VwGH 2010/06/0180

VwGH2010/06/018023.11.2010

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Bayjones und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schmidt, über die Beschwerde der

Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für ... in Q,

vertreten durch Dr. Felix Ehrnhöfer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Siebensterngasse 42-44/8, gegen den Bescheid des Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend vom 16. Juni 2010, Zl. BMWFJ- 91.518/0011-I/3/2010, betreffend Aufhebung von Beschlüssen des Kammervorstandes, zu Recht erkannt:

Normen

ÜbertragungsV Kammer Architekten Ingenieurkonsulenten Wien NÖ Bgld;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZTG 1958 §15 Abs2;
ZTKG 1994 §10 Abs4 Z2;
ZTKG 1994 §15 Abs2;
ZTKG 1994 §49;
ZTKG 1994 §7;
ZTKG 1994 §9 Abs2 Z2;
ÜbertragungsV Kammer Architekten Ingenieurkonsulenten Wien NÖ Bgld;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZTG 1958 §15 Abs2;
ZTKG 1994 §10 Abs4 Z2;
ZTKG 1994 §15 Abs2;
ZTKG 1994 §49;
ZTKG 1994 §7;
ZTKG 1994 §9 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Punkt I. des angefochtenen Bescheides wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als er die Frage der Zuständigkeit zur Abberufung des Kammerdirektors betrifft. Hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit zur Kündigung des Kammerdirektors und hinsichtlich Punkt II. des angefochtenen Bescheides wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine Landeskammer der Architekten- und Ingenieurkonsulenten. Im Beschwerdefall geht es um die Frage der Abberufung ihres Kammerdirektors und um die Kündigung seines Dienstverhältnisses sowie um diesbezügliche Auffassungsunterschiede zwischen dem Präsidium und dem Kammervorstand.

In den Kammernachrichten Nr. 6/1996 wurde folgende Verordnung des Kammervorstandes vom 29. Mai 1996 kundgemacht (in der Folge auch kurz: ÜbertragungsVO):

"Der Kammervorstand hat in der Sitzung vom 29.5.1996 folgende Verordnung beschlossen:

Gemäß § 10 (4) ZTKG werden folgende Kompetenzen des Kammervorstandes dem Präsidium übertragen:

1. Entsendung von Vertretern in Körperschaften, Kollegien oder Beiräte und Erstattung von Besetzungsvorschlägen für solche Stellen.

2. Besorgung der wirtschaftlichen Angelegenheiten, soweit die dadurch verursachten Ausgaben öS 100.000,- nicht übersteigen und nicht die Kammervollversammlung zuständig ist, sowie die Dienstangelegenheiten der Kammerbediensteten nach Maßgabe der Kammergeschäftsordnung und der Dienstordnung (§§ 49 und 50 ZTKG).

Diese Verordnung tritt mit Kundmachung in den Kammernachrichten in Kraft."

In der Sitzung des Präsidiums der Beschwerdeführerin vom 9. Dezember 2009 wurde Folgendes beschlossen:

"ANTRAG KÜNDIGUNG (Name)

Das Präsidium möge in Ausübung seiner im Jahr 1996 per

Verordnung vom Vorstand der LK ... übertragenen erhaltenen

Pflichten das Dienstverhältnis mit Kammerdirektor (Name) kündigen.

Letzter Arbeitstag ist der 30.06.2010

Die Kündigung gilt als am 09.12.2009 dem (Name) ausgesprochen und ist unwiderruflich.

Das Präsidium behält sich ausdrücklich vor, den Dienstvertrag, sowie sämtliche Zusatzvereinbarungen des (Name) mit

der LK ... von einem unabhängigen Juristen prüfen zu lassen.

(Name) wird mit sofortiger Wirkung dienstfrei gestellt. Mit einer Gegenstimme mehrheitlich angenommen."

In der Sitzung des Kammervorstandes vom 21. Dezember 2009 wurde diese Problematik erörtert und es wurden folgende drei Beschlüsse gefasst (Annahme von Anträgen dieses Wortlautes; in der Folge 1., 2. und 3. Beschluss):

(1.) "Der Kammervorstand stellt fest, dass die Abberufung und Kündigung des Dienstverhältnisses eines Kammerdirektors in seine Zuständigkeit fällt. Dies ergibt sich in Umkehrschluss aus § 15 Abs. 2 ZTG sowie im konkreten Fall auch aus der rechtsgültig dienstvertraglich von der Kammer eingegangenen entsprechenden Verpflichtung gegenüber dem derzeitigen Kammerdirektor."

(Anmerkung: Es sollte wohl statt "ZTG" richtig "ZTKG" lauten)

(2.) "Der Kammervorstand bekräftigt die Bestellung von (Name) zum Kammerdirektor und fordert den Präsidenten auf, mit (derselbe Name) unverzüglich das Einvernehmen über die Rücknahme der Kündigung und die Wiederaufnahme des Dienstes herzustellen."

(3.) "Der Kammervorstand widerruft vorsorglich die Delegation der Dienstangelegenheiten an das Präsidium und fordert den Präsidenten auf, unverzüglich die entsprechende Verordnung zu veröffentlichen."

Die Verordnung zum 3. Beschluss wurde in der Zeitschrift dieser Kammer Nr. 17 vom Dezember 2009 mit folgendem Wortlaut kundgemacht:

"1. Die Delegierung der Dienstangelegenheiten an das Präsidium wird widerrufen.

2. Die Wortfolge in Punkt 2. der Verordnung des Kammervorstandes vom 29.5.1996 (kundgemacht in den Kammernachrichten 6/1996) wird wie folgt geändert:

Der Passus 'sowie die Dienstangelegenheiten der Kammerbediensteten nach Maßgabe der Kammergeschäftsordnung und der Dienstordnung (§§ 49 und 50 ZTKG)' entfällt.

3. Diese Verordnung tritt mit dem Tag ihrer Kundmachung in Kraft."

In der Sitzung des Kammervorstandes vom 17. März 2010 wurde folgende Verordnung beschlossen (gemäß dem "Beschlussprotokoll" über diese Sitzung):

"Die Verordnung des Kammervorstandes v. 29.5.1996 idF der Verordnung des Kammervorstandes vom 21.12.2009 wird aufgehoben. Die Aufhebung tritt mit Kundmachung in Kraft."

Diese Verordnung wurde in der Zeitschrift der beschwerdeführenden Kammer Nr. 18 vom April 2010 wie folgt kundgemacht:

"Verordnung des Kammervorstandes vom 17.3.2010:

Die Verordnung des Kammervorstandes vom 29.5.1996 in Form der Verordnung des Kammervorstandes vom 21.12.2009 wird aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Kundmachung in Kraft."

Der Spruch des hier angefochtenen Bescheides der belangte

Behörde lautet:

"I. Gemäß § 54 Abs. 2 Z 2 Ziviltechnikerkammergesetz 1993 -

ZTKG, BGBl. Nr. 157/1994, in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 136/2009, wird der unter Top 3 zu dem Antrag (F.) gefasste Beschluss 1 der außerordentlichen (19.) Sitzung des Kammervorstandes der Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammer für (...) vom 21.12.2009, soweit er besagt, dass die Abberufung und Kündigung des Dienstverhältnisses eines Kammerdirektors in seine (des Kammervorstandes) Zuständigkeit fällt, als

gesetzwidrig aufgehoben.

II. Gemäß 54 Abs. 2 Z 2 Ziviltechnikerkammgesetz 1993 - ZTKG, BGBl. Nr. 157/1994, in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. I Nr. 136/2009, wird der unter Top 3 zu dem Antrag (F.) gefasste Beschluss 3 der außerordentlichen (19.) Sitzung des Kammervorstandes der Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammer für (...) vom 21.12.2009, womit der Kammervorstand vorsorglich die Delegation der Dienstangelegenheiten an das Präsidium widerruft und den Präsidenten auffordert, unverzüglich die entsprechende Verordnung zu veröffentlichen, als

gesetzwidrig aufgehoben."

Die belangte Behörde begründete den Punkt I. nach Wiedergabe des betreffenden Beschlusses des Kammervorstandes, gesetzlicher Bestimmungen und des Wortlautes der Verordnung 29. Mai 1996 zusammengefasst dahingehend, im Hinblick auf diese Verordnung vom 29. Mai 1996 sei zum Zeitpunkt der Sitzung des Kammervorstandes am 21. Dezember 2009 die Zuständigkeit des Präsidiums für alle Dienstangelegenheiten, somit auch für die Abberufung und Kündigung des Kammerdirektors, nach wie vor gegeben gewesen, weshalb die Feststellung des Vorstandes, dass die Abberufung und Kündigung des Dienstverhältnisses eines Kammerdirektors in seine Zuständigkeit falle, als gesetzwidrig aufzuheben gewesen sei. In diesem Zusammenhang sei überdies festzuhalten, dass § 10 Abs. 4 Z 2 ZTKG den Vorstand ermächtige, die Besorgung aller Dienstangelegenheiten zu delegieren.

Zu Punkt II. führte die belangte Behörde aus, der entsprechende Beschluss sei aus folgenden Gründen gesetzwidrig:

Wie bereits dargelegt, ermächtige § 10 Abs. 4 ZTKG den Kammervorstand, mit Verordnung unter anderem alle Dienstangelegenheiten der Kammerbediensteten dem Präsidium zu übertragen. Im Hinblick auf den Wortlaut dieser Bestimmung könne das Vorliegen einer Delegation, das heiße, die durch Willenserklärung erfolgte Übertragung der dem Kammervorstand ursprünglich zukommenden Zuständigkeit auf das Präsidium angenommen werden. Diese Delegation sei mit der auf dem Beschluss des Kammervorstandes vom 29. Mai 1996 beruhenden Verordnung erfolgt, die in den Kammernachrichten 6/96 kundgemacht worden sei.

§ 10 Abs. 4 ZTKG (gemeint: dessen Wortlaut) sehe (zwar) keine Ermächtigung vor, die Zuständigkeitsübertragung rückgängig zu machen. Obwohl der Gesetzgeber eine solche Rückübertragung nicht normiert habe, erscheine es (aber) gerechtfertigt, davon auszugehen, dass die dem Übertragenden zukommende Verordnungsermächtigung auch eine Befugnis zur Aufhebung oder Abänderung der Übertragung unter denselben Voraussetzungen, die für die Delegation selbst vorgesehen seien, umfasse.

Wie dem 3. Beschluss des Kammervorstandes vom 21. Dezember 2009 zu entnehmen sei, beschränke sich dieser Beschluss lediglich darauf, "vorsorglich die Delegation der Dienstangelegenheiten an das Präsidium" zu widerrufen und den Präsidenten aufzufordern, "unverzüglich die entsprechende Verordnung zu veröffentlichen", ohne jedoch festzulegen, welchen Wortlaut die entsprechende Verordnung zu erhalten habe. Da der Beschluss im Hinblick auf die Delegationsverordnung aus dem Jahre 1996 und deren Wortlaut - selbst im Hinblick auf das bereits Ausgeführte - nicht als contrarius actus bezeichnet werden könne und auch die Bestimmung des Wortlautes der entsprechenden Verordnung durch das beschlussfassende Organ nicht vorgelegen sei, sondern dem Präsidenten überlassen worden sei, sei dieser Beschluss wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die Beschwerdeführerin hat repliziert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Ziviltechnikerkammergesetz 1993, BGBl. Nr. 157/1994 (ZTKG), in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2009 anzuwenden.

Insbesondere sind folgende Bestimmungen von Bedeutung (zT auszugsweise zitiert):

"1. ABSCHNITT

Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammern

Errichtung, Zweck und Sitz

§ 1. (1) Als berufliche Vertretungen des Standes der staatlich befugten und beeideten Ziviltechniker (Architekten und Ingenieurkonsulenten) sind folgende Kammern (Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammern) berufen:

1. Länderkammern:

a) die Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit dem Sitz in Wien;

b) die Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammer für Steiermark und Kärnten mit dem Sitz in Graz;

c) die Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammer für Oberösterreich und Salzburg mit dem Sitz in Linz;

d) die Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammer für Tirol und Vorarlberg mit dem Sitz in Innsbruck;

2. die Bundes-Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammer (im folgenden: die Bundeskammer) mit dem Sitz in Wien.

(2) Der örtliche Wirkungsbereich jeder Länderkammer erstreckt sich auf die jeweiligen in Abs. 1 angeführten Bundesländer, der der Bundeskammer auf das gesamte Bundesgebiet.

(3) Sämtliche Kammern gemäß Abs. 1 sind Körperschaften des öffentlichen Rechtes (...)."

"2. ABSCHNITT

Länderkammern

Wirkungsbereich

§ 2. (1) Die Länderkammern sind berufen, innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches die beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Ziviltechniker wahrzunehmen und zu fördern, für die Wahrung des Standesansehens zu sorgen und die Erfüllung der Berufspflichten der Ziviltechniker zu überwachen.

(2) Die in Abs. 1 umschriebenen Aufgaben sind solche des selbständigen Wirkungsbereiches. In diesem sind die Länderkammern insbesondere berufen: (...)"

"Gliederung der Länderkammern

§ 3. Jede Länderkammer gliedert sich in die Sektionen Architekten und Ingenieurkonsulenten; der Sektion Architekten gehören alle Kammermitglieder an, denen die Befugnis eines Architekten verliehen wurde, die übrigen der Sektion Ingenieurkonsulenten."

"Organe

§ 7. Organe der Länderkammer sind:

  1. 1. der Präsident (§ 8)
  2. 2. das Präsidium (§ 9)
  3. 3. der Kammervorstand (§ 10)
  4. 4. die Kammervollversammlung (§ 11)
  5. 5. der Sektionsvorsitzende (§ 12)
  6. 6. der Sektionsvorstand (§ 13)
  7. 7. der Sektionstag (§ 14)
  8. 8. die Rechnungsprüfer (§ 53)
  9. 9. der Disziplinarausschuss (§ 57)."

    "Präsident

§ 8.

(2) Der Präsident vertritt die Länderkammer nach außen, er leitet und überwacht die gesamte Geschäftsführung. Er beruft die Sitzungen des Präsidiums, des Kammervorstandes und der Kammervollversammlung ein und führt in diesen den Vorsitz. Ihm obliegt die Durchführung der Beschlüsse dieser Organe. Er hat für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere für die Beachtung der Grenzen des Wirkungsbereiches der Länderkammer zu sorgen."

"Präsidium

§ 9. (1) Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten sowie den Sektionsvorsitzenden und deren Stellvertreter.

(2) Das Präsidium ist berufen zur:

1. Erstattung von Vorschlägen und Gutachten nach dem Ziviltechnikergesetz, in Titel- und Auszeichnungsangelegenheiten und bei Eintragungen in die Liste der gerichtlich beeideten Sachverständigen;

2. Besorgung aller Aufgaben, die dem Präsidium vom Kammervorstand übertragen werden (§ 10 Abs. 4);

3. Entscheidung bei besonderer Dringlichkeit und in jenen Fällen, in denen der Kammervorstand innerhalb der gestellten Frist keinen Beschluss fassen kann."

"Kammervorstand

§ 10. (1) Der Kammervorstand besteht in der Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland aus 14, für Steiermark und Kärnten aus 14, für Oberösterreich und Salzburg aus 14 und für Tirol und Vorarlberg aus 10 Mitgliedern, die je zur Hälfte den beiden Sektionen anzugehören haben.

(2) ...

(3) ...

(4) Der Kammervorstand ist in allen Angelegenheiten zuständig, die nicht einem anderen Organ zugewiesen sind. Auf Antrag einer Sektion kann er Fachgruppen einrichten, deren Aufgabenbereich und organisatorischer Aufbau in der Geschäftsordnung (§ 49) zu regeln sind. Der Kammervorstand ist ermächtigt, mit Verordnung folgende Aufgaben dem Präsidium zu übertragen, sofern dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit gelegen ist:

1. Entsendung von Vertretern in Körperschaften, Kollegien oder Beiräte und Erstattung von Besetzungsvorschlägen für solche Stellen;

2. Besorgung der wirtschaftlichen Angelegenheiten, soweit nicht die Kammervollversammlung zuständig ist, sowie aller Dienstangelegenheiten der Kammerbediensteten nach Maßgabe der Kammergeschäftsordnung (§ 49) und der Dienstordnung (§ 50).

(5) Die Verordnung gemäß Abs. 4 ist in den Kammernachrichten kundzumachen. Sie tritt, wenn darin nicht ein späterer Tag bestimmt ist, mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft."

"Kammerdirektion

§ 15. (1) Zur Besorgung der Konzepts-, Kanzlei- und Kassageschäfte ist bei jeder Länderkammer eine Kammerdirektion einzurichten, deren Kosten die Länderkammer zu bestreiten hat.

(2) Zur Leitung der Kammerdirektion kann der Kammervorstand einen Kammerdirektor bestellen, der rechtskundig sein muss."

"Geschäftsordnungen

§ 49. (1) Die Kammern haben nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes nähere Bestimmungen über ihre innere Geschäftsführung in der Geschäftsordnung zu treffen. Insbesondere haben sie die Fristen festzulegen, innerhalb deren Anträge an die Kammervollversammlung und an den Kammertag schriftlich einzubringen sind. Sie haben festzusetzen, dass eine bestimmte, 20 nicht übersteigende Zahl von Mitgliedern berechtigt ist, an die Vollversammlung Vorschläge zu richten und Anträge zu stellen, die der Präsident auf die Tagesordnung der nächsten Vollversammlung zu setzen hat, und dass ein Vertreter dieser Mitglieder berechtigt ist, an den Beratungen in jenem Organ, dem die Angelegenheit zur Behandlung zugewiesen wird, ohne Stimmrecht teilzunehmen.

(2) Geschäftsordnungen sind in den jeweiligen Kammernachrichten kundzumachen. Die Geschäftsordnungen treten, wenn darin nicht ein späterer Tag bestimmt ist, mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft."

"Dienstordnungen

§ 50. Die Kammern können über die bestehenden gesetzlichen Ansprüche hinaus den Kammerbediensteten in Dienstordnungen, die den Einzeldienstverträgen zugrunde zu legen sind, zusätzliche Ansprüche, insbesondere auf einen Erholungsurlaub, auf Dienstfreistellungen aus besonderen Anlässen und auf Zuwendungen zur Altersversorgung einräumen."

"Aufsichtsbehörde

§ 54. (1) Die Aufsicht über die Kammern wird vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ausgeübt. Die Kammern sind verpflichtet, der Aufsichtsbehörde die zur Wahrnehmung der Aufsicht erforderlichen Auskünfte zu erteilen und sie von der Einberufung der Sitzungen der Kammerorgane angemessene Zeit vorher zu benachrichtigen.

(2) Die Aufsichtsbehörde ist insbesondere berechtigt:

1. zu den Sitzungen der Kammerorgane Vertreter zu entsenden, Berichte über die Tätigkeit der Kammerorgane einzuholen und in alle Kammerakten Einsicht zu nehmen;

2. gesetzwidrige Beschlüsse und Anordnungen mit Ausnahme jener des Disziplinarausschusses und der Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten aufzuheben;

3. Organe zu entheben, wenn sie ihre Befugnisse überschreiten, ihre Aufgaben vernachlässigen oder beschlußunfähig werden.

(3) Die Kammern sind verpflichtet, auf Verlangen der Aufsichtsbehörde die Aufhebung gesetzwidriger Beschlüsse und Anordnungen in ihren Kammernachrichten zu verlautbaren."

Aus § 10 Abs. 4 Z 2 ZTKG ergibt sich, dass der Kammervorstand unter anderem für "alle Dienstangelegenheiten der Kammerbediensteten nach Maßgabe der Kammergeschäftsordnung (§ 49) und der Dienstordnung (§ 50)" zuständig ist, weil er ja ansonsten diese Angelegenheiten nicht dem Präsidium übertragen könnte.

Weiters ist der Kammervorstand, soweit im Beschwerdefall erheblich, gemäß § 15 Abs. 2 ZTKG zur Bestellung eines Kammerdirektors berufen. Diese Anordnung ist dahin zu verstehen, dass der Kammervorstand nicht nur dazu berufen ist, zu entscheiden, ob überhaupt ein Kammerdirektor zu bestellen ist, sondern auch die konkrete Person zu bestellen hat. Da die Abberufung nach dem Gesetz keinem anderen Organ zugewiesen ist, muss der Kammervorstand gleichermaßen dazu berufen sein, einen bestellten Kammerdirektor von seiner Funktion abzuberufen.

Von der Bestellung des Kammerdirektors ist der Abschluss eines Dienstvertrages zwischen der bestellten Person und der Kammer zu unterscheiden (oder die Änderung eines bestehenden Dienstvertrages, sollte der Bestellte bereits in einem dienstvertraglichen Verhältnis zur Kammer stehen). Dies gilt sinngemäß für die Abberufung des Kammerdirektors und die Auflösung (Änderung) seines dienstvertraglichen Verhältnisses zur Kammer. Da es im Beschwerdefall nur um die Frage geht, welches Kammerorgan für die Abberufung einerseits und die Kündigung des Dienstverhältnisses andererseits berufen ist, kann die weitere Frage dahingestellt bleiben, in welcher Rechtsform (Hoheitsakt oder Rechtsgeschäft) eine Abberufung zu erfolgen hat (vgl. dazu die im hg. Erkenntnis vom 9. September 2009, Zl. 2008/10/0252, auch unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 2007, KI-1/07, VfSlg. 18191, erörterte Problematik - Enthebung aus der Funktion mittels Bescheides auch bei Bestehen eines privatrechtlichen Dienstverhältnisses).

Zutreffend hat die belangte Behörde erkannt, dass für die Frage dieser Zuständigkeit insbesondere auch die ÜbertragungsVO des Kammervorstandes vom 29. Mai 1996 relevant ist, mit der gemäß § 10 Abs. 4 ZTKG unter anderem die Dienstangelegenheiten der Kammerbediensteten nach Maßgabe der Kammergeschäftsordnung und der Dienstordnung dem Präsidium übertragen wurden.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid angenommen, dass der Begriff "Dienstangelegenheiten" im Sinne des § 10 Abs. 4 Z 2 ZTKG auch die Abberufung des Kammerdirektors aus seiner Funktion (wohl nicht minder, wenngleich nicht beschwerdegegenständlich, die Bestellung) umfassen solle. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung nicht.

Wie bereits dargelegt, ist die Bestellung eines Kammerdirektors vom Abschluss eines Dienstvertrages nach der Bestellung zu unterscheiden, gleichermaßen die Abberufung von der allfälligen Auflösung des Dienstverhältnisses nach dieser Abberufung. Der Kammerdirektor ist, weil im Katalog des § 7 ZTKG nicht genannt, kein Organ der Länderkammer; insofern unterscheidet er sich aber nicht vom Direktor der Arbeiterkammer, bezüglich dessen der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis VfSlg. 18191 ausgeführt hat, dass die Abberufung (als Hoheitsakt) seine Stellung als Arbeitnehmer unberührt lässt. Ausgehend von dieser Unterscheidung muss zwischen der besonderen Bestellungs- (und damit auch Abberufungs-)kompetenz des Vorstandes und den delegierbaren Dienstangelegenheiten (die durch den Verweis auf die §§ 49f. näher umschrieben werden) differenziert werden. Daher kann der Begriff der "Dienstangelegenheiten" im Sinne des § 10 Abs. 4 Z 2 ZTKG nicht derart verstanden werden, dass er auch die Bestellung bzw. Abberufung des Kammerdirektors umfassen würde.

Das bedeutet, dass diese Kompetenz des Kammervorstandes durch die ÜbertragungsVO vom 29. Mai 1996 unberührt blieb.

Die Beschwerdeführerin argumentiert in diesem Zusammenhang zwar damit, da dem Kammervorstand die Zuständigkeit zur Bestellung bzw. Abberufung des Kammerdirektors zukomme, müsse auch er (und nicht das Präsidium) dazu berufen sein, den Dienstvertrag abzuschließen oder auch aufzukündigen, widrigenfalls sich im Falle von Meinungsunterschieden zwischen dem Kammervorstand und dem Präsidium untragbare Zustände ergeben könnten (wird näher ausgeführt, beispielhaft wird hervorgehoben, dass das Präsidium sich weigern könnte, einen Dienstvertrag zwischen der Kammer und dem Bestellten abzuschließen, oder einen Vertrag aufkündigen könnte uam.). Außerdem sei in einer Änderung (vom 1. März 2002) zum Dienstvertrag vereinbart worden, dass der Dienstgeber das Dienstverhältnis (unter näher genannten Modalitäten) "auf Basis eines Beschlusses des Kammervorstandes" schriftlich kündigen könne. Daraus ergebe sich die Zuständigkeit des Kammervorstandes und nicht des Präsidiums. Hätte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin Parteiengehör zur beabsichtigten Aufhebung der Beschlüsse gewährt, hätte die Beschwerdeführerin dies im Verwaltungsverfahren vortragen können.

Dem ist Folgendes zu entgegnen: Welches Organ der Kammer zur Kündigung des Dienstvertrages berufen ist, ergibt sich aus dem ZTKG, allenfalls in Verbindung mit einer Übertragungsverordnung auf Grundlage des § 10 Abs. 4 Z 2 leg. cit. Diese auf Normen des öffentlichen Rechtes fußende Zuständigkeit kann durch Parteienvereinbarung nicht abgeändert werden, weil Derartiges im ZTKG nicht vorgesehen ist.

Vielmehr ist die Auffassung der belangten Behörde zutreffend, dass die Kündigung des Dienstverhältnisses des Kammerdirektors (als Folge einer Abberufung) zu den "Dienstangelegenheiten" im Sinne des § 10 Abs. 4 Z 2 ZTKG zu zählen ist, somit von der ÜbertragungsVO vom 29. Mai 1996 erfasst war. Die von der Beschwerdeführerin thematisierten (zuvor zusammengefasst wiedergegebenen) Zweckmäßigkeitserwägungen vermögen an diesem Umstand nichts zu ändern. Die befürchtete Unzweckmäßigkeit wäre vielmehr nur Folge des Umstandes, dass der Kammervorstand alle Dienstangelegenheiten im Sinne des § 10 Abs. 4 Z 2 ZTKG, also auch betreffend den Kammerdirektor, dem Präsidium übertragen hatte.

Es vermag daher auch keinen Verfahrensmangel zu begründen, dass die belangte Behörde der Beschwerdeführerin keine Gelegenheit gegeben hatte, dieses - rechtlich unzutreffende - Argument im Verwaltungsverfahren vorzutragen.

Zusammengefasst ergibt sich - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - die Zuständigkeit des Kammervorstandes zur Abberufung des Kammerdirektors, hingegen - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - die Unzuständigkeit des Kammervorstandes zur Kündigung des Dienstverhältnisses.

Da die belangte Behörde die Zuständigkeit des Kammervorstandes in Bezug auf die Abberufung des Kammerdirektors verkannte, belastete sie insofern den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit; hinsichtlich der Zuständigkeit zur Kündigung hingegen ist ihre Auffassung zutreffend.

Hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides teilt der Verwaltungsgerichtshof die übereinstimmende Auffassung der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, dass die im § 10 Abs. 4 ZTKG umschriebene Ermächtigung des Kammervorstandes, die Dienstangelegenheiten in diesem Sinn mit Verordnung dem Präsidium zu übertragen, auch die Berechtigung einschließt, diese Übertragung - ebenfalls mit Verordnung - zu widerrufen.

Richtig ist freilich, dass der diesbezügliche Beschluss des Kammervorstandes vom 21. Dezember 2009 den exakten Wortlaut der Verordnung nicht enthält. Wohl geht aus dem Beschluss die Absicht des Normsetzers hervor, dass die Übertragung der Dienstangelegenheiten im Sinne des § 10 Abs. 4 Z 2 ZTKG an das Präsidium widerrufen wird, sodass der entsprechende Passus in Z 2 der ÜbertragungsVO vom 29. Mai 1996 zu entfallen hat. Dies wurde in der Kundmachung umgesetzt. Die Überlassung der wörtlichen Ausformulierung dieser Verordnung an den Präsidenten behaftete diesen Beschluss tatsächlich mit der von der belangten Behörde wahrgenommenen Rechtswidrigkeit.

Nicht berechtigt ist der Einwand der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang, dieser Beschluss sei nur ein Teilakt im Zuge des Verfahrens zur Erlassung einer Verordnung; diese sei ja in der Folge kundgemacht worden und der Akt der Kundmachung werde durch die Aufhebung des zugrunde liegenden Beschlusses nicht berührt. Auch sei die ÜbertragungsVO vom 29. Mai 1996 ohnedies durch die Verordnung vom 17. März 2010 aufgehoben worden, sodass für die belangte Behörde kein Raum bestanden habe, den Beschluss vom 21. Dezember 2009 aufzuheben.

Dem ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde angesichts der Aufhebung des rechtswidrigen Beschlusses vom 21. Dezember 2009, Top. 3, dabei von der zuvor dargestellten Rechtswidrigkeit ausgehen konnte, sodass sie schon deshalb den Beschluss vom 17. März 2010 unberücksichtigt lassen konnte.

Zusammenfassend war daher Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides im zuvor umschriebenen Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben; im Übrigen war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil der pauschalierte Schriftsatzaufwand bereits die Umsatzsteuer enthält, die daher nicht noch zusätzlich zuzuerkennen ist (siehe dazu schon die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 697 wiedergegebene hg. Judikatur).

Wien, am 23. November 2010

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