OGH 15Os26/24y

OGH15Os26/24y15.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Mai 2024 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin FI Jäger in der Strafsache gegen * M* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * S* und Mag. * A* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. Dezember 2023, GZ 56 Hv 53/23g‑680, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00026.24Y.0515.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten * S* und Mag. * A* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Angeklagten * M* und rechtskräftige Freisprüche aller Angeklagter enthaltenden Urteil wurden * S* und Mag. * A* jeweils des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, und zwar S* als Täter durch sonstigen Beitrag nach § 12 dritter Fall und A* teils als unmittelbarer Täter, teils als Bestimmungstäter nach § 12 erster und zweiter Fall StGB.

[2] Danach haben mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich und Dritte unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren Betrugshandlungen längere Zeit hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, wobei sie von Beginn an zahlreiche derartige Taten bereits im Einzelnen geplant hatten und außerdem mehr als zwei solche Taten begingen

A./ in W* und andernorts andere durch Täuschung über Tatsachen, konkret durch die Vorgabe, von ihnen geplante Projekte, an welchen man sich gegen hohe Renditen beteiligen könnte, würden durch vermeintlich zur Verfügung stehende Großinvestoren in Millionenbeträgen finanziert werden, wenn im Vorfeld anfallende Gebühren, welche für die Gründung von US‑Corporations, über die dann die Kapitalisierung abgewickelt werden sollte, bezahlt würden, während tatsächlich niemals Investoren für die versprochenen Millionenbeträge zur Verfügung standen, zudem die bezahlten Beträge nur zu einem äußerst geringen Teil für die Eintragung von US‑Corporations notwendig gewesen wären und unter den am Betrug Beteiligten und von diesen Begünstigten verteilt wurden, zu Handlungen, nämlich Zahlungen in einem jeweils 5.000 Euro übersteigenden Betrag verleitet, durch welche die Opfer in einem insgesamt 300.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen geschädigt wurden, und zwar

I./ Mag. A* überwiegend als unmittelbarer Täter, teils als Bestimmungstäter

1./ am 7. Oktober 2015 * C* zur Zahlung von 70.000 Euro;

2./ am 22. Oktober 2015 * T* als Verantwortlichen der Al* GmbH zur Zahlung von 70.000 Euro;

3./ vor dem 6. November 2015 über * Ci* den * B* zur (über seine Veranlassung durch seinen Vater darlehensweise erfolgten) Zahlung von 70.000 Euro;

4./ am 1. Dezember 2015 * R* als Verantwortlichen der SA* GmbH zur Zahlung von 35.000 Euro;

5./ vor dem 6. November 2015 (über Vermittlung durch * Ai* und * N*) * F* zur Zahlung von 70.000 Euro;

6./ am 10. November 2015 über * Ba* * Sc* zur Zahlung von 70.000 Euro;

II./ M* als unmittelbarer Täter am 22. Juni 2015 * St* zur Zahlung von 70.000 Euro mit der zu den oben dargestellten Vorgaben betreffend die Gründung einer US‑Corporation mit SEC‑Zulassung ergänzenden Erklärung, dass nach Erhalt dieses Betrags über einen Geschäftspartner mit besten Beziehungen (gemeint S*) eine Online-Bank gegründet werde, um hinkünftig ertragreiche Investitionen selbst abwickeln zu können, wobei er St* zusicherte, ihm den Betrag von 70.000 Euro binnen 14 Tagen zurück zu zahlen und ihn zudem an der zu gründenden Bank wirtschaftlich zu beteiligen;

B./ von 14. April 2015 bis Ende 2015 an verschiedenen Orten in Österreich und in Slowenien M* den Mag. A* zu den zu Punkt A./I./ beschriebenen Tathandlungen bestimmt, indem er ihn zur Schließung der unmittelbaren betrügerischen Verträge mit den zu Punkt A./I./ genannten Opfern und Annahme und Weiterleitung der von diesen täuschungsbedingt zu zahlenden Beträge veranlasste und zu dessen Ausführung gemeinsam mit S* – dieser auch zur unmittelbaren Tatausführung des M* zu Punkt A./II./ – psychisch und in tatsächlicher Hinsicht beigetragen, indem sie im Sinne des von ihnen ersonnenen betrügerischen Tatplans nach Gründung der H* d.o.o. durch M*, den als Geschäftsführer dieses slowenischen Unternehmens eingesetzten * K* in Vorbereitung für auf Konten dieses Unternehmens in Empfang zu nehmende und weiterzuleitende Zahlungen instruierten und teils über * W* Geschädigte aus ihren früheren unternehmerischen Tätigkeiten an Mag. A* vermittelten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richten sich die von S* auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO sowie von Mag. A* auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 9 lit a und 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, denen keine Berechtigung zukommt.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*:

[4] Soweit die Mängelrüge eine Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) im Zusammenhang mit den Konstatierungen zum Tatplan darin erblickt, dass es nicht erkennbar sei, ob der Beschwerdeführer die Vorgabe exorbitant hoher Renditen oder die Vorgabe der Finanzierung der Projekte durch Investoren gebilligt habe, ist der Nichtigkeitswerber darauf zu verweisen, dass der festgestellte Tatplan (worauf ohnedies auch die Beschwerde hinweist) beide Varianten kumulativ umfasst (US 8 bis 12, 19). Solcherart scheidet eine Undeutlichkeit iSd Z 5 erster Fall jedoch schon im Vorhinein aus, liegt eine solche nämlich nur dann vor, wenn den Feststellungen unter Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe nicht unzweifelhaft zu entnehmen ist, welche entscheidenden Tatsachen das Gericht als erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen dies geschehen ist (RIS‑Justiz RS0089983 [T3]).

[5] Das Gutachten des Sachverständigen MMag. Dr. * Ko* hat das Schöffengericht entgegen dem Vorbringen der Mängelrüge (nominell Z 5 erster Fall, inhaltlich Z 5 zweiter Fall) sehr wohl berücksichtigt (US 23).

[6] Soweit die Mängelrüge (nominell Z 5 erster Fall, in der Sache Z 5 vierter Fall) eine fehlende Begründung der Feststellung der Zustimmung des Beschwerdeführers zur Verwendung des von R* täuschungsbedingt überwiesenen Betrags von 35.000 Euro zur Rückerstattung an frühere Kunden der I* Inc. (US 18) kritisiert, spricht sie keine entscheidenden Tatsachen an, lag die für die Vermögensverschiebung kausale Täuschung auch in diesem Fall in der wahrheitswidrigen Vorgabe hoher Renditen und der Kapitalisierung einer in den USA zu gründenden Corporation (US 14 f). Hievon ausgehend ist weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage von Bedeutung, somit nicht entscheidend (RIS‑Justiz RS0106268), ob der Beschwerdeführer zugestimmt hat, dass der Betrag nachfolgend nicht auf ein Konto der H* d.o.o. überwiesen, sondern zur Schadensgutmachung von früheren Kunden der I* Inc. verwendet wird.

[7] Die subjektive Einschätzung des Zeugen R*, nicht zu glauben, getäuscht worden zu sein (ON 672 S 7), bedurfte schon deshalb keiner Erörterung, weil Gegenstand des Zeugenbeweises nur wahrgenommene Tatsachen, nicht jedoch Meinungen oder Schlüsse sind (RIS‑Justiz RS0097573 [T5]).

[8] Das weitere Vorbringen, die Tatrichter seien im Zusammenhang mit dem Opfer St* eine Begründung schuldig geblieben, „wann dem Angeklagten S* die Änderung des Tatplans zur Kenntnis gelangt ist“ (nominell Z 5 erster Fall), und die Zurverfügungstellung einer Kontoverbindung sei nicht strafbar, entspricht keiner Anfechtungskategorie der Mängelrüge.

[9] Weshalb das Unterlassen der Berücksichtigung der von der Staatsanwaltschaft Oldenburg verfügten Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdeführer und W* im Zusammenhang mit Geschäften der nicht gegenständlichen I* Inc. Nichtigkeit (Z 5 zweiter Fall) begründen sollte, wird nicht klar.

[10] Die vom Beschwerdeführer vermisste Begründung der Feststellung zur Vermittlung von Geschädigten aus früheren unternehmerischen Tätigkeiten an Mag. A* durch ihn (nominell Z 5 zweiter Fall, in der Sache Z 5 vierter Fall) findet sich auf US 23 f.

[11] Die Kritik, die Tatrichter hätten „unerörtert gelassen, dass alle Gesellschaften nach Verordnung D bei SEC registriert sind und in diesem Sinn die versprochene 'SEC-Zulassung' aufweisen“, lässt die erforderliche Bezugnahme auf ein diesbezügliches (in der Hauptverhandlung vorgekommenes) Verfahrensergebnis vermissen (siehe aber RIS‑Justiz RS0118316 [T4, T5]).

[12] Soweit die Mängelrüge die Beweiswürdigung zum „Faktum Dr. * Ho*“ kritisiert, bekämpft sie den diesbezüglichen Freispruch (US 6) und ist solcherart nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt.

[13] Die Kritik (Z 5 zweiter Fall) an der Unterlassung der Berücksichtigung der Aussagen der im Ermittlungsverfahren als potentiell Geschädigte vernommenen, letztlich jedoch weder anklage- noch urteilsgegenständlichen Zeugen Sch* (ON 321) und G* (ON 335) lässt einen Urteilsbezug nicht erkennen (vgl aber RIS‑Justiz RS0130729).

[14] Die Einschätzung der Zeugin C*, nicht das Gefühl gehabt zu haben, getäuscht worden zu sein (ON 672 S 13), wurde von den Tatrichtern ohnedies gewürdigt (US 28; siehe im Übrigen neuerlich RIS‑Justiz RS0097573).

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mag. A*:

[15] Die eine Verletzung des „§ 270“ (ersichtlich gemeint: § 260 Abs 1 Z 1) StPO monierende Verfahrensrüge (Z 3) behauptet eine Undeutlichkeit des Referats der entscheidenden Tatsachen im Zusammenhang mit der Beteiligungsform. Sie übersieht, dass die Beteiligungsform keine entscheidende (also für Schuldspruch oder Subsumtion maßgebliche) Tatsache betrifft (RIS‑Justiz RS0013731) und somit eine allfällige Undeutlichkeit (auch) im Lichte der Z 3 unbeachtlich ist (vgl RIS‑Justiz RS0120334, RS0116587 [T9]).

[16] Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren gesetzlich nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung.

[17] Weshalb die in der Beschwerde wiedergegebenen Angaben der Zeugen C* und R* in erörterungsbedürftigem Widerspruch zu den in tatsächlicher Hinsicht angenommenen Tathandlungen stehen soll, legt die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht dar (vgl aber RIS‑Justiz RS0098646 [T8]).

[18] Die jeweilige subjektive Einschätzung der Zeugen, nicht getäuscht worden zu sein (ON 672 S 7 bzw S 13), bedurfte – wie bereits zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S* ausgeführt – keiner Erörterung (neuerlich RIS‑Justiz RS0097573).

[19] Die vom Beschwerdeführer vermissten Feststellungen zur Täuschungshandlung zu A./I./1./ (nominell Z 5, in der Sache Z 9 lit a) finden sich auf US 8 f und 12 („Mag. * A* erzählte ihr [im Sinne der obigen Ausführungen] von der Finanzierungsmöglichkeit [….] die versprochene Kapitalisierung blieb allerdings aus“).

[20] Weshalb die „widerrechtliche Verwendung“ der täuschungsbedingt lukrierten Gelder ein Tatbestandsmerkmal des Betrugs sein sollte, leitet die einen diesbezüglichen Rechtsfehler mangels Feststellung behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (siehe aber RIS‑Justiz RS0116569, RS0116565).

[21] Ebenso wenig legt sie dar, weshalb über die tatrichterlichen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite des Beschwerdeführers (US 18 f) hinaus, weitere Feststellungen „über den Wissenstand des Eintritt des Vermögensschadens“ erforderlich sein sollten.

[22] Weshalb der festgestellte einmalige Empfang von 8.400 Euro angesichts der mehrfachen Tatbegehung iSd § 70 Abs 1 Z 3 StGB innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 70 Abs 3 StGB und der festgestellten Absicht des Beschwerdeführers, „sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrugshandlungen längere Zeit (mehrere Monate [US 31]) hindurch ein nicht bloß geringfügiges fortlaufendes Einkommen, jedenfalls in einem nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlichen 400 Euro übersteigenden Betrag zu verschaffen“ (US 19), die rechtliche Annahme der gewerbsmäßigen Begehung hindern sollte, legt die auf Z 9 lit a gestützte Rüge (in der Sache Z 10) nicht dar.

[23] Dem weiteren Vorbringen (nominell neuerlich Z 9 lit a, in der Sache Z 5 vierter Fall) zuwider begegnet die Ableitung der subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen (US 29 ff) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken (RIS‑Justiz RS0116882; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 452; Lendl, WK‑StPO § 258 Rz 24).

[24] Die von der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermissten Feststellungen zum Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz finden sich auf US 18 f.

[25] Schlussendlich gelangt die Rechtsrüge auch mit der Behauptung eines Rechtsfehlers mangels Feststellung hinsichtlich der (impliziten rechtlichen) Verneinung des Eintritts der Strafbarkeitsverjährung (Z 9 lit b) nicht zur prozessordnungskonformen Ausführung. Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Den tatsächlichen Bezugspunkt bildet dabei die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, zu deren Verdeutlichung das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) herangezogen werden kann. Von diesem Gesamtzusammenhang ausgehend ist zur Geltendmachung eines aus Z 9 oder Z 10 gerügten Fehlers klarzustellen, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen (einschließlich der Nichtfeststellung von Tatsachen) welche rechtliche Konsequenz (§§ 259, 260 Abs 1 Z 2 StPO) hätte abgeleitet werden sollen (RS0099810 [T31]).

[26] Angesichts der ausdrücklichen (auch unter Anführung des Datums erfolgten) Bezugnahme auf die Fortlaufhemmung bewirkende Vernehmung als Beschuldigter (§ 58 Abs 3 Z 2 StGB) vom 15. Jänner 2020 unter Verweis (vgl RIS‑Justiz RS0119301) auf die konkrete Ordnungsnummer in der Beweiswürdigung (US 27) erklärt die Rüge nicht, weshalb Verjährung eingetreten sein sollte.

[27] In Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur waren daher die Nichtigkeitsbeschwerden bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

[28] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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