OGH 4Ob101/08v

OGH4Ob101/08v10.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwaltspartnerschaft OEG in Gleisdorf, gegen die beklagte Partei O***** Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Helmut Mörth, Rechtsanwalt in Graz, wegen 13.254,36 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 21. Februar 2008, GZ 2 R 1/08x-45, mit welchem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Oktober 2007, GZ 42 Cg 44/06a-38, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 911,88 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 211,38 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

1. Die Klägerin begehrt den Werklohn für eine Dachbegrünung. Grundlage für die Arbeiten war ein Auftrag der Beklagten. Aus den beauftragten Massen ergibt sich, dass für den Bodenaufbau kein (weiteres) Filtervlies vorgesehen war. In der unwidersprochen gebliebenen Auftragsbestätigung der Beklagten fand sich jedoch neben der Leistungsbeschreibung und den Zahlungsbedingungen der Satz: „Die Ausführung erfolgt gem. den Richtlinien der ÖNORM." Die einschlägige ÖNORM sieht den Einbau eines Filtervlieses vor. Im konkreten Fall hätte diese Vorgangsweise allerdings zu einer schlechteren Begrünung geführt als der tatsächlich durchgeführte Aufbau, der im Ergebnis dem Stand der Technik entsprach.

2. Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren im Wesentlichen statt. Unklare Vertragsbestimmungen seien im Zweifel so auszulegen, dass sie keinen Widerspruch enthielten und wirksam seien. Der nicht näher bestimmte Verweis auf „die Richtlinien der ÖNORM" habe nur die Verpflichtung der Klägerin hervorgehoben, das Werk dem Stand der Technik entsprechend zu erbringen. Das sei hier ohnehin erfolgt. Die Klägerin habe nicht annehmen müssen, dass die Beklagte eine Ausführung sicherstellen wollte, die nicht (mehr) dem Stand der Technik entsprach. Die Revision ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob ein Verweis auf die „Richtlinien der ÖNORM" als Vereinbarung einer bestimmten, jedoch gar nicht genannten ÖNORM oder nur als Verdeutlichung der Verpflichtung des Werkunternehmers zu deuten sei, nach den jeweiligen Regeln der Technik zu leisten.

Rechtliche Beurteilung

3. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936; vgl auch RS0042776). Das gilt auch für die Beurteilung der Frage, ob die Parteien eine konkrete ÖNORM-Bestimmung vereinbart haben (1 Ob 359/98w mwN; zuletzt etwa 1 Ob 81/07d).

Im konkreten Fall hat das Berufungsgericht zutreffend dargelegt, dass im Zweifel jener Auslegung der Vorzug zu geben ist, die eine wirksame und sinnvolle Anwendung der strittigen Bestimmungen ermöglicht (RIS-Justiz RS0017787, vgl auch RS0017767). Der Standpunkt der Beklagten, wonach die Klägerin aufgrund des Verweises auf die „Richtlinien der ÖNORM" zur Einbringung eines Trennvlieses verpflichtet gewesen sei, steht nicht nur im Widerspruch zur ebenfalls von der Beklagten vorgegebenen Leistungsbeschreibung, die ein solches Vlies nicht vorgesehen hatte, sondern die Klägerin wäre auch verpflichtet gewesen, ein Werk zu erbringen, das eine geringere Qualität aufgewiesen hätte als das tatsächlich erbrachte. Unter diesen Umständen ist das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts alles andere als unvertretbar.

4. Soweit die Beklagte einwendet, die Klägerin hätte sie über die Problematik eines ÖNORM-konformen Aufbaus informieren müssen, fehlt es an einem konkreten Vorbringen, welcher Schaden durch das Unterbleiben einer solchen Aufklärung verursacht wurde. Die ebenfalls nicht der ÖNORM entsprechende Korngröße der Schüttung hat die Beklagte in erster Instanz nicht bemängelt.

5. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn von § 502 Abs 1 ZPO liegt daher nicht vor. Aus diesem Grund ist die Revision zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, weswegen die Beklagte die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen hat.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte