European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0090OB00069.19S.1128.000
Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.044,70 EUR (darin 507,45 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zur Frage, ob die Anwendung des § 934 ABGB auch im ersten Fall des § 935 ABGB (Erklärung des Erwerbs aus besonderer Vorliebe) nur bei Kenntnis vom wahren Wert ausgeschlossen werden kann, und gegebenenfalls zur Frage, ob ein entgeltlicher Optionsvertrag bereits vor Ausübung der Option wegen laesio enormis angefochten werden kann, zugelassen. Dem schloss sich der Revisionswerber zwecks Begründung der Zulässigkeit seines Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO an. Die Revision sei aber auch deshalb zulässig, weil das Berufungsgericht den angefochtenen Optionsvertrag unrichtig ausgelegt habe und die abschlägige Entscheidung über die Irrtumsanfechtung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung widerspreche. Dem gegenüber bestritt der Revisionsgegner das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung der Revision des Klägers.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
1.1. Sind die Vertragsparteien – wie hier – keine Unternehmer (vgl § 351 UGB), dann kann nach § 935 erster Halbsatz ABGB die Anwendung des § 934 ABGB (Schadloshaltung wegen Verkürzung über die Hälfte; sog laesio enormis) vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Die Halbsätze 2 bis 6 des § 935 ABGB enthalten aber Tatbestände, bei deren Vorliegen das Anfechtungsrecht bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Danach ist § 934 ABGB ua – soweit hier relevant – dann nicht anzuwenden, wenn jemand erklärt hat, die Sache aus besonderer Vorliebe um einen außerordentlichen Wert zu übernehmen (erster Fall) oder wenn er, obgleich ihm der wahre Wert bekannt war, sich dennoch zu dem unverhältnismäßigen Wert verstanden hat (zweiter Fall).
1.2. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RS0042656). Dies ist hier der Fall.
1.3. Aufgrund des Wortlauts und des Aufbaus des § 935 ABGB ist im ersten Fall dieser Bestimmung keine Kenntnis vom wahren Wert (der Gegenleistung) erforderlich. Die einzelnen unterschiedlichen Fälle, in denen eine Anfechtung wegen laesio enormis nach § 934 ABGB nicht Platz greift, sind jeweils durch einen Strichpunkt voneinander getrennt und greifen nicht ineinander. Der erste Ausschlusstatbestand des § 935 ABGB liegt dann vor, wenn jemand bereit ist, für die von seinem Vertragspartner zu erbringende Leistung eine Gegenleistung zu erbringen, die gerade nicht einem bestimmten objektiven Wert der Leistung seines Vertragspartners, sondern den eigenen subjektiven Wertvorstellungen und damit dem außerordentlichen Wert der besonderen Vorliebe im Sinn des § 935 erster Fall ABGB entspricht (vgl 6 Ob 187/99i). Soweit der Oberste Gerichtshof in einzelnen Entscheidungen ausgesprochen hat, dass laesio enormis nur dann ausgeschlossen ist, wenn der Verkürzte Kenntnis vom wahren Wert hat (3 Ob 520/94; RS0087574), lag dieser Aussage die Beurteilung von Sachverhalten nach dem zweiten Fall des § 935 ABGB zugrunde.
2.1. Die Frage, ob die Anfechtung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Optionsvertrags wegen laesio enormis nach § 935 erster Fall ABGB von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist, weil der Kläger erklärt hat, die Sache aus besonderer Vorliebe zu einem außerordentlichen Preis zu übernehmen, hängt im Wesentlichen von typischen Fragen der Erklärung einer Vertragspartei und von der Vertragsauslegung ab. Diese begründen nach ständiger Rechtsprechung infolge ihrer Abhängigkeit von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung vorliegt, die vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RS0044358 [T11]; RS0112106 [T1] ua). Ein unvertretbares Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts liegt hier nicht vor.
2.2. Die Streitteile haben im vorliegenden Fall einen Optionsvertrag abgeschlossen, nach dem der Kläger als Optionsnehmer ein bestimmten Kunstgegenstand vom Beklagten als Optionsgeber innerhalb von sechs Monaten um einen Betrag von 2 Mio EUR erwerben konnte. Als Optionsentgelt wurde ein Betrag von 200.000 EUR vereinbart. Dieser Betrag sollte bei Ausübung der Option auf den vereinbarten Kaufpreis angerechnet werden. In einer späteren Zusatzvereinbarung wurde die Optionsvereinbarung verlängert und dafür ein monatliches, ebenfalls auf den Kaufpreis anrechenbares Optionsentgelt von 50.000 EUR festgelegt.
Beide Parteien gingen anlässlich des Abschlusses des Optionsvertrags und auch der Zusatzvereinbarung davon aus, dass es sich beim gegenständlichen Kunstgegenstand um ein besonderes keltisches Kunstunikat handelt, dass es insoweit keine neuen vergleichbaren Fundobjekte ähnlicher Qualität und Fertigung gibt und dass es sich hierbei um das „einzigartige (derartige) Massivgoldobjekt des gesamten Ostalpenraumes“ handelt. Sie nahmen weiters an, dass dieses Objekt einen Wert im Euromillionenbereich hat und um einen solchen Wert auch verkauft werden könnte. Gleichzeitig war ihnen aber bewusst, dass eine konkrete Einschätzung des Werts des Kunstgegenstands (gerade aufgrund seiner Einzigartigkeit) nur schwer möglich war.
Im Optionsvertrag erklärten die Parteien, dass sie „im Falle der Annahme der Option und der Durchführung dieses Kaufvertrags um den Wert der besonderen Vorliebe kontrahieren, sohin die wechselseitigen Leistungen sich wertmäßig entsprechen und demnach beide Parteien ausdrücklich darauf verzichten, den vorliegenden Vertrag wegen Verkürzung der Hälfte des wahren Wertes anzufechten“.
Nach Bezahlung eines Optionsentgelts von insgesamt 350.000 EUR leistete der Kläger kein weiteres Optionsentgelt mehr, nahm die Option auch nicht wahr, sondern begehrte vom Beklagten die Aufhebung des Optionsvertrags und Rückzahlung des geleisteten Optionsentgelts.
2.3. Sein (eventualiter) auf § 934 ABGB gestütztes Begehren mit der Behauptung, das Optionsentgelt entspreche nicht einmal der Hälfte des Werts der Kaufoption, wiesen die Vorinstanzen übereinstimmend ab. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass ein entgeltlicher Optionsvertrag zwar auch vor Ausübung des Optionsrechts wegen eines Missverhältnisses des Optionsentgelts zum Wert des Optionsrechts als solches wegen laesio enormis angefochten werden könne, sofern ein gemeiner Wert des Optionsrechts zu ermitteln sei. Dabei sei aber der objektiv abstrakte Nutzen des Optionsrechts eng verbunden mit dem Wert des Optionsobjekts, welches durch Ausübung des Optionsrechts erworben werden könnte. Der Kläger habe aber nicht bloß schlüssig, sondern sogar ausdrücklich erklärt, im Falle der Annahme der Option und der Durchführung dieses Kaufvertrags um den Wert der besonderen Vorliebe zu kontrahieren. Diese auf den optierten Kaufvertrag gerichtete Erklärung müsse auch für den Optionsvertrag wirken, wenn man die Anfechtung bereits auch des Optionsvertrags im Hinblick auf den indirekten Wertzusammenhang des Optionsrechts mit dem Optionsgegenstand zulasse. Dass sich „sohin die wechselseitigen Leistungen wertmäßig entsprechen“ sei eine Folge dessen, dass allfällige Unterschiede im objektiven Wert der wechselseitigen Leistungen durch die besondere Vorliebe, somit den subjektiven Wert, ausgeglichen würden. Insofern handle es sich hierbei nicht um eine widersprüchliche Vertragsklausel. Zu berücksichtigen sei, dass es sich beim Kaufgegenstand um ein Kunstunikat handle, dessen Wert aufgrund seiner Einzigartigkeit schwer einzuschätzen sei, was den Streitteilen auch bewusst gewesen sei, auch wenn die Parteien aufgrund der bei Abschluss des Optionsvertrags vorliegenden Expertisen von einem Wert des Kaufobjekts im Euromillionenbereich ausgegangen seien.
2.4. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung entspricht den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Vertragsauslegung. Danach ist dann, wenn – wie hier – keine übereinstimmende abweichende Parteienabsicht festgestellt ist, bei der Auslegung des Vertrags zunächst von dessen Wortlaut in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen (RS0017831; RS0017915 [T34, T35]).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Vertrag ausdrücklich erklärt, im Falle der Annahme der Option und der Durchführung dieses Kaufvertrags um den Wert der besonderen Vorliebe zu kontrahieren. Die Auslegung des Berufungsgerichts, der anschließende Halbsatz („sohin die wechselseitigen Leistungen sich wertmäßig entsprechen“) sei lediglich eine Folge dessen, dass allfällige Unterschiede im objektiven Wert der wechselseitigen Leistungen durch die besondere Vorliebe, somit den subjektiven Wert, ausgeglichen würden, ist nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass zwar den Parteien bei Vertragsabschluss mehrere übereinstimmende Expertisen über den Kaufgegenstand vorlagen, nach denen dessen Wert mit einem mehrfachen Euromillionenbetrag angegeben wurde, doch wurde darin auch festgehalten und war dies den Parteien auch bewusst, dass eine finanzielle Bewertung nur sehr schwer möglich war, weil es sich beim Kaufgegenstand um ein einzigartiges, Kunstunikat handelte. Dass der Kläger hoffte, bei einem allfälligen Weiterverkauf des Kunstgegenstands, einen Gewinn zu erzielen, steht mit seiner Erklärung, den Kunstgegenstand um den Wert der besonderen Vorliebe zu erwerben, nicht in Widerspruch (vgl Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 935 ABGB Rz 18 mwH). Seine Überlegung, dass aus einer rein formularmäßigen Erklärung nicht ohne weiteres auf die Gültigkeit einer Verzichtserklärung geschlossen werden kann (RS0018979), geht am Problem vorbei. Hier geht es nicht um einen Anfechtungsverzicht des Klägers. Ein solcher wäre, wie bereits ausgeführt, nach § 935 erster Halbsatz ABGB unwirksam. Im vorliegenden Fall geht es um die Beurteilung des gesetzlichen Ausschlusses der Anfechtung nach § 935 zweiter Halbsatz ABGB.
2.5. Der Standpunkt des Revisionswerbers, er sei vor Unterfertigung des vom Rechtsvertreter des Beklagten vorbereiteten Optionsvertrags auf die gegenständliche Vertragsklausel weder ausdrücklich hingewiesen noch über deren Bedeutung aufgeklärt worden, lässt außer Betracht, dass derjenige, der eine Urkunde ungelesen unterschreibt, deren Inhalt im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs als seine Erklärung gegen sich gelten lassen muss (RS0017267). Derjenige, der eine Urkunde unterfertigt, macht den durch seine Unterschrift gedeckten Text auch dann zum Inhalt seiner Erklärung, wenn er den Text nicht gekannt hat (RS0014753). Dass der Kläger aus bestimmten Umständen etwas anderes entnehmen hätte müssen (vgl 9 ObA 18/17p Pkt 2.3.), ist hier nicht der Fall. Da der Vertragsinhalt eindeutig feststeht, bleibt für die subsidiäre Anwendung des § 915 ABGB kein Raum (RS0017957; RS0017951).
2.6. Die Erklärung, eine Sache aus besonderer Vorliebe um einen außerordentlichen Wert zu übernehmen, kann im Übrigen auch schlüssig (§ 863 ABGB) erfolgen (Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 935 ABGB Rz 39; vgl RS0019098). Die Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen ist ebenfalls einzelfallbezogen und begründet daher in der Regel auch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn von § 502 Abs 1 ZPO (RS0081754 [T5]; RS0042555 [T18, T28]). Eine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende verfehlte Auslegung des Berufungsgerichts liegt hier nicht vor.
2.7. Der Optionsvertrag einerseits und der durch Ausübung des Optionsrechts optierte Vertrag weisen in der Regel einen sehr engen Zusammenhang auf (vgl Krejci, Optionsausübung und laesio enormis insbesondere bei gesellschaftsrechtlichen Aufgriffsrechten, in FS Koziol [2010] 216). Der innere Zusammenhang dieser beiden Rechtsgeschäfte wird hier noch dadurch verstärkt, dass das Optionsentgelt bei Ausübung der Option dem zu leistenden Kaufpreis angerechnet wird. Wenn das Berufungsgericht ausgeführt hat, dass die von den Parteien auf den optierten Vertrag gerichteten Erklärungen (Kontrahieren um den Wert der besonderen Vorliebe) auch für den Optionsvertrag wirken müssen, so brachte es damit zum Ausdruck, dass der Kläger konkludent auch für den Optionsvertrag die Erklärung abgab, (schon) diesen Vertrag zum außerordentlichen Wert der besonderen Vorliebe abzuschließen. Diese Auffassung ist nach der Lage des Falls durchaus vertretbar. Im festgestellten Sachverhalt finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger zwar gewollt war, den Kaufgegenstand aus besonderer Vorliebe, also seinen subjektiven Preisvorstellungen entsprechend (zu einem außerordentlichen Preis) zu erwerben, wohingegen die zugrunde liegende Kaufoption auf ganz anderen Vorstellungen als der besonderen Vorliebe beruhen sollte.
2.8. Wer nun aber erklärt, eine Sache aus besonderer Vorliebe um einen außerordentlichen Wert zu übernehmen, kann sich nachträglich nicht auf laesio enormis berufen (§ 935 ABGB). Das gilt hier nach Lage des Falls schon für den Optionsvertrag.
3. Die übereinstimmende Rechtsauffassung der Vorinstanzen, auch die Anfechtung des Optionsvertrags wegen Irrtums scheide aus, weil der Kläger keinem Geschäftsirrtum, sondern lediglich einem – hier rechtlich nicht relevanten (vgl RS0014920) – Motivirrtum über den Wert der Sache unterlegen sei, ist aufgrund der konkreten Umstände des Falls (vgl RS0014913 [T7]) ebenfalls nicht zu beanstanden. Für den Ansatz des Revisionswerbers, er habe vom Beklagten eine Aufklärung über den tatsächlichen Wert des Optionsgegenstands erwarten können, findet sich im Sachverhalt keine geeignete Grundlage. Schließlich war der Kläger vor Vertragsabschluss in Kenntnis davon, dass die Feststellung des Werts des Kunstgegenstands aufgrund dessen Einzigartigkeit nur sehr schwer möglich war und auch der Beklagte als Nichtfachmann nur die vorhandenen Expertisen seiner Verkaufsentscheidung zugrunde legen konnte. Insofern unterscheidet sich dieser Sachverhalt von jenem in der vom Revisionswerber für seinen Rechtsstandpunkt ins Treffen geführten Entscheidung 6 Ob 146/97g. Eine allgemeine Rechtspflicht, den Geschäftspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entscheidung einen Einfluss haben können, besteht ohnehin nicht (RS0016390). Im Übrigen steht die vertraglich festgehaltene Absicht des Klägers, den Gegenstand um den Wert der besonderen Vorliebe zu erwerben, hier auch auf den Optionsvertrag durchschlägt, der erfolgreichen Geltendmachung eines Geschäftsirrtums über den Wert der Option entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).
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