VwGH Ra 2016/03/0099

VwGHRa 2016/03/00997.7.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Landespolizeidirektion Tirol, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 23. August 2016, Zl LVwG-2016/12/1726-1, betreffend Übertretungen des Waffengesetzes (Mitbeteiligter: Mag. A S in I), zu Recht erkannt:

Normen

32008L0051 Nov-31991L0477;
EURallg;
VStG §1 Abs1;
VwRallg;
WaffG 1996 §33 Abs1;
WaffG 1996 §58 Abs2;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol (LPD) vom 24. Mai 2016 in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 20. Juli 2016 wurde dem Mitbeteiligten als Hauptmann und daher organschaftlichem Vertreter eines näher bezeichneten Vereins (Schützenkompanie) mit Sitz in I im Wesentlichen angelastet, er habe es unterlassen, 54 meldepflichtige Schusswaffen der Kategorie C, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Waffengesetzes 1996 idF BGBl I Nr 23/2010 (WaffG) bereits im Besitz des Vereines gewesen seien, gemäß § 33 WaffG registrieren zu lassen, obwohl er dazu verpflichtet gewesen wäre. Er habe dadurch in 54 Fällen je eine Verwaltungsübertretung nach § 58 Abs 2 iVm § 51 Abs 2 WaffG begangen und es wurden über ihn 54 Geldstrafen in Höhe von jeweils EUR 50,-- (jeweils 4 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Über Vorlageantrag des Mitbeteiligten wurde dem Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis vom 24. Mai 2016 zur Entscheidung vorgelegt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG der Beschwerde statt und änderte die Beschwerdevorentscheidung dahingehend ab, dass das Straferkenntnis der LPD ersatzlos behoben und das Strafverfahren gegen den Mitbeteiligten eingestellt werde. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

3 Zur Begründung führte das LVwG aus, es stehe fest, dass der Mitbeteiligte bereits zur Tatzeit der organschaftliche Vertreter der näher bezeichneten Tiroler Schützenkompanie gewesen sei. Diese habe im Zeitraum von 1947 bis 1980 insgesamt 54 näher umschriebene Schusswaffen mit gezogenem Lauf, die der Kategorie C des WaffG zuzurechnen seien, erworben. Bis zum 16. Februar 2016 seien diese nicht gemäß § 58 Abs 2 WaffG registriert worden. Der Mitbeteiligte sei jedoch auch nicht verpflichtet gewesen, eine solche Registrierung in die Wege zu leiten. Nach der zitierten Gesetzesstelle seien nämlich nur "Menschen", die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des WaffG idF BGBl I Nr 43/2010 bereits im Besitz von Schusswaffen der Kategorie C gewesen seien, verpflichtet gewesen, diese bis zum 30. Juni 2014 registrieren zu lassen. Einen Verein als juristische Person treffe die Registrierungspflicht nach § 58 Abs 2 WaffG hingegen nicht. Damit sei im gegenständlichen Verfahren eine Bestrafung des Mitbeteiligten in seiner Funktion als organschaftlicher Vertreter der Schützenkompanie für die im Besitz dieses Vereins befindlichen Schusswaffen nicht zulässig. Selbst wenn davon ausgegangen würde, dass in Bezug auf die mangelnde Registrierungspflicht für juristische Personen nach § 58 Abs 2 WaffG eine "echte Gesetzeslücke" vorläge, verstieße die Bestrafung des Mitbeteiligten gegen das im Verwaltungsstrafrecht bestehende Analogieverbot. Das Straferkenntnis sei daher aufzuheben und das Strafverfahren gegen den Mitbeteiligten einzustellen gewesen. Die Revision sei nicht zulässig, weil die Rechtsfragen der Beschwerdesache anhand der bereits bestehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einwandfrei zu beantworten gewesen seien.

4 Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende (außerordentliche) Amtsrevision. Zur Zulässigkeit wird darin geltend gemacht, dass noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu vorliege, ob einen Verein bzw eine juristische Person die Nach-Registrierungspflicht des § 58 Abs 2 WaffG für Schusswaffen der Kategorie C treffe. In der Sache macht die Revision geltend, dass die EU-Richtlinie 2008/51/EG die Mitgliedstaaten zur Registrierung aller Schusswaffen verpflichte. Mit der WaffG-Novelle BGBl I Nr 43/2010 sei dies innerstaatlich umgesetzt worden. Aus dem WaffG in seiner Gesamtheit ergebe sich eindeutig, dass die Pflicht zur Nach-Registrierung im Sinne des § 58 Abs 2 WaffG auch für Schusswaffen gelten solle, die (zivilrechtlich) juristischen Personen zuzuordnen seien (Hinweis auf § 33 Abs 1 zweiter Satz WaffG). Verantwortliche Person sei in diesem Fall das Organ der juristischen Person, fallbezogen also der Mitbeteiligte.

5 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er vorbrachte, dass das Unionsrecht keine Registrierungspflicht aller Schusswaffen vorsehe, sondern in Art 2 Abs 2 der Richtlinie 91/477/EWG idF der Richtlinie 2008/51/EG Ausnahmen insbesondere für staatlich anerkannte mit Waffen befasste kulturelle und historische Einrichtungen (wozu auch die verfahrensbeteiligte Tiroler Schützenkompanie zähle) vorsehe. Im Übrigen stimme der Mitbeteiligte mit der Rechtsansicht des LVwG überein, dass ihn keine Registrierungspflicht getroffen habe und seine Bestrafung daher zu Unrecht erfolgt sei.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Die Revision ist im Sinne der Zulassungsbegründung

zulässig; sie ist aber nicht begründet.

7 Gemäß Art 4 Abs 4 der Richtlinie des Rates vom

18. Juni 1991 über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen, 91/477/EWG, idF der Richtlinie 2008/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008, tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass spätestens bis 31. Dezember 2014 ein computergestütztes zentral oder dezentral eingerichtetes Waffenregister eingeführt und stets auf dem aktuellen Stand gehalten wird, in dem jede unter diese Richtlinie fallende Waffe registriert ist, und das den zuständigen Behörden den Zugang zu den gespeicherten Daten gewährleistet.

8 In Umsetzung dieser Richtlinie führte der österreichische Gesetzgeber mit der WaffG-Novelle 2010, BGBl I Nr 43/2010, eine Registrierungspflicht für Schusswaffen der Kategorien C und D ein, deren maßgebliche Bestimmungen - auszugsweise - wie folgt lauten:

"Registrierungspflicht und Vornahme der Registrierung

§ 33. (1) Schusswaffen der Kategorien C und D sind beim Erwerb durch Menschen mit Wohnsitz im Bundesgebiet binnen sechs Wochen vom Erwerber (Registrierungspflichtigen) bei einem im Bundesgebiet niedergelassenen, dazu ermächtigten Gewerbetreibenden, der zum Handel mit nichtmilitärischen Schusswaffen berechtigt ist, registrieren zu lassen. Im Falle des Erwerbs durch eine juristische Person mit Sitz im Bundesgebiet ist die Schusswaffe auf den Namen eines waffenrechtlichen Verantwortlichen zu registrieren. Der Gewerbetreibende hat darüber eine Bestätigung (Registrierungsbestätigung) auszustellen und dem Registrierungspflichtigen zu übergeben. Die Registrierungspflicht ist erfüllt, sobald der Registrierungspflichtige die Bestätigung in Händen hat.

...

Übergangsbestimmungen

§ 58. (1) Der Bundesminister für Inneres legt durch Verordnung den Zeitpunkt fest, ab dem die Registrierungspflicht gemäß § 33 eintritt.

(2) Menschen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 43/2010 bereits im Besitz von Schusswaffen der Kategorie C sind, haben diese Waffen bis zum 30. Juni 2014 gemäß § 32 registrieren zu lassen, wobei die Registrierungspflicht als erfüllt anzusehen ist, sobald die geforderten Daten dem Gewerbetreibenden nachweislich bekannt gegeben wurden. Diese Registrierung kann auch mittels der Bürgerkarte im Sinne des § 2 Z 10 des E-Government-Gesetzes - E-GovG, BGBl. I Nr. 10/2004, im elektronischen Verkehr erfolgen. Jedenfalls gilt der bisherige Besitz als Begründung für den Besitz dieser Waffen."

9 Gemäß § 62 Abs 8 WaffG traten unter anderem die §§ 33 und 58 Abs 2 WaffG in der Fassung der Novelle BGBl I Nr 43/2010 mit dem gemäß § 58 Abs 1 festgelegten Zeitpunkt (spätestens jedoch am 1. Jänner 2015) in Kraft. Nach § 16 Abs 4 der 2. Waffengesetz-Durchführungsverordnung, BGBl II Nr 313/1998 in der Fassung BGBl II Nr 301/2012, wurde als Zeitpunkt gemäß § 58 Abs 1 WaffG, ab dem die Registrierungspflicht gemäß § 33 Abs 1 WaffG eintritt, der 1. Oktober 2012 festgelegt.

10 Nach § 51 Abs 2 WaffG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu EUR 360,-- zu bestrafen, wer gegen das WaffG verstößt, sofern das Verhalten nicht nach den §§ 50 oder 51 Abs 1 WaffG zu ahnden oder § 32 Abs 3 WaffG anzuwenden ist.

11 Nach Art 2 Abs 2 der oben zitierten Richtlinie gilt diese Richtlinie (unter anderem) nicht für den Erwerb und den Besitz von Waffen und Munition gemäß dem einzelstaatlichen Recht durch die Streitkräfte, die Polizei und die öffentlichen Dienste oder durch Waffensammler und mit Waffen befasste kulturelle und historische Einrichtungen, die von dem Mitgliedstaat, in dessen Gebiet sie ansässig sind, als solche anerkannt sind. § 47 WaffG sieht im österreichischen Recht Ausnahmebestimmungen für bestimmte Personen vor, auf die das WaffG nicht anzuwenden ist. Dazu zählen - soweit für das gegenständliche Verfahren von Relevanz ist - Gebietskörperschaften und Menschen hinsichtlich jener Waffen und Munition, die ihnen auf Grund ihres öffentlichen Amtes oder Dienstes von ihrer vorgesetzten österreichischen Behörde oder Dienststelle als Dienstwaffen zugeteilt worden sind oder die den Gegenstand ihrer öffentlichen Amtstätigkeit oder öffentlichen Dienstverrichtung bilden oder die sie auf Grund völkerrechtlicher Vereinbarungen oder anderer gesetzlicher Bestimmungen im Bundesgebiet besitzen dürfen.

12 Auf dieser gesetzlichen Grundlage ist dem LVwG zuzustimmen, dass eine Bestrafung des Mitbeteiligten wegen unterlassener Veranlassung der Registrierung von Schusswaffen der Kategorie C, die sich im Zeitpunkt des Inkrafttretens der WaffG-Novelle BGBl I Nr 43/2010 (das war der 1. Oktober 2012) bereits im Besitz des von ihm organschaftlich vertretenen Vereins (Schützenkompanie) befanden, nach den einschlägigen Vorschriften des WaffG nicht rechtens war.

13 Es kann dahingestellt bleiben, ob - wie der Mitbeteiligte im Revisionsverfahren vorbringt - die EU-Richtlinie 91/477/EWG in der Fassung der Richtlinie 2008/51/EG es erlaubt hätte, Schusswaffen etwa der Tiroler Schützenkompanien von der Registrierungspflicht zur Gänze auszunehmen; eine solche Vorgangsweise hat der österreichische Gesetzgeber jedenfalls nicht gewählt, weil die Tiroler Schützenkompanien nicht zu den vom Anwendungsbereich des WaffG nach § 47 WaffG ausgenommenen Personen zählen.

14 Entscheidend ist vielmehr, dass die Nach-Registrierungspflicht nach § 58 Abs 2 WaffG ausdrücklich nur "Menschen" trifft, nicht aber juristische Personen. Dass das WaffG mit dem Begriff "Menschen" in der zitierten Norm auch juristische Personen umfassen würde, kann weder nach dem gewöhnlichen Wortsinn, noch nach der Gesetzessystematik erkannt werden. So werden in § 33 Abs 1 WaffG für den - hier nicht einschlägigen - Fall des Neuerwerbs von Schusswaffen der Kategorien C (und D) nach Inkrafttreten der WaffG-Novelle BGBl I Nr 43/2010 ausdrücklich zwei Fälle unterschieden, nämlich der Erwerb durch Menschen einerseits und der Erwerb durch eine juristische Person andererseits. Schon daraus erhellt, dass das Gesetz bei Verwendung des Begriffes "Menschen" nur natürliche Personen im Blick hatte.

15 Ob dieses Ergebnis mit dem einschlägigen Unionsrecht im Einklang steht, braucht hier nicht überprüft zu werden. Selbst bei Vorliegen einer echten Gesetzeslücke käme nämlich eine Bestrafung des Mitbeteiligten in seiner Funktion als vertretungsbefugtes Organ des gegenständlichen Vereins nicht in Betracht. Entsprechend dem im Strafrecht allgemein geltenden, im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes aus § 1 Abs 1 VStG ableitbaren, Grundsatz "nullum crimen sine lege" ist Voraussetzung für die Verhängung einer Strafe, dass die Tat zur Zeit ihrer Begehung ausdrücklich für strafbar erklärt war. Strafrechtsquelle ist ausschließlich das geschriebene Gesetz; eine Ergänzung desselben durch Analogie oder jede andere Art von Lückenschließung (etwa durch Größenschluss) zum Nachteil des Täters ist untersagt. Dies schließt zwar eine Auslegung des Gesetzes nach Inhalt, Sinn und Tragweite eines bestehenden Rechtssatzes nicht aus, doch muss die Auslegung jedenfalls ihre äußerste Grenze stets im möglichen Wortsinn der auszulegenden Norm haben; sie muss immer noch im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze finden (vgl etwa VwGH vom 9. September 2015, Ro 2015/04/0017, mwN). Wie zuvor dargelegt worden ist, lässt der äußerst mögliche Wortsinn des WaffG eine Bestrafung des Mitbeteiligten, wie sie von der revisionswerbenden Partei vorgenommen worden ist, nicht zu.

16 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 7. Juli 2017

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