OGH 7Ob99/05t

OGH7Ob99/05t25.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U*****versicherung AG, *****, vertreten durch Wolf Theiss & Partner Rechtsanwälte (OEG) in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Josef Purtscheller, Dr. Markus Orgler und Mag. Norbert Huber, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 59 Cg 24/02h des Landesgerichtes Innsbruck (Streitwert: EUR 500.000 sA), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 22. März 2005, GZ 4 R 60/05p-12, womit der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 13. Jänner 2005, GZ 59 Cg 141/04t-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im wiederaufzunehmenden Verfahren 59 Cg 24/02h des Landesgerichts Innsbruck begehrte die Beklagte, der Klägerin gegenüber festzustellen, dass sie der Beklagten für jeden zukünftigen Schaden hafte, der dieser aus der nicht fristgerechten Erbringung eines Betrages von S 144,166.580 für den Zeitraum vom 29. 10. 2001 bis 20. 12. 2001 als Versicherungsleistung durch die Klägerin aufgrund des (im Urteilsantrag näher bezeichneten) Brandgeschehens aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen „Feuer-, Sach- und Feuerbetriebsunterbrechungsversicherungsvertrag", Polizzen Nr *****, entstehen werde. In diesem Verfahren, dessen Wiederaufnahme die Klägerin verlangt, haben das Erst- und das Berufungsgericht dem Klagebegehren stattgegeben. Die dagegen erhobene Revision blieb erfolglos (Urteil des erkennenden Senats vom 16. 6. 2004, 7 Ob 245/03k).

Die Klägerin begehrt die Wiederaufnahme des genannten Verfahrens aus dem Grund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage nach mündlicher Verhandlung zurück, weil es die streng zu prüfenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Wiederaufnahmsklage als nicht gegeben erachtete.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung über Rekurs der Klägerin dahin ab, dass es den angefochtenen Beschluss aufhob, dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auftrug und aussprach, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die im vorliegenden Rechtsstreit vorzunehmende abstrakte (Vor-)Prüfung der neu vorgetragenen Tatsachen zeige, dass diese „grundsätzlich" geeignet seien, die im wiederaufzunehmenden Verfahren ergangenen Entscheidungen zugunsten der Klägerin zu beeinflussen. In ihrem dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die beklagte Partei die Abänderung dahin, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird der Antrag gestellt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Vorprüfungsverfahren zur Ergänzung an das Rekurs-, in eventu an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist (absolut) unzulässig.

Gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist gegen einen im Berufungsverfahren ergehenden Beschluss des Berufungsgerichtes der Rekurs nur zulässig, soweit das Berufungsgericht die Klage oder die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat (vgl zur Wiederaufnahmsklage RIS-Justiz RS0044681). Eine Verwerfung der Berufung, soweit sie Nichtigkeit wegen eines Prozesshindernisses geltend macht, ist daher nicht anfechtbar. Wie der Oberste Gerichtshof schon mehrmals darlegte, müssen die Vorschriften über die Anfechtbarkeit von Beschlüssen des Berufungsgerichtes auch in jenen Fällen herangezogen werden, in denen über ein Rechtsschutzbegehren, das auf abschließende Erledigung des Verfahrens durch Zurückweisung der Klage gerichtet ist, nicht von einem Berufungsgericht, sondern einem Rekursgericht abweisend entschieden wird (RIS-Justiz RS0043405 [T32, T34, T36, T38, T42, T44]).

Es wäre ein unüberbrückbarer Wertungswiderspruch, wenn zwar im Berufungsverfahren die Verwerfung einer wegen Nichtigkeit erhobenen Berufung und die Ablehnung der Zurückweisung der Klage nicht angefochten werden kann, ein inhaltsgleiches Rechtsschutzbegehren im Rekursverfahren aber einer Überprüfung in dritter Instanz zugänglich wäre (RIS-Justiz RS0054895; 9 ObA 149/92 und 9 ObA 24/96 [inländische Gerichtsbarkeit]; 9 ObA 258/92: 9 ObA 22/98w und 8 ObA 36/98x [Streitanhängigkeit]; 9 ObA 36/95 [Unzulässigkeit des Rechtswegs]; SZ 70/1 [allgemein zur analogen Anwendung]; jüngst: 10 Ob 39/03p, 3 Ob 318/04t, 6 Ob 24/05f und 10 Ob 22/05s; Kodek in Rechberger² § 528 ZPO Rz 1).

§ 543 ZPO schafft die gesetzliche Grundlage dafür, dass das Fehlen der Zulässigkeitsvoraussetzungen für Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklagen - so wie das Fehlen der Prozessvoraussetzungen - in jeder Lage des Verfahrens (nicht nur im Vorprüfungsverfahren gemäß § 538 ZPO) von Amts wegen (als Nichtigkeit auch aus Anlass der Berufung [stRsp; RIS-Justiz RS0044681; zuletzt: 1 Ob 251/04z]) wahrzunehmen ist (Fasching IV 558 Anm 1 und Fasching Lehrbuch² RZ 2093). Auch wenn - wie hier - eine mündliche Verhandlung abgehalten wurde ist daher eine unschlüssige Wiederaufnahmsklage - anders als sonstige unschlüssige Klagen - nicht mit Urteil ab-, sondern mit Beschluss zurückzuweisen (§§ 538 und 543 ZPO; RZ 1990/71; Kodek in Rechberger² § 543 ZPO Rz 1); demnach konnte die Entscheidung erster Instanz nur mit Rekurs angefochten werden (7 Ob 268/98g; 4 Ob 155/02a; 1 Ob 251/04z mwN).

Die im Revisionsrekurs bekämpfte Ansicht, das Erstgericht habe über die Wiederaufnahmsklage unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden, stellt daher die Verneinung einer Nichtigkeit durch das Rekursgericht dar, die zufolge der auch hier gebotenen analogen Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO, in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht und vom Obersten Gerichtshof überprüft werden kann (vgl 9 ObA 22/98w, 10 Ob 39/03p, 10 Ob 22/05s und 6 Ob 24/05f zur mangelnden Überprüfbarkeit bei vom Rekursgericht verneinten Nichtigkeiten infolge Streitanhängigkeit, internationaler Unzuständigkeit bzw Unzulässigkeit des Rechtsweges). Der somit - entgegen SZ 28/95 (= RIS-Justiz RS0044652) - absolut unzulässige außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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