OGH 8ObA21/24g

OGH8ObA21/24g26.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka und Dr. Stefula und die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sabrina Klauser (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und FI Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. A*, vertreten durch Pallauf Meißnitzer Staindl & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, *, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 16.562,40 EUR brutto sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. März 2024, GZ 11 Ra 2/24d‑18, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. September 2023, GZ 32 Cga 20/23s‑13, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:008OBA00021.24G.0826.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin war ab 14. 9. 1998 bei der Beklagten als Vertragslehrerin beschäftigt; zum 31. 10. 2022 wurde das Dienstverhältnis aufgrund der Inanspruchnahme der Alterspension nach Vollendung des 60. Lebensjahres einverständlich aufgelöst.

[2] Der Berechnung ihres Abfertigungsanspruchs wurden Dienstzeiten von 24 Jahren, einem Monat und 17 Tagen zugrunde gelegt, weshalb die Beklagte der Klägerin nach § 84 Abs 4 VBG 1948 das Neunfache des ihr für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Monatsentgelts als Abfertigung auszahlte; zuvor war für den letzten Monat ihrer Tätigkeit ihr Auslastungsausmaß noch von Teil- auf 100 %-Auslastung erhöht worden.

[3] Die Höhe des Monatsentgelts errechnete sich aufgrund eines Vorrückungsstichtags, für den eine Tätigkeit der Klägerin als Auslandslektorin am Institut für deutsche Philologie der „staatlichen“ Universität von Santiago de Compostela (Spanien) aufgrund eines „Arbeitsverhältnisses zur staatlichen Verwaltung in Spanien“ von 1. 10. 1996 bis 30. 9. 1998 als Vordienstzeiten angerechnet worden waren. Für die Berechnung der Abfertigung wurden diese Zeiten von der Beklagten jedoch nicht berücksichtigt, weil es sich bei ihrem Dienstgeber in Spanien nicht um eine inländische Gebietskörperschaft gehandelt habe, sodass die Dienstzeiten in diesem Dienstverhältnis der Dauer des Dienstverhältnisses gemäß § 84 Abs 5 VBG 1948 nicht zuzurechnen seien.

[4] Die Klägerin begehrt restliche Abfertigung in Höhe der Differenz zwischen dem Neunfachen und dem Zwölffachen des ihr für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Monatsentgelts. § 84 Abs 5 VBG 1948 sei im Lichte von Art 45 AEUV und Art 7 VO (EU) Nr 492/2011 als „Dienstzeiten in Dienstverhältnissen zu einer innereuropäischen (statt inländischen) Gebietskörperschaft“ zu lesen, sodass die Dienstzeit der Klägerin mehr als 25 Jahre gedauert habe und ihr die Abfertigung in Höhe des Zwölffachen ihres letzten Monatsentgelts zustehe. Das isolierte Abstellen auf Dienstzeiten zu inländischen Gebietskörperschaften sei aufgrund der finanziellen Nachteile beim Abfertigungsanspruch nicht bloß geeignet, die Aufnahme einer unselbstständigen Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat zu verhindern, sondern diese Regelung sei „direkt diskriminierend“. Art 45 Abs 4 AEUV sei hier nicht anwendbar. Die begehrte Abfertigung sei keine „Treueprämie“, weil die relevanten Bestimmungen es ermöglichen würden, beliebig zwischen den einzelnen österreichischen Gebietskörperschaften als Arbeitgeber zu wechseln, ja sogar gänzlich unterschiedliche Tätigkeiten auszuüben. Es habe ein Dienstverhältnis zur Beklagten vorgelegen, die sie nach Spanien entsendet habe; zumindest sei ein Arbeitsverhältnis mit der staatlichen Verwaltung von Spanien und damit zur „spanischen Gebietskörperschaft“ vorgelegen, nämlich zum spanischen Staat, der Träger der Universität Santiago de Compostela sei. Dies sei eine Rechtsfrage; das spanische Recht wäre von Amts wegen zu ermitteln.

[5] Die Beklagte bestritt, dass § 84 Abs 5 VBG 1948 aus unionsrechtlichen Gründen die Berücksichtigung von nicht inländischen Dienstzeiten gebiete. Die Abfertigung sei eine Treueprämie, deren Berechnung das Gesetz nach sachlichen Gesichtspunkten im Rahmen des nationalen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums dahin regle, dass es Vordienstzeiten bei Arbeitgebern, die nicht inländische Gebietskörperschaften seien, von der Berücksichtigung ausschließe. Es habe kein Dienstverhältnis zur Beklagten bestanden, welche die Klägerin auch nicht nach Spanien entsendet habe. Der Dienstvertrag sei mit der Universität Santiago de Compostela geschlossen worden, die eine eigene Rechtspersönlichkeit und keine Gebietskörperschaft sei; ein Vertrag zu einer spanischen Gebietskörperschaft (wie etwa dem spanischen Gesamtstaat/Bund) sei offensichtlich nicht begründet worden. Ein Anspruch auf Abfertigung bestehe auch zufolge § 84 Abs 2 Z 1 VBG 1948 nicht, weil das Dienstverhältnis in Spanien befristet gewesen sei. Eine Gegenausnahme nach § 84 Abs 5 letzter Satz VBG 1948 zum Ausschluss der Anrechnung nach § 84 Abs 5 Z 2 lit b VBG 1948 liege nicht vor, weil das Dienstverhältnis in Spanien nicht im Einverständnis mit dem Dienstgeber ausschließlich deswegen beendet worden sei, um ein Dienstverhältnis zum Bund einzugehen, sondern durch Zeitablauf geendet habe, und das Bundesdienstverhältnis nicht an das beendete Dienstverhältnis unmittelbar angeschlossen hätte. Billigkeitserwägungen kämen der Klägerin nicht zugute. Diese sei nahezu ihr gesamtes Dienstverhältnis bei der Beklagten nicht in Vollbeschäftigung, sondern in Teilzeitbeschäftigung gewesen; angesichts dessen sei es von der Beklagten sehr fürsorglich gewesen, die Klägerin dazu anzuleiten, das Dienstverhältnis kurz vor dem von ihr gewünschten Pensionsantritt von Teilzeitbeschäftigung auf Vollzeitbeschäftigung umzustellen.

[6] Das Erstgericht wies die Klage ab. Art 45 AEUV sei zwar grundsätzlich anwendbar, stehe jedoch dem § 84 Abs 5 VBG 1948 nicht entgegen, weil dieser keine verbotsähnliche Wirkung entfalte und nicht geeignet sei, Arbeitnehmer daran zu hindern oder sie davon abzuhalten, in einem anderen Mitgliedstaat tätig zu sein. Die Bestimmung sei mit den (Entgelt-, Fürsorge- und Treue-)Funktionen der Abfertigung vereinbar.

[7] Das Berufungsgericht wies den Antrag der Klägerin auf Stellung einer Anfrage an den Europäischen Gerichtshof nach Art 267 AEUV zurück, hob das Urteil des Erstgerichts auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung zur in der Berufung einzig noch relevierten Frage der Lektorentätigkeit in Spanien auf. Die Klägerin habe auf entsprechenden Hinweis der Beklagten in erster Instanz ausreichendes Vorbringen zum Vorliegen einer Tätigkeit bei einer spanischen Gebietskörperschaft erstattet. § 84 Abs 5 VBG 1948 sei unionsrechtskonform im Sinne von Art 45 AEUV sowie Art 7 VO (EU) Nr 492/2011 dahin auszulegen, dass auch Zeiten einer Tätigkeit für eine innereuropäische Gebietskörperschaft für den Abfertigungsanspruch zuzurechnen seien; in direkter Anwendung von Art 45 AEUV seien die Rechte von Arbeitnehmern von den innerstaatlichen Gerichten zu wahren. Die Ausnahmebestimmung in Art 45 Abs 4 AEUV sei hier nicht anwendbar. Da § 84 Abs 5 VBG 1948 nicht auf die Tätigkeit bei einer einzigen Gebietskörperschaft als Dienstgeber abstelle, sondern Dienstzeiten in Dienstverhältnissen zu (irgend‑)einer inländischen Gebietskörperschaft zuzurechnen seien, verfange das Argument einer Treueprämie nicht. Aus der Feststellung, die Universität von Santiago de Compostela sei „staatlich“ und die Beklagte sei in einem Arbeitsverhältnis „zur staatlichen Verwaltung in Spanien“ gestanden, lasse sich aber nicht ableiten, ob die Klägerin ein Dienstverhältnis zu einer spanischen Gebietskörperschaft eingegangen wäre, was im fortgesetzten Verfahren noch zu klären sei. Zu ergänzen seien auch Feststellungen zur Höhe des Abfertigungsanspruchs.

[8] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof mangels Rechtsprechung zur Frage zu, ob für den Abfertigungsanspruch nach § 84 Abs 5 VBG 1948 auch auf Tätigkeiten bei einer innereuropäischen Gebietskörperschaft abzustellen sei.

[9] Der Rekurs der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung beantragt die Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[10] Die Klägerin beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

[12] 1.1. Nach § 84 Abs 1 Z 2 VBG 1948 ist § 84 Abs 1a bis 8 VBG 1948 auf Vertragslehrer wie die Klägerin anzuwenden, deren Dienstverhältnis vor dem 1. 1. 2003 begonnen hat („Abfertigung alt“; vgl dazu Ziehensack, Glosse zu 8 ObA 17/21i, DRdA 2022/40, 490 [493 f]).

[13] 1.2. Den erfassten Vertragsbediensteten gebührt nach § 84 Abs 1a VBG 1948 beim Enden des Dienstverhältnisses eine Abfertigung, die nach § 84 Abs 4 VBG 1948 nach einer Dauer des Dienstverhältnisses von drei Jahren das Zweifache, von fünf Jahren das Dreifache, von zehn Jahren das Vierfache, von 15 Jahren das Sechsfache, von 20 Jahren das Neunfache und von 25 Jahren das Zwölffache des dem Vertragsbediensteten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Monatsentgelts beträgt. Nach § 84 Abs 2 VBG 1948 besteht unter anderem dann kein Anspruch auf Abfertigung, wenn (Z 1 leg cit) das Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit eingegangen wurde und durch Zeitablauf geendet hat, es sei denn, dass es sich um ein Dienstverhältnis zu Vertretungszwecken handelt.

[14] 1.3. Nach § 84 Abs 5 VBG 1948 sind Dienstzeiten in Dienstverhältnissen zu einer inländischen Gebietskörperschaft der Dauer des Dienstverhältnisses nach § 84 Abs 4 VBG 1948 zuzurechnen. Die Zurechnung ist unter anderem nach § 84 Abs 5 Z 2 lit b VBG 1948 ausgeschlossen, wenn das Dienstverhältnis in einer Weise beendet wurde, durch die ein Abfertigungsanspruch erlosch oder, falls § 84 Abs 2 VBG 1948 auf das Dienstverhältnis anzuwenden gewesen wäre, erloschen wäre; die in § 84 Abs 5 Z 2 lit b VBG 1948 angeführten Ausschlussgründe liegen nicht vor, wenn das Dienstverhältnis im Einverständnis mit dem Dienstgeber ausschließlich deswegen beendet wurde, um ein Dienstverhältnis zum Bund einzugehen, und dieses Bundesdienstverhältnis an das beendete Dienstverhältnis unmittelbar anschließt.

[15] 1.4. Eine Abfertigung weist zwar unter anderem auch Elemente einer „Treueprämie“ auf, die dafür gewährt wird, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber für längere Zeit zur Verfügung gestellt hat; jedoch dient sie auch der Versorgung und als Überbrückungshilfe für den Arbeitnehmer, und durch ihre Verknüpfung mit dem Monatsbezug wird ihr Entgeltcharakter hervorgehoben (vgl RS0028911; RS0028977; RS0028306). Gerade bei der hier zu beurteilenden „Abfertigung alt“ steht die Entgeltfunktion im Vordergrund. Mit der Anwartschaft auf die Abfertigung (und deren Verlust bei Auflösung des Dienstverhältnisses aus dem Willen bzw Verschulden des Dienstnehmers) wird eine langjährige zufriedenstellende Betriebstreue gefördert. Die Abfertigung alt belohnt am Ende des Dienstverhältnisses nicht nur das Erreichen der anspruchsbegründenden Mindestdienstzeit von bis zu 25 Jahren, sondern die gesamte im Betrieb erbrachte Arbeitsleistung und stellt auch auf die Art der Beendigung ab. Sie gebührt nicht als Gegenleistung für eine Mindestdienstzeit von 25 Jahren, sondern bemisst sich nur hinsichtlich der Anzahl der Monatsentgelte abhängig von der Dienstzeit, ist aber auf das gesamte Dienstverhältnis und das Entgelt bezogen (vgl 8 ObA 17/21i Rz 35 mwN).

[16] 2.1. Die Frage der Vergleichbarkeit von Beschäftigungszeiten wie etwa die Frage, ob Vordienstzeiten in einem anderen Staat der Beschäftigung in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft gleichzuhalten sind, hat das nationale Gericht nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen (EuGH 12. 3. 1998, C‑187/96 , Kommission vs Griechenland, Rn 22; 9 ObA 19/09y Pkt V.1; RS0125297 [T3, T6]).

[17] 2.2. Eine Gebietskörperschaft ist demnach eine juristische Person öffentlichen Rechts, die durch ein personales Element gekennzeichnet ist. Sie setzt sich also aus einer Mehrzahl von Personen eines bestimmten Gebiets zusammen, die der Körperschaft im Wege einer Pflichtmitgliedschaft angehören. Charakteristikum der Gebietskörperschaft ist darüber hinaus die Gebietshoheit und eine allgemeine sachliche, nicht bloß auf ein einzelnes Sachgebiet beschränkte Zuständigkeit (9 ObA 19/09y Pkt V.2 mwN). Gebietskörperschaften in Österreich sind der Bund, die Länder und die Gemeinden (9 ObA 3/20m; VwGH 2005/12/0046; 2009/12/0146). Wenn hingegen im Wege der Ausgliederung auf sondergesetzlicher Basis eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit entstanden ist, liegt keine Gebietskörperschaft vor. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um Gesellschaften des Privatrechts handelt, die im Alleineigentum einer (inländischen) Gebietskörperschaft stehen, oder um juristische Personen öffentlichen Rechts, die im ausschließlichen Ingerenzbereich einer (inländischen) Gebietskörperschaft liegen (VwGH 2005/12/0056; 2009/12/0146); in diesem Sinne sind etwa die Post und Telekom Austria AG bzw die Österreichische Post AG als ausgegliederte Rechtsträger nicht als Gebietskörperschaften qualifiziert worden (9 ObA 3/20m).

[18] 2.3. Die Klägerin hat nach den insofern unstrittigen Verfahrensergebnissen in Dienstverhältnissen zu einer inländischen Gebietskörperschaft knapp weniger als 25 Jahre zugebracht; nur unter Hinzurechnung der hier strittigen Dienstzeiten als Auslandslektorin am Institut für deutsche Philologie der – nach den Feststellungen – „staatlichen“ Universität von Santiago de Compostela von 1. 10. 1996 bis 30. 9. 1998 betrüge die Dienstzeit der Klägerin im Sinne des § 84 Abs 4 VBG 1948 mehr als 25 Jahre.

[19] 3.1. Ein Anspruch auf Abfertigung fällt unter den Begriff des „Entgelts“ im Sinne des Art 157 Abs 2 AEUV, der neben den üblichen Grund‑ oder Mindestlöhnen und ‑gehältern auch alle sonstigen Vergütungen umfasst, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund von dessen Beschäftigung mittelbar oder unmittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs umfasst dieser Begriff alle gegenwärtigen oder künftigen Vergütungen, sofern der Arbeitgeber sie dem Arbeitnehmer, sei es auch mittelbar, aufgrund von dessen Beschäftigung gewährt (8 ObA 17/21i Rz 18, unter Hinweis auf EuGH 5. 11. 2014, C‑476/12 , ÖGB vs VÖB, sowie 19. 9. 2013, C‑216/12 und C‑217/12 , Hliddal und Bornand, Rn 41).

[20] 3.2. Nach Art 45 AEUV ist innerhalb der Union die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet (Abs 1). Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen (Abs 2). Sie gibt – vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen – den Arbeitnehmern das Recht, a) sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben; b) sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen; c) sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Staats geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben; und d) nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Bedingungen zu verbleiben, welche die Kommission durch Verordnungen festlegt (Abs 3). Art 45 AEUV findet keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung (Abs 4).

[21] 3.3. Art 7 VO (EU) Nr 492/2011 vom 5. 4. 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union sieht vor, dass ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden darf als die inländischen Arbeitnehmer (Abs 1). Er genießt dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer (Abs 2).

[22] 3.4.1. Sämtliche Bestimmungen des AEUV über die Freizügigkeit sowie der VO (EU) Nr 492/2011, denen unmittelbare Wirkung zukommt, sollen den Unionsbürgern die Ausübung beruflicher Tätigkeiten aller Art im Gebiet der Union erleichtern und stehen jeder Maßnahme – gleichgültig, ob sie auf der Staatsangehörigkeit beruht oder unabhängig von der Staatsangehörigkeit anwendbar ist – entgegen, die Unionsbürger benachteiligen könnte, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als ihres Herkunftsmitgliedstaats eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben wollen, indem sie daran gehindert oder davon abgehalten werden, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen (unlängst EuGH 21. 12. 2023, C‑680/21 , SA Royal Antwerp Football Club, Rn 136; vgl 15. 12. 1995, C‑415/93 , Bosman, Rn 93–96; 16. 3. 2010, C‑325/08 , Olympique Lyonnais, Rn 33 f; 5. 12. 2013, C‑514/12 ,SALK, Rn 32, 34; 8. 5. 2019, C‑24/17 , ÖGB, GÖD, Rn 77). Der sowohl in Art 45 AEUV als auch in Art 7 VO (EU) Nr 492/2011 niedergelegte Grundsatz der Gleichbehandlung verbietet nicht nur offensichtliche (unmittelbare) Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien de facto zum gleichen Ergebnis führen (EuGH 13. 3. 2019, C‑437/17 , EurothermenResort, Rn 18 mwN).

[23] 3.4.2. Die Freizügigkeit umfasst einerseits das Recht, in einem fremden Mitgliedstaat einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ohne unmittelbar oder mittelbar gegenüber dortigen Inländern diskriminiert zu werden, weil sich Regelungen im Zielstaat stärker auf ausländische Arbeitnehmer auswirken (EuGH 13. 3. 2019, C‑437/17 , EurothermenResort, Rn 27 ff). Das Unionsrecht garantiert, dass Arbeitnehmer, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als ihres Herkunftsmitgliedstaats eine Tätigkeit ausüben, denselben Bedingungen unterliegen wie die Arbeitnehmer in diesem anderen Staat (EuGH 23. 1. 2019, C‑272/17 , Zyla, Rn 45). Eine Vorschrift des nationalen Rechts, wenn sie – obwohl sie ungeachtet der Staatsangehörigkeit anwendbar ist – sich ihrem Wesen nach stärker auf Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie die Erstgenannten besonders benachteiligt, ist als mittelbar diskriminierend anzusehen, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist und in angemessenem Verhältnis zum verfolgten Ziel steht (EuGH 13. 3. 2019, C‑437/17 , EurothermenResort, Rn 18 f; 23. 1. 2019, C‑272/17 , Zyla, Rn 22 ff; 2. 3. 2017, C‑496/15 , Eschenbrenner, Rn 35 f; alle mwN). Um eine Maßnahme als mittelbar diskriminierend qualifizieren zu können, muss sie aber nicht bewirken, dass alle Inländer begünstigt werden oder dass unter Ausschluss der Inländer nur die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten benachteiligt werden (EuGH 5. 12. 2013, C‑514/12 , SALK, Rn 27 mwN).

[24] 3.4.3. Andererseits aber haben in diesem Zusammenhang die Unionsbürgerauch das unmittelbar aus dem AEUV abgeleitete Recht, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um sich zur Ausübung einer Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben und sich dort aufzuhalten (EuGH 15. 12. 1995, C‑415/93 , Bosman, Rn 94 f; 1. 4. 2008, C‑212/06 , Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon, Rn 44), sodass auch Maßnahmen verboten sind, die geeignet sind, inländische Arbeitnehmer, die beabsichtigten, ihren derzeitigen Arbeitgeber zu verlassen, um zu einem Arbeitgeber eines anderen Mitgliedstaats zu wechseln, aber den Wunsch haben, anschließend in den Dienst ihres ersten Arbeitgebers zurückzukehren, hiervon abzuhalten (EuGH 30. 9. 2003, C‑224/01 , Köbler, Rn 74;5. 12. 2013, C‑514/12 , SALK, Rn 30 mwN; vgl 13. 3. 2019, C‑437/17 , EurothermenResort, Rn 40).

[25] 3.4.4. Zusammengefasst steht Art 45 AEUV in beiden genannten Aspekten (EuGH 13. 3. 2019, C‑437/17 , EurothermenResort, Rn 39) jeder nationalen Maßnahme entgegen, die geeignet ist, die Ausübung der durch diese Vorschrift verbürgten Grundfreiheit durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen; jede Beeinträchtigung dieser Freiheit, mag sie auch unbedeutend sein, ist verboten (vgl EuGH 18. 7. 2017, Erzberger, C‑566/15 , Rn 33; 10. 10. 2019, C‑703/17 , Krah, Rn 40 f).

[26] 3.4.5. Das Primärrecht der Union kann einem Arbeitnehmer jedoch nicht garantieren, dass ein Umzug in einen anderen Mitgliedstaat als seinen Herkunftsmitgliedstaat in sozialer Hinsicht neutral ist, da ein solcher Umzug aufgrund der Unterschiede, die zwischen den Systemen und Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestehen, für die betreffende Person je nach Einzelfall Vorteile oder Nachteile in diesem Bereich haben kann (EuGH 13. 3. 2019, C‑437/17 , EurothermenResort, Rn 37; 18. 7. 2017, Erzberger, C‑566/15 , Rn 34 mwN). Daher verschafft Art 45 AEUV einem Wanderarbeitnehmer nicht das Recht, sich im Aufnahmemitgliedstaat auf die Arbeitsbedingungen zu berufen, die ihm im Herkunftsmitgliedstaat nach den dortigen nationalen Rechtsvorschriften zustanden; es bleibt den Mitgliedstaaten mangels Harmonisierungs- oder Koordinierungsmaßnahmen auf Unionsebene in diesem Bereich grundsätzlich unbenommen, die Anknüpfungskriterien des Anwendungsbereichs ihrer Rechtsvorschriften zu bestimmen, sofern diese Kriterien objektiv und nicht diskriminierend sind (vgl EuGH 18. 7. 2017, Erzberger, C‑566/15 , Rn 35 f).

[27] 4.1. Betrachtet man die hier gegenständlichen Regelungen im Lichte der dargelegten Unionsrechtslage, so liegt evidentermaßen keine unmittelbare Diskriminierung vor, weil sie österreichische und (unions-)ausländische Arbeitnehmer unterschiedslos erfasst.

[28] 4.2. Eine mittelbare Diskriminierung dahin, dass ausländische Wanderarbeitnehmer von der Regelung stärker betroffen wären als Inländer, ist den Feststellungen zwar nicht zu entnehmen, liegt jedoch nahe, weil ausländische öffentlich Bedienstete, die österreichische Vertragsbedienstete werden, regelmäßig weniger Dienstzeiten bei inländischen Gebietskörperschaften zurückgelegt haben werden als die – zudem größere Anzahl an – inländischen öffentlich Bediensteten mit reiner „Inlandskarriere“ (vgl EuGH 30. 9. 2003, C‑224/01 , Köbler, Rn 73).

[29] 4.3. Jedenfalls ist aber im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Regelung, nach der für entgeltrelevante Ansprüche im öffentlichen Dienst wie die hier in Rede stehende Abfertigung andere Dienstzeiten als solche bei inländischen Gebietskörperschaften nicht berücksichtigt werden, geeignet, Arbeitnehmer eines Mitgliedstaats davon abzuhalten, ihre Freizügigkeit auszuüben, da bei ihrer Rückkehr in den öffentlichen Dienst ihres (Heimat‑)Mitgliedstaats ihre gleichartige Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat nicht honoriert würde (EuGH 30. 9. 2003, C‑224/01 , Köbler, Rn 74; vgl auch 5. 12. 2013, C‑514/12 , SALK, Rn 30).

[30] 4.4. Dem kann auch nicht die Überlegung entgegengehalten werden, wie sie Gegenstand des Verfahrens 8 ObA 19/19f = RS0131630 (T1) war (welchem wiederum EuGH 13. 3. 2019, C‑437/17 , EurothermenResort, Rn 40, zugrunde lag; vgl auch 27. 1. 2000, C‑190/98 , Graf, Rn 25): Dort wurde zu § 2 Abs 1 und § 3 Abs 2 Z 1 und Abs 3 UrlG dafür gehalten, dass diese Regelungen nicht geeignet sind, österreichische Arbeitnehmer, die beabsichtigen, ihren derzeitigen – privaten – Arbeitgeber zu verlassen, um zu einem Arbeitgeber eines anderen Mitgliedstaats zu wechseln, aber den Wunsch haben, anschließend in den Dienst ihres ersten Arbeitgebers zurückzukehren, hiervon abzuhalten; dies wurde damit begründet, dass sich solche Überlegungen auf eine Gesamtheit von Umständen stützen, die zu ungewiss und zu indirekt sind, als dass diese Regelungen die Arbeitnehmerfreizügigkeit beeinträchtigen könnten, womit ihnen das Unionsrecht nicht entgegensteht. Der Europäische Gerichtshof (13. 3. 2019, C‑437/17 , EurothermenResort, Rn 40) machte sich dabei das Argument des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in seinen Schlussanträgen vom 25. 7. 2018 (Rn 62) zu eigen, wonach der Stellungnahme der österreichischen Regierung folgend es eine übliche Praxis sei, dass ein Arbeitnehmer des öffentlichen Sektors zu seiner ursprünglichen Dienststelle zurückkehre, nachdem er zur Verwaltung eines anderen Mitgliedstaats abgeordnet oder freigestellt worden sei, um Berufserfahrung bei einem anderen öffentlichen oder privaten Arbeitgeber zu erwerben, während es hingegen im privaten Sektor weit weniger üblich sei, dass ein Arbeitnehmer, der seinen Arbeitgeber gewechselt habe, in sein erstes Unternehmen zurückkehre, um dort seine Karriere fortzusetzen. Die dort zur Bejahung der Unionsrechtskonformität des UrlG führende Überlegung, eine hypothetische Rückkehr hänge vom Zusammentreffen einer Reihe von Bedingungen ab, die der betreffende Arbeitnehmer nicht beeinflussen könne, wie der Verfügbarkeit einer Stelle bei seiner Rückkehr und der Entscheidung des Arbeitgebers, ihn statt eines Anderen einzustellen, sind daher für eine Lehrtätigkeit im öffentlichen Sektor nicht einschlägig; es hat dabei zu bleiben, dass eine entgeltrelevante Abfertigungsregelung wie hier geeignet ist, einen österreichischen Arbeitnehmer davon abzuhalten, seine Freizügigkeit auszuüben. Trotz Anrechnung der im Ausland zugebrachten Dienstzeiten für die Vorrückung bzw die eigentliche Entgelthöhe muss er nämlich dennoch damit rechnen, bei zwischenzeitiger Beschäftigung durch eine ausländische Gebietskörperschaft gegenüber einem bei einer inländischen Gebietskörperschaft verbleibenden Dienstnehmer bei im Übrigen parallelen und deckungsgleichen Karriereverläufen insofern benachteiligt zu werden, als zwar nicht die Bemessungsgrundlage des zumindest auch als Entgelt zu qualifizierenden Abfertigungsanspruchs, sondern dessen zweite Komponente, die Dienstzeit als Multiplikator (vgl 8 ObA 17/21i Rz 30 ff), geringer ausfallen kann, weil – wie hier – die geringeren anrechenbaren Dienstzeiten zu einer geringeren Abfertigung führen.

[31] 4.5. Zusammengefasst ist daher, wenn eine im Einklang mit unmittelbar anwendbarem Unionsrecht – wie hier Art 45 AEUV und Art 7 VO (EU) Nr 492/2011 mit dem darin niedergelegten Grundsatz der Gleichbehandlung – stehende Auslegung und Anwendung einer nationalen Regelung nicht möglich ist, diese unionsrechtswidrige nationale Regelung, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, nach dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts unangewendet zu lassen (RS0109951 [insb T3, T6, T7]; vgl VfGH G 17/2022, VfSlg 20.562/2022, Pkt 2.5.1;8 ObA 60/23s Rz 6).

[32] Die hier fragliche Regelung des § 84 Abs 5 VBG 1948 ist daher im Anwendungsbereich des Unionsrechtes dahin zu lesen, dass Dienstzeiten in Dienstverhältnissen zu einer [...] Gebietskörperschaft der Dauer des Dienstverhältnisses nach § 84 Abs 4 VBG 1948 zuzurechnen sind.

[33] 5. Von der Beklagten gegen diesen unionsrechtlich gebotenen Befund ins Treffen geführte Argumente sind nicht stichhältig.

[34] 5.1. Der Europäische Gerichtshof hat sich schon mehrmals mit der Honorierung der Betriebstreue als allfälliger Rechtfertigungsgrund einer Behinderung der Arbeitnehmerfreizügigkeit beschäftigt, dabei die Bindung der Arbeitnehmer an ihren Arbeitgeber als ein mögliches Ziel zur Rechtfertigung einer mit einer solchen Regelung verbundenen Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht von vornherein abgelehnt, in diesem Zusammenhang jedoch stets geprüft, ob es sich um eine „echte“ Treueprämie eines Arbeitgebers handelt oder die Honorierung der Treue allenfalls nur ein Nebenaspekt war. So hat der Europäische Gerichtshof „Treueprämien“, welche die Tätigkeit für eine „große Zahl von Arbeitgebern“ (EuGH 15. 1. 1998, C‑15/96 , Schöning-Kougebetopoulou, Rn 27), eine „Vielzahl rechtlich eigenständiger Arbeitgeber“ (30. 11. 2000, C‑195/98 , ÖGB, GÖD, Rn 49) bzw eine „Vielzahl potenzieller, dem Land Salzburg zuzurechnender Arbeitgeber“ (5. 12. 2013, C‑514/12 ,SALK, Rn 38 ff), oder „im Dienststand an österreichischen Universitäten (Hochschulen)“ (30. 9. 2003, C‑224/01 , Köbler,Rn 83 ff) berücksichtigen, nicht als geeigneten Rechtfertigungsgrund zur Verwirklichung des Zieles der Bindung an den Arbeitgeber angesehen. Eine „Treueprämie“, die die Tätigkeit für mehrere Arbeitgeber bzw „Dienststellen“, „Betriebe“, „Standorte“ oder gar – wie für den vorliegenden Fall schon das Berufungsgericht zutreffend erkannte – Tätigkeiten bei sämtlichen (tausenden!) Gebietskörperschaften des föderalistisch organisierten österreichischen Staatswesens berücksichtigt, ist somit nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofsnicht als „echte“ Treueprämie anzusehen; derartige Regelungen sind nicht geeignet, das Interesse eines Arbeitgebers, bestimmte Arbeitnehmer zu halten, konkret in Bezug auf eine bestimmte Dienststelle und die dort konkret ausgeübte Tätigkeit zu begründen (vgl zum Ganzen 9 ObA 40/20b mwN), was im Übrigen die Beklagte mit der nicht nachvollziehbaren Behauptung, § 84 Abs 5 VBG 1948 stelle auf den „quasi-eigenen Betrieb“ ab, nicht einmal ernsthaft versucht.

[35] 5.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gilt die Ausnahme in Art 45 Abs 4 AEUV (ex‑Art 39 Abs 4 EG‑V) nicht für Stellen als Lehrer oder Universitätsprofessor, die zwar dem Staat oder anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen zuzuordnen sind, jedoch keine Mitwirkung bei der Erfüllung von Aufgaben mit sich bringen, die zur öffentlichen Verwaltung im eigentlichen Sinne gehören (EuGH 10. 3. 2005, C‑178/04 , Marhold, Rn 22, mwH auf 30. 11. 2000, C‑195/98 , ÖGB, GÖD, Rn 36, und 30. 9. 2003, C‑224/01 , Köbler).

[36] Der Standpunkt der Beklagten, auf dem sie in ihrem Rechtsmittel beharrt, wonach Art 45 AEUV nach dessen Abs 4 auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, ist daher verfehlt.

[37] 5.3. Ebenfalls verfehlt ist die Bezugnahme auf die „Reparatur verfassungswidriger Bestimmungen“ durch den Verfassungsgerichtshof. In unionsrechtskonformer Betrachtung im oben dargelegten Lichte von Art 45 AEUV und Art 7 VO (EU) Nr 492/2011 ist nicht das unionsrechtliche Gebot ableitbar, die vom nationalen Gesetzgeber vorgesehene Zurechnung von Zeiten für die Abfertigung gänzlich zu streichen, anstatt – wie hier rechtsrichtig – die unionsrechtswidrige Beschränkung auf nur innerstaatlich verwirklichte Sachverhalte unangewendet zu lassen.

[38] 5.4. Die als argumentum ad absurdum verbrämte – Polemik der Beklagten gegen dieses Auslegungsergebnis – damit könnten „Freizeit und Müßiggang ('Privatier'-Sein)“, ehrenamtliche Tätigkeiten in NGOs, Hilfsvereinen oder sonstigen Einrichtungen oder der Umstand, sich „in der Ehe oder sonstigen Partnerschaft besonders hilfsbereit verhalten und auch sonst Mitmenschen gegenüber karitativ gehandelt ... (älteren und/oder gehbehinderten Menschen die Straße zu überqueren geholfen sowie in öffentlichen Verkehrsmitteln den eigenen Sitzplatz zum Ausruhen angeboten ...)“ zu haben, als Vordienstzeiten zu einem Anspruch auf erhöhte Abfertigung führen – entzieht sich sachlicher Erwiderung.

[39] 5.5. Soweit die Beklagte – unter dem Rekursgrund eines Mangels des berufungsgerichtlichen Verfahrens – ins Treffen führt, das Berufungsgericht wäre gehalten gewesen, ein Vorabentscheidungsverfahren nach § 267 AEUV einzuleiten, genügt der Hinweis auf die dargelegte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Der Senat teilt die erkennbare Auffassung des Berufungsgerichts, wonach die Rechtslage durch jene Rechtsprechung im Grundsatz so weit geklärt ist, dass ihre Anwendung auf den konkreten Einzelfall keiner weiteren Befassung des Europäischen Gerichtshofs bedarf.

[40] 6. Auch sonstige, iminnerstaatlichen Recht gründende Argumente der Beklagten gegen die mögliche Zurechnung überzeugen nicht.

[41] 6.1. Der Hinweis auf § 84 Abs 2 VBG 1948 verfängt nicht, weil das abfertigungsbegründende Dienstverhältnis, auf das sich diese Bestimmung bezieht, das zur Beklagten und nicht das hier in Frage stehende Dienstverhältnis in Spanien ist, dessen Zeiten Ersterem nur zuzurechnen sind; das Argument, Letzteres sei befristet gewesen, geht daher ins Leere. Zudem hat das Erstgericht zu Befristung und Beendigung zufolge Zeitablaufs dieses Dienstverhältnisses eine Negativfeststellung getroffen.

[42] 6.2. Dem Hinweis auf § 84 Abs 5 VBG 1948, wonach die Anrechnung ausgeschlossen sei, ist zu entgegnen, dass die Ausschlussbestimmungen (und die Gegenausnahme im letzten Satz) nach ihrem klaren Wortlaut auf Beendigungsgründe abstellen, die einen Abfertigungsanspruch zum Erlöschen brachten oder bei denen ein solcher Anspruch auf anderem Wege befriedigt wurde; sie beziehen sich aber nicht auf solche Beendigungsgründe, bei denen für sich genommen schon von vornherein kein Abfertigungsanspruch entstanden wäre, wie ein – hier zudem nicht feststehendes (oben Pkt 6.1) – befristetes Dienstverhältnis im Sinne des § 84 Abs 2 VBG 1948.

[43] 7.1. Zweck des Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof; ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht richtig, kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob die vom Berufungsgericht auf deren Grundlage aufgetragene Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (RS0042179 [insb T14, T17–T20, T22, T23]).

[44] Der Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht kann sich auch auf eine Frage des Verfahrensrechts beziehen (1 Ob 39/15i); in einem zulässigen Rekurs kann ansonsten nur ein Mangel des Berufungsverfahrens selbst, insbesondere ein Verstoß gegen die Selbstergänzungspflicht oder eine dem Berufungsgericht selbst unterlaufene Aktenwidrigkeit geltend gemacht werden (vgl Musger in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 519 ZPO [2019] Rz 89 mwN).

[45] Ein vom Gericht zweiter Instanz verneinter angeblicher Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens kann jedoch nach ständiger Rechtsprechung nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (vgl RS0042963; RS0106371); haben zwei Instanzen eine bestimmte Verfahrensfrage übereinstimmend gelöst, kann der behauptete Verfahrensverstoß in dritter Instanz auch bei unterschiedlichen Parteirollen im Rechtsmittelverfahren (vgl die Rügepflicht des Berufungsgegners nach § 468 Abs 2 ZPO) nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (vgl 7 Ob 141/09z; RS0042963 [T26], insb 9 ObA 58/87; RS0042963 [T49], insb 1 Ob 123/01x und 6 Ob 129/10d; vgl auch 2 Ob 286/05f; 2 Ob 150/06g; RS0043111 [T3]). Diese Unanfechtbarkeit der Verneinung eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels besteht – mangels erkennbaren Grundes für eine unterschiedliche Behandlung gegenüber einer Sachentscheidung des Berufungsgerichts – auch bei einem Aufhebungsbeschluss wie hier (vgl 1 Ob 199/22d Rz 211; 4 Ob 544/90 = RS0042963 [T32]).

[46] 7.2. Zum bereits in der Berufungsbeantwortung der Beklagten relevierten und von ihrem Rekurs neuerlich als Verfahrensmangel ins Treffen geführten Umstand, wonach die Klägerin zur Frage, zu welcher Rechtsperson ihr Dienstverhältnis in Spanien bestanden hätte, trotz konkreten Bestreitungsvorbringens der Beklagten in erster Instanz kein ausreichendes Vorbringen erstattet habe, hat bereits das Berufungsgericht Stellung genommen. Es wies darauf hin, dass die Klägerin zwar das Bestehen eines Dienstverhältnisses mit der Beklagten und eine Entsendung durch siebehauptet hatte (was die Klägerin im Rekursverfahren offensichtlich nicht mehr aufrecht erhält); sollte dies nicht zutreffen, so habe die Klägerin behauptet, mit dem spanischen Staat als Träger der Universität von Santiago de Compostela, der staatlichen Verwaltung, einer spanischen Gebietskörperschaft, kontrahiert zu haben, was als ausreichendes Vorbringen anzusehen sei. Diese Erledigung der von der Beklagten in ihrer Berufungsbeantwortung erstatteten Rüge eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels ist wie oben dargelegt in dritter Instanz nicht mehr relevierbar.

[47] 7.3. Was die Beklagte mit dem Hinweis erreichen will, die Beurteilung des Vorliegens eines Dienstverhältnisses mit einer ausländischen Gebietskörperschaft sei Tat-, und nicht – wie vom Berufungsgericht zumindest auch angenommen – Rechtsfrage, ist nicht nachvollziehbar. Zwar ist der Oberste Gerichtshof etwa zu 9 ObA 19/09y zu einer vergleichbaren Konstellation vom Vorliegen von Tatsachenfragen ausgegangen, jedoch ist es der Prüfung durch den Obersten Gerichtshof, der bekanntlich nicht Tatsacheninstanz ist, gerade entzogen, wenn das Berufungsgericht der Ansicht ist, dass ein Sachverhalt auf Grundlage einer – wie hier – richtig gesehenen Rechtslage in der von ihm dargelegten Richtung noch nicht genügend geklärt ist (RS0042179).

[48] 7.4. Das als Verfahrensmangel relevierte Unterbleiben der Anrufung des Europäischen Gerichtshofs wurde oben (Pkt 5.5) bereits erörtert.

[49] 8.1. Zusammengefasst sind Dienstzeiten in Dienstverhältnissen zu einer Gebietskörperschaft – bei Dienstzeiten innerhalb des Unionsgebiets ohne Beschränkung dahin, dass es sich dabei um eine inländische handeln müsse – der Dauer des Dienstverhältnisses nach § 84 Abs 4 VBG 1948 zuzurechnen. Der Ansicht des Berufungsgerichts, dass es klärungsbedürftig sei, ob das Dienstverhältnis der Klägerin bei der Universität von Santiago de Compostela mit einer Gebietskörperschaft bestanden hätte, hat der Oberste Gerichtshof nicht entgegenzutreten. Dasselbe gilt für die vom Berufungsgericht als notwendig erachtete Ergänzung der Feststellungen zur Höhe des Abfertigungsanspruchs.

[50] Dem Rekurs der Beklagten war daher nicht Folge zu geben.

[51] 8.2. Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 Abs 1 letzter Satz ZPO in Verbindung mit § 2 Abs 1 ASGG.

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