OGH 7Ob104/07f

OGH7Ob104/07f20.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Radmilla S*****, vertreten durch Putz-Haas & Riehs-Hilbert Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach Milenko S*****, vertreten durch Mag. Andreas Jakaubi, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme des Scheidungsverfahrens 3 C 161/04x des Bezirksgerichtes Leopoldstadt, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Jänner 2007, GZ 42 R 679/06y-23, womit das Urteil (richtig: der Beschluss) des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 13. September 2006, GZ 3 C 22/06h-14, infolge Berufung (richtig: Rekurses) der klagenden Partei abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die (Wiederaufnahme-)Klägerin und der am 19. 12. 2005 verstorbene Milenko S***** waren verheiratet. Ihre am 21. 9. 1989 vor dem Standesamt in Brodac (Serbien) geschlossene Ehe wurde im wiederaufzunehmenden Verfahren des Erstgerichtes mit Urteil vom 4. 4. 2005, 3 Cg 161/04x-16, ohne Verschuldensausspruch, rechtskräftig seit 7. 5. 2005, geschieden. In diesem Verfahren wurde die Klägerin - als dortige Beklagte mit unbekanntem Aufenthalt - durch eine Prozesskuratorin vertreten.

Mit der am 24. 2. 2006 gegen die Verlassenschaft nach dem Verstorbenen eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Wiederaufnahme des Ehescheidungsverfahrens, die Aufhebung des Scheidungsurteils und die Zurückweisung der Scheidungsklage im wiederaufgenommenen Verfahren; hilfsweise beantragt sie, das Urteil im wiederaufgenommenen Verfahren dahin abzuändern, dass sie keinerlei Verhalten gesetzt habe, das einen nachehelichen Unterhalt ausschließen würde und ihr nachehelichen Unterhalt gemäß Art 288 letzter Abs des serbischen Gesetzes über die Ehe- und Familienbeziehungen zuzusprechen. Im Scheidungsverfahren habe ihr Mann wahrheitswidrig angegeben, ihren Aufenthaltsort nicht zu kennen, obwohl er regelmäßig - zumindest einmal im Monat - mit ihr telefoniert und „zu jeder Zeit" über ihren genauen Aufenthaltsort Bescheid gewusst habe.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der Wiederaufnahmsklage. Eine solche sei nach dem Tod des Ehepartners nicht mehr zulässig. Außerdem sei dem mittlerweile Verstorbenen tatsächlich nicht bekannt gewesen, wo sich die Klägerin aufgehalten habe, nachdem sie ihn im Sommer 2004 verlassen habe. Mit Urteil vom 13. 9. 2006 wies das Erstgericht die Klage nach mündlicher Verhandlung zurück. Nach dem Tod des anderen Ehegatten sei eine derartige Klageführung im Ehescheidungsverfahren im Hinblick auf § 460 Z 8 ZPO unzulässig. Die Wiederaufnahmsklage sei aber auch „inhaltlich nicht berechtigt", weil der mittlerweile verstorbene (Ehescheidungs-)Kläger die Kuratorenbestellung nicht erschlichen, sondern tatsächlich nicht gewusst habe, wo sich seine Frau aufgehalten habe.

Die dagegen erhobene Berufung richtete sich (auch) gegen die „unrichtige rechtliche Beurteilung", wonach die Wiederaufnahmsklage mangels Erschleichung der Kuratorenbestellung im Ehescheidungsverfahren „inhaltlich nicht berechtigt" sei, enthielt aber keine (ausdrückliche) Rechtsrüge. Die Klägerin machte in ihrem Rechtsmittel lediglich die Berufungsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung geltend und wendete sich dabei ausschließlich gegen die Feststellung, ihr Mann habe ihren Aufenthaltsort tatsächlich nicht gewusst.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung, die es als Rekurs behandelte, Folge, hob das angefochtene „Urteil" in seinem Ausspruch über die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage auf, trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung „unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund" auf und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen diesen Beschluss zulässig sei.

Die Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit hätte in Beschlussform ergehen müssen. Daher sei das als „Berufung" bezeichnete Rechtsmittel als Rekurs zu behandeln und darüber ebenfalls mit Beschluss zu entscheiden. Das sei deshalb von Bedeutung, weil die Klägerin keine Rechtsrüge erhoben habe und auf die Rechtsansicht, die Wiederaufnahmsklage sei wegen des Todes des (geschiedenen) Ehemannes unzulässig, überhaupt nicht eingegangen sei. Da die Wiederaufnahmsklage jedoch primär wegen dieser Unzulässigkeit infolge des mittlerweile eingetretenen Todes ihres Ehemannes zurückgewiesen worden sei und nicht wegen der bekämpften Feststellungen, wäre dem Rechtsmittel der Wiederaufnahmsklägerin, würde man es als Berufung behandeln, schon mangels Bekämpfung des Zurückweisungsgrundes ein Erfolg zu versagen. Da das Rechtsmittel aber als Rekurs zu behandeln sei, müsse die angefochtene Entscheidung auch ohne Anführung von Rekursgründen rechtlich in jede Richtung überprüft und darauf eingegangen werden, ob die Wiederaufnahmsklage wegen des Todes eines Ehegatten unzulässig sei.

Nach ständiger Rechtsprechung könne eine im Vorprozess erschlichene Kuratorenbestellung - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - nicht nur Gegenstand einer Nichtigkeits-, sondern auch Anlass für eine Wiederaufnahmsklage sein. Da eine „schuldlos lediglich durch einen Prozesskurator vertretene Partei" dadurch ihre Einwendungen gegen die Scheidungsklage, „welche nach ihrem Vorbringen eine für sie günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeigeführt hätten", nicht habe geltend machen können, liege ein Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO vor.

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung werde eine Wiederaufnahmsklage in Ehesachen aber nur so lange als zulässig angesehen, als beide Ehegatten noch leben. Dies werde im Wesentlichen damit begründet, dass die Bestimmung des § 460 Z 8 ZPO (wonach ein Rechtsstreit in Ehesachen bei Tod eines Ehegatten vor Rechtskraft des Urteils in Ansehung der Hauptsache als erledigt anzusehen sei und nur mehr wegen der Verfahrenskosten fortgesetzt werden könne) auf den Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmeprozess sinngemäß anzuwenden sei. Das angestrebte Ziel, den Ehestreit wieder aufzurollen, könne mit der Wiederaufnahmsklage nämlich nicht erreicht werden.

Der wiedergegebenen Rechtsansicht sei in dieser Allgemeinheit allerdings nicht zu folgen. § 460 Z 8 ZPO habe seine „Ursache" nämlich vor allem darin, dass der klageweise geltend gemachte, aber noch nicht (rechtskräftig) zuerkannte Anspruch auf Auflösung der Ehe durch den zuvorgekommenen Tod eines Ehegatten weggefallen sei. Während der Wegfall des Klagsanspruches, etwa infolge Zahlung des eingeklagten Betrags, ansonsten die Verpflichtung auslöse, das Verfahren auf Kosten einzuschränken, bestehe die Besonderheit im Verfahren auf Auflösung der Ehe vor allem darin, dass bei Wegfall des eingeklagten Scheidungsanspruchs infolge des zuvor eingetretenen Todes eines Ehegatten § 460 Z 8 ZPO diese Einschränkung der Klage auf Kosten bereits ex lege anordne.

Unter diesem Gesichtspunkt würde im umgekehrten Fall (wenn die durch Rechtskraft des Urteils eingetretene Auflösung der Ehe vor dem Tod eines Ehegatten eingetreten sei) die Aufhebung dieses Urteils im Wege einer Rechtsmittelklage zwar gerade zu einer Fallkonstellation nach § 460 Z 8 ZPO führen; doch ergebe sich dadurch insofern ein wesentlicher Unterschied, als die Ehe dann bei Anwendung der genannten Bestimmung nicht durch Scheidung, sondern durch den nun doch zuvorgekommen Tod eines Ehegatten aufgelöst würde, im Übrigen aber die Folgen des § 460 Z 8 ZPO eintreten würden. Nicht die gänzliche „Aufrollung" des Ehestreits, sondern lediglich diese Verschiebung des Zeitpunktes der Auflösung der Ehe und damit auch die Art dieser Auflösung in konsequenter Anwendung des § 460 Z 8 ZPO erst nach Wiederaufnahme sei jedoch häufig das Ziel, das vom überlebenden Ehegatten angestrebt werde. Warum dieses (für ihn unter Umständen mit beträchtlichen Pensions- und erbrechtlichen Konsequenzen verbundene) Ziel nicht erreichbar und daher „unzulässig" sein sollte, sei nicht ersichtlich; schon gar nicht, wenn der verstorbene Ehegatte das Scheidungsurteil tatsächlich erschlichen haben sollte.

Da somit die Wiederaufnahmsklage, soweit damit die bloße Beseitigung der Scheidung dem Bande nach begehrt werde, entgegen der Ansicht des Erstgerichtes wegen des Todes von Milenko S***** für sich allein noch nicht als unzulässig anzusehen sei, bestehe die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens, welche die Wiederaufnahmsklägerin darin erblicke, dass das Erstgericht die von ihr zum Beweis für das Vorliegen des geltend gemachten Wiederaufnahmsgrundes namhaft gemachten Zeugen nicht vernommen habe, zu Recht. Das angefochtene Urteil sei daher in Stattgebung des als Rekurs zu behandelnden Rechtsmittels der Wiederaufnahmsklägerin aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Unzulässigkeit einer nach dem Tod des anderen Ehegatten erhobenen Wiederaufnahmsklage im Ehescheidungsverfahren im Hinblick auf § 460 Z 8 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0041697; 10 ObS 73/05s; E. Kodek in Rechberger³ § 530 ZPO Rz 5; Fasching Lehrbuch² Rz 2052 [am Ende] und Jelinek in Fasching/Konecny² IV/1 § 530 ZPO Rz 37 jeweils mwN) abgewichen sei.

In ihrem dagegen erhobenen Revisionsrekurs beantragt die beklagte Partei die Abänderung dahin, der „als Rekurs gegen einen Beschluss zu wertenden" Berufung gegen das Ersturteil nicht Folge zu geben; hilfsweise wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Die Klägerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist (absolut) unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss des Berufungsgerichtes der Rekurs nur zulässig, soweit das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat (vgl zur amtswegigen Wahrnehmung der Nichtigkeit infolge Fehlens der Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Wiederaufnahmsklage auch noch im Berufungsverfahren: RIS-Justiz RS0044681; 1 Ob 251/04z mwN). Eine Verwerfung der Berufung, soweit sie Nichtigkeit wegen eines Prozesshindernisses geltend macht, ist daher nicht anfechtbar. Der Oberste Gerichtshof hat in zahlreichen - auch von der Lehre gebilligten - Entscheidungen ausgesprochen, dass der Revisionsrekurs gegen die Bejahung einer Prozessvoraussetzung durch das Rekursgericht in Analogie zu den Anfechtungsbeschränkungen des § 519 ZPO absolut unzulässig sei. Die Vorschriften über die Anfechtbarkeit von Beschlüssen des Berufungsgerichtes müssten auch in jenen Fällen herangezogen werden, in denen über ein Rechtsschutzbegehren, das auf abschließende Erledigung des Verfahrens durch Zurückweisung der Klage gerichtet ist, nicht von einem Berufungsgericht, sondern einem Rekursgericht abweisend entschieden wird (RIS-Justiz RS0043405 [T32, T34, T36, T38, T39, T41, T42, T44]). Es wäre ein unüberbrückbarer Wertungswiderspruch, wenn zwar die Verwerfung einer Nichtigkeitsberufung aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht angefochten werden könnte (RIS-Justiz RS0043405), ein inhaltsgleiches Rechtsschutzbegehren im Rekursverfahren aber einer Überprüfung in dritter Instanz zugänglich wäre (RIS-Justiz RS0054895 und Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 503 ZPO Rz 75 mit Entscheidungsnachweisen nahezu aller Zivilsenate des Obersten Gerichtshofes, wobei Zechner [aaO] auch noch ausführt, dass früher die gleiche Rechtslage im Außerstreitverfahren bestand [RIS-Justiz RS0107248; zuletzt: 1 Ob 204/03m = SZ 2004/117] und einer Berufung auf § 519 Abs 1 ZPO als „Analogiegrundlage" erst durch das seit 1. 1. 2005 geltende neue AußStrG der Boden entzogen wurde]; aA E. Kodek in Rechberger³ § 528 ZPO Rz 7 und - diesem folgend - Nunner-Krautgasser,

Zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses: keine analoge Anwendung der Anfechtungsbeschränkungen des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO im Rekursverfahren, Zak 2007/259, 146 ff).

Auch von einzelnen Senaten des Obersten Gerichtshofes sind in letzter Zeit allerdings Bedenken gegen die analoge Anwendung der Anfechtungsbeschränkungen des § 519 ZPO im Rekursverfahren geäußert worden (6 Ob 276/06s; 4 Ob 218/06x; 4 Ob 12/06b = EvBl 2006/127; [vgl auch den Beschluss 5 Ob 4/07k, der die Bedenken - ohne weitere inhaltliche Auseinandersetzung - als beachtlich bezeichnet, gleichzeitig aber auch die eben dargestellten Grundsätze wiedergibt, denen „zuletzt etwa" 10 Ob 102/05f; 10 ObS 116/06s und 7 Ob 189/06d gefolgt seien]).

Dazu ist näher auszuführen, dass der 4. Senat, soweit er Bedenken gegen die zitierte Rechtsprechung äußerte (ohne eine abweichende Entscheidung zur absoluten Unzulässigkeit zu treffen), in diesem Zusammenhang vorweg Folgendes festgehalten hat (Beschluss vom 21. 11. 2006, 4 Ob 218/06x = RIS-Justiz RS0054895 [T11]):

„Nach der wohl herrschenden Rechtsprechung ist der Revisionsrekurs gegen die Bejahung einer Prozessvoraussetzung durch das Rekursgericht absolut unzulässig (RIS-Justiz RS0054895; zuletzt etwa 10 ObS 116/06s und 7 Ob 189/06d; Zechner in Fasching/Konecny², § 503 ZPO Rz 75; E. Kodek in Rechberger², § 528 ZPO Rz 1 [am Ende]). Begründet wird das mit einer Analogie zu den Anfechtungsbeschränkungen des § 519 ZPO". Schon in dem einen Monat später gefassten Beschluss des Obersten Gerichtshofes, der eine analoge Anwendung der genannten Anfechtungsbeschränkungen ausdrücklich ablehnt (6 Ob 276/06s vom 21. 12. 2006 [zust Nunner-Krautgasser, aaO), vertritt der 6. Senat hingegen den Standpunkt, es habe sich (angesichts mehrerer Entscheidungen aus den Vorjahren, in denen der Oberste Gerichtshof - ohne ausdrückliches Eingehen auf diese Frage - eine solche analoge Anwendung nicht in Erwägung gezogen habe) bereits eine jüngere Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines Revisionsrekurses gegen abändernde, die Einrede der mangelnden Inländischen Gerichtsbarkeit verwerfende Entscheidungen des Rekursgerichtes ausgebildet (vgl jedoch 6 Ob 34/06b, wo - mit Hinweis auf eine „jüngst" ergangene weitere Entscheidung des 6. Senates - die eingangs wiedergegebene Beurteilung ebenfalls noch als ständige Rechtsprechung bezeichnet wird).

Der 6. Senat hat sich also nunmehr ausdrücklich den Bedenken des 4. Senates (laut 4 Ob 12/06b und 4 Ob 218/06x) und den auf denselben Überlegungen beruhenden (den früheren Standpunkt nicht aufrecht erhaltenden) Ausführungen von E. Kodek (in Rechberger³ § 528 ZPO Rz 7) angeschlossen und dazu ausgeführt, Hauptargument gegen eine analoge Anwendung der für Entscheidungen über Nichtigkeitsberufungen anzuwendenden Anfechtungsbeschränkungen auf abändernde Entscheidungen des Rekursgerichts über Prozesseinreden sei die Unvergleichbarkeit der jeweiligen Situation: Während das Berufungsgericht bei Verwerfung der Nichtigkeitsberufung die angefochtene Entscheidung im Ergebnis billige, liege im anderen Fall eine abändernde Entscheidung des Rekursgerichts vor, die nach den Wertungen des § 528 ZPO vom Rechtsmittelausschluss nicht erfasst sein dürfte:

„Hat das Rekursgericht in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung die Prozesseinrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit verworfen und liegt kein anderer die Zulässigkeit ausschließender Grund des § 528 ZPO vor, kann der Oberste Gerichtshof zur Überprüfung der rekursgerichtlichen Entscheidung mit Revisionsrekurs angerufen werden. In einem solchen Fall kommt mangels vergleichbarer Ausgangssituation eine analoge Anwendung der Anfechtungsbeschränkungen des § 519 ZPO nicht in Betracht." (6 Ob 276/06s = EvBl 2007/62 = RIS-Justiz RS0054895 [T13]; RS0121604). In gleicher Weise argumentiert jüngst auch Nunner-Krautgasser (aaO, Zak 2007/259, 146 ff), wenn sie die Auffassung vertritt, an der erwähnten Analogie sei schon im streitigen Verfahren nicht festzuhalten, weil sie mit einer „auf den Gehalt der Entscheidung in zweiter Instanz bzw des entsprechenden Rechtsschutzbegehrens konzentrierten Sichtweise" verbunden sei. Dabei räumt sie zwar ausdrücklich ein, es sei zuzugeben, dass ein Rekursgericht das Vorliegen eines Prozesshindernisses ebenso verneine wie ein Berufungsgericht, das eine Nichtigkeitsberufung verwerfe; außerdem bestehe „fraglos" die Übereinstimmung, dass das Rechtsschutzbegehren in beiden Fällen auf abschließende Erledigung des Verfahrens durch Klagszurückweisung abziele. Diese „beiden Prozesslagen gemeinsamen Gesichtspunkte" reichten aber - aus den bereits dargestellten Erwägungen (hier: eine abändernde - dort: eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes) - nicht aus, um eine „solide Analogiebasis" zu schaffen.

Ob bereits eine jüngere Rechtsprechung zur Zulässigkeit solcher Revisionsrekurse gegen die Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit durch ein Rekursgericht vorliegt, oder ob sich nur in jüngerer Zeit - wie es Nunner-Krautgasser (aaO ZAK 2007/259, 146) ausdrückt - eine Judikaturlinie anderer Senate „verdichtet" hat, muss hier aber nicht weiter geprüft werden. Was die im vorliegenden Fall maßgebende Zulässigkeit der Anfechtbarkeit von Beschlüssen des Rekursgerichtes betrifft, womit dem Erstgericht - in Abänderung der Zurückweisung einer Wiederaufnahmsklage - die Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen wird, kann von einer derartigen Judikaturänderung nämlich jedenfalls nicht ausgegangen werden; sind doch in dieser Frage folgende Grundsätze der aktuellen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu beachten:

Mit der Anfechtbarkeit derartiger Beschlüsse des Rekursgerichtes hat sich der Senat in den letzten Jahren mehrfach befasst (RIS-Justiz RS0044652 [T5 und T6]; RS0054895 [T14] = RS0043796 [T2]) und dazu auch zuletzt (in der Entscheidung vom 20. 12. 2006, 7 Ob 281/06h) - der zitierten ständigen Rechtsprechung zur Unüberprüfbarkeit vom Rekursgericht bejahter Prozessvoraussetzungen folgend - ausgesprochen, dass solche Entscheidungen in analoger Anwendung des § 519 ZPO nicht mehr bekämpfbar sind (RIS-Justiz RS0121652):

An dem früheren, die Zulässigkeit derartiger Revisionsrekurse bejahenden Rechtssatz RIS-Justiz RS0044652 könne, wie bereits in der Entscheidungen 7 Ob 99/05t ausgeführt werde, im Hinblick auf die seit dem Jahre 1995 in ständiger Rechtsprechung vertretenen, in den Rechtssatz RIS-Justiz RS0054895 mündenden Erwägungen nicht festgehalten werden. Die gegenteilige Meinung sei seit 1995 nur in den Entscheidungen 9 ObA 125/99v und 6 Ob 245/00y jeweils obiter (das Erstgericht habe die Wiederaufnahmsklage dort jeweils bereits im Vorprüfungsverfahren gemäß § 538 ZPO zurückgewiesen) wiedergegeben worden und lasse sich nicht weiter vertreten (7 Ob 281/06h).

§ 543 ZPO schafft im vorliegenden Sonderfall die gesetzliche Grundlage dafür, dass das Fehlen der Zulässigkeitsvoraussetzungen für Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklagen - so wie das Fehlen der Prozessvoraussetzungen - in jeder Lage des Verfahrens (nicht nur im Vorprüfungsverfahren gemäß § 538 ZPO) von Amts wegen (als Nichtigkeit auch aus Anlass der Berufung [stRsp; RIS-Justiz RS0044681]) wahrzunehmen ist (Jelinek in Fasching/Konecny² IV/1 § 543 ZPO Rz 1 f). Auch wenn - wie hier - eine mündliche Verhandlung abgehalten wurde, hätte somit eine gegen den bereits verstorbenen Beklagten erhobene und daher nach Meinung des Erstgerichts unzulässige Wiederaufnahmsklage nicht mit Urteil ab-, sondern mit Beschluss zurückgewiesen werden müssen (§§ 538 und 543 ZPO; RIS-Justiz RS0041697; 10 ObS 73/05s; E. Kodek in Rechberger³ § 530 ZPO Rz 5, Fasching Lehrbuch² Rz 2052 [am Ende] und Jelinek in Fasching/Konecny² IV/1 § 530 ZPO Rz 37 f jeweils mwN); demnach konnte die Entscheidung erster Instanz nicht mit Berufung, sondern nur mit Rekurs angefochten werden (1 Ob 251/04z; 7 Ob 99/05t; 2 Ob 8/06z und 7 Ob 281/06h jeweils mwN).

Wenn bei Fehlen eines Zulässigkeitsgrundes (wozu hier - anders als bei sonstigen Klagen - vor allem auch die aktive und passive Klagslegitimation gehört [Jelinek aaO § 538 ZPO Rz 13]) trotzdem immer nur in der Entscheidungsform des Beschlusses über die Wiederaufnahmsklage abgesprochen werden darf, so macht dies aber auch deutlich, dass - jedenfalls insoweit - an der bisherigen Rechtsprechung zur analogen Anwendbarkeit des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO im Rekursverfahren festzuhalten ist:

In diesem Sonderfall liegt nämlich eine völlig vergleichbare Ausgangssituation vor, wenn das Gericht zweiter Instanz (aufgrund der als Rekurs zu behandelnden Berufung) eine Nichtigkeit verneint und dabei (ausnahmsweise) nicht als Berufungs-, sondern als Rekursgericht abweisend über ein Rechtsschutzbegehren der Beklagten entscheidet, das auf abschließende Erledigung des Verfahrens durch Zurückweisung der Klage gerichtet ist. Von dem auch im Revisionsrekursverfahren (wie im Revisionsverfahren) geltenden Grundsatz, dass eine vom Rekursgericht verneinte Nichtigkeit nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann (E. Kodek in Rechberger³ § 528 ZPO Rz 6 mwN), ist somit nicht abzuweichen.

Es ist daher nicht einzusehen, dass von der bisherigen, auf den Gehalt der Entscheidung in zweiter Instanz und auf das entsprechende Rechtsschutzbegehren abstellenden Sichtweise, aus der die analoge Anwendbarkeit des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO im Rekursverfahren abzuleiten ist, (nur) deshalb abgegangen werden müsste, weil hier keine bestätigende - und daher (schon) nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 42 Abs 3 JN unanfechtbare (vgl Ballon in Fasching/Konecny² § 42 JN Rz 21 ff [zu der dem Revisionsgericht nach stRsp verwehrten Wahrnehmung aller von den Vorinstanzen bereits bindend verneinter Prozessvoraussetzungsmängel) -, sondern eine abändernde Entscheidung des Rekursgerichtes vorliegt; eine Anwendung der letztgenannten Rechtsmittelbeschränkung für Konformatentscheidungen kommt nämlich schon von vornherein nicht in Betracht, wenn - wie hier - die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen nur durch die erste Instanz zurückgewiesen wurde (vgl 2 Ob 8/06z).

Nach ständiger von der Lehre gebilligter Rechtsprechung wird die analoge Anwendung des § 519 Abs 1 ZPO im Rekursverfahren aber ohnehin nicht nur im eingangs dargestellten, sondern auch im umgekehrten Fall, also dann, wenn ein Rekursgericht erstmals einen Nichtigkeitsgrund aufgegriffen und eine Klage unter Nichtigerklärung des Verfahrens zurückgewiesen hat, bejaht; dass derartige Entscheidungen mit „Vollrekurs" bekämpfbar sind (Zechner in Fasching/Konecny² § 519 ZPO Rz 22; E. Kodek in Rechberger³ § 519 Rz 3 und § 528 Rz 9 f; RIS-Justiz RS0043861 [T4]; RS0043774; RS0108678 [T1]; RS0116348; jüngst: 10 Ob 66/06p; vgl auch RS0120974 und Zechner aaO § 519 ZPO Rz 23 [zur Änderung auch dieser Rechtslage durch das seit 1. 1. 2005 geltende neue AußStrG]), gilt nämlich ganz allgemein für die Anfechtbarkeit von Beschlüssen des Rekursgerichtes, die auf die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes nach einem materiellen Rechtsschutzbegehren hinauslaufen: Entschied das Rekursgericht funktionell wie ein Berufungsgericht und nahm es aus Anlass des Rekurses gegen die Sachentscheidung einen - nach seiner Überzeugung verwirklichten - Grund für die (erstmalige) formelle Zurückweisung des Rechtsschutzbegehrens wahr, so besteht eine dem normativen Gehalt des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO „analoge Verfahrenslage" (Zechner aaO § 519 ZPO Rz 21 mit Hinweis auf EvBl 1997/140). Eine solche ist auch in der vorliegenden, in einem Wiederaufnahmeverfahren getroffenen Entscheidung des Rekursgerichtes zu erblicken. Die im Revisionsrekurs bekämpfte Ansicht, das Erstgericht habe über die Wiederaufnahmsklage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden, kann somit vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden; stellt sie doch die Verneinung einer Nichtigkeit durch das Gericht zweiter Instanz dar, die zufolge der - jedenfalls in diesem Zusammenhang weiterhin gebotenen - analogen Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO in dritter Instanz nicht mehr geltend zu machen ist (RIS-Justiz RS0121652 = 7 Ob 281/06h mwN).

Der absolut unzulässige Revisionsrekurs der Beklagten ist daher zurückzuweisen. Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass der Beklagten ohnedies allenfalls die (neuerliche) Bekämpfung der vom Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zu fällenden Sachentscheidung offensteht, sodass die hier vertretene Auffassung auch nicht zu einer Rechtsschutzlücke führt.

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