OGH 4Ob2/11i

OGH4Ob2/11i12.4.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Joachim Stock, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 35.700 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 30.600 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. November 2010, GZ 4 R 230/10w-11, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 1. Juli 2010, GZ 59 Cg 37/10g-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie unter Einschluss der in Rechtskraft erwachsenen teilweisen Klagestattgebung zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 25.500 EUR samt 8,38 % Zinsen seit 17. März 2010 sowie die mit 2.513,61 EUR bestimmten anteiligen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens (darin 342,63 EUR USt und 457,86 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von weiteren 10.200 EUR samt 8,38 % Zinsen ab Klagezustellung sowie 8,38 % Zinsen aus 25.500 EUR für den 16. März 2010 wird abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 2.874,20 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 232,37 EUR USt und 1.480 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 18. April 2008 verpflichtete sich die Beklagte gegenüber der Klägerin

1. es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Kennzeichen „RECO“ in Alleinstellung bzw in Verbindung mit nichtunterscheidungskräftigen Zusätzen wie „Recycling“ usw im Zusammenhang mit Dienstleistungen eines Recyclings- und Entsorgungsunternehmens zu benutzen und/oder benutzen zu lassen;

2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungsverpflichtung, im Falle vorsätzlichen Handelns unter Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs, an die Klägerin eine Vertragsstrafe in Höhe von 5.100 EUR zu zahlen;

3. sechs Monate nach Abgabe der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung die Kennzeichnung „RECO“ von der Homepage www.recycling-ost.at bzw damit verlinkten Internetseiten entfernen zu lassen;

4. für die Verwendung von noch vorrätigem Werbematerial wie zB Prospekte, Briefpapier, Beschriftung von Fahrzeugen und Containern wird eine Aufbrauchsfrist von zwei Jahren ab Abgabe der Unterlassungserklärung gewährt.

Mittlerweile änderte die Beklagte ihre ursprüngliche Firma „Recycling Ost GmbH“ in „D***** GmbH“. Die Kennzeichnung „RECO“ war sechs Monate nach Abgabe der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 18. April 2008 nicht von der Homepage der Beklagten entfernt. Diese verwendete vielmehr bis zum 28. September 2009 ua die Bezeichnung „Reco-Recycling Ost GmbH“ auf ihrer Homepage sowie weiteren damit verbundenen Seiten.

Die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 18. April 2008 hatte die Klägerin erstellt und der Beklagten übermittelt; die Geschäftsführerin der Beklagten unterschrieb sie, ohne dass es vorher Verhandlungen über den Inhalt der Erklärung gab.

Am 8. Juli 2009 brachte die Klägerin gegen die Beklagte und deren Geschäftsführerin beim Erstgericht eine Klage auf Unterlassung der Verwendung des Kennzeichens „RECO“ in Alleinstellung oder in Verbindung mit nicht unterscheidungskräftigen Zusätzen wie „Recycling“ und Entfernung dieses Kennzeichens von der Website der Beklagten ein, die der Beklagten am 17. Juli 2009 zugestellt wurde. Am 27. August 2009 erstattete die Beklagte eine auf die Abweisung des Klagebegehrens abzielende Klagebeantwortung. Am 2. September wurde dem Vertreter der Beklagten der Antrag der Klägerin auf eine den Klageanspruch sichernde einstweilige Verfügung der Klägerin zugestellt. Diesem Antrag trat die Beklagte mit Äußerung vom 9. September 2009 entgegen.

Am 10. September 2009 erließ das Erstgericht antragsgemäß eine einstweilige Verfügung mit der der Beklagten bis zur Beendigung des Hauptverfahrens verboten wurde, das Kennzeichen „RECO“ in Alleinstellung oder in Verbindung mit nicht unterscheidungskräftigen Zusätzen wie „Recycling“ usw im Zusammenhang mit Dienstleistungen eines Recyclings- und Entsorgungsunternehmens zu benutzen. Diese einstweilige Verfügung erhielt der Vertreter der Beklagten am 21. September 2009 zugestellt. Die einstweilige Verfügung wurde vom Rekursgericht lediglich dahin eingeschränkt, dass es am 18. April 2008 noch vorrätig gewesenes Werbematerial vom Verbot ausnahm.

Mit Urteil des Erstgerichts vom 23. Oktober 2009, bestätigt mit Urteil des Berufungsgerichts vom 20. Jänner 2010, wurden die Beklagte und ihre Geschäftsführerin zur ungeteilten Hand schuldig erkannt, die Verwendung des Kennzeichens „RECO“ in Alleinstellung oder in Verbindung mit nicht unterscheidungskräftigen Zusätzen wie „Recycling“ usw im Zusammenhang mit Dienstleistungen eines Recyclings- und Entsorgungsunternehmens - außer in am 18. April 2008 noch vorrätig gewesenem Werbematerial - zu unterlassen und den Urteilsspruch zu veröffentlichen.

Diesen Entscheidungen lag in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, dass die Beklagte bis zum 28. September 2009 ua die Bezeichnung „Reco-Recycling Ost GmbH“ verwendete, und zwar auf ihrer Homepage sowie einer weiteren damit verbundenen Seite sowie auch in ihrem Eintrag in www.herold.at . Allein die Verwendung des Kennzeichens „RECO“ auf der Homepage der Beklagten bis 28. September 2009 wurde als Verstoß gegen die Punkte 1 und 3 der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 18. April 2008 qualifiziert.

Die Klägerin mahnte die Beklagte vor Klageeinbringung nicht ab. Die Beklagte und ihre Geschäftsführerin vertraten damals die Ansicht, die Kennzeichnung „RECO“ im Zusammenhang mit den Firmennamen verwenden zu dürfen und wollten die gerichtliche Entscheidung abwarten. Ein Schaden der Klägerin wegen der Verwendung des Zeichens „RECO“ durch die Beklagte ist nicht konkret nachweisbar.

Am 11. September 2009 forderte der Klagevertreter die Beklagte mit E-Mail auf, ihren Verpflichtungen aus den Punkten 1 und 3 der Erklärung vom 18. April 2008 nachzukommen. Diese Aufforderung wiederholte er mit einem weiteren E-Mail vom 23. September 2009.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten 35.700 EUR sA. Die Beklagte habe sich verpflichtet, für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung, im Fall vorsätzlichen Handelns unter Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs, an sie eine Vertragsstrafe von 5.100 EUR zu bezahlen. Bis zur Zustellung der Klage im Kennzeichenstreit habe die Beklagte der Unterlassungsverpflichtung fahrlässig zuwider gehandelt und dadurch die erste Vertragsstrafe von 5.100 EUR verwirkt. Vorsatz sei vereinbarungsgemäß nur zum Ausschluss des Fortsetzungszusammenhangs erforderlich gewesen. Am 16. Juli 2009 habe die Beklagte vorsätzlich gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen, sodass ab diesem Zeitpunkt der Fortsetzungszusammenhang ausgeschlossen sei. Bis zur Klagebeantwortung habe sie eine weitere Vertragsstrafe von 5.100 EUR verwirkt. In der Klagebeantwortung habe die Beklagte die Wirksamkeit ihrer Verpflichtung bestritten und damit ihren Willen, die Unterlassungsverpflichtung weiter zu missachten, erneuert. Durch wiederholtes Zuwiderhandeln habe sie eine weitere Vertragsstrafe von 5.100 EUR verwirkt. Die Zustellung des Verfügungsantrags habe eine weitere Aufforderung zur Unterlassung ersetzt; durch Fortsetzung des Verstoßes auch danach bis zur Äußerung bis zum Verfügungsantrag habe die Beklagte eine weitere Vertragsstrafe von 5.100 EUR verwirkt. In ihrer Äußerung vom 9. September 2009 habe sie erneut ihre Absicht, der Unterlassungsverpflichtung zuwiderzuhandeln, erklärt und damit wiederum eine Vertragsstrafe von 5.100 EUR verwirkt. Durch Fortsetzung des Verstoßes nach Mahnung der Klägerin vom 11. September 2009 habe die Beklagte eine weitere Vertragsstrafe von 5.100 EUR herbeigeführt. Mit Zustellung der einstweiligen Verfügung am 21. September 2009 sei ein gerichtliches Verbot ergangen, dennoch habe die Beklagte ihr Verhalten vorsätzlich fortgesetzt und somit eine weitere Vertragsstrafe von 5.100 EUR verwirkt. Am 23. September 2009 habe die Beklagte durch Fortsetzung ihres Verhaltens nach nochmaliger Aufforderung, ihrer Verpflichtung nachzukommen, eine weitere Vertragsstrafe von 5.100 EUR herbeigeführt. Die Beklagte schulde daher insgesamt 40.800 EUR, von denen jedoch nur 35.700 EUR geltend gemacht würden. Der Fortbestand des verbotswidrigen Zustands nach jeder Aufforderung (zu dessen Beseitigung) habe auf einer neuerlichen Willensbildung der Beklagten beruht.

Die Beklagte wendete ein, dass offensichtlich die Verpflichtung zur Entfernung des Kennzeichens „RECO“ mit der kurzen Frist von sechs Monaten nicht mit der unter Punkt 2 vereinbarten Vertragsstrafe pönalisiert worden sei. Die Entfernungsverpflichtung sei bewusst erst unter dem Punkt 3, somit nach der Pönalevereinbarung, festgehalten worden. Überdies sei in der Pönalevereinbarung (2) von der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unterlassungsverpflichtung die Rede, die Entfernungsverpflichtung finde sich aber nachstehend zur Pönalevereinbarung. Ein Verstoß gegen den ersten Punkt der Erklärung sei erst nach Ablauf der im vierten Punkt eingeräumten Frist mit der im zweiten Punkt vereinbarten Vertragsstrafe pönalisiert. Das Kennzeichen „RECO“ sei aber vor Ablauf dieser Frist von zwei Jahren von der Homepage der Beklagten und damit verlinkten Internetseiten entfernt worden. Jedenfalls habe die Beklagte nur einen Verstoß zu verantworten. Der Fortbestand des verbotswidrigen Zustands habe nicht auf neuerlicher Willensbildung nach jeder Aufforderung beruht, sondern auf der durchgehenden Rechtsmeinung der Beklagten. Aus der Vereinbarung vom 18. April 2008 sei klar ersichtlich, dass mehrere Unterlassungshandlungen nicht im strafrechtlichen Sinn als einheitliche Handlung gelten sollten, sondern für den Fall jeder einzelnen Zuwiderhandlung die Vertragsstrafe anfallen solle. Gedacht sei dabei daran gewesen, dass die Beklagte auf mehreren Fahrzeugen das beanstandete Kennzeichen verwende und sie für diesen Fall unter Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs für jede einzelne Verwendung eine Vertragsstrafe zahlen solle. Bei der Verwendung des Kennzeichens „RECO“ auf der Website der Beklagten handle es sich um eine einzige Handlung und daher auch nur um einen einzigen Verstoß gegen die Unterlassungsvereinbarung. Wäre es der einvernehmliche Wunsch der Parteien gewesen, dass die Pönale für ein und dieselbe Handlung nach jeder Aufforderung zur Unterlassung wiederholt zu zahlen sei, so wäre dies schriftlich vereinbart worden. Die Erklärung sei von der Klägerin errichtet worden, Unklarheiten in der Auslegung gingen daher zu ihren Lasten. Überdies sei davon auszugehen, dass sich die Verpflichtete eher einer geringeren als einer größeren Verpflichtung habe unterwerfen wollen. Schließlich sei das Vertragsstrafenbegehren übermäßig hoch, weil der Klägerin überhaupt kein Schaden entstanden sei.

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 5.100 EUR sA und wies das Mehrbegehren von 30.600 EUR sA ab. Unter Anwendung österreichischen Rechts - die nach Art 4 Abs 2 EVÜ maßgebliche charakteristische Leistung sei von der Beklagten in Österreich zu erbringen - sei die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 18. April 2008 mangels abweichenden Parteiwillens nach ihrem Wortlaut auszulegen. Indem die Beklagte das Kennzeichen „RECO“ erst am 29. August 2009 von der Homepage entfernt habe, habe sie bis zu diesem Zeitpunkt gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen, wofür eine Vertragsstrafe vereinbart worden sei. Da es bei der Verwendung des Kennzeichens auf Hompages und sonstigen Internetseiten geblieben sei, liege bloß eine Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung vor. Ein neuer Willensentschluss für die Beibehaltung des Zustands sei nicht anzunehmen, das Verhalten der Beklagten habe auf einem durchgängigen Willen beruht.

Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung der Klägerin die Abweisung des Mehrbegehrens von 30.600 EUR sA und sprach aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf die Vertragsauslegung im Einzelfall nicht zulässig sei. Da keine übereinstimmende, vom Wortlaut abweichende Parteiabsicht festgestellt worden sei, habe sich die Auslegung der Vereinbarung am Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung zu orientieren. Die Erklärung habe nur eine Verpflichtung der Beklagten enthalten und sei daher einseitig verbindlich. Die Regelung der Vertragsstrafe könne nur so verstanden werden, dass sie nur bei verschiedenen Formen des Zuwiderhandelns fällig werde. Eine andere Auslegung würde zum unbilligen Ergebnis führen, dass für jeden einzelnen Tag des Zuwiderhandelns die Vertragsstrafe fällig und diese damit unverhältnismäßig hoch würde. Zum selben Ergebnis komme man auch nach § 915 ABGB, weil sich die Beklagte im Zweifel die geringere Last habe auferlegen wollen. Da die Einrede des „Fortsetzungszusammenhangs“ für den Fall bloß fahrlässigen Zuwiderhandelns nicht ausgeschlossen sei und die Beklagte nicht vorsätzlich gehandelt habe, wäre die Verhängung mehrerer Vertragsstrafen unzulässig. Die Bezugnahme auf die Rechtsprechung zu § 355 EO gehe fehl, weil die hier zu beurteilende Vereinbarung kein Exekutionstitel sei. Überdies bedürfe es im Exekutionsverfahren zur Erwirkung von Unterlassungen jeweils konkreter Strafanträge.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin, mit der sie die gänzliche Klagestattgebung anstrebt, ist im Hinblick auf die korrekturbedürftige Vertragsauslegung des Berufungsgerichts und das Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur allfälligen analogen Anwendung des Vollzugsstufensystems der Unterlassungsexekution nach § 355 EO auf Vertragsstrafen bewährte Unterlassungsvereinbarungen zulässig und teilweise berechtigt.

1. In dritter Instanz ist nicht mehr strittig, dass die hier zu beurteilende Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 18. April 2008 mangels (ausdrücklicher oder schlüssiger) Rechtswahl im Hinblick auf den Sitz der verpflichteten Partei in Österreich nach österreichischem Recht zu beurteilen ist.

2. Grundlage des hier zu beurteilenden Zahlungsanspruchs ist eine von der Klägerin verfasste und an die Beklagte übermittelte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung, die diese unterfertigte. Ungeachtet der äußeren Form einer einseitigen Verpflichtungserklärung der Beklagten liegt inhaltlich nicht bloß eine einseitige Verpflichtung im Sinne einer unentgeltlichen Zuwendung, sondern viel eher ein zweiseitiges entgeltliches Geschäft, ähnlich einem Vergleich (vgl RIS-Justiz RS0032527) vor. Die Beklagte verpflichtet sich einerseits, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ein mit der Firma der Klägerin verwechselbar ähnliches Zeichen („RECO“) weder in Alleinstellung noch in Verbindung mit nicht unterscheidungskräftigen Zusätzen im Zusammenhang mit ihrem Unternehmensgegenstand zu benutzen und verpflichtet sich für den Fall der Zuwiderhandlung überdies zu Vertragsstrafen. Andererseits gesteht die Klägerin der Beklagten für die erklärungskonforme Umgestaltung ihres Internetauftritts und für den Aufbrauch bereits vorrätigen Werbematerials (sehr lange) Fristen zu. Die Auslegungsregel des § 915 Satz 1 ABGB, wonach bei einseitig verbindlichen Verträgen im Zweifel angenommen wird, dass sich der Verpflichtete eher die geringere als die schwerere Last auferlegen wollte, ist daher entgegen der von den Vorinstanzen ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Ansicht nicht anwendbar. Zu berücksichtigen ist aber, dass die von der Beklagten unterfertigte Verpflichtungserklärung von der Klägerin vorgegeben war, sodass gemäß § 915 zweiter Satz ABGB eine undeutliche Erklärung zum Nachteil der Klägerin auszulegen wäre.

Bei Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 f ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht, wobei die Umstände der Erklärung und die im Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0017915). Wurde nicht bewiesen, dass für den einen Vertragspartner aus dem Erklärungsverhalten des anderen eine vom Inhalt der Urkunden abweichende Erklärungsbedeutung zu erschließen war, ist die Absicht der Parteien im Rahmen der rechtlichen Beurteilung allein aus der Urkunde nach dem objektiven Aussagewert des Textes und dem Wortsinn seiner gewöhnlichen Bedeutung im Zusammenhalt mit dem Zweck der Vereinbarung zu ermitteln (RIS-Justiz RS0017833). Der Zweck der Vertragsstrafe nach § 1336 ABGB liegt nicht nur in der Vereinfachung des Schadenersatzes sondern gerade in einem Fall wie diesem auch in der Verstärkung der vertraglichen Pflichten und zwar umso mehr, je mehr der Betrag über den ex ante wahrscheinlichen Schaden hinausgeht (RIS-Justiz RS0032072). Undeutliche Vertragsbestimmungen müssen so ausgelegt werden, dass sie keinen Widerspruch enthalten und wirksam sind (RIS-Justiz RS0017767). Es ist davon auszugehen, dass eine schriftliche Vertragserklärung keine überflüssigen Formulierungen enthält, vielmehr ist eine Auslegung vorzuziehen, die für die Anwendung jeder vertraglichen Bestimmung Raum lässt.

Offenkundiger Zweck der hier zu beurteilenden Unterlassungsverpflichtung der Beklagten ist, die Klägerin - möglichst unter Vermeidung gerichtlicher Durchsetzung ihres Unterlassungsanspruchs - davor zu schützen, dass die Beklagte ein mit der Firma der Klägerin verwechselbar ähnliches Zeichen fortdauernd zu Geschäftszwecken benützt. Der Unterlassungsanspruch soll durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe gesichert werden. Die Gewährung einer Umstellungsfrist für den Internetauftritt (sechs Monate) und einer Aufbrauchsfrist für bereits vorrätiges Werbematerial (zwei Jahre) ändert nichts an der vorangestellten sofortigen Unterlassungspflicht, die im Hinblick auf die Sonderregelungen aber nur für neue Nutzungen des beanstandeten Zeichens sofort gilt (etwa für neues Werbematerial, andere Arten der Geschäftsanbahnung etc). Die Vereinbarung der Vertragsstrafen soll offensichtlich nicht bloß der Pauschalierung des Schadenersatzes bzw der Erleichterung seiner Geltendmachung (Beweisschwierigkeiten), sondern auch der Druckausübung auf die Beklagte als Schuldnerin dienen.

Nach dem systematischen Aufbau der Verpflichtungserklärung und wegen der unterschiedlichen Regelung für vorsätzliches und fahrlässiges Handeln ist die Formulierung „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ im Sinn des Standpunkts der Klägerin dahin zu verstehen, dass die Vertragsstrafe nicht bloß einmal für verschiedene Formen des Zuwiderhandelns vereinbart gilt, sondern für jede einzelne Zuwiderhandlung, auch wenn es sich um gleichartige Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung handelt. Unter Fortsetzungszusammenhang ist die Zusammenfassung mehrerer Verstöße zu einem einzelnen Verstoß zu verstehen. Der Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs im Fall vorsätzlichen Handelns würde jeden Sinn verlieren, wenn man nach der Vertragsauslegung des Berufungsgerichts nur eine Vertragsstrafe für gleichartige Verstöße für zulässig erachtet.

Der Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs bedeutet vielmehr, dass die Beklagte im Fall der vorsätzlichen Verletzung ihrer Unterlassungsverpflichtung für jede einzelne Verletzung ersatzpflichtig wird, die Vertragsstrafe von 5.100 EUR also verwirkt wird, während bei bloß fahrlässiger Verletzung der Unterlassungsverpflichtung gleichartige Verstöße zusammenzufassen sind.

Fraglich könnte sein, ob im Zusammenhang mit dem Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs vorsätzliches Handeln im Sinn einer Einschränkung auf bewusst oder gar absichtlich rechtswidriges Handeln zu verstehen ist oder auch bedingt vorsätzliches Handeln erfasst werden soll. Für Letzteres spricht der gebräuchliche Vorsatzbegriff. Dies braucht aber nicht weiter untersucht zu werden, steht doch fest, dass die über die Umstellungsfrist von sechs Monaten hinausgehende Verwendung des beanstandeten Zeichens im Rahmen des Internetauftritts der Beklagten nicht bloß auf einem Versehen beruhte, sondern auf bewusstem Handeln der Beklagten, insofern, als diese sich ungeachtet des insoweit eindeutigen Wortlauts der Verpflichtungserklärung berechtigt erachtete, das beanstandete Zeichen („RECO“) weiter zu verwenden. Die allenfalls irrtümliche, im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der Unterlassungsverpflichtung aber jedenfalls grob sorgfaltswidrige Annahme, zur Missachtung der eingegangenen Unterlassungsverpflichtung berechtigt zu sein, vermag die Beklagte nicht zu entschuldigen (vgl § 9 Abs 2 StGB, wonach der Rechtsirrtum dann vorzuwerfen ist, wenn das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war oder wenn sich der Täter mit den einschlägigen Vorschriften nicht bekannt gemacht hat, obwohl er seinem Beruf, seiner Beschäftigung oder sonst den Umständen nach dazu verpflichtet gewesen wäre; RIS-Justiz RS0118363). Die Unterlassungsverpflichtung nennt den Zusatz „Recycling“ ausdrücklich als nicht unterscheidungskräftigen Zusatz. Darüber hinaus wird im dritten Punkt die ausdrückliche Verpflichtung festgelegt, die Kennzeichnung „RECO“ von der Homepage der Beklagten und damit verlinkten Internetseiten zu entfernen. Die von der Beklagten vertretene Ansicht, die Kennzeichnung „RECO“ im Zusammenhang mit ihrem Namen (Recycling Ost GmbH) verwenden zu dürfen, ist daher in keiner Weise nachvollziehbar. Das Zuwiderhandeln der Beklagten ist daher von vornherein als vorsätzlich zu qualifizieren.

Hier ist die außergerichtliche, einem Vergleich ähnliche Vereinbarung der Streitteile auszulegen. § 355 EO und die dazu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, die sich auf Exekutionstitel und deren zwangsweise Durchsetzung beziehen, sind daher nicht unmittelbar anwendbar. Vielmehr ist zur Ermittlung der Voraussetzungen für die Verwirkung der vereinbarten Vertragsstrafe die privatrechtliche Vereinbarung nach den Umständen des Einzelfalls auszulegen.

Wenn die Vertragsstrafenvereinbarung im Zusammenhang mit einer Unterlassungsverpflichtung - wie hier - offensichtlich den Zweck hat, eine Klageführung zur Schaffung eines entsprechenden Exekutionstitels zu ersparen, ist davon auszugehen, dass die Parteien eine Vereinbarung angestrebt haben, die im Ergebnis im Wesentlichen einem Exekutionstitel entspricht. Es ist daher naheliegend, die Voraussetzung für die Verwirkung der Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung“ dahin zu verstehen, dass die fortgesetzte Missachtung der Unterlassungsverpflichtung in einer dem Vollzugsstufensystem der Unterlassungsexekution nach § 355 EO vergleichbaren Art und Weise geahndet werden soll. Nach der zu vermutenden Absicht der Parteien, eine der Unterlassungsexekution vergleichbare Durchsetzung der eingegangenen Unterlassungsverpflichtung zu ermöglichen, ist die Vertragsstrafenregelung daher dahin auszulegen, dass die Vertragsstrafe verwirkt wird, wenn die Beklagte nach Beginn der Unterlassungsverpflichtung (erstmals) gegen die Unterlassungspflicht verstößt und weiter immer dann, wenn sie - ungeachtet konkreter Aufforderung der Klägerin, sich konform ihrer Verpflichtung zu verhalten, neuerlich verstößt bzw den von ihr zu beseitigenden Zustand (Inhalt des Internetauftritts) nicht beseitigt. Dass der fortgesetzte Verstoß, insbesondere wenn man die tageweisen Vollzugsstufen nach der Rechtsprechung zu § 355 EO zugrunde legt (RIS-Justiz RS0012389; Angst, Die neue Rechtsprechung zur Unterlassungsexekution, ecolex 1994, 767 mwN), zu einer enormen Vertragsstrafe führen könnte, die insgesamt unangemessen scheinen mag, könnte durch eine - nun auch für Unternehmer mögliche - allfällige Mäßigung ausgeglichen werden. Im vorliegenden Fall scheidet eine völlig unangemessene Strafhöhe von vornherein aus, weil die Klägerin ihrem Vertragsstrafenbegehren ohnehin nicht tageweise Vollzugsstufen zugrunde gelegt hat.

In dritter Instanz unstrittig ist, dass die zwischen den Streitteilen vereinbarte Vertragsstrafe mangels Entfernung der Kennzeichnung „RECO“ nach Ablauf der sechsmonatigen Frist nach Abgabe der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung vom 18. April 2008 verwirkt wurde.

Da die Beklagte bewusst die von ihr übernommene Unterlassungspflicht weiter missachtete, bewirkte die in der Unterlassungsklage vom 8. Juli 2009 zu erblickende Aufforderung der Klägerin, das der übernommenen Verpflichtung zuwiderlaufende Verhalten aufzugeben - vergleichbar dem neuerlichen Strafantrag bei der Unterlassungsexekution nach § 355 EO - die neuerliche Verwirkung der Vertragsstrafe. Gleiches gilt für den zur Sicherung des klageweise geltend gemachten Unterlassungsanspruchs von der Klägerin gestellten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Unterlassungsverfügung, die die Beklagte (ihr Vertreter) am 2. September 2009 erhielt. Die weitere Missachtung der Unterlassungsverpflichtung bewirkte daher die (dritte) Verwirkung der Vertragsstrafe.

Am 11. September 2009 forderte der Klagevertreter die Beklagte neuerlich zur Einhaltung der von ihr übernommenen Verpflichtung auf, was die Beklagte ebenso missachtete wie die weitere Aufforderung des Klagevertreters vom 23. September 2009. Dadurch wurde jeweils neuerlich die Vertragsstrafe verwirkt, sodass die Beklagte für insgesamt fünf Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung 25.500 EUR schuldet.

Der Auffassung der Klägerin, auch die Klagebeantwortung und die Äußerung zum Sicherungsantrag habe die Vertragsstrafe verwirkt, kann hingegen nicht gefolgt werden, weil diese Prozesserklärungen nur den Willen der Beklagten ausdrücken, ungeachtet der jeweils vorangehenden Aufforderung der Klägerin (Klage bzw Sicherungsantrag), der Unterlassungsverpflichtung nicht zu folgen. Die analog zur Unterlassungsexekution nach § 355 EO anzunehmende Vollzugsstufe wird aber jeweils durch eine Aufforderung der Klägerin ausgelöst. Das einer zweimaligen weiteren Verwirkung der Vertragsstrafe entsprechende Mehrbegehren ist daher abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Die Klägerin ist im erstinstanzlichen Verfahren mit 5/7 ihres Begehrens durchgedrungen, im Rechtsmittelverfahren mit 2/3. Die Beklagte hat daher der Klägerin 3/7 ihrer Vertretungskosten und 5/7 der Barauslagen des erstinstanzlichen Verfahrens und 1/3 der Vertretungskosten und 2/3 der Barauslagen des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

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