Normen
AVG §7 Abs1 Z3;
MRK Art6 Abs1;
MRK Art6;
VStG §24;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung für schuldig erkannt, sie habe es als Gewerbeinhaberin der Firma R e.U. (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) mit Sitz in T. zu verantworten, dass sie als Arbeitgeberin zumindest vom 14. Juli 2009 bis zum 21. Juli 2009 vier namentlich genannte ungarische Staatsangehörige beschäftigt habe, obwohl für diese Ausländer keine der im Einzelnen aufgezählten, in § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) angeführten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof).
Die Beschwerdeführerin habe dadurch vier Übertretungen gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG begangen. Die belangte Behörde verhängte über die Beschwerdeführerin vier Geldstrafen in der Höhe von EUR 2.000,-- und vier Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 72 Stunden, verpflichtete die Beschwerdeführerin zum Ersatz der Verfahrenskosten und wies einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Ablehnung des erkennenden Mitglieds des unabhängigen Verwaltungssenates zurück.
Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen damit, dass die vier Arbeitskräfte für das Unternehmen der Beschwerdeführerin Dämmplatten an der Außenfassade eines Gebäudes (Vollwärmschutz) gegen Entgelt (15 EUR pro Quadratmeter für vier Personen) angebracht hätten. Jeder der Ausländer habe über einen Gewerbeschein für bestimmte Baugewerbe verfügt. Mit den Ausländern sei ein einziger Werkvertrag abgeschlossen gewesen, in welchem sich die als Unternehmer bezeichneten Arbeitskräfte verpflichtet hätten, einen Versicherungsschutz zu haben und festgelegt gewesen sei, dass das Material vom Auftraggeber oder Bauherrn gestellt werde.
Der Angestellte der Beschwerdeführerin AS habe die Verbindung zu den ausländischen Arbeitskräften hergestellt, und unter dessen Aufsicht hätten die Arbeitskräfte auch gearbeitet, er habe die zu vergebende Arbeiten zugeteilt und mit allen vier Arbeitern die gleiche Entlohnung vereinbart. Die Arbeitskräfte hätten im Arbeitsverbund acht Stunden täglich gearbeitet und gemeinsam EUR 15,-- pro Quadratmeter Isolierung erhalten. Für Schäden durch ihre Arbeit hätten sie insoferne haften müssen, als sie den vereinbarten Lohn nicht ausbezahlt bekommen hätten, weil bei den Arbeiten die Fenster zerkratzt worden seien, und der angerichtete Schaden den Lohn überstiegen habe, sie hätten jedoch einen Vorschuss von EUR 2.000,-- erhalten. Angestellte der Beschwerdeführerin hätten bei der Wirtschaftskammer angefragt, ob eine Meldung bei der Gebietskrankenkasse gemäß ASVG vorzunehmen sei.
Die belangte Behörde habe den gegenständlichen Akt etwa fünf Wochen vor Eintritt der Strafbarkeitsverjährung vorgelegt erhalten und unverzüglich eine Verhandlung ausgeschrieben, deren Termin auf Ersuchen des Vertreters der Beschwerdeführerin verlegt worden sei. Zwei Zeugen sowie die Arbeitskräfte als Zeugen seien zur Verhandlung nicht erschienen und hätten nicht einvernommen werden können, jedoch könne sich die belangte Behörde auf deren in der Verhandlung verlesene Aussagen im vorangegangenen Verwaltungsverfahren stützen.
Die Thematisierung der Zurückziehung der Berufung durch das erkennende Mitglied der belangten Behörde sei im Zusammenhang mit der vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin geschilderten prekären finanziellen Situation der Beschwerdeführerin erfolgt, weil im Fall einer Verurteilung zusätzlich 20 Prozent des Strafbetrages an Kosten des Berufungsverfahrens zu bezahlen seien und nach der Aktenlage eine Deckungsgleichheit des Falles in wesentlichen Punkten mit einem vor der belangten Behörde bereits geführten Parallelverfahren gegeben gewesen sei. Eine Voreingenommenheit oder Befangenheit des erkennenden Mitglieds der belangten Behörde sei nicht gegeben gewesen.
Für das Vorliegen einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG spreche, dass keinem der Ausländer ein abgesondertes Werk zugewiesen worden sei und dass die Ausländer die Arbeiten über Anweisung eines Angestellten der Beschwerdeführerin ausgeführt hätten und von diesem kontrolliert worden seien. Die Leistungen der Arbeitskräfte seien mit den gleichartigen Betriebsergebnissen des Unternehmens der Beschwerdeführerin identisch, das Material sei von deren Firma zur Verfügung gestellt worden, und die Ausländer hätten acht Stunden täglich und fünf Mal pro Woche gearbeitet. Eine am wahren wirtschaftlichen Gehalt orientierte Beurteilung des Sachverhaltes führe zum Schluss, dass die Ausländer wie Arbeitnehmer verwendet worden seien, die behaupteten Subunternehmerverträge stellten sich als Umgehungsversuche der Bestimmungen des AuslBG dar. Die Ausländer seien unter ähnlichen sozialen Bedingungen verwendet worden wie Arbeitnehmer. Die Ausländer seien daher im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG beschäftigt worden.
Der Beschwerdeführerin sei es vor dem Hintergrund des § 5 Abs. 1 VStG nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass sie an der Übertretung kein Verschulden treffe. Als strafmildernd sei die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin und die lange Verfahrensdauer zu werten, in einem Parallelverfahren sei die Beschwerdeführerin allerdings wegen Beschäftigung zweier weiterer Ausländer entgegen dem AuslBG für schuldig erkannt worden.
Dem Berufungsvorbringen, die Bestrafung sei wegen der ab 1. Mai 2011 weggefallenen Strafbarkeit der Beschäftigung von ungarischen Staatsangehörigen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG unzulässig, werde das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. März 2012, B 1003/3/11-7, entgegen gehalten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde über die vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 21. Februar 2013, B 1008/12-7, abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG sind im gegenständlichen, am 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof schon anhängigen Beschwerdeverfahren die am 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen anzuwenden. Da es sich um eine vor dem 31. Dezember 2013 vom Verfassungsgerichtshof abgetretene Beschwerde handelt, gilt dies auch nach § 8 VwGbk-ÜG. Aus dem Grunde des § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014, ist die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 anzuwenden. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen am 31. Dezember 2013 in Kraft stehende Fassung.
Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil jenes Mitglied des unabhängigen Verwaltungssenates, welches den angefochtenen Bescheid erlassen habe, befangen gewesen sei und sich der Ausübung seines Amtes enthalten hätte müssen. Seine volle Unbefangenheit sei in Zweifel zu ziehen gewesen, weil es in einem Telefonat angefragt habe, ob die Berufung nicht zurückgezogen werde, da die Beschwerdeführerin ja nun bereits zwei Verurteilungen aufgrund zweier weiterer Erkenntnisse desselben Mitglieds der belangten Behörde vom 25. Mai 2012 habe und nicht mehr die Mindeststrafe verhängt werden könne. Das erkennende Mitglied habe damit in vorgreifender Beweiswürdigung zum Ausdruck gebracht, dass es auch im vorliegenden Fall von der Schuld der Beschwerdeführerin ausgehe. Der Akteninhalt sei jedoch nicht deckungsgleich gewesen; so sei ein anderer Zeitraum und eine andere Tätigkeit (hier: Anbringung eines Vollwärmeschutzes, dort: Anbringung eines Daches) gegeben gewesen seien. Auch habe die belangte Behörde die Frist für die Vorbereitung zur Verhandlung entgegen § 51e Abs. 6 VStG verkürzt. Es liege daher der äußere Anschein einer Befangenheit des erkennenden Mitglieds der belangten Behörde vor, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig.
Die belangte Behörde stellt nicht in Abrede, dass das erkennende Mitglied des belangten unabhängigen Verwaltungssenates beim Rechtsvertreter angefragt hat, ob die Berufung nicht zurückgezogen wird. Sie führt in der Gegenschrift hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin angeführten Telefongesprächs mit dem erkennenden Mitglied der belangten Behörde aus, dass dieses Telefongespräch vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ausgegangen sei, dieser habe die Sach- und Rechtslage erörtern wollen. Der Rechtsvertreter habe ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin die anfallenden Strafen nicht begleichen werde können, daraufhin habe das erkennende Mitglied auf den zu zahlenden Verfahrenskostenbeitrag von 20 Prozent einer allenfalls zu verhängenden Strafe hingewiesen und ausgeführt, dass nicht mehr die Mindeststrafe verhängt werden könne. Den Inhalt des Gespräches habe das erkennende Mitglied der belangten Behörde in einem Aktenvermerk festgehalten.
Nach dem gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren und auch für die Mitglieder der unabhängigen Verwaltungssenate geltenden § 7 Abs. 1 Z. 3 AVG haben sich die Verwaltungsorgane - neben den in den Z. 1, 2 und 4 leg. cit. genannten Fällen - der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen.
Für die Beurteilung, ob eine Befangenheit in diesem Sinne vorliegt, ist maßgebend, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller konkreten Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Organwalters zu zweifeln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. März 2012, 2009/10/0167). Im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK ist die Befangenheit eines Mitglieds eines Tribunals in verfassungskonformer Weise dann anzunehmen, wenn einem Organwalter auch nur der äußere Anschein der Unparteilichkeit mangelt (Hengstschläger/Leeb, AVG, 1. Teilband 2004 RZ 14 zu § 7 AVG), die Unparteilichkeit kann in subjektiver und in objektiver Hinsicht betrachtet werden (vgl. zB das Urteil des EGMR vom 15. Dezember 2005, Kyprianou, Zl. 73797/01, par. 118 ff).
In subjektiver Hinsicht ist eine Befangenheit oder Ausgeschlossenheit eines Richters dann anzunehmen, wenn er vor der Verhandlung etwa durch Äußerungen zu erkennen gibt, dass er sich in der Sache bereits auf eine Entscheidung festgelegt hat (vgl. die Urteile des EGMR vom 7. August 1996, Ferrantelli and Santangelo gegen Italien, Reports 1996-III, p. 952, par. 59 f, vom 16. September 1999, Buscemi gegen Italien, Nr. 29569/95, par. 64 ff; vgl. auch vom 28. November 2002, Lavents gegen Lettland, Nr. 58442/00 par. 118 ff).
Wenn das Mitglied eines Tribunals ohne sich auf eine Entscheidung festzulegen und auf neutrale Weise vor der Verhandlung mit einem Parteienvertreter Aspekte einer Rechtssache erörtert, die der Vorbereitung der Verhandlung dienen, so wird dies für sich allein genommen keine Befangenheit oder Ausgeschlossenheit im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 3 AVG iVm Art. 6 Abs. 1 EMRK bedeuten (vgl. das Urteil des OGH zur StPO vom 8. April 2010, 13Os153/09p). Lässt sich jedoch ein Mitglied eines Gerichts oder Tribunals außerhalb der Verhandlung mit einer Partei auf eine sachverhaltsbezogene Erörterung ein oder lässt es den wahrscheinlichen Ausgang des Verfahrens erkennen, so ist der Anschein der Befangenheit gegeben.
Stellt ein zur Entscheidung in der Sache zuständiges Mitglied eines Tribunals vor der Verhandlung an eine Partei die Anfrage, ein Rechtsmittel zurückzuziehen und begründet dies damit, dass Deckungsgleichheit mit einem bereits entschiedenen Fall vorliege und dass nicht die Mindeststrafe verhängt werden könne und andernfalls zusätzliche Kosten anfallen würden, so spricht dies für eine bereits erfolgte Festlegung in der Entscheidung und ist als eine Verhaltensweise zu werten, die einen wichtigen Grund im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 3 AVG darstellt die volle Unbefangenheit des Organs in Zweifel zu ziehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen, in denen wegen der Mitwirkung des Mitglieds eines Tribunals, bei welchem bereits auf Grund des äußeren Anscheins Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Tribunals gemäß § 7 Abs. 1 Z. 3 AVG vor dem Hintergrund des Art. 6 EMRK entstanden, einen Verfahrensmangel erblickt, der gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG zur Aufhebung eines derart erlassenen Bescheides führt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. September 2004, Zl. 2004/07/0075, vom 27. Mai 2009, Zl. 2005/04/0171, und vom 25. März 2010, Zl. 2004/04/0104).
Dies gilt auch im vorliegenden Fall, in welchem der angefochtene Bescheid daher ebenfalls gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG.
Wien, am 24. April 2014
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