VwGH Ro 2018/03/0009

VwGHRo 2018/03/000926.6.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Mag. S K in G, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. März 2017, Zl. W195 2147839- 1/3E, betreffend eine Erledigung des Kollegiums der Volksanwaltschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kollegium der Volksanwaltschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56
AVG §58 Abs1
AVG §58 Abs2
AVG §59 Abs1
B-VG Art102
B-VG Art102 Abs2
B-VG Art130
B-VG Art130 Abs1
B-VG Art130 Abs1 Z1
B-VG Art131 Abs2
B-VG Art142
B-VG Art144 Abs3
B-VG Art148a
B-VG Art148a Abs3
B-VG Art148a Abs6
B-VG Art148d Abs1
B-VG Art148g Abs6
B-VG Art148h
B-VG Art148h Abs1
B-VG Art148h Abs2
B-VG Art148h Abs3
B-VG Art148j
B-VG Art18 Abs1
GO Volksanwaltschaft 2012 §9 Abs1 Z7
OPCAT-DG 2012
Übk gegen Folter grausame und unmenschliche Behandlung 2013
Übk gegen Folter grausame und unmenschliche Behandlung 2013 Art18
Übk gegen Folter grausame und unmenschliche Behandlung 2013 Art19
VolksanwaltschaftsG 1982
VolksanwaltschaftsG 1982 §1 Abs1
VolksanwaltschaftsG 1982 §1 Abs2
VolksanwaltschaftsG 1982 §11
VolksanwaltschaftsG 1982 §11 Abs1
VolksanwaltschaftsG 1982 §11 Abs2
VolksanwaltschaftsG 1982 §12
VolksanwaltschaftsG 1982 §12 Abs1
VolksanwaltschaftsG 1982 §12 Abs3
VolksanwaltschaftsG 1982 §12 Abs4
VolksanwaltschaftsG 1982 §12 Abs4 Z1
VolksanwaltschaftsG 1982 §12 Abs4 Z2
VolksanwaltschaftsG 1982 §12 Abs4 Z3
VolksanwaltschaftsG 1982 §12 Abs6
VolksanwaltschaftsG 1982 §13 Abs1
VolksanwaltschaftsG 1982 §13 Abs2
VolksanwaltschaftsG 1982 §13 Abs3
VolksanwaltschaftsG 1982 §24 Abs2
VolksanwaltschaftsG 1982 §24 Abs3
VolksanwaltschaftsG 1982 §5
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018030009.J00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Gegenstand

1 A. Mit Schreiben des Kollegiums der Volksanwaltschaft vom 8. Juli 2016 wurde die Revisionswerberin als Kommissionsmitglied gemäß § 12 Abs. 4 Z 3 Volksanwaltschaftsgesetz 1982 (VolksanwG) iVm § 19 Abs. 5 und § 20 der Geschäftsordnung der Volksanwaltschaft, ihrer Kommissionen und des Menschenrechtsbeirates (GeO der VA 2012) abberufen. 2 Hierauf erhob die Revisionswerberin Beschwerde bei der Volksanwaltschaft. Diese teilte der Revisionswerberin schriftlich mit, dass die Volksanwaltschaft ein verfassungsrechtlich eingesetztes Kontrollorgan sei, das als Hilfsorgan der Gesetzgebung tätig werde und das Abberufungsschreiben daher kein Akt einer Verwaltungsbehörde sei, gegen welchen Beschwerde erhoben werden könne. Hinsichtlich der Beschwerde der Revisionswerberin würden seitens der Volksanwaltschaft keine weiteren Veranlassungen getroffen werden.

3 Die Revisionswerberin legte daraufhin die Beschwerde selbst dem Verwaltungsgericht Wien mit der Begründung der sinngemäßen Anwendung des § 14 Abs. 2 VwGVG vor und beantragte die beschlussmäßige Feststellung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts.

4 Mit Beschluss vom 10. Februar 2017 leitete das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde der Revisionswerberin gemäß § 17 VwGVG iVm § 6 AVG an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) weiter. Begründend führte das Verwaltungsgericht Wien aus, dass selbst wenn man davon ausgehe, dass das Kollegium der Volksanwaltschaft bei der Abberufung der Kommissionsmitglieder als Verwaltungsbehörde handle, keine Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte der Länder bestehe, da es sich beim Kollegium der Volksanwaltschaft nur um eine Bundesbehörde iSd Art. 131 Abs. 2 B-VG handeln könne.

5 B. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das BVwG die Beschwerde der Revisionswerberin gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG zurück und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig sei.

6 Das BVwG führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass im vorliegenden Fall kein verwaltungsbehördlicher Akt vorliege, weil die Volksanwaltschaft bzw. das Kollegium der Volksanwaltschaft keine Verwaltungsbehörde, sondern ein bundesverfassungsgesetzlich eingerichtetes Organ der Staatsfunktion Gesetzgebung sei. Die Tätigkeit der Volksanwaltschaft sei wegen ihrer funktionellen und organisatorischen Nahebeziehung zu den Organen der Gesetzgebung nicht als Verwaltung iSd B-VG, sondern als Hilfsfunktion der gesetzgebenden Gewalt zu sehen. Als Hilfsorgan des Parlaments zur Kontrolle der Verwaltung sei die Volksanwaltschaft bzw. das Kollegium der Volksanwaltschaft kein Organ der Vollziehung. Ihre Akte seien daher nicht als Verwaltungsakte, insbesondere nicht als Bescheide oder Verordnungen anzusehen und daher auch nicht bei den Höchstgerichten anfechtbar. Vielmehr handle es sich dabei um Rechtsakte sui generis, für welche kein Fehlerkalkül bestehe. 7 Der Volksanwaltschaft kämen in geringem Umfang auch bescheidmäßige Erledigungsformen, wie z.B. in Dienstrechtsverfahren, zu. Nur der Vorsitzende nehme in organisatorischer und verfahrensrechtlicher Sicht eine Sonderstellung ein, da diesem gemäß Art. 148h Abs. 1 und 2 B-VG jene Befugnisse in Personalangelegenheiten zugewiesen seien, die ansonsten der Bundesregierung bzw. den einzelnen Ministern zukämen. Nur dem Vorsitzenden komme in Ausübung der Diensthoheit bezüglich jener Bundesbediensteten, die auf eine der Volksanwaltschaft zugewiesene Planstelle ernannt oder angestellt sind, eine partielle Funktion als Verwaltungsorgan zu. Damit sei das Kollegium der Volksanwaltschaft jedoch kein Verwaltungsorgan. Mitglieder der Kommission würden - nach Anhörung des Menschenrechtsbeirats - durch das Kollegium der Volksanwaltschaft bestellt (§§ 1 Abs. 2 Z 6, 12 Abs. 2 VolksanwG, §§ 9 Abs. 1 Z 7, 19 Abs. 1 GeO der VA 2012). Daraus folge, dass die Bestellung der Kommissionsmitglieder ein Rechtsakt sui generis sei, für welchen kein Fehlerkalkül bestehe. Im Falle des Verstoßes gegen Erzeugungsvorschriften sei dieser absolut nichtig. Ebenso wie die Bestellung unterliege die Abberufung der Mitglieder des Menschenrechtsbeirates (gemeint wohl: Mitglieder der Kommission) der kollegialen Beschlussfassung der Volksanwaltschaft. Auch die Abberufung stelle einen Rechtsakt sui generis dar, gegen den es keinen Rechtsschutz gebe. Die spezifischen verfahrensrechtlichen Vorgaben hinsichtlich der Staatsfunktion Verwaltung fänden für Akte des Kollegiums der Volksanwaltschaft keine Anwendung, insbesondere komme auch eine Anfechtung bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht in Betracht. Daraus folge, dass die gegenständliche Abberufung als Kommissionsmitglied durch das Kollegium der Volksanwaltschaft kein tauglicher Anfechtungsgegenstand sei, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen sei.

8 Die Revision gegen diese Entscheidung werde für zulässig erachtet, da hinsichtlich der Frage, in welcher Erledigungsform die Bestellung und Abberufung von Mitgliedern der Kommissionen der Volksanwaltschaft durch deren Kollegium zu ergehen hat, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.

9 C. Gegen diese Entscheidung richtete die revisionswerbende Partei zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, die dieser nach Ablehnung ihrer Behandlung (VfGH 24.11.2017, E 1641/2017-9) dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (VfGH 28.12.2017, E 1641/2017-11).

10 Der Verfassungsgerichtshof hielt in seinem Beschluss vom 24. November 2017 eine Verletzung der revisionswerbenden Partei in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht als so wenig wahrscheinlich, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe und führte dazu Folgendes aus:

"Die von der Volksanwaltschaft nach Art. 148h Abs. 3 B-VG einzusetzenden Kommissionen führen zur Kontrolle der Verwaltung Besuche und Überprüfungen für die Volksanwaltschaft durch (§ 13 Abs. 1 VolksanwG) und sind daher - wie die Volksanwaltschaft (s. VfSlg. 15.127/1998) - als deren Hilfsorgan der Staatsfunktion Gesetzgebung zuzurechnen. Behördliche Befugnisse kommen der Volksanwaltschaft - abgesehen von der Ausübung der Diensthoheit durch ihren Vorsitzenden nach Art. 148h Abs. 1 und 2 B-VG - nicht zu, weshalb das Bundesverwaltungsgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen ist, dass die Abberufung eines Kommissionsmitgliedes durch das Kollegium der Volksanwaltschaft nach § 12 Abs. 4 VolksanwG keinen tauglichen Anfechtungsgegenstand nach Art. 130 Abs. 1 B-VG bildet."

11 D. Daraufhin wurde die vorliegende ordentliche Revision insbesondere mit dem Begehren eingebracht, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

12 Hinsichtlich der Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob § 12 Abs. 4 VolksanwG, wonach ein Mitglied unter dort näher genannten Voraussetzungen schriftlich und begründet abberufen werden kann, die Pflicht normiere, die Abberufung in Form eines Bescheides vorzunehmen. Darüber hinaus sei das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes im Zusammenhang mit der Abgrenzung des Zuständigkeitsbereiches des BVwG von demjenigen des Landesverwaltungsgerichtes abgewichen. Die Vollziehung des VolksanwG finde sich nicht in der taxativen Aufzählung des Art. 102 Abs. 2 B-VG, woraus sich in Anwendung der Generalklausel des Art. 131 Abs. 1 B-VG die sachliche Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte ergebe. Das BVwG habe verkannt, dass es in einem Fall, in dem ihm keine sachliche Zuständigkeit zukomme, auch nicht berechtigt sei, eine Beschwerde aus anderen Gründen als aus dem Grunde der Unzuständigkeit zurückzuweisen.

13 E. In seiner Revisionsbeantwortung führte das Kollegium der Volksanwaltschaft zusammengefasst aus, die Volksanwaltschaft sei ein Organ ohne Imperium und demnach keine Behörde iSd Art. 131 Abs. 1 B-VG; ihre Erledigungen seien demnach keine Bescheide. Die Volksanwaltschaft sei nach dem verfassungsrechtlichen Gesamtkonzept bewusst nicht als Verwaltungsbehörde eingerichtet und sei vor allem nicht zur Setzung von Rechten und Pflichten begründenden Akten ermächtigt. Ausnahmen würden lediglich im hier nicht in Betracht kommenden Dienstrecht gelten. Auch der Verfassungsgerichtshof habe festgehalten, dass der Volksanwaltschaft - abgesehen von der Ausübung der Diensthoheit durch den Vorsitzenden nach Art. 148h Abs. 1 und 2 B-VG - keine behördlichen Befugnisse zukämen, weshalb die Abberufung eines Kommissionsmitglieds durch das Kollegium der Volksanwaltschaft nach § 12 Abs. 4 VolksanwG keinen tauglichen Anfechtungsgegenstand nach Art. 130 Abs. 1 B-VG bilde. Die im Rahmen des OPCAT-Durchführungsgesetzes BGBl. I Nr. 1/2012 eingerichteten Kommissionen seien Organe der Volksanwaltschaft und seien funktionell und organisatorisch der Staatsteilgewalt Gesetzgebung zuzurechnen. Daraus folge, dass die Volksanwaltschaft bzw. das Kollegium der Volksanwaltschaft auch im Bereich der präventiven Kontrolle ein Organ der Gesetzgebung sei. Zutreffend habe daher das BVwG im angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass die Bestellung der Kommissionsmitglieder ebenso wie deren Abberufung keinen anfechtbaren Bescheid, sondern einen Rechtsakt sui generis darstelle. Das BVwG habe demnach richtigerweise die Beschwerde wegen sachlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen. Wenn nämlich schon die sachliche Zuständigkeit irgendeines Verwaltungsgerichts verneint werde, stelle sich die Frage nach der Zuständigkeit des Landes- oder Bundesverwaltungsgerichts nicht mehr.

14 F. Das BVwG legte die ordentliche Revision unter Anschluss der Akten und der Revisionsbeantwortung dem Verwaltungsgerichtshof vor.

II. Rechtslage

15 A. Das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, BGBl. III Nr. 190/2012 (OPCAT), lautet (auszugsweise):

"TEIL I

Allgemeine Grundsätze

Artikel 1

Ziel dieses Protokolls ist es, ein System regelmäßiger Besuche einzurichten, die von unabhängigen internationalen und nationalen Stellen an Orten, an denen Personen die Freiheit entzogen ist, durchgeführt werden, um Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe zu verhindern.

Artikel 2

(1) Zum Ausschuss gegen Folter wird ein Unterausschuss zur Verhütung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (im Folgenden als 'Unterausschuss zur Verhütung von Folter' bezeichnet) errichtet, der die in diesem Protokoll festgelegten Aufgaben wahrnimmt.

(2) Der Unterausschuss zur Verhütung von Folter nimmt seine Aufgaben im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen wahr und lässt sich von deren Zielen und Grundsätzen sowie den Normen der Vereinten Nationen für die Behandlung von Personen, denen die Freiheit entzogen ist, leiten.

(3) Der Unterausschuss zur Verhütung von Folter lässt sich ferner von den Grundsätzen der Vertraulichkeit, Unparteilichkeit, Nichtselektivität, Universalität und Objektivität leiten.

(4) Der Unterausschuss zur Verhütung von Folter und die Vertragsstaaten arbeiten bei der Durchführung dieses Protokolls zusammen.

Artikel 3

Jeder Vertragsstaat errichtet, bestimmt oder unterhält auf innerstaatlicher Ebene eine oder mehrere Stellen, die zur Verhütung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe Besuche durchführen (im Folgenden als 'nationaler Mechanismus zur Verhütung von Folter' bezeichnet).

Artikel 4

(1) Jeder Vertragsstaat gestattet Besuche nach diesem Protokoll durch die in den Artikeln 2 und 3 bezeichneten Mechanismen an allen seiner Hoheitsgewalt und Kontrolle unterstehenden Orten, an denen Personen entweder auf Grund einer Entscheidung einer Behörde oder auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis die Freiheit entzogen ist oder entzogen werden kann (im Folgenden als 'Orte der Freiheitsentziehung' bezeichnet). Diese Besuche werden durchgeführt, um erforderlichenfalls den Schutz dieser Personen vor Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe zu verstärken.

(2) Im Sinne dieses Protokolls bedeutet Freiheitsentziehung jede Form der Anhaltung oder der Haft oder die durch eine Justiz-, Verwaltungs- oder sonstige Behörde angeordnete Unterbringung einer Person in einer öffentlichen oder privaten Verwahrungseinrichtung, die diese Person nicht nach Belieben verlassen darf.

...

TEIL IV

Nationale Mechanismen zur Verhütung von Folter

Artikel 17

Jeder Vertragsstaat unterhält, bestimmt oder errichtet auf innerstaatlicher Ebene spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Protokolls oder nach seiner Ratifikation oder dem Beitritt zu ihm einen oder mehrere unabhängige nationale Mechanismen zur Verhütung von Folter. Durch dezentralisierte Einheiten errichtete Mechanismen können als nationale Mechanismen zur Verhütung von Folter im Sinne dieses Protokolls bestimmt werden, wenn sie im Einklang mit dessen Bestimmungen stehen.

Artikel 18

(1) Die Vertragsstaaten garantieren die funktionale Unabhängigkeit der nationalen Mechanismen zur Verhütung von Folter sowie die Unabhängigkeit deren Personals.

(2) Die Vertragsstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Sachverständigen der nationalen Mechanismen zur Verhütung von Folter über die erforderlichen Fähigkeiten und Fachkenntnisse verfügen. Sie bemühen sich um eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter und um eine angemessene Vertretung der ethnischen Gruppen und der Minderheiten des Landes.

(3) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die erforderlichen Mittel für die Arbeit der nationalen Mechanismen zur Verhütung von Folter zur Verfügung zu stellen.

(4) Bei der Errichtung der nationalen Mechanismen zur Verhütung von Folter berücksichtigen die Vertragsstaaten die Grundsätze, welche die Stellung nationaler Einrichtungen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte betreffen.

Artikel 19

Den nationalen Mechanismen zur Verhütung von Folter wird zumindest die Befugnis erteilt,

a) regelmäßig die Behandlung von Personen, denen an Orten der Freiheitsentziehung im Sinne des Artikels 4 die Freiheit entzogen ist, mit dem Ziel zu prüfen, erforderlichenfalls den Schutz dieser Personen vor Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe zu verstärken;

b) den zuständigen Behörden Empfehlungen mit dem Ziel zu unterbreiten, die Behandlung und die Bedingungen der Personen, denen die Freiheit entzogen ist, zu verbessern und Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unter Berücksichtigung der einschlägigen Normen der Vereinten Nationen zu verhüten;

c) Vorschläge und Beobachtungen zu bestehenden oder im Entwurf befindlichen Rechtsvorschriften zu unterbreiten.

Artikel 20

Um den nationalen Mechanismen zur Verhütung von Folter die Erfüllung ihres Mandats zu ermöglichen, verpflichten sich die Vertragsstaaten dieses Protokolls,

a) ihnen Zugang zu allen Informationen zu gewähren, welche die Anzahl der Personen, denen an Orten der Freiheitsentziehung im Sinne des Artikels 4 die Freiheit entzogen ist, sowie die Anzahl dieser Orte und ihre Lage betreffen;

b) ihnen Zugang zu allen Informationen zu gewähren, welche die Behandlung dieser Personen und die Bedingungen ihrer Freiheitsentziehung betreffen;

c) ihnen Zugang zu allen Orten der Freiheitsentziehung und ihren Anlagen und Einrichtungen zu gewähren;

d) ihnen die Möglichkeit zu geben, mit Personen, denen die Freiheit entzogen ist, entweder direkt oder, soweit dies erforderlich erscheint, über einen Dolmetscher sowie mit jeder anderen Person, von welcher der nationale Mechanismus zur Verhütung von Folter annimmt, dass sie sachdienliche Auskünfte geben kann, ohne Zeugen Gespräche zu führen;

e) ihnen die Entscheidung darüber zu überlassen, welche Orte sie besuchen und mit welchen Personen sie Gespräche führen möchten;

f) ihnen das Recht einzuräumen, in Kontakt mit dem Unterausschuss zur Verhütung von Folter zu stehen, ihm Informationen zu übermitteln und mit ihm zusammenzutreffen.

Artikel 21

(1) Behörden oder Amtsträger dürfen keine Sanktionen gegen eine Person oder Organisation anordnen, anwenden, erlauben oder dulden, weil diese dem nationalen Mechanismus zur Verhütung von Folter Auskünfte erteilt hat, unabhängig davon, ob diese richtig oder falsch waren; eine solche Person oder Organisation darf auch sonst in keiner Weise benachteiligt werden.

(2) Vertrauliche Informationen, die vom nationalen Mechanismus zur Verhütung von Folter gesammelt werden, sind geschützt. Personenbezogene Daten dürfen nicht ohne ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Person veröffentlicht werden.

Artikel 22

Die zuständigen Behörden des betreffenden Vertragsstaats prüfen die Empfehlungen des nationalen Mechanismus zur Verhütung von Folter und treten mit ihm in einen Dialog über mögliche Maßnahmen zu ihrer Umsetzung ein.

Artikel 23

Die Vertragsstaaten dieses Protokolls verpflichten sich, die Jahresberichte der nationalen Mechanismen zur Verhütung von Folter zu veröffentlichen und zu verbreiten."

16 B. Im vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmungen des B-VG idF des OPCAT-Durchführungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/2012, lauten wie folgt:

"Siebentes Hauptstück

Garantien der Verfassung und Verwaltung A. Verwaltungsgerichtsbarkeit

...

Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

...

Achtes Hauptstück

Volksanwaltschaft

Artikel 148a.

...

(3) Zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte obliegt es der Volksanwaltschaft und den von ihr eingesetzten Kommissionen (Art. 148h Abs. 3), im Bereich der Verwaltung des Bundes einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von Privatrechten

1. den Ort einer Freiheitsentziehung zu besuchen und zu überprüfen,

2. das Verhalten der zur Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigten Organe zu beobachten und begleitend zu überprüfen sowie

3. für Menschen mit Behinderungen bestimmte Einrichtungen und Programme zu überprüfen beziehungsweise zu besuchen.

...

Artikel 148h. (1) Die Beamten der Volksanwaltschaft ernennt auf Vorschlag und unter Gegenzeichnung des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft der Bundespräsident; das Gleiche gilt für die Verleihung von Amtstiteln. Der Bundespräsident kann jedoch den Vorsitzenden der Volksanwaltschaft ermächtigen, Beamte bestimmter Kategorien zu ernennen. Die Hilfskräfte ernennt der Vorsitzende der Volksanwaltschaft. Der Vorsitzende der Volksanwaltschaft ist insoweit oberstes Verwaltungsorgan und übt diese Befugnisse allein aus.

(2) Die Diensthoheit des Bundes gegenüber den bei der Volksanwaltschaft Bediensteten wird vom Vorsitzenden der Volksanwaltschaft ausgeübt.

(3) Zur Besorgung der Aufgaben nach Art. 148a Abs. 3 hat die Volksanwaltschaft Kommissionen einzusetzen und einen Menschenrechtsbeirat zu ihrer Beratung einzurichten. Der Menschenrechtsbeirat besteht aus einem Vorsitzenden, einem stellvertretenden Vorsitzenden und sonstigen Mitgliedern und Ersatzmitgliedern, die von der Volksanwaltschaft ernannt werden. Inwieweit die Volksanwaltschaft bei der Ernennung der Mitglieder und Ersatzmitglieder des Menschenrechtsbeirats an Vorschläge anderer Stellen gebunden ist, wird bundesgesetzlich bestimmt. Der Vorsitzende, der stellvertretende Vorsitzende und die sonstigen Mitglieder des Menschenrechtsbeirats sind in Ausübung ihrer Tätigkeit an keine Weisungen gebunden.

(4) Die Volksanwaltschaft beschließt eine Geschäftsordnung und eine Geschäftsverteilung, in der insbesondere zu bestimmen ist, welche Aufgaben von den Mitgliedern der Volksanwaltschaft selbständig wahrzunehmen sind. Die Beschlussfassung über die Geschäftsordnung und die Geschäftsverteilung erfordert Einstimmigkeit der Mitglieder der Volksanwaltschaft.

...

Artikel 148j. Nähere Bestimmungen zur Ausführung dieses Hauptstückes sind bundesgesetzlich zu treffen."

17 C. Für den vorliegenden Fall relevante Bestimmungen des Volksanwaltschaftsgesetzes 1982 idF des OPCAT-Durchführungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/2012 (VolksanwG), lauten (auszugsweise) wie folgt:

"I. Abschnitt

Organisation der Volksanwaltschaft

§ 1. (1) Zur kollegialen Beschlußfassung der Volksanwaltschaft ist die Anwesenheit aller Mitglieder erforderlich. Regelungen in der Geschäftsordnung über die Vertretung eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft in Angelegenheiten, die der kollegialen Beschlußfassung bedürfen, sind zulässig. Die Beschlüsse werden, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, mit Stimmenmehrheit gefaßt; Stimmenthaltung ist nicht zulässig.

(2) Außer der Beschlussfassung über die Geschäftsordnung und die Geschäftsverteilung gemäß Art. 148h Abs. 4 B-VG unterliegen der kollegialen Beschlussfassung der Volksanwaltschaft:

...

6. die Bestellung und Abberufung der Mitglieder der Kommissionen (§ 12 Abs. 2 und 4) sowie der oder des Vorsitzenden, deren bzw. dessen Stellvertreterin oder Stellvertreters und der sonstigen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Menschenrechtsbeirats (§ 15 Abs. 3 und 6),

...

Verfahren vor der Volksanwaltschaft

§ 5. Auf das Verfahren vor der Volksanwaltschaft sind die §§ 6, 7, 10, 12, 13, 14, 16, 18 Abs. 1, 3 und 4, 21, 22, 32, 33, 39a, 45 Abs. 1 und 2, 46 bis 51, 52, 53, 54 und 55 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51, und das Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, sinngemäß anzuwenden.

...

III. Abschnitt

Schutz und Förderung der Menschenrechte § 11. (1) Zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte

obliegt es der Volksanwaltschaft, im Bereich der Verwaltung des Bundes einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von Privatrechten und im Fall des Art. 148i Abs. 1 erster Satz B-VG auch im Bereich der Verwaltung des betreffenden Landes

1. den Ort einer Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 4 OPCAT regelmäßig zu besuchen und zu überprüfen,

2. das Verhalten der zur Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigten Organe zu beobachten und begleitend zu überprüfen sowie

3. in Durchführung des Art. 16 Abs. 3 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BGBl. III Nr. 155/2008, und zur Verhinderung jeder Form von Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch Einrichtungen und Programme, die für Menschen mit Behinderungen bestimmt sind, regelmäßig zu besuchen bzw. zu überprüfen.

(2) Die Volksanwaltschaft hat mit der Besorgung von Aufgaben gemäß Abs. 1 die von ihr eingesetzten Kommissionen (§§ 12, 13) zu betrauen.

§ 12. (1) Die Volksanwaltschaft hat mindestens sechs Kommissionen einzusetzen, die nach regionalen oder sachlichen Gesichtspunkten zu gliedern sind. Jede Kommission besteht aus der erforderlichen Zahl von Mitgliedern, wobei die Zahl der Mitglieder aller Kommissionen mindestens 42 zu betragen hat. Jede Kommission wird von einer auf dem Gebiet der Menschenrechte anerkannten Persönlichkeit geleitet.

(2) Die Mitglieder werden mit ihrer Zustimmung nach Anhörung des Menschenrechtsbeirats von der Volksanwaltschaft bestellt. Zu Mitgliedern dürfen nur Personen bestellt werden, die über die erforderlichen Fähigkeiten und Fachkenntnisse verfügen. Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die Zweifel an der unabhängigen Ausübung ihrer Funktion als Mitglied der Kommission hervorrufen könnte, sind von der Bestellung ausgeschlossen. Die Volksanwaltschaft hat sich um eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter und eine angemessene Vertretung ethnischer Gruppen und Minderheiten in den Kommissionen sowie um eine unabhängige, interdisziplinäre und pluralistische Zusammensetzung unter Bedachtnahme auf die Aufgabenstellung der Kommissionen zu bemühen.

(3) Die Bestellung der Mitglieder erfolgt für sechs Jahre, alle drei Jahre hat eine Neubestellung der Hälfte der Mitglieder aller Kommissionen zu erfolgen. Eine Wiederbestellung ist zulässig.

(4) Die Volksanwaltschaft kann ein Mitglied schriftlich und begründet vorzeitig abberufen,

  1. 1. auf dessen Wunsch,
  2. 2. wenn es auf Grund seiner gesundheitlichen Verfassung die

    mit seiner Funktion verbundenen Aufgaben nicht mehr erfüllen kann oder

    3. wenn es die mit seiner Funktion verbundenen Pflichten grob verletzt hat oder dauernd vernachlässigt oder eine Tätigkeit ausübt, die Zweifel an der unabhängigen Ausübung seiner Funktion hervorrufen könnte.

(5) Scheidet ein Mitglied vorzeitig aus, ist für den Rest der Funktionsperiode des ausgeschiedenen Mitglieds ein neues Mitglied zu bestellen.

(6) Den Mitgliedern gebührt für die Erfüllung ihrer Aufgaben eine Entschädigung (§ 13 Abs. 3).

(7) Zu einem Beschluss einer Kommission bedarf es der Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Leiterin oder der Leiter. Eine Beschlussfassung im Umlaufweg ist zulässig.

§ 13. (1) Die Kommissionen oder einzelne von ihr bestimmte Mitglieder führen Besuche und Überprüfungen für die Volksanwaltschaft durch.

(2) Die Kommissionen berichten über ihre Besuche und Überprüfungen an die Volksanwaltschaft und erstatten ihr Vorschläge für Missstandsfeststellungen und Empfehlungen und Anregungen von Maßnahmen der Dienstaufsicht. Kommt die Volksanwaltschaft Vorschlägen oder Empfehlungen der Kommissionen für Empfehlungen und Missstandsfeststellungen nicht nach, sind die Kommissionen berechtigt, den Berichten der Volksanwaltschaft (Art. 148d Abs. 1 B-VG) Bemerkungen anzuschließen, die die Tätigkeit der jeweiligen Kommission betreffen. Die Leiterinnen und Leiter der Kommissionen sind berechtigt, an den ihren Tätigkeitsbereich betreffenden Beratungen der Volksanwaltschaft teilzunehmen; ihnen ist auf Verlangen das Wort zu erteilen.

(3) Die Volksanwaltschaft hat in ihrer Geschäftsordnung auch die Geschäftsordnung der Kommissionen und in ihrer Geschäftsverteilung auch deren Geschäftsverteilung zu regeln. Insbesondere ist zu regeln, wie die Kommissionen unter Berücksichtigung der generellen Prüfschwerpunkte der Volksanwaltschaft routinemäßig und flächendeckend sowie im Einzelfall auf Grund bekanntgewordener Umstände vorzugehen haben sowie bei Bedarf weitere Expertinnen und Experten beiziehen dürfen. Die Volksanwaltschaft legt in ihrer Geschäftsordnung nach Anhörung der Kommissionen auch die Höhe der Entschädigung der Mitglieder der Kommissionen (§ 12 Abs. 6) fest. Die Kommissionen sind vor Beschlussfassung über die Geschäftsordnung und Geschäftsverteilung der Kommissionen anzuhören.

..."

18 D. Für den vorliegenden Fall einschlägige Regelungen der Geschäftsordnung der Volksanwaltschaft, ihrer Kommissionen und des Menschenrechtsbeirates idF BGBl. II Nr. 249/2012 (GeO der VA 2012) lauten (auszugsweise):

"I. Abschnitt

Volksanwaltschaft

...

Beschlussfassung

§ 8. (1) Die Volksanwaltschaft trifft ihre kollegialen Entscheidungen durch Beschlüsse. Zur kollegialen Beschlussfassung der Volksanwaltschaft ist die Anwesenheit aller drei Mitglieder der Volksanwaltschaft erforderlich. Die Volksanwaltschaft ist aber auch dann beschlussfähig, wenn nur zwei Mitglieder der Volksanwaltschaft anwesend sind und das abwesende Mitglied der Volksanwaltschaft eines der beiden anderen Mitglieder der Volksanwaltschaft schriftlich mit seiner Vertretung betraut hat. Das vertretene Mitglied der Volksanwaltschaft kann hinsichtlich seiner Stimme dem vertretenden Mitglied der Volksanwaltschaft ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zu den einzelnen Tagesordnungspunkten auftragen. Sofern kein Mitglied der Volksanwaltschaft eine mündliche Erörterung verlangt, können Beschlüsse auch im Umlaufweg gefasst werden.

(2) Für eine Beschlussfassung ist die Mehrheit der Stimmen erforderlich, sofern nicht die Einstimmigkeit der Mitglieder der Volksanwaltschaft gefordert wird.

(3) Das Mitglied der Volksanwaltschaft, dessen Auffassung über die Erledigung eines Punktes der Tagesordnung nicht die Mehrheit gefunden hat, ist befugt, seine Meinung schriftlich dem Protokoll über diese Sitzung anzufügen.

(4) Die von der Volksanwaltschaft gefassten Beschlüsse sind in einem Protokoll festzuhalten. Die Führung des Protokolls obliegt der/dem Vorsitzenden, die/der sich dabei einer/eines von ihr/ihm der Sitzung beigezogenen Bediensteten bedienen kann.

(5) Das Protokoll ist von den anwesenden Mitgliedern der Volksanwaltschaft und der Schriftführerin/dem Schriftführer zu unterfertigen.

(6) Jedem Mitglied der Volksanwaltschaft ist eine Ausfertigung des Protokolls zu übermitteln. Ebenso ist ein Auszug über die den Tätigkeitsbereich der Kommissionen betreffenden Beratungen den Leiterinnen oder Leitern der Kommissionen sowie der oder dem Vorsitzenden des Menschenrechtsbeirates zu übermitteln.

(7) Die Übermittlung des Protokolls auf elektronischem Wege ist zulässig.

Angelegenheiten der kollegialen Beschlussfassung

§ 9. (1) Außer der Beschlussfassung über die Geschäftsordnung und die Geschäftsverteilung gemäß Art. 148h Abs. 4 B-VG unterliegen der kollegialen Beschlussfassung der Volksanwaltschaft jedenfalls:

...

7. die Bestellung und Abberufung der Mitglieder der Kommissionen (§ 12 Abs. 2 und 4 Volksanwaltschaftsgesetz 1982) sowie der oder des Vorsitzenden, deren bzw. dessen

Stellvertreterin oder Stellvertreters und der sonstigen Mitglieder und Ersatzmitglieder des Menschenrechtsbeirates (§ 15 Abs. 3 und 6 Volksanwaltschaftsgesetz 1982),

...

II. Abschnitt

Die Kommissionen der Volksanwaltschaft

...

Anzahl und Gliederung

§ 17. (1) Die Einsetzung und Festsetzung der Anzahl der Kommissionen, mindestens jedoch sechs, und deren Gliederung nach sachlichen oder regionalen Gesichtspunkten bedarf der kollegialen Beschlussfassung der Mitglieder der Volksanwaltschaft.

(2) Die Geschäftsverteilung der Kommissionen wird in der Geschäftsverteilung der Volksanwaltschaft geregelt.

(3) Die Bildung überregionaler Kommissionsdelegationen ist zulässig.

...

Bestellung und Funktionsdauer der Kommissionsmitglieder

§ 19. (1) Die Bestellung der Leiterinnen/Leiter der Kommissionen bedarf der kollegialen Beschlussfassung nach einer öffentlichen Ausschreibung und Anhörung des Menschenrechtsbeirates.

(2) Die Bestellung von Mitgliedern der Kommissionen bedarf der kollegialen Beschlussfassung nach einer öffentlichen Ausschreibung und nach Anhörung des Menschenrechtsbeirates sowie der/des Leiterin/Leiters der jeweiligen Kommission. § 4 Abs. 3 dieser Geschäftsordnung gilt sinngemäß.

(3) Alle Mitglieder müssen über die erforderlichen Fähigkeiten und Fachkenntnisse sowie über die Bereitschaft, sich mit menschenrechtlichen Fragen und Themen auseinanderzusetzen, verfügen. Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die Zweifel an der unabhängigen Ausübung ihrer Funktion als Mitglied der Kommission hervorrufen könnte, sind von der Bestellung ausgeschlossen.

(4) Die Bestellung der Mitglieder erfolgt für sechs Jahre. Alle drei Jahre hat eine Neubestellung der Hälfte der Mitglieder aller Kommissionen zu erfolgen. Wiederholte Wiederbestellungen sind zulässig.

(5) Die Volksanwaltschaft kann ein Mitglied nach vorheriger Anhörung des Menschenrechtsbeirates schriftlich und begründet vorzeitig auf dessen Wunsch, wenn es auf Grund seiner gesundheitlichen Verfassung die mit seiner Funktion verbundenen Aufgaben nicht mehr erfüllen kann, wenn es die mit seiner Funktion verbundenen Pflichten grob verletzt oder dauernd vernachlässigt hat oder eine Tätigkeit ausübt, die Zweifel an der unabhängigen Ausübung seiner Funktion hervorrufen könnte, abberufen.

(6) Scheidet ein Mitglied vorzeitig aus, ist für den Rest der Funktionsperiode des ausgeschiedenen Mitglieds ein neues Mitglied zu bestellen.

...

Entschädigung

§ 24. (1) Den Leiterinnen/Leitern und den weiteren Mitgliedern der Kommissionen gebührt für die Erfüllung ihrer Aufgaben eine Entschädigung.

(2) Die Höhe dieser Entschädigung bestimmt sich nach dem Gehalt eines Beamten der Dienstklasse V, Gehaltsstufe 2, des Gehaltsgesetzes 1956 und beträgt

1. für Leiterinnen und Leiter von Kommissionen jährlich das 20,5-fache und

2. für Mitglieder von Kommissionen pro Besuch entsprechend dem zeitlichen Aufwand als Pauschale für ganztägige Besuche (bis zu 12 Stunden) von 21,36 v. H., bzw. als Halbtagespauschale (Besuche bis zu 4 Stunden) 13,67 v. H. dieses Gehaltsansatzes.

(3) Mit der Entschädigung für die Leiterinnen/Leiter der Kommissionen werden alle funktionsbezogenen Aufwendungen sowie die Teilnahme an Arbeitsgruppen pauschal pro Arbeitsjahr abgedeckt. Allfällige Sekretariats- und sonstige Sachkosten sind in dieser Pauschalsumme zur Gänze inkludiert. Die Auszahlung der funktionsbezogenen Entschädigung für die Leiterinnen/Leiter der Kommissionen erfolgt aliquot monatlich im Nachhinein. Wenn die/der stellvertretende Leiterin/Leiter der Kommission vorübergehend die Kommission gemäß § 21 Abs. 3 dieser Geschäftsordnung leitet, hat die/der Leiterin/Leiter der Kommission für die Vertretung den entsprechenden Anteil der pauschalen Entschädigung für Leiterinnen und Leiter von Kommissionen der/dem stellvertretenden Leiterin/Leiter der Kommission für die Vertretung zu überlassen.

(4) Die Auszahlung der Entschädigung für die Mitglieder der Kommissionen erfolgt nach Übermittlung des Protokolls und der Belege gemäß § 22 Abs. 5 dieser Geschäftsordnung an die Volksanwaltschaft.

(5) Die Leiterinnen/Leiter und die weiteren Mitglieder der Kommissionen haben Anspruch auf Ersatz der aus der Erfüllung der Aufgaben erwachsenden Reise- und Nächtigungskosten (Gebührenstufe 3) nach Maßgabe der für Bundesbeamte geltenden Rechtsvorschriften."

III. Erwägungen

19 Zur Zulässigkeit

20 Die vorliegende ordentliche Revision ist zulässig, zumal

Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob das Kollegium der Volksanwaltschaft bei der Abberufung und Bestellung der Kommissionsmitglieder als Verwaltungsorgan handelt und diesbezüglich Bescheide zu erlassen hat, noch nicht vorliegt, um dem Verwaltungsgericht ausreichend Leitlinien für die Handhabung der diesbezüglichen Bestimmungen zur Verfügung zu stellen (vgl. Art. 133 Abs. 4 B-VG letzter Halbsatz; vgl. dazu auch VwGH 21.6.2017, Ro 2016/03/0011).

21 Zur Sache

22 A. Nach Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden.

23 Dem Begriff Verwaltungsbehörde werden idR nur jene Organe zugeordnet, die zur Erlassung von Bescheiden zuständig sind (vgl. VwGH 16.12.2008, 2008/16/0118). Ob ein Organ zu Setzung von Hoheitsakten berufen ist, ergibt sich aus den konkreten Ermächtigungen der materiell-rechtlichen Verwaltungsvorschriften (zum Verständnis von Behörden im funktionellen Sinn vgl. Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht5, 2017, Rz 138, und - dort zitiert - VwGH 30.01.2014, 2012/10/0227).

24 Bei der Volksanwaltschaft handelt es sich um ein Hilfsorgan des Nationalrates zur Kontrolle der Verwaltung (VfGH 11.3.1998, G 152/96, VfSlg. 15.127/1998). Ihre Tätigkeit wird somit der gesetzgebenden Staatsfunktion zugeordnet. Aus der funktionellen und organisatorischen Nahebeziehung der Volksanwaltschaft zur Gesetzgebung folgt, dass ihre Kontrollakte nicht als Verwaltungsakte anzusehen sind. Demzufolge kommt auch eine Anfechtung dieser Akte bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht in Betracht (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Art. 148a B-VG, in Korinek/Holoubek u.a. (Hrsg.), Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 11 (2016)).

25 B. Anders verhält es sich jedenfalls mit den Zuständigkeiten des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft im Rahmen der der Volksanwaltschaft angelagerten (bzw. akzessorischen) Verwaltungsfunktionen. So weist Art. 148h Abs. 1 und 2 B-VG dem Vorsitzenden der Volksanwaltschaft Befugnisse in Personalangelegenheiten der Beamten (Bediensteten) der Volksanwaltschaft als deren Hilfsorgane zu. Dadurch soll die in Art. 148a Abs. 6 B-VG normierte Unabhängigkeit abgesichert werden, damit auch in Personalangelegenheiten keine Einflussmöglichkeiten der von der Volksanwaltschaft kontrollierten Bundesverwaltung bestehen. Dem Vorsitzenden der Volksanwaltschaft kommt hinsichtlich der Ernennung nach Art. 148h Abs. 1 B-VG die Stellung eines obersten Organs der Bundesverwaltung zu. Hinsichtlich der Ausübung der Diensthoheit gemäß Art. 148h Abs. 2 B-VG wurde eine solche ausdrückliche Anordnung nicht getroffen; jedoch wird dem Vorsitzenden durch die Betrauung der Ausübung der Diensthoheit insofern die Stellung eines obersten Verwaltungsorgans zugewiesen. Der Vorsitzende hat dabei die betreffenden Befugnisse allein auszuüben, weshalb jegliche Bindung an Vorschläge und Willenserklärungen der weiteren Mitglieder der Volksanwaltschaft oder anderer Stellen ausgeschlossen ist (vgl. Thienel/Leitl-Staudinger, Art. 148h B-VG, in Kneihs/Lienbacher (Hrsg.), Rill-Schäffer-Kommentar, Rz 2 und 7 (2018)). Im Rahmen der angelagerten Verwaltung erlassene Bescheide unterliegen dem im B-VG dafür vorgesehenen gerichtlichen Rechtsschutz.

26 C. Mit 1. Jänner 2013 ist der Beitritt Österreichs zum Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe in Kraft getreten (OPCAT, siehe BGBl. III Nr. 190/2012). Damit ist der Volksanwaltschaft eine neue Aufgabe für den präventiven Menschenrechtsschutz zugewachsen, zu deren Bewältigung sie bei ihr einzurichtende Kommissionen heranzieht (vgl. dazu insbesondere Art. 148a Abs. 3 und Art. 148h Abs. 3 B-VG).

27 Nach seinem Art. 1 ist es Ziel des OPCAT, ein System regelmäßiger Besuche einzurichten, die von unabhängigen internationalen und nationalen Stellen an Orten, an denen Personen die Freiheit entzogen ist, durchgeführt werden, um Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe zu verhindern. Bei der internationalen Stelle handelt es sich um den nach Art. 2 leg. cit. eingerichteten "Unterausschuss zur Verhütung von Folter" (SPT), der die ihm vom Fakultativprotokoll übertragenen Aufgaben wahrnimmt. 28 Nach Art. 3 OPCAT errichtet, bestimmt oder unterhält jeder Vertragsstaat - somit auch Österreich - auf innerstaatliche Ebene einen "nationalen Mechanismus zur Verhütung von Folter" (NPM), der zur Verhütung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe Besuche an allen der Hoheitsgewalt und Kontrolle des Vertragsstaates unterstehenden "Orten der Freiheitsentziehung" (Art. 3 und 4 OPCAT) durchführt. Diese Besuche werden durchgeführt, um erforderlichenfalls den Schutz dieser Personen vor Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe zu verstärken. Bezüglich der unabhängigen nationalen Mechanismen zur Verhütung von Folter (vgl. Art. 17 OPCAT) garantieren die Vertragsstaaten die funktionale Unabhängigkeit sowie die Unabhängigkeit deren Personals (Art. 18 Abs. 1 OPCAT). Dabei berücksichtigen die Vertragsstaaten die Grundsätze, welche die Stellung nationaler Einrichtungen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte betreffen (Art. 18 Abs. 4 leg. cit.). Den NPM kommt jedenfalls die Kompetenz zu, den zuständigen Behörden Empfehlungen mit dem Ziel zu unterbreiten, die Behandlung und die Bedingungen von Personen, denen die Freiheit entzogen ist, zu verbessern, und Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unter Berücksichtigung der einschlägigen Normen der Vereinten Nationen zu verhüten (Art. 19 lit. b OPCAT). Art. 20 bis 23 leg. cit. treffen nähere Bestimmungen bezüglich der Befugnisse der NPM sowie der Durchführung ihrer Besuche. 29 Im juristischen Schrifttum hat das OPCAT sowie seine Umsetzung in Österreich wiederholt Aufmerksamkeit gefunden (vgl. etwa schon Funk, Menschenrechtsbeirat, OPCAT und Nationaler Präventionsmechanismus in Österreich. Entwicklung im kommissarischen Grundrechtsschutz, in FS Machacek/Matscher 2008, 121; vgl. ferner etwa Vogl, Der neue Menschenrechtsbeirat bei der Volksanwaltschaft, FS Stolzlechner, 2013, 679; Bertel, Menschenrechtsschutz und Volksanwaltschaft, SPRW 2013, 71; Hiesel,

Die Aufwertung der Volksanwaltschaft, JBöffR 2013, 229; Kucsko-Stadlmayer, Die Volksanwaltschaft als "Nationaler Präventionsmechanismus", ÖJZ 2013, 107; dieselbe, Perspektiven des Menschenrechtsschutzes in Österreich und Europa. Die Volksanwaltschaft als "Nationaler Präventionsmechanismus", in Juridicum, Bd. 3, 2014, 59; Klaushofer, Grundrechtsschutz durch die Volksanwaltschaft, in Pabel/N. Raschauer (Hrsg.), Die Organisation des Grundrechtsschutzes, 2014, 103; Ritter, Präventiver Menschenrechtsschutz, SIAK-Journal, 2015, 12; Wielinger, Spezifisch österreichische Einrichtungen zum Schutz der Menschenrechte: Der Menschenrechtsbeirat im BM.I und die Volksanwaltschaft als Nationaler Präventionsmechanismus, in FS Gerhard Holzinger, 2017, 799; Berka, Zum Mandat und zur Stellung des Menschenrechtsbeirats im Rahmen des Menschenrechtsschutzes durch die Volksanwaltschaft, NLMR 2018, 3). 30 D. Nach dem zur Umsetzung dieses Fakultativprotokolls erlassenen OPCAT-Durchführungsgesetz, BGBl. I Nr. 1/2012, obliegen (wie schon angesprochen) die nach dem Fakultativprotokoll dem NPM zugewiesenen Aufgaben der Volksanwaltschaft und den dafür bei ihr eingerichteten Kommissionen (vgl. insbesondere Art. 148a Abs. 3 und Art. 148h Abs. 3 B-VG).

31 Derart bildet die Volksanwaltschaft mit den von ihr eingesetzten Kommissionen den nationalen Mechanismus zur Verhütung von Folter (vgl. EBRV 1515 BlgNR. 24. GP , 1, 3).

32 Die Bestimmungen des Durchführungsgesetzes wurden gemeinsam mit der Volksanwaltschaft und unter Einbeziehung insbesondere von Nichtregierungsorganisationen unter Beachtung der "Guidelines on national preventive mechanisms" des schon genannten Unterkomitees SPT vom 9. Dezember 2010, CAT/OP/12/5, ausgearbeitet. Bei der Erlassung der bundesgesetzlichen Ausführungsregelungen im VolksanwG idF des OPCAT-Durchführungsgesetzes zu Art. 18 des OPCAT wurde auch auf die sogenannten "Pariser Prinzipien", wie sie in einer Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 1993, UN Doc. A/RES/48/134 (1993) enthalten sind, Bedacht genommen (vgl. EBRV 1515 BlgNR 24. GP , 3, 9). Auch auf Grundlage der Gesetzesmaterialien ist beides bei der Auslegung der österreichischen Rechtslage beachtlich (vgl. Berka, a.a.O., 5; Vogl, a.a.O., 697; Ritter, a.a.O., 19). 33 Für den vorliegenden Zusammenhang bedeutsam ordnet Art. 18 Abs. 1 OPCAT an, dass die Vertragsstaaten die funktionale Unabhängigkeit der nationalen Mechanismen zur Verhütung von Folter sowie die Unabhängigkeit deren Personals garantieren. 34 Im Abschnitt "Zusammensetzung und Garantien für Unabhängigkeit und Pluralismus" wird in den "Pariser Prinzipien" ausgeführt, dass die Mitglieder der NPM, um die Stabilität ihres Mandats zu gewährleisten, ohne die eine echte Unabhängigkeit nicht möglich ist, insbesondere durch einen offiziellen Akt zu ernennen sind, der die genaue Dauer ihres Mandats festlegt. In den "Guidelines" wird unter "Basic principles" unter anderem verlangt, dass die unabhängige Amtsführung ("operational independence") der NPM zu garantieren ist, die relevante Gesetzgebung sowohl die Amtsperiode der Mitglieder des NPM als auch allfällige Entlassungsgründe ("any grounds for their dismissal") festlegen soll und die Dauer der Amtsperioden ausreichend sein soll, um ein unabhängiges Funktionieren des NPM ("independent functioning") zu ermöglichen.

35 E. Die Volksanwaltschaft, bei der der NPM angesiedelt ist, ist in Ausübung ihres Amtes unabhängig (Art. 148a Abs. 6 B-VG). Diese gegenüber anderen Einrichtungen im Bereich der Gebietskörperschaften verfügte Unabhängigkeit betrifft auch die von der Volksanwaltschaft unter Besorgung ihrer Aufgaben nach Art. 148a Abs. 3 einzurichtenden Kommissionen (vgl. Art. 148h Abs. 3 B-VG).

36 Die drei Volksanwälte als Mitglieder der Volksanwaltschaft sind hinsichtlich der Verantwortlichkeit gemäß Art. 142 B-VG den Mitgliedern der Bundesregierung gleichgestellt (Art. 148g Abs. 6 B-VG). Abgesehen davon ist verfassungsrechtlich keine Möglichkeit vorgesehen, die Mitglieder der Volksanwaltschaft abzuberufen. 37 Die Volksanwaltschaft hat in Umsetzung ihrer neuen Aufgaben des präventiven Menschenrechtsschutzes gemäß Art. 148a Abs. 3 B-VG ihre nach Art. 148h Abs. 3 B-VG einzusetzenden Kommissionen heranzuziehen, die sie mit den nach dem OPCAT erforderlichen Besuchs-, Überprüfungs- und Beobachtungsaufgaben (vgl. § 11 Abs. 1 VolksanwG) zu betrauen hat (§ 11 Abs. 2 leg. cit.). 38 Bei den Kommissionen bzw. ihren Mitgliedern handelt es sich damit (schon auf Grund des B-VG) um besondere Hilfsorgane der Volksanwaltschaft (vgl. Kucsko-Stadlmayer, 2014, 73 ff), die ebenso wie die "Beamten der Volksanwaltschaft" in Art. 148h B-VG eine Grundlage finden (ob diese besonderen Hilfsorgane - wie Kucsko-Stadlmayer meint - auch Weisungen der Volksanwaltschaft iSd Art. 20 Abs. 1 B-VG unterworfen sind, kann hier dahinstehen). Da diese Mitglieder der Kommissionen in keinem Dienstverhältnis zum Bund stehen, kommt ihnen gegenüber die Diensthoheit des Bundes nicht zum Tragen (vgl. Art. 148h Abs. 2 B-VG sowie den zitierten Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes).

39 Dies vermag an ihrem Charakter als Hilfsorgane der Volksanwaltschaft freilich nichts zu ändern, zumal die Volksanwaltschaft (wie erwähnt) ihre Aufgaben iSd Art. 148a Abs. 3 B-VG jedenfalls im beschriebenen Rahmen nur durch Heranziehung der Kommissionen zu besorgen vermag (vgl. auch § 13 Abs. 1 VolksanwG).

40 Die besondere Stellung der Kommissionen wird dadurch unterstrichen, dass dann, wenn die Volksanwaltschaft Vorschlägen oder Empfehlungen der Kommissionen für Empfehlungen und Missstandsfeststellungen der Volksanwaltschaft selbst nicht nachkommt, die Kommissionen berechtigt sind, den Berichten der Volksanwaltschaft iSd Art. 148d Abs. 1 B-VG Bemerkungen anzuschließen, die die Tätigkeit der jeweiligen Kommission betreffen; ferner sind die Leitungspersonen der Kommissionen berechtigt, an den ihren Tätigkeitsbereich betreffenden Beratungen der Volksanwaltschaft teilzunehmen, ihnen ist auf Verlangen das Wort zu erteilen (§ 13 Abs. 2 VolksanwG). Damit weisen die Kommissionen gegenüber dem Organ, dem sie als Hilfsorgane beigegeben sind, eine gewisse Eigenständigkeit auf. 41 F. Ausgehend davon ergeben sich für den vorliegenden Zusammenhang zwei bedeutsame Gesichtspunkte.

42 Zunächst bezweckt das OPCAT-Durchführungsgesetz nach seinem Inhalt sowie nach den einschlägigen Gesetzesmaterialien, bei der Umsetzung des OPCAT den darin normierten Anforderungen an seine Umsetzung umfassend Rechnung zu tragen. Das Anforderungsprofil dazu ergibt sich einerseits aus dem OPCAT, andererseits aber (auf Basis der Gesetzesmaterialien) auch aus den damit in Verbindung stehenden Pariser Regeln sowie den genannten Guidelines. Unerlässlich für die Aufgabenbesorgung des NPM ist damit die Unabhängigkeit der Volksanwaltschaft einschließlich der Garantie der Unabhängigkeit der Kommissionen (samt deren Mitglieder) als besondere Hilfsorgane der Volksanwaltschaft. Dieser funktionalen Unabhängigkeit iSd Art. 18 OPCAT dient auch die Beachtung der Abberufungsgründe nach § 12 Abs. 3 VolksanwG durch die Volksanwaltschaft selbst, ohne die ein stabiles Mandat der Kommissionsmitglieder während ihrer Funktionsperiode sowie deren "echte Unabhängigkeit" nicht garantiert werden kann (vgl. Art. 18 OPCAT sowie die Pariser Regeln in der genannten Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen). Sicherzustellen ist, dass die Mandatsdauer durch eine unzutreffende Handhabung der vorzeitigen Abberufung nicht unterlaufen werden kann. Werden die auf Basis des OPCAT gesetzlich normierten Abberufungsgründe nicht beachtet, wäre nämlich trotz gesetzlicher Festlegung der Amtsperiode kein stabiles Mandat gewährleistet. Den Mitgliedern der Kommissionen werden durch § 12 Abs. 4 VolksanwG subjektiv-öffentliche Rechte eingeräumt, nur unter den in den Z 1 bis Z 3 näher normierten Voraussetzungen vorzeitig abberufen zu werden (vgl. dazu die näheren Ausführungen weiter unten).

43 Gemessen an den mit dem OPCAT-Durchführungsgesetz verfolgten

Absichten des Gesetzgebers treffen für die Abberufungsregelung daher dieselben Wertungen und Gesichtspunkte zu wie für den in Art. 148h Abs. 1 und 2 B-VG geregelten Fall der anderen Hilfskräfte der Volksanwaltschaft, nämlich die bei ihr tätigen Beamten. Dies insofern, als den für diese Beamten der Volksanwaltschaft - für diese im Wege der Diensthoheit - eröffnete gerichtliche Rechtsschutz betreffend ihr Arbeitsverhältnis bei der Volksanwaltschaft auch bezüglich der Kommissionen (samt ihrer Mitglieder) als der zweiten (besonderen) Art der Hilfskräfte der Volksanwaltschaft zum Tragen kommen muss.

44 Angesichts der Absicht, das OPCAT (wie erwähnt) mit dem genannten Durchführungsgesetz vollinhaltlich umzusetzen, kann dem Gesetzgeber nämlich nicht unterstellt werden, dass er für einen Fall wie den vorliegenden - nämlich die Handhabung der Abberufungsgründe des § 12 Abs. 3 VolksanwG - keinen der Garantieverpflichtung des Art. 18 OPCAT adäquaten und dem Rechtswegniveau, wie er für die "Beamten der Volksanwaltschaft" als der anderen Kategorie der Hilfsorgane der Volksanwaltschaft einschlägig ist, vergleichbaren Rechtsschutz vorsehen wollte. Angesichts der gesetzgeberischen Absicht und der immanenten Teleologie des genannten Durchführungsgesetzes würde eine andere Sichtweise das OPCAT als unvollständig umgesetzt erscheinen lassen. Ein solches Verständnis widerspricht auch nicht einer in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich dargestellten Beschränkung. Damit kann aber eine solche Beschränkung im vorliegenden Fall auch nicht als beabsichtigt angesehen werden (vgl. idZ etwa VwGH 10.4.2018, Ra 2018/08/0189; VwGH 26.2.2016, Ro 2014/03/0004, VwSlg. 19311 A; VwGH 24.5.2016, Ro 2014/03/0048, VwSlg. 19375 A; VwGH 7.7.2017, Ra 2016/03/0099).

45 Das Erfordernis des gerichtlichen Rechtsschutzes gegenüber Entscheidungen der Volksanwaltschaft über die Abberufung eines Kommissionsmitgliedes wird damit sowohl der Einrichtung und Zielsetzung der Kommissionen als (besondere) Hilfsorgane der Volksanwaltschaft zur Umsetzung des OPCAT als auch dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit der anderen Kategorie der Hilfsorgane der Volksanwaltschaft gerecht. Subjektive Rechte der Hilfsorgane beider Kategorien unterliegen derart dem gerichtlichen Rechtsschutz. Der gerichtliche Rechtsschutz für Kommissionsmitglieder als Hilfskräfte reicht dabei nicht weiter als jene Beschränkung der Volksanwaltschaft, die sich aus dem B-VG selbst für ihre Bediensteten als ihre weiteren Hilfskräfte ergibt. Der Aspekt eines Rechtsschutzes gegenüber der Volksanwaltschaft wird noch dadurch unterstrichen, dass den Kommissionen bezüglich der Berichte der Volksanwaltschaft eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber der Volksanwaltschaft zukommt, die in ihrer schon angesprochenen Möglichkeit zum Ausdruck kommt, in den Berichten der Volksanwaltschaft gegenüber dem Nationalrat (unter bestimmten Voraussetzungen) eigene "Bemerkungen" vorzunehmen.

46 G. Auf dieser Grundlage ist näherhin Folgendes festzuhalten:

47 Die Einsetzung der Kommissionen zur Besorgung der Aufgaben nach Art. 148a Abs. 3 B-VG durch die Volksanwaltschaft verlangt die Bestellung von mindestens 42 Kommissionsmitgliedern, um die gesetzlich vorgesehene Anzahl von mindestens sechs Kommissionen zu bilden (vgl. § 12 Abs. 1 VolksanwG). Die Ernennung bzw. die Abberufung von Kommissionsmitgliedern ist erforderlich, um die von der Volksanwaltschaft einzurichtenden Kommissionen überhaupt erst mit dem nötigen Personal zu versehen. Die Bestellung der Kommissionsmitglieder gestaltet sich derart als administrative Voraussetzung für die der Volksanwaltschaft zurechenbare eigentliche Kommissionstätigkeit iSd Art. 148h Abs. 3 B-VG und stellt insofern die Erledigung einer angelagerten bzw. akzessorischen Verwaltungstätigkeit dar (vgl. in diesem Zusammenhang Rill, Zum Verwaltungsbegriff, in:

Ermacora/Winkler/Koja/Rill/Funk (Hrsg), Allgemeines Verwaltungsrecht, 1979, 35, 42 ff; Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht2, 2013, Rz 20.017). Die Kommissionen der Volksanwaltschaft bilden gemeinsam rechtlich den "Nationalen Präventionsmechanismus", sind weder organisatorisch noch funktionell eigenständig. Sie sind in das Verfassungsorgan Volksanwaltschaft integriert und (wie erwähnt) deren Hilfsorgane. Die nähere Ausgestaltung dieser Kommissionen regelt das B-VG nicht; diese erfolgt auf Grundlage des Art. 148j B-VG in §§ 11 ff VolksanwG, die zeitgleich mit der verfassungsrechtlichen Grundlage des Art. 148h Abs. 3 B-VG durch das OPCAT-Durchführungsgesetz, BGBl. I Nr. 1/2012, erlassen wurden und am selben Tag in Kraft getreten sind.

48 Art. 148h Abs. 3 B-VG weist der Volksanwaltschaft - getrennt von den Ernennungskompetenzen des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft nach Art. 148h Abs. 1 leg. cit. für die "Beamten der Volksanwaltschaft" - die Bestellungsbefugnis und damit implizit auch die Abberufungsbefugnis für die Kommissionsmitglieder zu.

49 In Abgrenzung zu der in Art. 148h Abs. 1 B-VG normierten Kompetenz des Vorsitzenden, Bedienstete (Beamte und Hilfskräfte) bei der Volksanwaltschaft zu ernennen bzw. zu bestellen, sieht Art. 148h Abs. 3 B-VG die Bestellung (und Abberufung) von Kommissionmitgliedern durch "die Volksanwaltschaft" vor. Die in Art. 148h Abs. 3 leg. cit. vom Verfassungsgesetzgeber verwendete Wortfolge "hat die Volksanwaltschaft Kommissionen einzusetzen" ist angesichts des systematischen Aufbaus des Art. 148h B-VG dahingehend zu verstehen, dass für die Bestellung (und Abberufung) der Kommissionsmitglieder nicht der Vorsitzende der Volksanwaltschaft allein, sondern die Mitglieder der Volksanwaltschaft als Kollegialorgan zuständig sind. Dementsprechend sieht § 9 Abs. 1 Z 7 der GeO der VA 2012 die Bestellung der Kommissionmitglieder durch kollegialen Beschluss der drei Mitglieder der Volksanwaltschaft vor. Einer Auslegung dahin, dass unter der in Art. 148h Abs. 3 B-VG verwendeten Bezeichnung "die Volksanwaltschaft" in Hinblick auf die dem Vorsitzenden nach Art. 148h Abs. 1 und 2 leg. cit. zukommenden Stellung als oberstes Verwaltungsorgan ebenso nur der Vorsitzende der Volksanwaltschaft gemeint sein könnte, steht zudem folgende Überlegung entgegen: Zum Zweck der Umsetzung des OPCAT wurden durch das OPCAT-Durchführungsgesetz, BGBl. I Nr. 1/2012, das achte Hauptstück des B-VG (Volksanwaltschaft) geändert und einfachgesetzliche Ausführungsgesetze erlassen. So wurden unter anderem Art. 148h Abs. 3 B-VG in die Verfassung eingefügt und § 1 Abs. 2 und die §§ 11 ff des VolksanwG geändert bzw. erlassen. Die - hier relevanten - durch das Durchführungsgesetz erlassenen bzw. geänderten Bestimmungen des B-VG sowie jene des VolksanwG traten am selben Tag (nämlich am 1. Juli 2012) in Kraft. Angesichts des gleichzeitigen Inkrafttretens des Art. 148h Abs. 3 B-VG sowie der relevanten Bestimmungen des VolksanwG ist nicht anzunehmen, dass die in der Verfassungsbestimmung des Art. 148h Abs. 3 B-VG verwendete Bezeichnung "die Volksanwaltschaft" die einfachgesetzlichen Regelungen, in denen eine kollegiale Beschlussfassung zur Bestellung und Abberufung der Kommissionsmitglieder vorgesehen ist, konterkariert (vgl. VwGH 18.5.2006, 2006/18/0119).

50 Das B-VG weist auf Basis des bisher Gesagten sowohl dem Vorsitzenden der Volksanwaltschaft in Art. 148h Abs. 1 B-VG als auch der Volksanwaltschaft als Kollegialorgan in Art. 148h Abs. 3 B-VG in bestimmtem Umfang der Gesetzgebung "angelagerte" Verwaltungsfunktionen zu. Derart kommt auch der Volksanwaltschaft als Kollegialorgan die Stellung als (oberstes) Verwaltungsorgan des Bundes zu und ist diese in diesem Rahmen ermächtigt, hoheitliche Akte zu erlassen.

51 H.  Wenn § 12 Abs. 4 VolksanwG die vorzeitige Abberufung eines Kommissionsmitgliedes an die dort in den Z 1 bis Z 3 näher normierten Voraussetzungen bindet, wird nach der gefestigten Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl. VfGH 30.6.2007, KI-1/07, VfSlg. 18.191; VwGH 13.10.2012, 2009/10/0254, VwSlg. 18.506 A; VwGH 28.1.2016, Ra 2015/07/0153; 23.11.2010, 2010/06/0180, VwSlg. 17.992 A) einem Kommissionsmitglied für die Ausübung dieser staatlichen Funktion das Recht eingeräumt, tatsächlich nur bei Vorliegen eines im Gesetz hiefür vorgesehenen Grundes seiner Funktion enthoben zu werden; insofern geht es um die Wahrung der Rechte des Kommissionsmitgliedes "als Rechtsperson".

52 Die Abberufung eines Kommissionsmitgliedes ist derart nicht nur an einen Beschluss der Volksanwaltschaft geknüpft, wozu eine kollegiale Beschlussfassung (mit Stimmenmehrheit) erforderlich ist (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 VolksanwG), sondern auch an das Vorliegen gesetzlich normierter Abberufungsgründe (vgl. VwGH 20.11.2007, 2007/11/0157, VwSlg. 17.323 A; VwGH 17.6.2014, 2012/04/0161). Mit der für die Erfüllung ihrer Aufgaben den Kommissionsmitgliedern gebührenden Entschädigung (vgl. §§ 12 Abs. 6, 13 Abs. 3 VolksanwG) kommt den Kommissionsmitgliedern zudem ein an ihre Organfunktion geknüpfter wirtschaftlicher Vorteil im öffentlichen Recht zu, der - wie § 24 Abs. 2 und 3 leg. cit. zeigt - nicht in der Form eines bloßen Aufwandersatzes berechnet wird. Zwar handelt es sich bei den Mitgliedern der Kommissionen nicht um Bedienstete der Volksanwaltschaft iSd Art. 148h Abs. 2 B-VG, diese stehen aber - wie §§ 12 ff VolksanwG zeigen - in einem besonderen, auch durch einen Entlohnungsanspruch gekennzeichneten und auf bestimmte Dauer angelegten Rechtsverhältnis zum Bund, als dessen Organwalter sie aufgrund der Einsetzung durch die Volksanwaltschaft tätig wurden (vgl. Art. 148 h Abs. 3 B-VG). Vor dem Hintergrund, dass die Ausübung der Funktion als Kommissionsmitglied Rechte vermittelt, wie den (in seinem Umfang nicht völlig unerheblichen) Anspruch auf Entschädigung gemäß § 24 VolksanwG, ist die Rechtssphäre der Person durch die Abberufung aus dieser Funktion betroffen. Zudem verfügen Kommissionsmitglieder (wie erwähnt) über ein subjektivöffentliches Recht, nur bei Vorliegen der in § 12 Abs. 4 VolksanwG gesetzlich normierten Voraussetzungen abberufen zu werden und ihrer damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Vorteile verlustig zu werden (vgl. dazu VwGH 9.9.2009, 2008/10/0252).

53 I. Es wurde schon festgehalten, dass es die Umsetzung des OPCAT verlangt, den für die Beamten bei der Volksanwaltschaft (für diese im Wege der Diensthoheit) eröffneten gerichtlichen Rechtsschutz betreffend ihr Arbeitsverhältnis bei der Volksanwaltschaft auch bezüglich der Kommissionen (samt ihrer Mitglieder) als der zweiten (besonderen) Art der Hilfskräfte der Volksanwaltschaft zum Tragen kommen zu lassen.

54 Dieses Ergebnis wird noch durch folgende Überlegung gestützt: Da das im B-VG verankerte Rechtsstaatsprinzip ein Mindestmaß an faktischer Effektivität des Rechtsschutzes verlangt (vgl. dazu etwa VfGH 26.9.2016, G 244/2016, u.a., Rz 19; VwGH 20.12.2016, Ra 2015/03/0048, VwGH 13.9.2016,

Ro 2014/03/0062), erscheint die vom Bundeverwaltungsgericht angenommene Qualifikation der Abberufung der Revisionswerberin als Kommissionmitglied durch das Kollegium der Volksanwaltschaft als Akt sui generis nicht zutreffend. Ausgehend von der dargestellten, sich aus dem OPCAT und seiner Umsetzung ergebenden Verpflichtung zur Garantie eines "stabilen Mandats" der Kommissionen samt ihrer Mitglieder kommt das vom Rechtsstaatsprinzip umfasste Gebot zum Tragen, die Festlegung von Rechtsfolgen wie im vorliegenden Fall an eine Form zu knüpfen, die Rechtsschutz samt inhaltlicher Überprüfung des entsprechenden Aktes ermöglicht. Eine Abberufung als Kommissionsmitglied ist vom Kollegium der Volksanwaltschaft daher mit Bescheid - an den der Rechtsschutz iSd Art. 130 ff B-VG anknüpft - vorzunehmen. In diesem Sinne wird ein Anspruch - hier:

insbesondere auf Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Abberufung als Kommissionsmitglied - auch rechtsstaatlich durchsetzbar (vgl. VwGH 23.10.2012, 2009/10/0254, VwSlg. 18.506 A, mwH insbesondere auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Eine von einer Abberufung rechtlich betroffene Partei muss auch ausgehend davon die Möglichkeit haben, über die Frage der Abberufung eine letztlich von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts überprüfbare Entscheidung zu erwirken (vgl. idZ VwGH 12.9.2012, 2010/08/0085, mwH). Andernfalls bliebe dem Rechtsunterworfenen nämlich keine andere Möglichkeit, die allfällige Rechtswidrigkeit einer von der Volksanwaltschaft vorgenommenen Abberufung als Kommissionsmitglied und damit seine subjektiven Rechte geltend zu machen, was angesichts des OPCAT dem Mindestmaß an faktischer Effektivität des Rechtsschutzes widerstreitet (vgl. nochmals VwGH 20.12.2016, Ra 2015/03/0048, mwH). Damit wird im Ergebnis auch ein Spannungsverhältnis mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsschutzprinzip vermieden (vgl. idZ VfGH 1.3.2010, B 570/09, VfSlg. 19.009/2010, betreffend die verfassungskonforme Auslegung einer aufsichtsgesetzlichen Regelung zur Vermeidung eines Widerspruchs mit dem aus dem Rechtsschutzprinzip hervorgehenden Grundsatz, dass die Rechtsordnung ausreichend effizienten Rechtsschutz gewähren muss). Bei einem anderen Verständnis könnte im Interesse eines "stabilen Mandats" nach dem OPCAT nicht überprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine Abberufung aus rechtlicher Sicht tatsächlich gegeben waren.

55 J. Bescheide sind individuelle, hoheitliche Erledigungen einer Verwaltungsbehörde, durch die in bestimmten

Verwaltungssachen in einer förmlichen Weise über Rechtsverhältnisse materiellrechtlicher oder formellrechtlicher Art abgesprochen wird, sei es dass Rechtsverhältnisse festgestellt, sei es, dass sie gestaltet werden (vgl. VwGH 1.9.2015, Ra 2015/03/0060). Enthält eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift oder auch die Beglaubigung, dann ist das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich (vgl. VwGH 10.8.2000, 2000/07/0043). Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat (vgl. dazu VwGH 16.5.2001, 2001/08/0046). Das Erfordernis, dass ein Bescheid einen Spruch enthalten muss, ist nicht streng formal auszulegen; vielmehr ist der normative Abspruch auch aus der Formulierung erschließbar, doch muss sich der Wille der Behörde, in einer Verwaltungssache hoheitlich abzusprechen, eindeutig aus der Erledigung ergeben. Aus der Erledigung muss der objektiv erkennbare Wille der Behörde hervorgehen, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen. Auch formlose Schreiben können Bescheide sein (vgl. VwGH 31.1.2000, 99/10/0202; VwGH 10.8.2000, 2000/07/0043; VwGH 16.5.2001, 2001/08/0046). Das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung ist für den Bescheidcharakter einer behördlichen Erledigung ebenso wenig entscheidend wie eine Gliederung dieser Erledigung nach Spruch und Begründung (vgl. VwGH 31.3.2009, 2004/10/0118).

56 Gegenständlich wurde die Revisionswerberin durch ein an sie adressiertes Schreiben der Volksanwaltschaft vom 8. Juli 2016, gezeichnet durch das Kollegium der Volksanwaltschaft gemäß § 12 Abs. 4 Z 3 VolksanwG iVm § 19 Abs. 5 und § 20 GeO der VA 2012, mit sofortiger Wirksamkeit als Kommissionsmitglied abberufen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Spannungslage der Häufung der Teilnahme bzw. des zufällig in der Nähe einer Versammlung Tätigseins an näher bestimmten Tagen und der zeitliche Konnex mit der tatsächlichen Funktionsausübung als Kommissionsmitglied bei einem polizeilichen Einsatz geeignet sei, Zweifel an der unabhängigen Ausübung der Funktion als Kommissionsmitglied hervorzurufen. Im Zweifelsfall der vollen Unbefangenheit hätte die Revisionswerberin gemäß § 20 GeO der VA 2012 eine Entscheidung des Vorsitzenden der Volksanwaltschaft bzw. bei Gefahr in Verzug der Kommissionsleitung einholen müssen. Da die Revisionswerberin dies nicht getan habe, habe sie dadurch eine grobe Pflichtverletzung begangen.

57 Im genannten Schreiben der Volksanwaltschaft kommt zweifelsfrei der Wille zum Ausdruck, eine rechtsverbindliche Entscheidung betreffend die Abberufung der revisionswerbenden Partei von der Funktion eines Kommissionsmitgliedes zu treffen. In diesem Zusammenhang verwendet § 12 Abs. 4 leg. cit. (und ihm folgend die in Rede stehende Erledigung) eine auf eine autoritative Entscheidungstätigkeit gerichtete Ausdrucksweise. Es ist deutlich erkennbar, dass die Volksanwaltschaft den Willen hatte, gegenüber der individuell bestimmten revisionswerbenden Partei die normative Erledigung einer konkreten Angelegenheit vorzunehmen (siehe dazu etwa VwGH 26.3.2014, Ro 2014/03/0038, oder VfGH 10.6.2003, B 1415/02, VfSlg. 16.859/2003). Damit ist ein normativer Inhalt des Schreibens - nämlich die rechtsverbindliche Abberufung der Revisionswerberin als Kommissionsmitglied - klar zu erkennen, weshalb das gegenständliche Schreiben des Kollegiums der Volksanwaltschaft auf dem Boden des Gesagten als Bescheid zu werten ist.

58 Wenn auch die Volksanwaltschaft in ihrem Verfahren zur Abberufung der revisionswerbenden Partei von ihrer Funktion als Kommissionsmitglied nicht die §§ 56 ff AVG betreffend Bescheide und deren Gestaltung anzuwenden hatte (vgl. § 5 VolksanwG), so bedeutet es aber nicht, dass von der Volksanwaltschaft etwa auch jene allgemeinen Grundsätze, die sich schon aus dem Wesen des Rechtsstaates ergeben, nicht zu beachten gewesen wären. Zu den allgemeinen, für jedes rechtsstaatliche Verfahren wichtigen Rechtsgrundsätzen zählt insbesondere die Pflicht zur Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts in einem Ermittlungsverfahren, die Pflicht zur Entscheidungsbegründung (vgl. hier § 12 Abs. 4 VolksanwG) sowie die Pflicht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs (vgl. VwGH 20.11.2007, 2007/11/0157, VwSlg. 17.323 A; VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0050; VwGH 13.9.2016, Ro 2015/03/0045; VwGH 28.4.2017, Ra 2017/03/0027; VwGH 26.6.2014, Ro 2014/16/0034).

59 K. Das BVwG ist (entgegen der Auffassung der Revisionswerberin) für die gegenständliche Beschwerde zuständig. Wie ausgeführt kommen der Volksanwaltschaft als Kollegialorgan im Rahmen der Bestellungs- und Abberufungsbefugnis hinsichtlich der Kommissionsmitglieder gemäß Art. 148h Abs. 3 B-VG iVm § 1 Abs. 2 VolksanwG iVm § 9 Abs. 1 Z 7 der GeO der VA 2012 "angelagerte Verwaltungsfunktionen" zu. Das Kollegium der Volksanwaltschaft wird diesbezüglich als (oberstes) Verwaltungsorgan tätig und hat in Ausübung der Befugnisse nach Art. 148h Abs. 3 B-VG einen Bescheid über die Abberufung der Revisionswerberin als Kommissionsmitglied zu erlassen. Die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes gemäß Art. 131 Abs. 2 erster Satz B-VG knüpft daran an, dass eine Angelegenheit in unmittelbarer Bundesverwaltung (im Sinne des Art. 102 B-VG) besorgt wird; dies unabhängig davon, ob die betreffende Angelegenheit in Art. 102 Abs. 2 B-VG genannt ist oder sich ihre Besorgung in unmittelbarer Bundesverwaltung aus anderen Bestimmungen ergibt (vgl. EBRV 1618 BlgNR XXIV. GP , Seite 15). Da die Volksanwaltschaft organisatorisch ein Bundesorgan ist und damit im Rahmen ihrer angelagerten Verwaltungstätigkeit gemäß Art. 148h Abs. 3 B-VG in unmittelbarer Bundesverwaltung tätig wird, fällt die Beschwerde der Revisionswerberin in den Zuständigkeitsbereich des BVwG.

60 L. Schließlich ist noch anzumerken, dass dem gegenständlich relevanten Abtretungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes eine Bindungswirkung hinsichtlich der dort genannten Prozessvoraussetzung des tauglichen Anfechtungsgegenstandes nicht zukommt (vgl. dazu etwa VwGH 27.8.2014, Ro 2014/19/0005, mwH). Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass mit dem angesprochenen Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes nicht darüber abgesprochen wurde, ob die Entscheidung des BVwG dem § 12 Abs. 4 VolksanwG inhaltlich entspricht. Eine rechtlich bindende Wirkung der genannten Beschlüsse konnte daher insofern nicht eintreten.

IV. Ergebnis

61 A. Der angefochtene Beschluss war daher vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

62 B. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 26. Juni 2019

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