorgeschlagenen Abzug von Euro 66.- für diese Positionen und Patienten akzeptiert wurde und der Gruppenpraxis gegenüber in Abzug gebracht wurde. Der Verwarnung lag daher kein Verstoß des 1. Ast gegen den Gruppenpraxeneinzelvertrag und die Honorarordnung zu Grunde.

 

Die Feststellungen über die Erbringung der von der AG bestrittenen Positionen gründen sich bei den Testpatienten XXXX, XXXX und XXXX ganz eindeutig auf deren Angaben über die Art der Untersuchung durch den 1.Ast und dem Gutachten des Sachverständigen für Orthopädie. Die Durchführung des Sensibilitätstests bei der Patientin XXXX konnte nach dem Gutachten des Sachverständigen durch deren Angaben allein nicht verifiziert werden. Da aber der 1. Ast bei einer im Sitzungssaal anwesenden Zuhörerin demonstrierte, wie er bei dieser Patientin die Sensibilitätsprüfung vorgenommen hatte, der Sachverständige zum Ausdruck brachte, dass mit dieser Demonstration diese Honorarposition als erbracht anzusehen sei und sich dies mit der ärztlichen Dokumentation deckte und überdies der 1. Ast deponierte, dass er alles, was dokumentiert worden sei, auch erbracht habe, waren seine glaubhaften Angaben den Feststellungen zugrunde zu legen. Dazu kommt, dass durch den Sachverständigen erwiesen ist, dass der 1. Ast auch in den anderen Fällen die bestrittene Leistung erbracht hat, so dass den Angaben des 1.Ast erhöhte Glaubwürdigkeit zukommt. Erst nach Durchführung einer Sensibilitätsprüfung durfte die an der Patientin XXXX vorgenommene Manipulation lege artis durchgeführt werden. Da sich kein Anhaltspunkt dafür ergab, dass der 1.Ast seine Leistungen nicht lege artis vornimmt, er ausdrücklich ausführte wie er diese Prüfung vorgenommen hat und die Dokumentation für den 1.Ast spricht, besteht im Zusammenhang mit den bisherigen Ausführungen kein Zweifel an der Vornahme der Sensibilitätsprüfung bei der Patientin XXXX, zumal diese Testpatientin nicht mehr ausschließen konnte, ob nicht doch über Karpaltunneloperationen mit dem 1. Ast gesprochen worden ist, was aber automatisch die Sensibilität der Hand betroffen hätte und dann die Vornahme der Prüfung noch glaubhafter erscheinen ließe. Insgesamt ist somit die Durchführung der Sensibilitätsprüfung bei dieser Patientin erwiesen und wird durch die etwas unsichere Aussage der Zeugin nicht widerlegt.

 

Die mit der Dokumentation und der detaillierten Angabe des 1.Ast übereinstimmende Erbringung der Position 814 bei der Patientin XXXX ist unbedenklich im Zusammenhalt mit den Angaben des Sachverständigen und in Verbindung mit ihrer nicht im Widerspruch zu den Angaben des 1.Ast stehenden Aussage, dass doch über das Hanteltraining gesprochen worden sei und sie sich nur nicht mehr genau erinnern könne. Bei der Patientin XXXX, die Anleitungen für gymnastische Übungen und isometrische Übungen verneinte, waren die Angaben des 1.Ast glaubhafter, dass er entsprechend seiner Dokumentation sie über Krankenheilgymnastik und Rumpfkräftigung sowie isometrische Übungen aufgeklärt hat. Es ist nahezu lebensfremd, dass ein Arzt, der nach dem Beweisverfahren alle verrechneten Leistungen bei den hier aufscheinenden Patienten auch erbracht hat gerade im Falle XXXX die Position 814 nicht geleistet hätte. Die Zeugin kann daher die Angaben des 1. Ast nicht widerlegen.

 

Ausgehend von den Feststellungen, hat der 1. Ast alle verrechneten und bestrittenen Leistungen erbracht, so dass kein Grund vorhanden war ihm Vertragswidrigkeiten vorzuwerfen. Eine Grundlage für eine Verwarnung, deren rechtliche Folge für die Zukunft doch ist, dass im Wiederholungsfall eine Vertragskündigung ausgesprochen werden könnte, fehlt. Es geht nicht um die Beseitigung der bloßen Tatsache der Verwarnung, sondern um die Verhinderung der rechtlichen Folgen derselben für die Zukunft, wenn die Verwarnung zu Unrecht ausgesprochen worden ist. Ein rechtliches Interesse der 2. AST an der Behebung der Verwarnung ist daher zu bejahen. Es liegt somit eine in die Zuständigkeit der paritätischen Schiedskommission liegende Streitigkeit aus dem Einzelvertrag vor.

 

Soweit der Beisitzer Dr. XXXX auch bei dem amikalen Gespräch am 3.4.2014 als Fachgruppenobmann teilnahm und auch seine Ansichten dort einbrachte und zum Ausdruck brachte, dass er als Standesvertreter dem Arztkollegen und dessen Ausführungen mehr glaubt, kann daraus eine Befangenheit dieses mit dem 1.Ast nicht befreundeten Beisitzers nicht abgeleitet werden. Er stützte diese Aussage lediglich darauf, dass die ihm damals vorliegenden Dokumentationen des 1. Ast plausibel und nachvollziehbar erschienen. Er gab ausdrücklich an, dass er ausschließlich nach den im Verfahren sich ergebenden Beweisergebnissen ausgehen werde. Es ergibt sich sohin kein Anhaltspunkt, dass er sich von anderen als objektiven Gesichtspunkten bei seiner Abstimmung werde leiten lassen. Befangenheit ist daher nicht anzunehmen."

 

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 15.04.2015 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und bekämpfte den Bescheid soweit hier relevant mit folgenden Ausführungen: "Der Bescheid wird sowohl wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie der Beweiswürdigung als auch wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten. Die Beschwerde richtet sich nicht gegen Punkt 1.) des Spruches (XXXX), sondern ausdrücklich und vollumfänglich gegen Punkt 2.).

 

[ ] Befangenheit:

 

Die belangte Behörde gelangt in dem Bescheid XXXX zu der Auffassung, dass eine Befangenheit des Beisitzers Dr. XXXX aus der Tatsache, dass er als Fachgruppenobmann bei der amikalen Aussprache am 03.04.2014 teilnahm und dort zum Ausdruck brachte, dass er seinem Arztkollegen und dessen Ausführungen mehr glaubt, nicht abgeleitet werden kann.

 

Entgegen dieser Annahme ist in subjektiver Hinsicht eine Befangenheit oder Ausgeschlossenheit eines Richters nach § 7 Abs 1 Z 3 AVG dann anzunehmen, wenn er vor der Verhandlung etwa durch Äußerungen zu erkennen gibt, dass er sich in der Sache bereits auf eine Entscheidung festgelegt hat. Weiters ist der Anschein der Befangenheit gegeben, wenn sich ein Mitglied eines Gerichts außerhalb der Verhandlung mit einer Partei auf eine sachverhaltsbezogene Erörterung einlässt. (vgl. VwGH 24.04.2014, 2013/09/0049).

 

Nach herrschender Judikatur ist bei der Beurteilung der Befangenheit ein strenger Maßstab anzulegen; der Anschein der Voreingenommenheit genügt.

 

Der Ansicht des VfGH und EGMR nach, ist bei der Beurteilung der Fairness eines Verfahrens auch der äußere Anschein von Bedeutung, denn Recht muss nicht nur gesprochen werden, sondern es hat auch augenscheinlich zu sein, dass Recht gesprochen wird (vgl. VfGH 26.06.2009, B 2401/07).

 

Da Dr. XXXX sowohl als Beisitzer am gesamten Schiedsverfahren (einschließlich der Entscheidung der Kommission), als auch im vertraglichen Vorverfahren mitwirkte, bestehen Bedenken gegen die sachliche Richtigkeit des angefochtenen Bescheides.

 

Konkret kann aufgrund des Umstandes, dass Dr. XXXX bereits in der amikalen Aussprache am 03.04.2014 nicht nur seine fachliche sondern auch persönliche Meinung zu dem antragsgegenständlichen Fall geäußert hat (beispielsweise dass ihn die Argumentation der Beschwerdeführerin nicht überzeugt und eine Verwarnung nicht akzeptiert wird!) kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kommission in veränderter Zusammensetzung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass das Stimmverhalten anderer Mitglieder der Kommission durch die Mitwirkung des befangenen Beisitzers an der Meinungsbildung beeinflusst wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG (2. Ausgabe 2014) § 7 Rz 23-24). [ ]"

 

Am 04.05.2015 langte die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten beim Bundesverwaltungsgericht ein.

 

Am 04.07.2017 übermittelte die nunmehr zuständige Gerichtsabteilung W228 der belangten Behörde und dem Rechtsvertreter der mitbeteiligten Partei XXXX Gruppenpraxis für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. XXXX Dr. XXXX OG. die Beschwerde zur Stellungnahme.

 

Am 14.07.2017 langte folgende, soweit hier relevant wiedergegebene, Stellungnahme der belangten Behörde beim Bundesverwaltungsgericht ein:

 

"Die gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor.

 

Auch wenn die Beschwerdeführerin behauptet, dass der Beisitzer Dr. XXXX im "vertraglichen Vorverfahren", sie meint offenbar das amikale Gespräch, das aber nicht mit einem in § 36 des Mustergesamtvertrages genannten Schlichtungsausschuss vergleichbar ist, mitgewirkt hat, so übersieht sie, dass eine Vorentscheidung eines Schlichtungsausschusses nicht erging und daher die im amikalen Gespräch geäußerte persönliche Meinung des Dr. XXXX als Fachgruppenobmann, dass er als Standesvertreter dem Arztkollegen und dessen Ausführungen in seinen Dokumentationen, die ihm plausibel und nachvollziehbar erschienen, mehr glaubt, nicht in einer Entscheidung manifestiert wurde. Bei einer fehlenden persönlichen Beziehung zu Dr. XXXX verwirklichte seine damalige Äußerung nur seine damalige durch die Ausführungen und Dokumentationen offenbar gedeckte persönliche Meinung. Dies ist aber in einem späteren Verfahren vor der paritätischen Schiedskommission kein objektiver konkreter Umstand an der Objektivität des Beisitzers zu zweifeln und den Anschein der Parteilichkeit zu erwecken (VwGH vom 27.4.2017, Ra 2015/07/0117). Erst in diesem Verfahren lagen alle Beweismittel und Beweisergebnisse vor, von denen der Beisitzer, wie er glaubhaft angab bei seiner Entscheidung bei der Abstimmung im Senat ausging. Die hypothetische Möglichkeit einer Befangenheit reicht nicht. [ ]"

 

Am 19.07.2017 langte folgende, soweit hier relevant wiedergegebene, Stellungnahme des Rechtsvertreters der mitbeteiligten Partei beim Bundesverwaltungsgericht ein: "[ ] Angebliche Befangenheit des Beisitzers Dr. XXXX

 

Die von der Beschwerdeführerin angeführte Befangenheit des Beisitzers Dr. XXXX besteht gegenständlich nicht, auch wenn dieser bereits in der amikalen Aussprache am 3.4.2014 anwesend war und dabei auch seine im Rahmen der Aussprache am 3.4.2014 gewonnenen persönlichen Meinung in diesem Gespräch zum Ausdruck gebracht hat.

 

Dr. XXXX hat — befragt zu seiner Befangenheit — ausdrücklich bestätigt, dass er lediglich als Fachgruppenobmann der bei der Ärztekammer für Wien eingerichteten Fachgruppe für Orthopädie und orthopädische Chirurgie bei dem amikalen Gespräch anwesend gewesen ist und mit der hg. beteiligten Partei Dr. XXXX weder befreundet noch verwandt oder verschwägert ist. Dr. XXXX hat auch erklärt, wie er zu seinen Aussagen in dem Gesprächsprotokoll über die amikale Aussprache gekommen ist — er hat ausgeführt, dass dann, wenn die Dokumentation des Arztes plausibel und nachvollziehbar erscheint, wie im Rahmen des amikalen Gesprächs, er diese auch als richtig ansieht.

 

Weiters hat Dr. XXXX ausdrücklich ausgeführt, dass er bei Einvernahme der beantragten Zeugen selbstverständlich diese Aussagen entsprechend berücksichtigen und würdigen wird und nicht ausschließlich aufgrund der ärztlichen Dokumentation entscheiden wird. Dr. XXXX selbst hat seine Voreingenommenheit ausdrücklich verneint. Auch im Bescheid vom 20.3.2015 wird ausdrücklich argumentiert, dass eine Befangenheit von Dr. XXXX nicht angenommen wurde, insbesondere deshalb, da dieser ausdrücklich angeführt hat, dass er ausschließlich nach den im Verfahren sich ergebenden Beweisergebnissen ausgehen wird und daher auch keine Anhaltspunkte bestanden, die an einer objektiven Abstimmung seinerseits zweifeln lassen würden.

 

Die Entscheidung der Paritätischen Schiedskommission findet im Übrigen auch Deckung in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. So wurde bspw eine Befangenheit nach § 7 AVG verneint, selbst wenn das Verwaltungsverfahren aufgrund der Anzeige des betreffenden Organwalters eingeleitet wurde oder sich die Partei über den konkreten Organwalter beschwert hat oder diesen angezeigt hat oder mit einem Amtshaftungsverfahren gedroht hat (VwGH 29.11.2000, 98/09/0204; 28.9.2000, 99/09/0079; 23.10.2007, 2006/12/0083; 31.10.1991, 90/16/0227; Hengstschläger/Leeb, Allgemeines Verwaltungsgesetz, § 7 Rz 15 mwN). Aus der ständigen Rechtsprechung ergibt sich eindeutig, dass allgemein dann nicht von einer Befangenheit ausgegangen werden kann, wenn eine rechtmäßig ausgeübte amtliche Tätigkeit durchgeführt wird, wie etwa zB das ein Organwalter schon in einem anderen Verfahren derselben Partei der Strafbehörde entschieden hat oder über die Partei eine Ordnungsstrafe verhängt hat. Auch das Vertreten einer zur früheren Rechtsauffassung gegenteiligen Rechtsmeinung oder selbst Rechts-verletzung allein geben kein Indiz für das Vorliegen einer Befangenheit (VwGH 24.11.1981, 81/05/0106; 29.3.2007, 2004/07/0028; VwSlg 8783A/1975). Auch der Umstand, dass in einem fortgesetzten Verfahren dieselben Organwalter tätig werden wie im vorangegangenen Verwaltungsverfahren oder ein Organwalter an der Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides mitgewirkt hat oder über die Wiederaufnahme entschieden hat, stellt einen ausreichenden Grund dar, um die Unbefangenheit der betreffenden Personen in Zweifel zu ziehen (VwGH 31.3.2000, 99/02/0101; VwGH 7.9.2003, 2000/03/0369). Lediglich dann, wenn der Organwalter zu er-kennen gibt, dass er seine Ansicht nicht überprüfen oder gegebenenfalls ändern würde, dann kann dieser Umstand Befangenheit begründen (VwGH 4.3.2008, 2006/19/0409; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 7 Rz 15).

 

Vor dem Hintergrund der oben zitierten Rechtsprechung ist daher die Paritätische Schiedskommission vollkommen zu Recht davon ausgegangen, dass keine Befangenheit beim Beisitzer Dr. XXXX bestanden hat. Dies insbesondere deshalb, da Dr. XXXX ausdrücklich bestätigt hat, sämtliche Beweise im Rahmen des Verfahrens entsprechend sachlich zu berück-sichtigen. Wenn daher nach ständiger Rechtsprechung tatsächlich Organwalter, die an vorangegangenen Verwaltungsverfahren bzw Erlassung von Bescheiden mitgewirkt haben bzw gegen die Strafanzeige erstattet wurde, nicht als befangen gelten, dann umso weniger ein Beisitzer im Rahmen der Paritätischen Schiedskommission, der in Ausübung seiner Funktion als Fachgruppenobmann einem Mitglied der Wiener Ärztekammer im Rahmen einer amikalen Aussprache mit der Gebietskrankenkasse fachlich unterstützend beigestanden ist und ausdrücklich bestätigt hat, dass er sämtliche im Verfahren aufkommenden Beweise gleichermaßen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen wird. Dr. XXXX hat durch kein Verhalten im Rahmen der Verhandlung Zweifel an seiner Unbefangenheit aufkommen lassen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung haben Verwaltungsorgane ihre Befangenheit von Amt wegen wahrzunehmen, die Parteien können dies zwar entsprechend rügen, gemäß § 7 ArbVG besteht jedoch kein entsprechendes Antrags- oder Ablehnungsrecht (Hengstschläger/Leeb, § 7 Rz 17). Auch die sonstigen formalrechtlichen Vorgaben sind erfüllt, da sich die Paritätische Schiedskommission in ihrem Bescheid vom 20.3.2015 ausdrücklich mit der geltend gemachten Befangenheit auseinandersetzt und dies verneint.

 

Im Übrigen ist eine allfällige Befangenheit nur dann von Relevanz, wenn aufgrund dessen Bedenken gegen die sachliche Richtigkeit des Bescheides bestehen (ua VwGH 26.2.1010, 2009/02/0297; 27.4.2015, Ra 2015/11/0011). Weiters wird der Verfahrensmangel, der sich aus der Mitwirkung eines befangenen Organwalters an der Erlassung der unterinstanzlichen Entscheidung ergibt, schon durch die ausreichend begründete Sachentscheidung der unbefangenen Berufungsbehörde saniert (VwGH 18.3.2011, 2011/05/0010). Diese Überlegungen sind auf das Verhältnis Verwaltungsbehörde-Verwaltungsgericht seit der Verwaltungsgerichtsbarkeit-Novelle 2012 zu übertragen. Die Befangenheit eines Mitglieds der Verwaltungsbehörde hat keine Relevanz, weil gemäß § 28 Abs 2 VwGVG das Verwaltungsgericht grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat. Seine Entscheidung tritt an die Stelle des bei ihm bekämpften Bescheides (VwGH 19.4.2016, Ra 2016/12/0019). Das Verwaltungsgericht kann die gesetzten Amtshand-lungen wiederholen und ergänzen und daher die Befangenheit der Verwaltungsbehörde sanieren. Eine Zurückverweisung widerspricht im vorliegenden Fall dem Interesse der Raschheit und Kostenersparnis (vgl zur restriktiven Judikatur: VwGH 30.3.2017, Ro 2015/03/0036). Gegenständlich bestehen jedoch keine Bedenken an der sachlichen Richtigkeit des Bescheides, wie unter Punkt 2. ausgeführt werden wird.

 

Die gegenständliche gerügte Befangenheit des Beisitzers Dr. XXXX liegt daher nicht vor bzw ist nicht relevant. [ ]"

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Im Protokoll des amikalen Gesprächs vom 03.04.2014 sind Dr. XXXX folgende Ausführungen zugeordnet: "[ ] Hr. Dr. XXXX bringt eine Studie des Instituts für Kommunikationswissenschaften aufs Tapet, wonach sich die Patienten wenige Sekunden nach einer Testung an diverse Fragen nicht erinnern konnten. Als Standesvertreter glaubt er den Ausführungen seines Kollegen mehr. Unumstritten ist für ihn, dass die Position 825 wenn sie abgerechnet wird, auch gemacht werden muss. [ ] Hr. Dr. XXXX gibt dazu an, ihn hätte die Argumentation der WGKK nicht überzeugt, dass seitens des Hrn. Dr. XXXX Fehler gemacht wurden. Er versteht zwar in gewisser Art und Weise wie es zu den Wahrnehmungen der WGKK gekommen ist und dies wird seitens des Vertragspartners mit Sicherheit auch zur Kenntnis genommen. Eine Verwarnung wird jedenfalls nicht akzeptiert. [ ]"

 

Dr. XXXX wurde als Beisitzer für das Verfahren der belangten Behörde nominiert und partizipierte in der Folge an den Verhandlungen am 21.10.2014, am 16.12.2014, am 09.02.2015 und am 10.03.2015 sowie an der Entscheidungsfindung der Paritätischen Schiedskommission im gegenständlichen Fall.

 

Dem Verhandlungsprotokoll vom 21.10.2014 ist folgender Text zu entnehmen: "[ ] Beisitzer Dr. XXXX – ich war lediglich als Fachgruppenobmann bei dem amikalen Gespräch anwesend, bin mit Dr. XXXX nicht befreundet oder noch verwandt oder verschwägert. Wenn die Dokumentationen des Arztes wie im vorliegenden Fall für mich plausibel und nachvollziehbar erscheinen. Die Nachvollziehbarkeit ergab sich für mich aus der Patientenkartei, aus der ausführlichen Dokumentation des Dr. XXXX. Wenn die im Akt aufscheinenden Zeugen vernommen werden, dann gehe ich selbstverständlich auch von ihren Aussagen aus und entscheide nicht ausschließlich aufgrund der Dokumentation. In dem Sinn ist meine Angabe, dass ich Dr. XXXX mehr Glauben schenke aufzufassen. Voreingenommen bin ich nicht. [ ]"

 

Im amikalen Gespräch vom 03.04.2014 ging es um dieselben Angelegenheiten, die nunmehr den Verfahrensgegenstand bilden.

 

Dr. XXXX hat am amikalen Gespräch vom 03.04.2014 in seiner Funktion als Fachgruppenobmann teilgenommen.

 

Es wird die Befangenheit des Dr. XXXX festgestellt.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen zum amikalen Gespräch, zur Bestellung als Beisitzer, zu den Verhandlungsteilnahmen und zur Entscheidungsfindung der belangten Behörde ergeben sich aus den Unterlagen in den Verwaltungsakten, insbesondere den Protokollen und dem verfahrensgegenständlichen Bescheid. Der zweite Satz im Verhandlungsprotokoll vom 21.10.2014 ist dort so unvollständig, wie hier wiedergegeben.

 

Die Feststellung, dass Dr. XXXX am amikalen Gespräch vom 03.04.2014 in seiner Funktion als Fachgruppenobmann teilgenommen hat, ergibt sich aus seiner Aussage am 21.10.2014: "ich war lediglich als Fachgruppenobmann bei dem amikalen Gespräch anwesend".

 

Die Feststellung der Befangenheit ergibt sich aus den Aussagen "Als Standesvertreter glaubt er den Ausführungen seines Kollegen mehr" sowie "Eine Verwarnung wird jedenfalls nicht akzeptiert." Diese Aussagen sind unumstößlich formuliert und wurden im Rahmen des amikalen Gesprächs in der Eigenschaft als Fachgruppenobmann geäußert und zwar in denselben Angelegenheiten, die nunmehr den Verfahrensgegenstand bilden. Die Ausführungen im Verhandlungsprotokoll vom 21.10.2014 vermochten diese Unumstößlichkeit nicht vollends zu relativieren, da auf die "Nichtakzeptanz einer Verwarnung" gar nicht eingegangen wurde.

 

Eine Zurücklegung seiner Funktion als Fachgruppenobmann und Standesvertreter zwischen amikalem Gespräch und den späteren Verhandlungen wurde weder behauptet noch belegt.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

§ 347b Abs. 2 ASVG bestimmt, dass im Falle von Beschwerden gegen Bescheide der Paritätischen Schiedskommissionen Versicherungsvertreter / Versicherungsvertreterinnen und Arbeitnehmer / Arbeitnehmerinnen jenes Versicherungsträgers sowie Angehörige und Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen jener Ärztekammer, die Vertragsparteien des Gesamtvertrages sind, auf dem ein streitgegenständlicher Einzelvertrag beruht, im jeweiligen Verfahren nicht Laienrichter/Laienrichterin sein dürfen; das Gleiche gilt für Personen, die bei der Erarbeitung der Richtlinie nach § 347 Abs. 5 mitgewirkt haben, wenn in einem Verfahren die Richtlinie anzuwenden ist.

 

Im vorliegenden Fall liegt demnach Senatszuständigkeit vor.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes – AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

 

Zu A) Behebung des verfahrensgegenständlichen Bescheides und Zurückverweisung zur Neudurchführung des Verfahrens

 

Soweit die Stellungnahme der belangten Behörde auf die Entscheidung VwGH vom 27.4.2017, Ra 2015/07/0117, verweist, kann diese nicht näher herangezogen werden, da bei dieser Entscheidung die Befangenheit eines Amtssachverständigen das Thema war, im verfahrensgegenständlichen Fall geht es jedoch um die Befangenheit des Beisitzers. Außerdem hat sich die Behörde im referenzierten VwGH Fall nicht mit der Befangenheit des Amtssachverständigen auseinandergesetzt, die belangte Behörde hat dies hingegen im verfahrensgegenständlichen Bescheid durchaus getan.

 

Die Stellungnahme der belangten Behörde weist darauf hin, dass eine Vorentscheidung eines Schlichtungsausschusses nicht stattgefunden hat. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Beisitzer in seiner Funktion als Fachgruppenobmann sich mit der nunmehr verfahrensgegenständlichen Sache schon beschäftigte und seine Meinung in einer unumstößlich wirkenden Form formulierte.

 

Schon der Satz "Als Standesvertreter glaubt er den Ausführungen seines Kollegen mehr" führt dazu, dass eine mentale Reservierung solange anzunehmen ist, solange der Beisitzer Standesvertreter ist. Eine Zurücklegung seiner Funktion wurde weder behauptet noch belegt.

 

Auch der Satz "Eine Verwarnung wird jedenfalls nicht akzeptiert" stellt eine Mentalreservation dar.

 

Daran ändert auch seine Aussage im Verhandlungsprotokoll nichts mehr, da eine auf eine bestimmte Sachverhaltskonstellation mit einem bestimmten Betroffenen aufgebaute Mentalreservation eines Beisitzers in seiner Standesverteterfunktion nicht einfach durch die gegenteilige Aussage ablegbar ist.

 

Der Verweis der mitbeteiligten Partei auf Entscheidungen des VwGH betreffend die Konstellation der Einleitung des Verwaltungsverfahrens aufgrund der Anzeige durch einen Organwalter respektive einer Partei, die sich über den konkreten Organwalter beschwert hat, ist nicht mit der verfahrensgegenständlichen Konstellation vergleichbar. Auch geht es verfahrensgegenständlich nicht um eine frühere Rechtsmeinung, die plötzlich geändert wurde, sondern geht es um die psychologische Reservation des Beisitzers, der aktiv geworden ist. Auch liegt weder ein fortgesetztes Verfahren oder ein Wiederaufnahmeantrag vor.

 

Generell ist daher auf die Ausführungen der mitbeteiligten Partei auch insofern einzugehen, dass hier zur allgemeinen Funktion des Beisitzers als Standesvertreter und Fachgruppenobmann, welche an sich ja keinen Befangenheitsgrund darstellt – sonst wären ja alle Laienrichter an sich aufgrund Ihrer Entsendung durch Interessenvertretungen befangen –, Eigenschaften hinzugetreten sind, die die Befangenheit bewirken, nämlich die mehrfache Kundgabe seiner unumstößlich formulierten Meinung in Angelegenheiten im amikalen Gespräch, die später zum Verfahrensgegenstand wurden, und er an diesem Verfahren in der Folge als Beisitzer auch mitwirkte. Als Beisitzer sollte er frei von vorgefassten Meinungen sein, was durch die vorherige Befassung als Fachgruppenobmann konkret mit dem Fall jedoch ausgeschlossen ist.

 

Durch die Teilnahme an den Verhandlungen und Mitentscheidung im Rahmen des verfahrensgegenständlichen Bescheids durch den befangenen Dr. XXXX ist das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. Der Entscheidung des VfGH vom 11.03.1979, B 179/58, ist zu entnehmen:

"Wenn aber die genannten Mitglieder aus den im Protokoll angegebenen Gründen tatsächlich nicht zur Stimmabgabe berechtigt gewesen wären, so hätten sie nicht der Verhandlung zugezogen werden dürfen. Die Teilnahme von nicht stimmberechtigten Mitgliedern an einer Verhandlung einer Behörde ist rechtswidrig." Schon daraus ist erkennbar, dass die Teilnahme des befangenen Dr. XXXX eine Rechtsverletzung darstellt.

 

Diese muss sich, wie die mitbeteiligte Partei richtigerweise ausführt, auswirken. Durch die dargestellte Mentalreservation hätte es konkret zu einem anderen Abstimmungsverhalten des Dr. XXXX und somit auch zu einem anderen Ergebnis kommen können, womit die Auswirkung im gegenständlichen Fall durch den erkennenden Senat begründet wird.

 

Der Bescheid der belangten Behörde ist daher wegen Befangenheit eines Beisitzers zu beheben und die Angelegenheit zwecks Neudurchführung des Verfahrens zurückzuverweisen.

 

Zu B) Zulässigkeit der Revision

 

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

 

Die mitbeteiligte Partei macht geltend, dass gemäß Entscheidung des VwGH vom 18.03.2011, Zl. 2011/05/0010, eine ausreichend begründete Sachentscheidung der Berufungsbehörde einen Verfahrensmangel aus der Mitwirkung eines befangenen Organwalters im unterinstanzlichen Verfahren saniert. In diesem Verfahren entschied unterinstanzlich eine monokratische Verwaltungsbehörde. Weiters verweist die mitbeteiligte Partei auf den bescheidersetzenden Charakter der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes (VwGH 19.04.2016, Ra 2016/12/0019). Dabei verweist die mitbeteiligte Partei auch auf die restriktive Handhabung der Zurückverweisungsmöglichkeit der Verwaltungsgerichte durch den VwGH.

 

Auch konnte der erkennende Senat die Entscheidung des VwGH vom 21.12.2016, Ra 2016/12/0056 mit folgendem Rechtssatz recherchieren:

"Eine allfällige Befangenheit der Bescheidapprobantin begründet grundsätzlich bloß ein mangelhaftes Verwaltungsverfahren, wobei dieser Verfahrensmangel erforderlichenfalls durch Verfahrensschritte des - mit umfassender Kognitionsbefugnis ausgestatteten - unbefangenen VwG sanierbar ist (vgl. E 29. April 2015, Ro 2015/05/0007). Die Rechtsprechung des VwGH zur Rechtslage vor Einrichtung der VwG, wonach die Mitwirkung eines befangenen Organes bei der Entscheidung einer erstinstanzlichen Verwaltungsbehörde durch eine unbefangene Berufungsentscheidung gegenstandslos wird (vgl. E 27. September 2007, 2007/07/0004), ist jedenfalls in einer Fallkonstellation, in welcher das VwG einen im gebundenen Bereich ergangenen Bescheid einer monokratischen Verwaltungsbehörde zu überprüfen hat, mit der Maßgabe zu übertragen, dass die Entscheidung des unbefangenen VwG "in der Sache" jene der Verwaltungsbehörde gegenstandslos macht."

 

Es konnte jedoch keine Judikatur des VwGH aufgefunden werden, wie im Fall einer nicht-monokratischen Verwaltungsbehörde vorzugehen ist. Schon deshalb ist die Revision zulässig.

 

Weiters ist das durch den VfGH zu gewährleistende Recht auf den gesetzlichen Richter zu beachten. Die Entscheidung des VfGH aus dem Jahre 1979 ist aus Sicht des erkennenden Senates nach wie vor auf Verwaltungsbehörden anzuwenden, die durch einen Senat entscheiden, und somit ist die eingeschränkte Zurückverweisungsmöglichkeit im gegenständlichen Fall einer Befangenheit eines Beisitzers in verfassungskonformer Weise anzuwenden.

 

Die Argumentation der mitbeteiligten Partei bezüglich Raschheit und Kostengünstigkeit übersieht, dass zuvorderst die Rechtmäßigkeit zu stehen hat. Ist eine Entscheidung der belangten Behörde in Senatsform in nicht gehöriger Zusammensetzung erfolgt, so ist dies mit einer Entscheidung einer unzuständigen Behörde gleichzusetzen. Die Entscheidung einer unzuständigen Behörde kann aber ebenso nicht durch das Verwaltungsgericht ersetzt werden.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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