OGH 5Ob4/07k

OGH5Ob4/07k30.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch DLA Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei I***** B.V., *****, Niederlande, vertreten durch Dr. Thomas Kustor, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1,436.919,70 Euro sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 20. Oktober 2006, GZ 5 R 153/06v-31, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat in zahlreichen Entscheidungen ausgesprochen, dass der Revisionsrekurs gegen die Bejahung einer Prozessvoraussetzung durch das Rekursgericht infolge einer Analogie zu den Anfechtungsbeschränkungen des § 519 ZPO absolut unzulässig sei. Es wäre ein untragbarer Wertungswiderspruch, wenn zwar die Verwerfung einer Nichtigkeitsberufung aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht angefochten werden könnte (RIS-Justiz RS0043405), ein inhaltsgleiches Rechtsschutzbegehren im Rekursverfahren aber einer Überprüfung in dritter Instanz zugänglich wäre (RIS-Justiz RS0054895; zuletzt etwa 10 Ob 102/05f; 10 ObS 116/06s; 7 Ob 189/06d; Zechner in Fasching/Konecny² § 503 ZPO Rz 75). Allerdings sind jüngst von einzelnen Senaten des Obersten Gerichtshofs beachtliche Bedenken gegen die analoge Anwendung der Anfechtungsbeschränkungen des § 519 ZPO im Rekursverfahren geäußert worden (6 Ob 276/06s; 4 Ob 218/06x; 4 Ob 12/06b = EvBl 2006/127). Der erkennende Senat muss hier aber zur Frage der absoluten Unzulässigkeit des Rechtsmittels keine abschließende Stellungnahme abgeben, weil der Revisionsrekurs schon wegen des Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO unzulässig ist:

2. Die Klägerin hat ihren Sitz in Fürstenfeld, wo sie Zigarettenhüllen produziert. Die Beklagte, mit Sitz in Kampen, Niederlande, erzeugt Maschinen für die Tabakverarbeitung. Die Klägerin hat zwei Anbote der Beklagten über eine Zigarettenhülsenmaschine um 1,043.000 Euro und einen „Filtromat-S" um 210.800 Euro angenommen. Es wurden keine schriftlichen Kaufverträge errichtet und kein Erfüllungsort vereinbart. Zigarettenhülsenmaschine und Filtromat konstruierte und baute die Beklagte in ihrer Niederlassung in Eindhoven. Die Zigarettenhülsenmaschine wurde speziell für die Klägerin konstruiert und ist bisher weltweit die einzige Maschine genau dieser Art. Der wesentliche und charakteristische Teil des Auftrags lag in der Konstruktion und Fertigung der Maschinen. Die Konstruktionskosten wurden nicht auf die Klägerin überwälzt. Im Gesamtkaufpreis für die Zigarettenhülsenmaschine waren ua „Transport und Verpackung", „Installation und Inbetriebnahme" sowie „Training und Produktionsbegleitung" enthalten. Im Gesamtkaufpreis des Filtromat-S waren ua ebenfalls „Transport und Verpackung" sowie „Installation und Inbetriebnahme" enthalten. Hinsichtlich Transportabwicklung und Verpackung beider Maschinen hatten die Parteien keine speziellen Vereinbarungen getroffen. Die in Eindhoven fertig gestellte Zigarettenhülsenmaschine wurde in drei Hauptteilen und einigen kleineren Nebenteilen verpackt. Mit dem Transport der Maschinen beauftragte die Beklagte in beiden Fällen die niederländische Spedition Verhoven, die die Maschinen per Lkw an den Produktionsstandort der Klägerin in Fürstenfeld transportierte. Die Transportkostenabrechnung erfolgte zwischen dem Transportunternehmen und der Beklagten. Mitarbeiter der Beklagten bauten am Produktionsstandort der Klägerin in Fürstenfeld die Teile zusammen und installierten sie. Installation und Inbetriebnahme der Zigarettenhülsenmaschine dauerte ca vier Wochen.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche in der Höhe von 1,436.919,70 Euro s.A. geltend. Das Erstgericht wies die Klage wegen fehlender internationaler Zuständigkeit zurück. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge, verwarf die von der Beklagten erhobene Einrede der internationalen Unzuständigkeit und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

3. Die Entscheidung des Rekursgerichts ist durch die Judikatur des Obersten Gerichtshofs gedeckt:

3.1. Die Beklagte geht selbst davon aus, dass die Streitteile Werklieferungsverträge abgeschlossen haben. Der Oberste Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die in Art 5 Z 1 lit b EuGVVO enthaltene Regelung über den Erfüllungsort auch auf Werklieferungsverträge anzuwenden ist (4 Ob 147/03a = RdW 2004, 416). Es entspricht überdies gesicherter Rechtsprechung, dass Art 5 Z 1 lit b EuGVVO eine autonome Bestimmung des Erfüllungsorts vorsieht, bei der primär an tatsächlichen und nicht an rechtlichen Kriterien anzuknüpfen ist (6 Ob 148/04i; 4 Ob 147/03a = RdW 2004, 416). Der tatsächliche Lieferort ist demnach in einem rein faktischen Sinn zu verstehen (1 Ob 94/04m = RZ-EÜ 2005/61 = ZfRV-LS 2005/8). Dabei liegt der vertragliche Erfüllungsort bei einem Kaufvertrag stets dort, wo der Verkäufer nach dem Willen der Vertragsparteien die Ware abliefern muss, damit er alle Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag erfüllt (1 Ob 123/03z = RdW 2004, 26 = EvBl 2004/29, 140 = JBl 2004, 186 = IPRax 2004, 349) und wo der Käufer die Ware als vertragsgemäße Lieferung tatsächlich abnimmt (1 Ob 94/04m = RZ-EÜ 2005/61 = ZfRV-LS 2005/8). Der Ort, an dem die Sachleistung tatsächlich erbracht wurde, wird damit zum ausschlaggebenden Kriterium für die Begründung der internationalen (Wahl-)Zuständigkeit (1 Ob 94/04m = RZ-EÜ 2005/61 = ZfRV-LS 2005/8; 4 Ob 147/03a = RdW 2004, 416).

3.2. Die Beklagte hat hier - entgegen ihrer begrifflichen Argumentation - nicht bloß die Erbringung von Dienstleistungen, sondern die Herstellung eines Erfolgs, nämlich insbesondere Konstruktion und Lieferung von zwei Maschinen geschuldet. Anhaltspunkte dafür, dass bei solchen Werklieferungsverträgen - wie dies die Beklagte anstrebt - der „Konstruktionsort" als Erfüllungsort gelten solle, sind weder der Vereinbarung der Parteien noch der Regelung des Art 5 EuGVVO zu entnehmen.

3.4. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind auch die jeweiligen nationalen Bestimmungen über den - bei Versendungskäufen - geltenden Erfüllungsort nicht von Bedeutung, weil dies der Rechtslage nach der EuGVVO widerspräche, würde doch auf diesem Umweg erst wieder die jeweilige lex causae zum Tragen kommen (1 Ob 94/04m = RZ-EÜ 2005/61 = ZfRV-LS 2005/8).

3.5. Im vorliegenden Fall umfasste die von der Beklagten zu erbringende Leistung auch den Transport zum sowie die Installation, Inbetriebnahme, Training und Produktionsbegleitung am Betriebsstandort der Klägerin. Wenn das Rekursgericht unter diesen Umständen gestützt auf Art 5 Nr 1 lit b EuGVVO die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts, in dessen Sprengel der Sitz der Klägerin liegt, bejahte, dann steht dies mit der dargestellten Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofs in Einklang (4 Ob 147/03a = RdW 2004, 416).

Da die Beklagte somit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag, ist deren außerordentlicher Revisionsrekurs unzulässig und zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte