OGH 3Ob1/19x

OGH3Ob1/19x20.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Agrargemeinschaft B*, 2. *, 3. H*, 4. J*, 5. *, 6. M*, 7. M*, 8. A*, 9. P*, alle vertreten durch Univ.‑Doz. Dr. Bernd Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Gemeinde S*, wegen 34.162,01 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 4. Dezember 2018, GZ 10 R 72/18s‑5, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 14. November 2018, GZ 81 Cg 57/18x‑2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E124774

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aus Anlass des Revisionsrekurses ersatzlos aufgehoben.

Das von den klagenden Parteien erhobene Begehren ist im außerstreitigen Verfahren zu behandeln und zu erledigen. Die in einen verfahrenseinleitenden Antrag umzudeutende Klage wird an das Erstgericht zur Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die klagende Agrargemeinschaft und ihre Mitglieder begehren mit ihrer Mahnklage von der beklagten Gemeinde die Zahlung einer (anteiligen) Enteignungsentschädigung, nämlich 34.162,01 EUR an „enteignetem Geldvermögen“ wegen „Legalenteignung“ durch die Novellen zum Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz (TFLG) LGBl 7/2010 und 70/2014; diesem enteigneten Geldvermögen entspreche als angemessene Enteignungsentschädigung ein Geldbetrag in identer Höhe. Ungeachtet einer seit Jahrzehnten rechtskräftigen Entscheidung der Agrarbehörde aus dem Jahr 1967, die zu Gunsten der Erstklägerin als Eigentümerin und zu Gunsten der Rechtsvorgänger der weiteren Kläger als aliquot anteilsberechtigte Mitglieder ausgefallen sei, habe der Landesgesetzgeber die Kläger entschädigungslos enteignet und deren agrargemeinschaftliches Vermögen der Beklagten überlassen. Der Erstklägerin sei damit das Eigentum am Regulierungsgebiet und allen damit verbundenen Vermögenswerten entzogen worden. Alle Verfügungsbefugnisse über dieses Eigentum und die Erträgnisse würden seither dem Staat, vertreten durch den Substanzverwalter als Gemeindeorgan, zustehen. Auch wenn diese Enteignungsmaßnahmen im öffentlichen Interesse geboten sein könnten, erfordere eine verfassungskonforme Enteignung nach herrschender Lehre und der Judikatur des EGMR zu Art 1 des 1. ZP zur EMRK außerdem einen angemessenen Interessenausgleich zwischen dem enteigneten Eigentümer und der Allgemeinheit. Die TFLG-Novelle 2014 entziehe den Klägern das Eigentum am Regulierungsgebiet und sämtliche wertsteigernden Leistungen aus jahrzehntelanger Verwaltung sowie zusätzlich die angesparten Rücklagen und die laufenden Einnahmen ohne angemessene Entschädigung. Die Klage fordere anteiligen angemessenen Wertausgleich nach Art 1 des 1. ZP zur EMRK. Die Durchsetzung des hier erhobenen Anspruchs sei bereits mit Antrag vom 30. Juni 2016 bei der Agrarbehörde versucht, von dieser jedoch – bestätigt durch das Landesverwaltungsgericht Tirol – zurückgewiesen worden. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) habe die Behandlung der gegen dieses Urteil eingebrachten Beschwerde mit Beschluss vom 28. September 2018 E 1077/2017-5 abgelehnt (Leitentscheidung E 1006/2017-14 vom 28. September 2017). Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) habe die Rechtsauffassung des VfGH bestätigt (Leitentscheidung Ra 2017/07/0183 bis 0213-3 vom 19. Februar 2018). Gemäß Art 137 B-VG erkenne der VfGH nur subsidiär über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, die Länder, die Gemeinden und die Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind. Für die verfahrensgegenständlichen Ansprüche auf Enteignungsentschädigung sei daher die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte anzunehmen.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs im engeren Sinn a limine zurück. Ansprüche, die mit typisch öffentlich-rechtlichen Ansprüchen in untrennbarem Zusammenhang stünden, seien dem öffentlichen Recht zugewiesen. Von der Rechtsprechung sei bereits mehrfach betont worden, nach der Intention des Gesetzgebers seien alle agrargemeinschaftlichen Angelegenheiten weitestgehend aus der gerichtlichen Kompetenz herauszuhalten. Dies müsse auch für einen aus dem öffentlich-rechtlichen Rechtsakt der Enteignung resultierenden Anspruch auf Enteignungsentschädigung gelten. Es bleibe auf Art 137 B-VG zu verweisen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionrekurs zu. Die Kläger könnten sich mit Rücksicht auf die Judikatur des VfGH (VfSlg 18.446) nicht erfolgreich auf eine „Legalenteignung“ berufen. Somit sei auch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (OGH) zur Zulässigkeit des Rechtswegs bei „Legalenteignung“ (RIS-Justiz RS0038752) hier nicht einschlägig. In Wahrheit werde gar keine Enteignungsentschädigung begehrt. Es liege auch kein „privatrechtlicher“ Anspruch vor. Die Berufung der Kläger auf Art 1 des 1. ZP zur EMRK laufe auf eine Staatshaftung hinaus, nämlich darauf, dass ein Höchstgericht bzw der Landesgesetzgeber gegen europäische Menschenrechtsstandards verstoße. Für daraus abgeleitete vermögensrechtliche Nachteile ergebe sich – analog zu unionswidrigen Rechtsverletzungen durch Gesetzgebung und höchstgerichtliche Erkenntnisse – die Zuständigkeit des VfGH nach § 137 B-VG.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil zur Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs für Ansprüche aus der behaupteten, zahlreiche Agrargemeinschaften betreffenden „Legalenteignung“ durch die Novellen 2010 und 2014 zum TFLG Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

Mit ihrem Revisionsrekurs streben die Kläger die Abänderung im Sinne des Auftrags zur Einleitung des ordentlichen Verfahrens über die Klage beim Erstgericht an. Die Erstklägerin sei eine sogenannte atypische Gemeindegutsagrargemeinschaft nach Tiroler Landesrecht. Mit den Novellen 2010 und 2014 zum TFLG seien für jede atypische Gemeindegutsagrargemeinschaft sogenannte Substanzverwalter eingesetzt worden, die über das gesamte agrargemeinschaftliche Vermögen, einschließlich Grund und Boden sowie angesparte Rücklagen zugunsten der jeweiligen Gemeinde („substanzberechtigte Gemeinde“) verfügen. Die Beklagte besitze deshalb erst seit diesen Novellen zum TFLG ein Anteilsrecht, welches die gesamte Substanz der Erstklägerin umfasse. Die Zuständigkeit der Agrarbehörde für die von den Klägern dort beantragte Fortsetzung des Regulierungsverfahrens in dem Sinn, dass den Klägern Entschädigung für die Wegnahme des Substanzrechts zugesprochen werde, sei von den Tiroler Agrarbehörden, dem VfGH und dem VwGH verneint worden. Dies, obwohl gemäß dem (mit dem Revisionsrekurs vorgelegten) Rechtsgutachten die Agrarbehörde für ein solches „fortgesetztes Regulierungsverfahren“ zuständig gewesen wäre. Die Entscheidung der Entschädigungsfrage sei nämlich ebenso der Sachmaterie „Bodenreform“ zuzuordnen wie die Zuordnung der Substanz an die Gemeinde (Art 12 Abs 3 B-VG) und die Entscheidung der Konsequenzen daraus (angemessener Wertausgleich). Es liege keine Entschädigungs-(gemeint wohl: Staatshaftungs-)klage wegen „Legalenteignung“ vor, weil sich diese gegen den Landesgesetzgeber richten müsste. Rechtsgrund der Klage sei vielmehr, dass der Beklagten von der Agrarbehörde in Umsetzung eines Erkenntnisses des VfGH (VfSlg 18.446) das gesamte Eigentum der Erstklägerin und damit der gesamte Wert der Anteilsrechte der weiteren Kläger rechtskräftig zugewiesen worden sei. Das stelle eine materielle Enteignung dar, die „gemäß innerstaatlichem österreichischen Recht sowie gemäß dem 1. ZP zur EMRK sowie darüber hinaus nach EU-Recht nur gegen angemessenen Wertausgleich erfolgen“ könne. Wegen (angeblicher) Unzuständigkeit der Agrarbehörde verbleibe nur eine Gerichtszuständigkeit, allenfalls die subsidiäre Zuständigkeit des VfGH nach Art 137 B-VG.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt:

Rechtliche Beurteilung

1. Bestätigende Beschlüsse sind gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO grundsätzlich unanfechtbar, es sei denn, die Klage wurde – wie im vorliegenden Fall – ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen (formalrechtlich begründete Klagezurückweisung [RIS-Justiz RS0044487]), sodass im Ergebnis eine endgültige Verweigerung der Sachentscheidung über das Rechtsschutzbegehren vorliegt (RIS-Justiz RS0044536). Das (Revisions-)Rekursverfahren gegen eine a-limine-Zurückweisung der Klage ist einseitig (4 Ob 70/18z mwN). Der Beklagte ist am Rechtsmittelverfahren daher nicht zu beteiligen, ist aber auch an die im a-limine-Verfahren ergehende Zuständigkeitsentscheidung nicht gebunden (RIS-Justiz RS0039200).

2. Ob die Zivilgerichte zur Entscheidung berufen sind, also der Rechtsweg (= Gerichtsweg) zulässig ist, hängt nach § 1 JN davon ab, ob ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch geltend gemacht wird, und ob dieser nicht durch Gesetz ausdrücklich vor eine andere Behörde verwiesen wird (RIS-Justiz RS0045584 [T32]).

2.1. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs sind der Wortlaut des Klagebegehrens und der Klagesachverhalt (die Klagebehauptungen) maßgebend, also die Natur und das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist (RIS-Justiz RS0045584 [T7, T20, T30, T71]; RS0045644 [T13, T19, T20]; RS0045718 [T1, T14, T30, T40]; RS0005896 [T1]). Die inhaltliche Berechtigung des vom Kläger behaupteten Anspruchs ist für die Frage der Rechtswegzulässigkeit hingegen unerheblich; darüber ist erst in der Sachentscheidung abzusprechen. Ebenfalls ohne Einfluss ist, was der Beklagte inhaltlich einwendet (RIS-Justiz RS0045491 [T2]; RS0045718 [T9, T11, T12]; RS0045644 [T13]; RS0005896 [T23]).

2.2. Im Einzelfall wird die Zuweisung zum Bereich des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts in der Regel durch gesetzliche Bestimmungen getroffen, die entweder das betreffende Rechtsgebiet ausdrücklich als öffentliches Recht bezeichnen oder eine Zuweisung an die Verwaltungsbehörden oder Gerichte zum Ausdruck bringen (RIS-Justiz RS0045438 [T7]). Eine Ausnahme von der Gerichtszuständigkeit muss aus den hiefür erforderlichen „besonderen Gesetzen“ aber klar und unzweideutig hervorgehen. Eine ausdehnende Auslegung von Vorschriften, die eine Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde normieren, ist unzulässig (RIS-Justiz RS0045474). Im Zweifel müssen bürgerliche Rechtssachen gemäß § 1 JN mangels ausdrücklicher anderer Anordnung durch die Gerichte entschieden werden (RIS-Justiz RS0045456).

3. Die Kläger begründen ihr Zahlungsbegehren im Kern damit, die Beklagte sei als durch eine im TFLG normierte „Legalenteignung“ Enteignungsbegünstigte aufgrund des Art 1 des 1. ZP zur EMRK verpflichtet, den Klägern eine angemessene Enteignungsentschädigung zu leisten.

Die von den Klägern erstmals im Revisionsrekurs erhobene Tatsachenbehauptung, ihr Liegenschaftseigentum sei mit Erkenntnis des Tiroler Landesagrarsenats vom 26. April 2012, LAS-1153/4-11, als atypisches Gemeindegut qualifiziert, die entsprechenden Anmerkungen im Grundbuch vorgenommen und das gesamte Eigentum der Erstklägerin und damit der gesamte Wert der Anteilsrechte der weiteren Kläger der beklagten Gemeinde rechtskräftig zugewiesen worden, verstößt gegen das Neuerungsverbot und muss deshalb bei den weiteren Überlegungen unbeachtet bleiben (RIS-Justiz RS0053062 [T1, T3]).

3.1. Auch wenn die Kläger die von ihnen monierte, landesgesetzlich vorgesehene entschädigungslose Enteignung offenbar für verfassungswidrig halten, ist ihr Klagebegehren also allein darauf gerichtet, die beklagte Gemeinde zur Zahlung einer Enteignungsentschädigung zu verpflichten. Den Rechtsgrund dafür erblicken sie in einem (verfassungs-)gesetzlichen Entschädigungsgebot.

3.2. Die Interpretation des Vorbringens der Kläger durch das Rekursgericht, diese machten einen sogenannten Staatshaftungsanspruch wegen legislativen Unrechts bzw wegen eines Verstoßes eines Erkenntnisses des VfGH gegen europäische Menschenrechtsstandards geltend, ist daher nicht aufrecht zu erhalten: Steht dieser Auslegung doch schon die hier allein in Anspruch genommene Beklagte entgegen.

3.3. Ebensowenig kann dem Rekursgericht gefolgt werden, der verfolgte Klageanspruch stelle gar keine Enteignungsentschädigung dar, sondern sei ein „Überling“, der aus dem nach wie vor der Gemeinde zustehenden Substanzwert erfließe und dieser zustehe. Tatsächlich haben die Kläger nämlich insoweit bloß die Höhe der begehrten Enteignungsentschädigung am ihrer Meinung nach enteigneten Geldvermögen bemessen.

3.4. Soweit das Rekursgericht auch eine materiell-rechtliche Beurteilung des Klagevorbringens dahin vornimmt, dass die behauptete „Legalenteignung“ nicht vorliege, weil die Gesetzesnovellen der Umsetzung der Judikatur des VfGH entsprechen, der ohne die Novellierung des TFLG eine entschädigungslose Enteignung der Gemeinden erkannt habe, setzt es sich – im derzeitigen Verfahrensstadium verfrüht – mit der inhaltlichen Berechtigung der Klage auseinander, auf die bei Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht einzugehen ist.

3.5. Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch ist somit – entgegen der Ansicht des Rekursgerichts  – auf Entschädigung nach Enteignung gerichtet.

4. Dieser Entschädigungsanspruch ist jedoch nach herrschender Ansicht ungeachtet des öffentlich-rechtlichen Charakters der Enteignung privatrechtlicher Natur (VfGH G 1/88 ua VfSlg 11.760; .4 Ob 174/17t; RIS-Justiz RS0034571; RS0084034; vgl auch RS0010826), woran selbst eine vorläufige verwaltungsbehördliche Bemessung nichts ändert (VfGH KI-2/76 VfSlg 8065; Leupold in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang³ § 365 ABGB Rz 19; Winner in Rummel/Lukas ABGB4 § 365 Rz 45; Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 365 Rz 9 je mwN).

4.1. Ob an diesem privatrechtlichen Charakter des Entschädigungsanspruchs auch in den Fällen festzuhalten ist, in denen – wie hier – eine Entschädigung nach „Legalenteignung“ begehrt wird, obwohl eine eine Entschädigung vorsehende Gesetzesbestimmung fehlt, kann aber – im Hinblick auf die nachfolgend dargelegten Überlegungen – dahingestellt bleiben (erkennbar abl, weil die privatrechtliche Natur mangels gesetzlicher Anordnung einer Entschädigungspflicht verneinend: Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 365 Rz 9; Winner in Rummel/Lukas ABGB 4 § 365 Rz 28; Spielbüchler in Rummel³ § 365 ABGB Rz 8):

4.2. Die Zuständigkeit ordentlicher Gerichte zur Entscheidung auch über solche Begehren im außerstreitigen Verfahren wurde schon mehrfach bejaht (VfGH A 2/74 VfSlg 7421 und 5 Ob 241/75 [zum Mietengesetz]; .4 Ob 513/84 [zum Atomsperrgesetz], 1 Ob 219/01i = SZ 74/180 [zum Staatsvertrag 1955]; 1 Ob 137/02g [zur Aufrechterhaltung einer Flächenwidmung]; RIS-Justiz RS0005931; RS0038752).

4.3. Ausgangspunkt dieser Judikatur war gerade eine Entscheidung des VfGH zu einem ähnlich gelagerten Fall (Entschädigung für Enteignung des Ertrags der Nutzung und der Verfügungsmöglichkeit über das Eigentum an einem Haus zufolge der Bestimmungen des Mietengesetzes), in der die Klage gemäß Art 137 B-VG gegen die Republik Österreich mit der Begründung zurückgewiesen wurde, auf solche Entschädigungsansprüche sei Art 13 Verwaltungsentlastungsgesetz (VEG), BGBl 1925/277, anzuwenden, weshalb über dieses Begehren die ordentlichen Gerichte zu entscheiden hätten (VfGH A 2/74 VfSlg 7421). Dem hat sich der Oberste Gerichtshof in der Folge angeschlossen: Die Frage nach dem Vorliegen einer Enteignung könne im Falle einer angeblichen „Legalenteignung“ auch ohne weiteres als Vorfrage eines im Verfahren außer Streitsachen erhobenen Entschädigungsanspruchs geprüft werden, gelte doch Art 13 VEG auch für solche Enteignungen. In solchen Fällen ersetze das angebliche Enteignungsgesetz den Individualbescheid, weshalb – unabhängig von der Frage, ob der Entschädigungsanspruch berechtigt sei, – ein Entschädigungsantrag unmittelbar an das nach dem EisbEG 1954 zuständige Gericht gestellt werden könne. Es falle daher auch ein unmittelbarer Eingriff in das Eigentumsrecht durch eine generelle Norm in den Anwendungsbereich des Art 13 VEG (1 Ob 219/01i; 1 Ob 137/02g).

Gemäß Art 13 VEG fanden, sofern die Gesetze Enteignungen zulassen und nichts anderes anordnen, für das bei der Durchführung der Enteignung und bei der Festsetzung der Entschädigung zu beobachtende Verfahren sinngemäß die Bestimmungen des EisbEG Anwendung. Dieses sah bis zum 31. Dezember 2004 die (ausschließliche) gerichtliche Feststellung der Entschädigung vor (§ 22 Abs 1 leg cit), und zwar durch das Bezirksgericht (§ 23 Abs 2 leg cit) nach den Grundsätzen des Verfahrens außer Streitsachen (§ 24 Abs 1 leg cit).

4.4. Diese Judikatur ist zwar insofern überholt, als Art 13 VEG durch BGBl I 2001/137 mit Ablauf des 31. Dezember 2006 aufgehoben und – ungeachtet der in den ErläutRV 723 BlgNR 21. GP 12 für erforderlich gehaltenen Ersatzregelung – nicht ersetzt wurde. Demgemäß wird aber in der Lehre einhellig die Schließung dieser Lücke durch die Anwendung des EisbEG als „allgemeines Enteignungsgesetz“ verlangt (Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.04 § 365 Rz 5; Leupold in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang³ § 365 ABGB Rz 14; Winner in Rummel/Lukas ABGB4 § 365 Rz 12; Eccher/Riss in KBB5 § 365 ABGB Rz 4).

5. Angesichts des Fehlens einer vom Gesetzgeber beabsichtigten, letztlich aber doch nicht geschaffenen Ersatzregelung für Art 13 VEG besteht kein Zweifel am Vorliegen einer (seit 1. Jänner 2007 bestehenden) planwidrigen Unvollständigkeit des Regelwerks (vgl 3 Ob 136/15v = RIS-Justiz RS0008866 [T35]) im Sinn des nunmehr fehlenden Auffangtatbestands für den Fall, dass zwar (materielle) Enteignungen vorgesehen werden, jedoch ungeregelt ist, wie daraus resultierende Ansprüche auf Entschädigung geltend zu machen sind.

5.1. Angesichts zahlreicher Verweisungen auf das EisbEG in vielen bundes- und landesgesetzlichen Enteignungsbestimmungen wird dem EisbEG die Funktion eines allgemeinen Enteignungsgesetzes zugeschrieben und es ist als „Rückgrat des österreichischen Enteignungsrechts“ zu betrachten (Kathrein, Neues im Enteignungsrecht, ZVR 2006/16, 70 ff [Punkt A.]); dieser Umstand wurde ja zuvor durch Art 13 VEG zum Ausdruck gebracht. Es liegt daher auf der Hand, die entstandene Lücke im Wege der Analogie zu schließen und so die verfahrensrechtlichen Regelungen des EisbEG (wieder) zur Anwendung zu bringen.

5.2. Allerdings hat das EisbEG durch Art XIII des AußStr-BegleitG, BGBl I 2003/112 gerade im Bereich der Kompetenz für die Feststellung der Enteignungsentscheidung seit 1. Jänner 2005 eine wesentliche Änderung erfahren. Nunmehr ist nämlich gemäß § 17 Abs 2 leg cit im Enteignungsbescheid auch über die Entschädigung abzusprechen, wogegen keine Berufung zulässig ist, sondern nur die Anrufung des für die Ausübung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen betraute Landesgericht zwecks Festsetzung der Entschädigung (§ 18 Abs 1 und 2 sowie § 22 leg cit). Das gerichtliche Verfahren richtet sich (wie bisher) nach den allgemeinen Bestimmungen des AußStrG (§ 24 leg cit).

Damit ist (auch) im EisbEG nunmehr eine sogenannte sukzessive Kompetenz vorgesehen, die darin besteht, dass – anders als bisher – in bestimmten Fällen vor der Antragstellung im Außerstreitverfahren zwingend ein Verwaltungsverfahren zur bloß vorläufigen Entscheidung durchzuführen ist und mit der Anrufung des Gerichts die Entscheidung der Verwaltungsbehörde außer Kraft tritt und ein neues Verfahren vor Gericht beginnt (Ballon in Fasching/Konecny³ § 1 JN Rz 13).

5.3. Eine weitere Neuerung besteht darin, dass als Erstgericht nicht mehr ein Bezirksgericht, sondern das Landesgericht, in dessen Sprengel der Gegenstand der Enteignung liegt, vorgesehen ist. Nach Art XXXII § 15 AußStr-BegleitG ist überdies mit dem 1. Jänner 2005 auch in anderen Bundesgesetzen, in denen zur Entscheidung über die Entschädigung das Bezirksgericht berufen ist, an dessen Stelle das örtlich zuständige Landesgericht getreten. Diese sogenannte „Regenschirmklausel“ erfasst alle bundesgesetzlichen (auch grundsatzgesetzlichen) Regelungen über die gerichtliche Zuständigkeit für das Verfahren über die Feststellung oder Festsetzung der Entschädigung (Kathrein, Neues im Enteignungsrecht, ZVR 2006/16, 70 ff [Punkt E.1.]), womit der Wunsch des Gesetzgebers dokumentiert ist, eine Vereinheitlichung der Zuständigkeitsregelung zu erreichen.

5.4. Den genannten Normen ist daher zusammenfassend unzweifelhaft zu entnehmen, dass der (Bundes-)Gesetzgeber beabsichtigte, die endgültige Bestimmung der Enteignungsentschädigung durch ein (ziviles) Landesgericht im Außerstreitverfahren vornehmen zu lassen, welches dann zuständig werden soll, wenn die vorläufige Entscheidung darüber im Enteignungsbescheid von den Parteien nicht akzeptiert wird. Weshalb diese generelle Zuständigkeit für die endgültige Festsetzung der Enteignungsentschädigung nicht auch im Fall einer angeblichen „Legalenteignung“ unmittelbar durch Gesetz zur Anwendung kommen sollte, selbst wenn es sich dabei um ein Landesgesetz handelt, das dafür keine Regeln enthält, ist nicht erkennbar.

5.5. Auch die nunmehr vorgesehene sukzessive Kompetenz stellt dafür kein Hindernis dar; versteht sich doch von selbst, dass im Fall einer – ein vorausgehendes Enteignungsverfahren entbehrenden – „Legalenteignung“ eine vorläufige Festsetzung der Enteignungsentschädigung in einem Enteignungsbescheid ausgeschlossen ist. Die auch in diesem Fall gebotene (und zuvor in Art 13 VEG angeordnete) sinngemäße, das heißt angepasste Anwendung der Regeln des EisbEG führt daher zu einer unmittelbaren Zuständigkeit des Landesgerichts im Außerstreitverfahren.

6. Mit der durch Analogie hergeleiteten Verweisung des (gesetzlich nicht angeordneten, hier aber dennoch erhobenen) Entschädigungsanspruchs in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte steht die schon in der Mahnklage dargestellte Rechtsansicht des VfGH in dem von den Klägern als „Leitentscheidung E 1006/2017-14 vom 28. September 2017“ bezeichneten Erkenntnis im Einklang. Der VfGH verneint damit – in Übereinstimmung mit dem VwGH (vgl Ra 2017/07/0183) – die Zuständigkeit der Agrarbehörden für ein Entschädigungsbegehren, wie es der vorliegenden Klage entspricht. Davon abzugehen sieht der erkennende Senat keinen Anlass.

Die Kläger kritisieren zwar diese Rechtsansicht, können aber weder in erster Instanz noch im Rechtsmittelverfahren eine gesetzliche Bestimmung nennen, aus der die – bereits erfolglos in Anspruch genommene – Zuständigkeit der Agrarbehörde für den identen Antrag konkret abzuleiten wäre. Soweit sie auf das mit dem Revisionsrekurs vorgelegte private Rechtsgutachten Bezug nehmen, genügt der Hinweis, dass der Oberste Gerichtshof nicht verpflichtet ist, darauf einzugehen (RIS-Justiz RS0043585 [T2]).

7. Da eine Zuweisung des hier geltend gemachten Entschädigungsanspruchs an die Verwaltungsbehörden zu verneinen ist, hat darüber das (ohnehin angerufene) Landesgericht Innsbruck als einzig in Tirol infrage kommendes Landesgericht zu entscheiden, allerdings nicht in einem Zivilprozess, sondern im Außerstreitverfahren.

8. Die Kläger hätten ihr Begehren also statt mit einer Klage mit einem entsprechenden Antrag im Außerstreitverfahren geltend zu machen gehabt, weshalb die Klage in einen verfahrenseinleitenden Antrag umzudeuten ist (RIS-Justiz RS0116390). § 40a JN ist auch dann anzuwenden, wenn sich die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs erst im Rechtsmittelverfahren herausstellt (RIS-Justiz RS0046245), sofern – wie hier – noch keine bindende Gerichtsentscheidung über diese Voraussetzung ergangen ist (3 Ob 217/17h; RIS-Justiz RS0046245 [T13]). Demgemäß ist nach § 40a JN auszusprechen, dass die Klage als Antrag im außerstreitigen Verfahren zu behandeln ist.

9. Zu betonen ist, dass die Bejahung der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte und der Anwendung des AußStrG von der Beurteilung der materiell-rechtlichen Frage der Berechtigung des gesetzlich nicht vorgesehenen Entschädigungsanspruchs gänzlich losgelöst ist, wozu der Oberste Gerichtshof im aktuellen Verfahrensstadium noch nicht Stellung zu nehmen hat.

Im fortgesetzten Verfahren wird jedoch zu prüfen sein, ob überhaupt eine Enteignung vorliegt und die sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung einer Entschädigung bestehen (1 Ob 219/01i; RIS-Justiz RS0038752; RS0005931 [T2]). Ob der Wille des Gesetzgebers dahin geht, keine Entschädigung zu gewähren, kann nicht nur den amtlichen Erläuterungen des Gesetzesantrags entnommen, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte, dem Anlass und dem erkennbaren Zweck des Gesetzes ermittelt werden; auch daraus kann festgestellt werden, ob das Schweigen des Gesetzgebers zu der Entschädigungsfrage die Bedeutung hat, dass er diesen Anspruch bewusst nicht gewähren wollte oder ob eine planwidrige Lücke vorliegt, die nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zu füllen wäre (4 Ob 513/84 [14. 10. 1986] = SZ 59/167).

10. Die Kostenentscheidung, die sich nach der für die Anfechtbarkeit des bekämpften Beschlusses maßgebenden Verfahrensart richtet, die durch den verfahrenseinleitenden Antrag bestimmt wird (RIS-Justiz RS0046245 [T5]), gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

 

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