VwGH Ra 2015/03/0048

VwGHRa 2015/03/004820.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des R S in V, vertreten durch Dr. Christian Ortner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Meinhardstraße 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 8. Mai 2015, Zl LVwG- 2015/12/0146-6, betreffend Verweigerung der Zutrittsgewährung zum Flughafengelände (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Tirol), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs1 Z2;
B-VG Art132 Abs2;
SPG RichtlinienV 1993 §5 Abs2;
StGB §269;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015030048.L00

 

Spruch:

Das Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I. Sachverhalt

1 A. Aus den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses ergibt sich, dass der Revisionswerber Segelflugpilot und Mitglied der I Segelfliegervereinigung ist, die ihren Sitz in I auf der Nordseite des I Flughafens hat. Dort ist auch sein privates Segelflugzeug stationiert. Der Revisionswerber besitzt eine Zutrittsberechtigung für diesen Bereich des Flughafens. Er wurde von der Tiroler Flughafenbetriebs GmbH vorab verständigt, dass zu näher angeführten Zeiten - ua auch am 16. Jänner 2015, ab 14.00 Uhr - im Zusammenhang mit als besonders gefährdet eingestuften Flügen einer israelischen Chartermaschine die Nordseite des I Flughafens versperrt wird. Die Verständigung der auf der Nordseite ansässigen Segelfliegervereine von der notwendigen Sperre der Nordseite und die mit Unterstützung der Polizei (wenn notwendig) durchzuführende Räumung des nördlichen Bereichs wurden nach entsprechender Absprache und über Ersuchen der Landespolizeidirektion Tirol der Tiroler Flughafenbetriebs GmbH übertragen.

2 Am 16. Jänner 2015 betrat der Revisionswerber nach Einloggen mittels seiner Berechtigungskarte und anschließender Personenkontrolle durch den Sicherheitsdienst um ca 13.45 Uhr nach kurzer Diskussion mit dem Sicherheitsbediensteten M D das Gelände auf der Nordseite des I Flughafens. Um 14.00 Uhr sperrte die Tiroler Flughafenbetriebs GmbH den Zutritt zu diesem Gelände, indem diese die elektronischen Zutrittsberechtigungen deaktivierte. Um 14.18 Uhr traf der Sicherheitsbedienstete M D den Revisionswerber in einem Büro im gesperrten Nordbereich an und forderte diesen auf, den Bereich umgehend zu verlassen. Der Revisionswerber entgegnete, dass er das Gelände nicht verlassen werde und damit ein Zeichen setzen wolle. Der Sicherheitsbedienstete verständigte daraufhin die Polizei. Um

14.50 Uhr erschienen sodann Gruppeninspektor F H und Inspektor F N, zwei uniformierte Polizeibeamte der Polizeiinspektion Flughafen I, und forderten den Revisionswerber auf, den Bereich sofort zu verlassen. Die Polizeibeamten teilten dem Revisionswerber mit, dass es eine Anweisung gebe, wonach sich auf der Nordseite keine Personen aufhalten dürften, wenn eine israelische Chartermaschine lande. Dem habe er Folge zu leisten.

3 Der Revisionswerber stellte gegenüber den Polizeibeamten klar, dass er sich weigert, den gegenständlichen Bereich zu verlassen und auf die Polizei gewartet habe, weil er den Flughafen nur in Begleitung der Polizei verlässt, um eine Maßnahmenbeschwerde erheben zu können, und er keinen Widerstand leisten sowie im Beisein der Polizeibeamten sehr wohl den Flughafen verlassen werde. Dann forderte der Revisionswerber die Bekanntgabe der Dienstnummern. Die Dienstnummern wie auch die Namen der einschreitenden Polizeibeamten wurden dem Revisionswerber mitgeteilt. Daraufhin verließ der Revisionswerber, ebenso wie die Polizeibeamten, den gesperrten Bereich. Es konnte nicht festgestellt werden, dass Zwangsgewalt ausgeübt wurde oder dass dem Revisionswerber die Festnahme oder eine sonstige Zwangsmaßnahme angedroht worden wäre. Aus dem Akteninhalt ergeben sich auch keinerlei Hinweise auf die Verhängung eines Platzverbots nach § 36 SPG durch die Behörde oder auf eine Wegweisung nach § 38 Abs 4 SPG durch deren Organe.

4 B. Mit Schriftsatz vom 17. Jänner 2016 erhob der Revisionswerber gegen die Wegweisung vom Flugsportzentrum an der Nordseite des Geländes des Flughafens I durch die Polizeibeamten Gruppeninspektor F H und Inspektor F N, die dabei auf Weisung der Landespolizeidirektion Tirol gehandelt hätten, Maßnahmenbeschwerde nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG.

5 Mit Erkenntnis vom 8. Mai 2015 wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, im vorliegenden Fall habe sich kein Hinweis dafür ergeben und sei auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden, dass in irgendeiner Form Zwangsgewalt ausgeübt worden sei. Aus den Sachverhaltsfeststellungen ergebe sich weiters, dass der Revisionswerber von den Polizeibeamten aufgefordert worden sei, den gesperrten Bereich zu verlassen, und ihm mitgeteilt worden sei, dass er dieser Aufforderung Folge zu leisten habe. Bei einer solchen Formulierung handle es sich zwar offenkundig nicht um einen bloßen Wunsch, und dem Revisionswerber sei ein Alternativverhalten nicht freigestellt worden. Doch um ein Handeln als unmittelbare Befehlsgewalt zu qualifizieren, sei es erforderlich, dass darüber hinaus das Verhalten der Beamten bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen den Eindruck hinterlassen musste, dem Beschwerdeführer würde im Falle seiner Weigerung eine unverzüglich einsetzende physische Sanktion bevorstehen. Im vorliegenden Fall hätten die einschreitenden Polizeibeamten im Falle der Nichtbefolgung der Anordnung keine unverzüglich einsetzende physische Sanktion ausdrücklich angedroht. Der Revisionswerber selbst habe zwar nach seiner Aussage damit gerechnet, dass er am Arm gepackt und hinausgezerrt würde, doch gleichzeitig auch eingeräumt, dass es sich dabei um eine reine Annahme gehandelt habe, und keine Hinweise auf eine solche Vorgangsweise gegeben gewesen seien. Er habe das Auftreten der Polizeibeamten als sehr freundlich bezeichnet. Schon dem Sicherheitsbediensteten gegenüber habe der Revisionswerber mitgeteilt, dass er mit seinem Verhalten ein Zeichen setzen möchte. Den Polizeibeamten gegenüber habe der Revisionswerber weiters klargestellt, dass er sich weigere, den gegenständlichen Bereich zu verlassen und auf die Polizei gewartet habe, weil er den Flughafen nur in Begleitung der Polizei verlasse, um eine Maßnahmenbeschwerde zu erheben, sowie, dass er keinen Widerstand leisten und in ihrem Beisein sehr wohl den Flughafen verlassen werde. Daraus ergebe sich eine Situation, wonach der Revisionswerber nahezu von Beginn der Amtshandlung an klargestellt habe, dass er - nach dem Eintreffen der Polizeibeamten - deren Anordnungen folgen werde. Damit erscheine die Ausübung von Befehlsgewalt gar nicht erforderlich. In Zusammenschau mit dem angemessen ruhigen und freundlichen Verhalten der einschreitenden Polizeibeamten ergäben sich auch sonst keine Umstände, die bei objektiver Betrachtungsweise den Eindruck beim Revisionswerber hinterlassen hätten müssen, dass er im Falle seiner Weigerung zwangsweise aus dem gesperrten Bereich entfernt würde, oder auf eine andere Art Zwangsgewalt ausgeübt würde. Die bloße subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändere an dieser Beurteilung nichts.

6 C. Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Wie der Revisionswerber darin im Wesentlichen vorbringt, sei es unbestritten und auch aufgrund des Akteninhalts bzw der im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen amtsbekannt, dass die Sperre des von den Sportfliegern (Segelflieger, teilweise auch Motorflieger) genutzten Bereichs nördlich der Piste des Flughafens I auf polizeiliche Anweisung erfolgt war, ohne dass die damit verbundene Einschränkung des Betriebs des Flughafens I von der zuständigen Behörde im Sinne des § 4 Abs 2 ZFBO genehmigt worden wäre. Die polizeiliche Anweisung der Sperre der gesamten Nordseite des Flughafens könne inhaltlich nur als Platzverbot im Sinne des § 36 SPG angesehen werden, unabhängig davon, ob man die Anweisung formal als Verordnung ansehen könne oder ob sie einen rechtswidrigen kompetenzüberschreitenden Übergriff darstellte, zumal ganz offensichtlich die Polizei die Einhaltung der Anweisungen - und als deren Teil des Platzverbots - auch tatsächlich mit Exekutivgewalt durchgesetzt habe. Wenn nun der Revisionswerber der Aufforderung des Sicherheitsbediensteten keine Folge geleistet, sondern - wie festgestellt - erklärt habe, dass er nur der Wegweisung durch die Polizei Folge leisten werde, und diese mit Blaulicht am Einsatzwagen und zwei Beamten angerückt sei, so habe der Revisionswerber unter den gegebenen Umständen damit rechnen müssen, dass, wenn er der Aufforderung der Polizeibeamten, das Gelände zu verlassen, nicht Folge leistete, physische Gewalt zum Einsatz kommen würde. Es sei dem Revisionswerber nicht zuzumuten, es auf den Einsatz physischer Gewalt durch Leistung passiven Widerstands ankommen zu lassen und sich zB auf den Boden zu setzen und wegtragen zu lassen, zumal das Risiko, eine Strafverfolgung wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 StGB zu riskieren, unverhältnismäßig sei. Es sei auch nicht notwendig, dass tatsächlich Zwangsgewalt zum Einsatz komme, weil das B-VG sowohl von Befehls- als auch von Zwangsgewalt spreche und es daher genüge, dass der Revisionswerber von Polizeibeamten zum Verlassen des Geländes aufgefordert worden sei. Schon damit sei Befehlsgewalt ausgeübt worden. Es komme nicht darauf an, ob tatsächlich physische Gewalt ausgeübt oder in concreto angedroht werde. Jedermann müsse damit rechnen, dass im Fall des Widersetzens gegen polizeiliche Anordnungen zum Verlassen eines Ortes physische Gewalt zum Einsatz komme. Dass der Revisionswerber das Gelände nicht freiwillig verlassen habe, sei schon damit ausreichend erwiesen, dass er - wie festgestellt - der Aufforderung des Sicherheitsbediensteten des Flughafens keine Folge geleistet, sondern erklärt habe, nur auf polizeilichen Befehl hin bereit zu sein, das Gelände zu verlassen, was dann auch geschehen sei. Es liege daher entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts unmittelbare verwaltungsbehördliche Befehls- oder Zwangsgewalt im Sinne des B-VG vor, zumal die Wegweisung aus dem Flughafengelände ohne Bescheid und rechtswidrig erfolgt sei, weil weder eine Verordnung im Sinne des § 36 SPG bestanden habe und ordnungsgemäß kundgemacht worden sei, noch ein Bescheid im Sinne des § 4 Abs 2 ZFBO vorgelegen sei.

7 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision.

II. Rechtslage

8 A. Die einschlägigen Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl Nr 1/1930 idF BGBl I Nr 101/2014 (Art 130) bzw BGBl I Nr 164/2013 (Art 132), lauten auszugsweise:

"Artikel 130. (1) Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden

...

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher

Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

...

Artikel 132. ...

(2) Gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

..."

9 B. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr 300/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt, ABl 2008/L 97/72, geändert durch die Verordnung (EU) Nr 18/2010 der Europäischen Kommission vom 8. Januar 2010, ABl 2010/L 7/3, lauten auszugsweise:

"Artikel 4

Gemeinsame Grundstandards

(1) Die gemeinsamen Grundstandards für den Schutz der Zivilluftfahrt vor unrechtmäßigen Eingriffen, die die Sicherheit der Zivilluftfahrt gefährden, sind im Anhang festgelegt.

Zusätzliche gemeinsame Grundstandards, die bei Inkrafttreten dieser Verordnung nicht vorgesehen waren, sind nach dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags in den Anhang aufzunehmen.

...

(5) Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Anwendung der gemeinsamen Grundstandards nach Absatz 1 in ihrem Hoheitsgebiet. Hat ein Mitgliedstaat Grund zu der Annahme, dass es durch eine Sicherheitsverletzung zu einer Beeinträchtigung des Sicherheitsniveaus der Luftfahrt gekommen ist, so stellt er sicher, dass rasch geeignete Maßnahmen getroffen werden, damit die Sicherheitsverletzung abgestellt und die Sicherheit der Zivilluftfahrt weiter gewährleistet wird.

...

Artikel 6

Anwendung strengerer Maßnahmen durch die Mitgliedstaaten

(1) Die Mitgliedstaaten können strengere Maßnahmen als die in Artikel 4 genannten gemeinsamen Grundstandards anwenden. Sie handeln dabei auf der Grundlage einer Risikobewertung und in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht. Diese Maßnahmen müssen relevant, objektiv, nichtdiskriminierend und dem jeweiligen Risiko angemessen sein.

(2) Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über derartige Maßnahmen so bald wie möglich nach deren Anwendung. Die Kommission übermittelt diese Informationen den anderen Mitgliedstaaten.

(3) Die Mitgliedstaaten müssen die Kommission nicht unterrichten, wenn die betreffenden Maßnahmen auf einen bestimmten Flug zu einem bestimmten Zeitpunkt begrenzt sind.

...

Artikel 12

Programm für die Flughafensicherheit

(1) Jeder Flughafenbetreiber stellt ein Programm für die Flughafensicherheit auf, wendet es an und entwickelt es fort.

Dieses Programm beschreibt die Methoden und Verfahren, die der Flughafenbetreiber anzuwenden hat, um die Bestimmungen dieser Verordnung sowie die Anforderungen des nationalen Sicherheitsprogramms für die Zivilluftfahrt des Mitgliedstaats, in dem der Flughafen gelegen ist, zu erfüllen.

Das Programm enthält auch Bestimmungen über die interne Qualitätssicherung, die beschreiben, wie die Einhaltung dieser Methoden und Verfahren von dem Flughafenbetreiber zu überwachen ist.

(2) Das Programm für die Flughafensicherheit ist der zuständigen Behörde vorzulegen, die gegebenenfalls weitere Maßnahmen treffen kann.

...

ANHANG I

GEMEINSAME GRUNDSTANDARDS FÜR DEN SCHUTZ DER

ZIVILLUFTFAHRT VOR UNRECHTMÄSSIGEN EINGRIFFEN (ARTIKEL 4)

1. FLUGHAFENSICHERHEIT

...

1.2. Zugangskontrolle

1. Der Zugang zur Luftseite ist zu beschränken, um das

Eindringen unbefugter Personen und Fahrzeuge in diese Bereiche zu

verhindern.

2. Der Zugang zu Sicherheitsbereichen ist zu beschränken,

um das Eindringen unbefugter Personen und Fahrzeuge in diese

Bereiche zu verhindern.

3. Personen und Fahrzeuge dürfen nur Zugang zur Luftseite

und zu Sicherheitsbereichen erhalten, wenn sie die erforderlichen

Sicherheitsanforderungen erfüllen.

4. Vor Ausstellung eines Flugbesatzungsausweises oder eines

Flughafenausweises, der den unbegleiteten Zugang zu

Sicherheitsbereichen ermöglicht, müssen die betroffenen Personen,

einschließlich der Flugbesatzung, eine Zuverlässigkeitsüberprüfung

erfolgreich durchlaufen haben.

1.3. Kontrolle von anderen Personen als Fluggästen und

mitgeführten Gegenständen

1. Andere Personen als Fluggäste sowie die von ihnen

mitgeführten Gegenstände sind beim Betreten von

Sicherheitsbereichen fortlaufenden Stichprobenkontrollen zu

unterziehen, um zu verhindern, dass verbotene Gegenstände in diese

Bereiche gebracht werden.

2. Andere Personen als Fluggäste sowie die von ihnen

mitgeführten Gegenstände sind beim Betreten sensibler Teile von Sicherheitsbereichen zu kontrollieren, um zu verhindern, dass verbotene Gegenstände in diese Bereiche gebracht werden."

10 C. § 4 der Verordnung des Bundesministers für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom 26. Februar 1962, betreffend den Betrieb von Zivilflugplätzen (Zivilflugplatz-Betriebsordnung - ZFBO), BGBl Nr 72/1962, lautet:

"Einschränkung der Betriebsbereitschaft öffentlicher Zivilflugplätze

§ 4. (1) Ist die Betriebsbereitschaft eines öffentlichen Zivilflugplatzes durch den Ausfall aller oder einzelner Einrichtungen vorübergehend nicht gegeben, so hat der Flugplatzbetriebsleiter dies unverzüglich der nächsten Flugsicherungsstelle beziehungsweise Flugsicherungshilfsstelle (§ 12 Abs. 1 der Luftverkehrsregeln, BGBl. Nr. 198/1959, in der Fassung der 1. LVR-Novelle, BGBl. Nr. 290/1960) und der gemäß § 68 Abs. 2 des Luftfahrtgesetzes zuständigen Behörde anzuzeigen.

(2) Alle Einschränkungen der Betriebsbereitschaft eines öffentlichen Zivilflugplatzes aus anderen als unvorhergesehenen und unabwendbaren Gründen bedürfen der Genehmigung durch die gemäß § 68 Abs. 2 des Luftfahrtgesetzes zuständige Behörde. Diese Genehmigung ist zu erteilen, wenn dies im Interesse der Sicherheit des Flugplatzbetriebes oder des Flugbetriebes erforderlich ist."

11 D. § 36 des Bundesgesetzes über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (Sicherheitspolizeigesetz - SPG), BGBl Nr 566/1991, lautet:

"Platzverbot

§ 36. (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, es werde an einem bestimmten Ort eine allgemeine Gefahr für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen oder für Eigentum oder Umwelt in großem Ausmaß entstehen, so hat die Sicherheitsbehörde das Betreten des Gefahrenbereiches und den Aufenthalt in ihm mit Verordnung zu verbieten und die Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären.

(2) Besteht an einem bestimmten Ort bereits eine allgemeine Gefahr im Sinne des Abs. 1, so hat die Sicherheitsbehörde mittels Verordnung das Verlassen des Gefahrenbereiches anzuordnen, dessen Betreten zu untersagen und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu ermächtigen, jedermann aus dem Gefahrenbereich zu weisen.

(3) Verordnungen gemäß Abs. 1 haben Tag und Uhrzeit ihres Inkrafttretens zu bestimmen. Sie sind auf eine Weise kundzumachen, die geeignet erscheint, einen möglichst weiten Kreis potentiell Betroffener zu erreichen, wie etwa durch Anschlag oder Verlautbarung in Medien. Sie sind aufzuheben, sobald eine Gefährdung nicht mehr zu befürchten ist, und treten jedenfalls drei Monate nach ihrem Wirksamwerden außer Kraft.

(4) Verordnungen gemäß Abs. 2 sind in geeigneter Weise, wie etwa mittels Megaphon kundzumachen und treten unmittelbar nach ihrer Verlautbarung in Kraft. Die Sicherheitsbehörde hat dafür zu sorgen, daß die Untersagung des Betretens möglichen Betroffenen zur Kenntnis gelangt. Die Verordnung ist aufzuheben, sobald keine Gefahr mehr besteht, und tritt jedenfalls sechs Stunden nach ihrer Erlassung außer Kraft."

12 E. § 5 der Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden (Richtlinien-Verordnung - RLV), BGBl Nr 266/1993, lautet auszugsweise:

"Achtung der Menschenwürde

§ 5. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben bei der Erfüllung ihrer Aufgaben alles zu unterlassen, das geeignet ist, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken oder als Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes, der Rasse oder Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses, der politischen Auffassung oder der sexuellen Orientierung empfunden zu werden.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben alle Menschen, bei denen dies dem üblichen Umgang entspricht oder die es verlangen, mit ‚Sie' anzusprechen.

..."

III. Erwägungen

13 A. Die Verwaltungsgerichte erkennen nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen einen individuell bestimmten Adressaten einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und damit unmittelbar - dh ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreift. Das ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwangs bei Nichtbefolgung eines Befehls droht. Es muss ein Verhalten vorliegen, das als Ausübung von "Zwangsgewalt", zumindest aber als - spezifisch verstandene - Ausübung von "Befehlsgewalt" gedeutet werden kann. Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsakts in der Form eines Befehls gilt, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird. Liegt kein ausdrücklicher Befolgungsanspruch vor, so kommt es darauf an, ob bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen bei Beurteilung des behördlichen Vorgehens in seiner Gesamtheit der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist (VwGH vom 15. Dezember 2014, 2011/17/0333; VwGH vom 17. März 2016, Ra 2016/11/0014).

14 Sofern weder ein Bescheid noch ein Vollstreckungsakt vorliegt, ist die mündliche Äußerung eines Verwaltungsorgans nur dann als Befehl zu werten, wenn sie nach den Umständen des Falles hinreichend deutlich als normative Anordnung zu erkennen ist. Werden keine Zwangsmaßnahmen gesetzt oder angedroht oder müssen diese nicht zwangsläufig erwartet werden, so liegt keine vor den Verwaltungsgerichten bekämpfbare Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor (VwGH vom 15. November 2000, 98/01/0452; VwGH vom 6. Juli 2004, 2003/11/0175 (VwSlg 16.400A/2004)). Stellen sich die Aufforderungen eines Polizeibeamten unter voller Berücksichtigung aller Begleitumstände nur als Einladung dar, die der Betroffene nach eigenem Gutdünken unerfüllt lassen kann, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass er deshalb unverzüglich - das ist jedenfalls ohne Dazwischentreten weiterer Verwaltungsakte - physischem (Polizei‑)Zwang unterworfen werde, um den gewünschten Zustand zu erreichen, so handelt es sich dabei um keinen Befehlsakt. Eine derartige, den Charakter eines schlichten Ansinnens tragende formlose Äußerung entbehrt des individuell-normativen Inhalts, den die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zwingend verlangt (VwGH vom 28. Oktober 2003, 2001/11/0162).

15 Für die Beurteilung der Frage, ob das Ersuchen von Behördenorganen, mit ihnen mitzukommen, einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, ist neben dem Wortlaut und der Bestimmtheit der Aufforderung zum Mitkommen auch maßgeblich, ob dem Betroffenen das Verlassen des Ortes der Amtshandlung oder das Verbleiben an diesem allenfalls freigestellt wurde, und ob sich die Beamten in einer Weise verhalten haben, dass aus der Sicht des Betroffenen - unabhängig von subjektiven Eindrücken - die Überzeugung entstehen musste, er werde im Fall seiner Weigerung ohne weitere Aufforderung mit Zwang mitgenommen werden. Entscheidend ist daher nicht, welche weitere Vorgangsweise seitens der Beamten im Fall der Weigerung des Betroffenen zum Mitkommen beabsichtigt war, sofern die geplante Vorgangsweise nach außen hin nicht zum Ausdruck kam. Wesentlich ist vielmehr, ob das Verhalten der Beamten bei objektiver Betrachtungsweise aus dem Blickwinkel des Betroffenen den Eindruck hinterlassen musste, dass der Betroffene im Falle seiner Weigerung zwangsweise mitgenommen werde (VwGH vom 11. Oktober 2005, 2005/21/0071; VwGH vom 29. September 2009, 2008/18//0687).

16 B. Vorauszuschicken ist, dass die gegen den Revisionswerber gesetzten Akte sich - entgegen der Auffassung der Revision - nicht auf § 36 SPG, sondern auf das LSG 2011 stützen und der LPD Tirol zuzurechnen sind (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Oktober 2016, Ro 2015/03/0029).

Die von den Polizeibeamten Gruppeninspektor F H und Inspektor F N an den Revisionswerber gerichtete Aufforderung, den gesperrten Bereich auf der Nordseite des Flughafens I "jetzt zu verlassen", ist nach den Umständen des Falles hinreichend deutlich als normative Anordnung zu erkennen. Wie aus den Feststellungen hervorgeht, haben die Polizeibeamten dem Revisionswerber nämlich mitgeteilt, dass es eine Anweisung gebe, wonach sich auf der Nordseite des Flughafens keine Personen aufhalten dürften, wenn eine israelische Chartermaschine lande. Daraus ergibt sich, dass die Polizeibeamten ihre Aufforderung mit der nach außen hin erkennbaren Absicht aussprachen, eine individuelle und konkrete Rechtspflicht des Revisionswerbers zu begründen, zum Zeitpunkt des fallbezogenen Geschehens den gesperrten Bereich zu verlassen. Dass die Begründung dieser Rechtspflicht möglicherweise (was vom Verwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren zu klären sein wird) ohne hinreichende gesetzliche Grundlage erfolgt ist, spielt dabei keine Rolle. Die Aufforderung der Polizeibeamten stellt sich in diesem Zusammenhang gerade nicht als eine formlose Äußerung dar, die lediglich den Charakter eines schlichten Ansinnens trüge und eines individuell-normativen Inhalts entbehrte.

17 Der von den einschreitenden Polizeibeamten gewählte Wortlaut, dass der Revisionswerber den gesperrten Bereich "jetzt zu verlassen habe" und dass er der Anweisung, wonach sich bei Landung der israelischen Chartermaschine auf der Nordseite des Flughafens keine Personen aufhalten dürften, "Folge zu leisten" habe, vermittelt ein hohes und ernstzunehmendes Maß an Bestimmtheit. Die Polizeibeamten bringen damit jedenfalls unmissverständlich zum Ausdruck, dass dem Revisionswerber das Verbleiben am Ort der Amtshandlung gerade nicht freigestellt wurde. Das Verhalten der Polizeibeamten musste - unabhängig von den subjektiven Eindrücken des Revisionswerbers - auch bei objektiver Betrachtungsweise bei diesem die von ihm geäußerte Überzeugung entstehen lassen, dass er damit gerechnet habe, "am Arm gepackt und hinausgezerrt" zu werden. Die Aufforderung der Polizeibeamten stellt sich daher unter voller Berücksichtigung aller Begleitumstände nicht als bloße Einladung dar, die der Revisionswerber nach eigenem Gutdünken unerfüllt lassen hätte können, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass er deshalb unverzüglich physischem (Polizei‑)Zwang unterworfen würde.

18 C. Die Tatsache, dass sich die Polizeibeamten gegenüber dem Revisionswerber ruhig und freundlich verhalten haben, ist im vorliegenden Fall nicht entscheidend. Die Polizeibeamten waren nämlich insofern zu einem freundlichen Verhalten verpflichtet, als Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach § 5 Abs 1 RLV bei der Erfüllung ihrer Aufgaben alles zu unterlassen haben, das geeignet ist, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken (vgl dazu VwGH vom 17. September 2002, 2000/01/0138 (VwSlg 15.900 A/2002)), sowie auf dem Boden des § 5 Abs 2 RLV grundsätzlich alle Menschen mit "Sie" anzusprechen haben (vgl VwGH vom 22. April 1998, 97/01/0630 (VwSlg 14.880 A/1998)).

19 Auch nicht maßgeblich ist im vorliegenden Fall der Umstand, dass der Revisionswerber gegenüber den Polizeibeamten klargestellt hat, er weigere sich, den gegenständlichen Bereich zu verlassen, er habe auf die Polizei gewartet, weil er den Flughafen nur in Begleitung der Polizei verlasse, und er werde keinen Widerstand leisten und in ihrem Beisein den Flughafen sehr wohl verlassen. Das Verwaltungsgericht trifft keine überzeugende Beurteilung, wenn es zuerst annimmt, dass sich daraus eine Situation ergebe, wonach der Revisionswerber von Beginn der Amtshandlung an klargestellt habe, dass er - nach dem Eintreffen der Polizeibeamten - deren Anordnungen folgen werde, dann aber daraus die Schlussfolgerung zieht, dass deshalb die Ausübung von Befehlsgewalt gar nicht erforderlich erscheine. Denklogisch setzt das Verhalten eines Betroffenen, gegenüber den Polizeibeamten klarzustellen, dass er ihren Anordnungen folgen werde, vielmehr voraus, dass die Polizeibeamten bereits eine solche Anordnung ausgesprochen haben, die als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt zu qualifizieren ist. Es kann nicht zu Lasten des Betroffenen gehen, wenn sich dieser während einer Amtshandlung mit den einschreitenden Polizeibeamten verständigt und sich jenen gegenüber kooperativ verhält, um eine Eskalation der Situation zu verhindern oder gar das Risiko einer Strafverfolgung wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 StGB zu vermeiden.

20 Derart ist im vorliegenden Fall auch nicht relevant, dass der Revisionswerber den gesperrten Bereich nur in Begleitung der Polizei zu verlassen bereit war, um daran anschließend eine Maßnahmenbeschwerde erheben zu können. Da Akte der unmittelbaren verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt ohne eingehenderes Verfahren und ohne Einhaltung der für Bescheide vorgesehenen Form gesetzt werden, bliebe dem Rechtsunterworfenen nämlich keine andere Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit eines durch behördliches Verhalten erfolgten Eingriffs in seine subjektiven Rechte geltend zu machen. Das in der österreichischen Bundesverfassung verankerte Rechtsstaatsprinzip verlangt jedoch ein Mindestmaß an faktischer Effektivität des Rechtsschutzes (vgl etwa VfGH vom 26. September 2016, G 244/2016 ua, Rz 19; vgl dazu auch VwGH vom 1. März 2016, Ro 2015/18/0002, Rz 26f; VwGH vom 13. September 2016, Ro 2014/03/0062, Rz 26). Es ist daher nicht als rechtsmissbräuchlich zu betrachten, wenn der Betroffene sein Verhalten zumindest bis zur Stufe eines maßvollen Einschreitens von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes fortsetzte, damit er dieses mittels Maßnahmenbeschwerde vor dem Verwaltungsgericht bekämpfen kann, um die Rechtswidrigkeit eines behördlichen Eingriffs in seine subjektiven Rechte feststellen zu lassen.

IV. Ergebnis

A. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben. B. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. Dezember 2016

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