OGH 3Ob71/14h

OGH3Ob71/14h30.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.‑Prof. Dr.

Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Jensik, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch WKG Korp‑Grünbart Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei T*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. H. Steiner, Dr. Th. Weber, Mag. G. Hegenbart, Mag. C. Steiner GesnbR, Rechtsanwälte in Baden, wegen 63.497,11 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 5. März 2014, GZ 4 R 205/13s‑22, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 28. Juni 2013, GZ 20 Cg 108/12m‑17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00071.14H.0430.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen wiesen die Klage auf (restlichen) Werklohn mit der wesentlichen Begründung ab, die Streitteile hätten ungeachtet des sich über zwei Jahre erstreckenden Leistungszeitraums Festpreise vereinbart, weshalb der Klägerin das Recht, den Werklohn aufgrund gestiegener Preise von Subunternehmen zu erhöhen, nicht zustehe.

Die Klägerin vermag in ihrem außerordentlichen Rechtsmittel keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936; vgl auch RS0042776). Das gilt auch für die Beurteilung der Frage, ob die Parteien eine konkrete ÖNORM‑Bestimmung vereinbart haben (4 Ob 101/08v mwN; vgl RIS‑Justiz RS0044298 [T31] und [T53]).

Im vorliegenden Fall ist aber nicht eine ÖNORM‑Bestimmung auszulegen, sondern die Frage zu beurteilen, wie eine in einem Einzelvertrag enthaltene Klausel mit Bezugnahme auf die ÖNORM zu verstehen ist („die Preise gelten als Festpreise im Sinn der ÖNORM A2060“). Die Auffassung der Vorinstanzen, dass die streitgegenständliche Klausel dahin klar sei, dass Festpreise vereinbart werden sollten, ist jedenfalls vertretbar. Die bezogene ÖNORM A2060 enthält keine Definition des Begriffs „Festpreis“, sondern setzt diese voraus. Der Verweis auf die ÖNORM im Vertrag scheint daher überflüssig. Es ist zwar davon auszugehen, dass eine schriftliche Vertragserklärung keine überflüssigen Formulierungen enthält; vielmehr ist eine Auslegung vorzuziehen, die für die Anwendung jeder vertraglichen Bestimmung Raum lässt (4 Ob 2/11i). Das von der Klägerin angestrebte Verständnis der Vertragsbestimmung, durch diese Klausel sei die in der ÖNORM A2060 enthaltene Zweifelsregel (Punkt 5.17.3.1.) vereinbart worden, kann durch den bloßen generellen Verweis auf die ÖNORM A2060 nicht unterstellt werden. Ein redlicher Erklärungsempfänger musste davon ausgehen, dass für das gesamte Leistungsverzeichnis Festpreise ohne zeitliche Grenzen vereinbart waren. Dafür spricht nicht nur der Gebrauch des Wortes „Festpreise“, sondern auch das Fehlen jeglicher Regel für die Berechnung allfälliger Preisänderungen infolge späterer Leistungserbringung (abgesehen vom Verzugsfall). Auch das nachfolgende Verhalten der Klägerin, nämlich den von ihr gelegten Rechnungen, insbesondere der ersten Schlussrechnung, Festpreise zugrundezulegen, legt nahe, dass auch sie (zunächst) von einem derartigen Vertragsverständnis ausging (vgl RIS‑Justiz RS0110838, RS0017815).

Eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung des Einzelfalls liegt nicht vor. Für die von der Klägerin (allenfalls) gewünschte ergänzende Vertragsauslegung bleibt mangels Vorliegens einer Regelungslücke kein Raum.

Zu einer angeblichen gröblichen Benachteiligung bestimmter Bestimmungen des den Vertragsschluss zugrundeliegenden Leistungsverzeichnisses im Sinn des erstmals in der Revision angesprochenen § 879 Abs 3 ABGB hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren kein Vorbringen erstattet. Sie behauptete lediglich die Nichtigkeit des Werkvertrags infolge Verstoßes gegen die Festpreisbestimmungen des BVerG nach § 879 Abs 1 ABGB. Die Sittenwidrigkeit und die daraus folgende Nichtigkeit eines Vertrags ist jedoch nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einrede wahrzunehmen, wobei Tatsachen vorzubringen sind, die die Sittenwidrigkeit begründen (RIS‑Justiz RS0016435, vgl RS0016446 [T4], RS0016452). Die Ausführungen zu gröblichen Benachteiligungen im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB bilden somit eine unzulässige Neuerung (RIS‑Justiz RS0042025 [T6], vgl RS0016441 [T4], RS0016481).

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