OGH 11Os129/24s

OGH11Os129/24s13.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der FI Trsek als Schriftführerin in der Strafsache gegen * D* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 2 und Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen, (nunmehr) AZ 72 Hv 95/24b des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des * D* gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 16. Oktober 2024, AZ 17 Bs 313/24i (ON 355.3 der Hv‑Akten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00129.24S.1113.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit Beschluss vom 3. Juli 2024, AZ 17 Bs 207/24a (ON 214.3), gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des * D* gegen den Haftfortsetzungsbeschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 24. Juni 2024, AZ 331 HR 46/24f (ON 193), nicht Folge und setzte die über den Genannten mit Beschluss vom 8. März 2024 (ON 21) verhängte Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO fort. Die diesbezügliche Grundrechtsbeschwerde (ON 217.1) wies der Oberste Gerichtshof am 27. August 2024 ab (11 Os 85/24w; ON 302.3).

[2] Mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung (ON 355.3) wies das Oberlandesgericht Wien den gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 30. September 2024 (ON 341) erhobenen Einspruch des * D* (ON 346.2) ab, erklärte die Anklageschrift für rechtswirksam und setzte die Untersuchungshaft über den Genannten aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO fort (§ 214 Abs 3 StPO).

[3] Dabei ging es vom dringenden Verdacht aus (ON 355.3 S 12 iVm S 2 bis 7), * D* habe in Wi* und anderen Orten

A/ als Mitglied einer aus mindestens zehn Personen bestehenden, organisierten und auf längere Zeit, nämlich auf mehrere Jahre angelegten Verbindung, die auf die Begehung von Straftaten nach § 28a Abs 1 SMG ausgerichtet war, der neben ihm unter anderem 21 namentlich genannte Personen sowie zahlreiche weitere noch nicht ausgeforschte Täter angehörten,

I/ vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) vielfach übersteigenden Menge

1/ erzeugt bzw zu erzeugen versucht, und zwar

a/ in We* und anderen Orten im Zeitraum vom April 2018 bis April 2023 in zumindest 15 Anbauzyklen insgesamt zumindest 1.050 kg Cannabiskraut (beinhaltend durchschnittlich 10,17 % THCA und 0,76 % Delta‑9‑THC) erzeugt, indem er in arbeitsteiliger Vorgehensweise in der Betriebsstätte der Mi* M* GmbH in We* eine professionelle Cannabisplantage (mit‑)aufbaute und betrieb, wobei er die abgesondert verfolgten * R* und * I* beauftragte, die Elektroinstallationen für den Betrieb der Cannabisplantage (mit) zu errichten, Reparaturen der Anlage durchzuführen und während des Betriebs der Anlage bei elektronischen Problemen zur Verfügung zu stehen, die Setzlinge für die Plantage lieferte, bei der Ernte der Cannabispflanzen (mit‑)half, frische Erde für die folgenden Anbauzyklen brachte und die Abfälle nach den jeweiligen Ernten abtransportierte, wobei in der Cannabisplantage Cannabispflanzen bis zur Erntereife kultiviert und pro Erntezyklus jeweils durchschnittlich 70 kg Cannabiskraut gewonnen wurden;

b/ in Wei* und anderen Orten im Zeitraum von Jänner 2020 bis Februar 2023 in zumindest 12 Zyklen insgesamt zumindest 120 kg Cannabiskraut (beinhaltend durchschnittlich 10,41 % THCA und 0,79 % Delta‑9‑THC) erzeugt, indem er eine ca 50 m² große Cannabis‑Indoorplantage in einem nur dafür angemieteten ehemaligen Wirtshaus in Wei* betrieb, das eine Kapazität für ca 500 Cannabispflanzen hatte;

c/ in T* und anderen Orten im Zeitraum von zumindest Anfang Dezember 2023 bis zu seiner Festnahme am 5. März 2024 in einem Zyklus ca 39 kg Cannabiskraut (beinhaltend zumindest 5.210 g THCA und 398 g Delta‑9‑THC) erzeugt bzw zu erzeugen versucht, indem er mit den dazu bereits rechtskräftig verurteilten M* Du*, S* Du*, * J* und * L* an einer näher bezeichneten Adresse eine Cannabisplantage auf zwei Ebenen mit insgesamt 636 Pflanzen (mit‑)betrieb, wobei beim Einschreiten der Polizei am 14. März 2024 224 Pflanzen bereits abgeerntet waren und es hinsichtlich der restlichen Pflanzen, die in Vollblüte standen, beim Versuch blieb;

2/ anderen überlassen, und zwar in Wi* und anderen Orten im Zeitraum von April 2018 bis April 2023 in mehrfachen Angriffen insgesamt ca 189 kg Cannabiskraut (beinhaltend durchschnittlich 10,17 % THCA und 0,76 % Delta‑9‑THC), indem er das Cannabiskraut aus der Cannabisplantage in der Betriebsstätte der Mi* M* GmbH in We* übernahm und unbekannten Mittätern oder Großabnehmern zum Weiterverkauf überließ;

II/ dazu beigetragen, dass vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) vielfach übersteigenden Menge in arbeitsteiliger Vorgehensweise anderen überlassen wird, indem Cannabiskraut von Mittätern der Verbindung vereinbarungsgemäß von den nachgenannten Indoorplantagen abgeholt und an weitere Mittäter oder Großabnehmer weitergegeben wird,

1/ dadurch, dass er in Kenntnis des Tatplans die zu I/1/a/ genannten Handlungen in We* und anderen Orten setzte, dass im Zeitraum von April 2018 bis April 2023 insgesamt ca 861 kg Cannabiskraut (beinhaltend durchschnittlich 10,17 % THCA und 0,76 % Delta‑9‑THC) von Mittätern aus der Cannabisplantage in der Betriebsstätte der Mi* M* GmbH in We* abgeholt und anderen überlassen wird;

2/ dadurch, dass er in Kenntnis des Tatplans die zu I/1/b/ genannten Handlungen in Wei* und anderen Orten setzte, dass im Zeitraum von Jänner 2020 bis Februar 2023 insgesamt zumindest 120 kg Cannabiskraut (beinhaltend durchschnittlich 10,41 % THCA und 0,79 % Delta‑9‑THC Reinheitsgehalt) von Mittätern aus der Cannabisplantage in dem ehemaligen Wirtshaus in Wei* abgeholt und anderen überlassen wird;

B/ als Mitglied einer kriminellen Vereinigung der neben ihm unter anderem 21 namentlich genannte Personen sowie zahlreiche weitere noch nicht ausgeforschte Täter angehörten

I/ Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz angebaut, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar

1/ im Zeitraum ab Jänner 2024 bis zu seiner Festnahme am 5. März 2024, indem er an der Adresse * Wi* 51/9, eine Cannabisplantage mit 852 Cannabispflanzen (mit‑)betrieb, in welcher 23,04 kg Cannabiskraut (beinhaltend zumindest 3.530 g THCA und 270 g Delta‑9‑THC) erzeugt worden wäre, zumal bei der Anordnung der Durchsuchung am 6. Mai 2024 die Pflanzen bereits in Vollblüte standen, wobei er das für den Betrieb erforderliche Equipment zur Verfügung stellte sowie an der Errichtung und der Inbetriebnahme der Plantage mitwirkte;

2/ im Zeitraum ab Jänner 2024 bis zu seiner Festnahme am 5. März 2024, indem er an einer Adresse in * Wi* eine Cannabisplantage mit 850 Cannabispflanzen (mit‑)betrieb, in welcher zumindest ca 10 kg Cannabiskraut (beinhaltend zumindest 14,57 % THCA und 1,12 % Delta‑9‑THC) erzeugt worden wäre, (mit‑)betrieb, wobei er zumindest an der Errichtung und dem Betrieb der Plantage mitwirkte;

II/ dazu beigetragen, dass Cannabispflanzen zum Zweck der Gewinnung einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz angebaut, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er in Kenntnis des Tatplans dem abgesondert verurteilten * N* zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt im Herbst 2023 Cannabissetzlinge für eine Cannabisplantage in * Wi* überließ, der im Zeitraum von Oktober 2023 bis April 2024 eine Cannabisplantage mit 363 Cannabispflanzen betrieb, in welcher 10,62 kg Cannabiskraut (beinhaltend zumindest 1.305 g THCA und 99,3 g Delta‑9‑THC) erzeugt worden wäre, zumal beim Einschreiten der Polizei am 17. April 2024 die Pflanzen bereits in Vollblüte standen;

C/ mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, aus einer Anlage, die der Gewinnung, Umformung, Zuführung oder Speicherung von Energie dient, Energie in einem noch festzustellenden, 5.000 Euro jedenfalls übersteigenden Wert entzogen, indem er den für die unter seiner Mitwirkung betriebenen Cannabis-Indoorplantagen erforderlichen Strom durch Benützung einer den am Objekt angebrachten Stromzähler umgehenden Leitung bezog, und zwar

I/ im Zeitraum von Jänner 2020 bis Februar 2023 in Wei* Energie in einem noch festzustellenden, jedenfalls 5.000 Euro übersteigenden Wert betreffend die zu A/I/1/b/ angeführte Indoorplantage;

II/ im Zeitraum von zumindest Anfang Januar 2024 bis zu seiner Festnahme am 5. März 2024 in T* Energie im Umfang von zumindest 10.271,81 Euro betreffend die zu A/I/1/c/ angeführte Indoorplantage;

III/ im Zeitraum ab Jänner 2024 bis zu seiner Festnahme am 5. März 2024 in Wi* Energie in einem noch festzustellenden Wert betreffend die zu B/I/1/ angeführte Indoorplantage.

[4] In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Oberlandesgericht (ON 355.3 S 12 iVm S 7) dieses Verhalten (erkennbar gemeint [vgl „die oben zitierten strafbaren Handlungen“]) als ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG (A/I/1/), ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG, teils als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (A/I/2/ und A/II/), ein Verbrechen der „Vorbereitung des nach“ (erkennbar gemeint: Vorbereitung von Suchtgifthandel nach) § 28 Abs 1 zweiter Satz, Abs 2 und Abs 3 SMG, teils als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (B/) und ein Vergehen der Entziehung von Energie nach § 132 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (C/).

Rechtliche Beurteilung

[5] Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichts (ON 355.3) richtet sich die (rechtzeitig erhobene) Grundrechtsbeschwerde des * D* (ON 356.1), die im Wesentlichen einwendet, das Beschwerdegericht habe die Annahmen zum dringenden Tatverdacht auf einem innerstaatlichen Beweisverbot unterliegende Verfahrensergebnisse (SKY ECC‑Chats) gestützt. Dieses Beweisverbot ergebe sich aus dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 55d Abs 7 (iVm § 55a Abs 1 Z 13) EU‑JZG und dessen Verletzung durch die österreichische Staatsanwaltschaft, weil diese „über die Infiltration der Sky‑Chatverläufe mittels Bundestrojaner informiert“ worden sei.

[6] Die Begründung des dringenden Tatverdachts kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren – nach Erschöpfung des formalen und inhaltlichen Instanzenzugs (RIS‑Justiz RS0061031, RS0114487; Kirchbacher/Sadoghi, WK‑StPO § 246 Rz 190) – in sinngemäßer Anwendung der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (RIS‑Justiz RS0110146). Dabei kann die (ohne Einverständnis des Beschuldigten zu dessen Nachteil erfolgte) Verletzung eines Beweisverwertungsverbots (dazu näher Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 65, 68 f, 71 ff; Kirchbacher/Sadoghi, WK‑StPO § 246 Rz 49 ff, 113 ff, 122 f, 126, 190; EvBl‑LS 2014/116, 689 mit Anm von Ratz) unter dem Aspekt der Z 5 vierter Fall geltend gemacht werden, weil die Subsidiarität dieses Nichtigkeitsgrundes gegenüber den in diesem Verfahren nicht anwendbaren Z 2 bis 4 des § 281 Abs 1 StPO ausscheidet (vgl jüngst 14 Os 107/24b [Rz 5] mwN; RIS‑Justiz RS0129378; Kirchbacher/Sadoghi, WK‑StPO § 246 Rz 56). Selbst ein bestimmte Beweisergebnisse betreffendes Beweisverbot hinderte allerdings nicht, andere Beweisergebnisse zu verwerten, die aus weiteren, aus Anlass der vom Beweisverbot betroffenen Ergebnisse durchgeführten Beweiserhebungen gewonnen wurden (RIS‑Justiz RS0130052; Kirchbacher/Sadoghi, WK‑StPO § 246 Rz 58).

[7] Nach § 55d Abs 7 EU‑JZG hat eine (österreichische) Staatsanwaltschaft, bei der eine „Unterrichtung“ (vgl Anhang XIX zum EU‑JZG) durch eine ausländische Strafverfolgungsbehörde darüber einlangt, dass eine Überwachung des Telekommunikationsverkehrs in Österreich (etwa weil sich der Betroffene im Überwachungszeitraum hier aufgehalten hat) ohne technische Unterstützung (durch österreichische Behörden und/oder Unternehmen) bereits durchgeführt wurde, gegenwärtig durchgeführt wird oder in Zukunft durchgeführt werden soll, der ausstellenden (unterrichtenden) Behörde im Fall des Vorliegens der in § 55a Abs 1 Z 1 bis 5, 8 und 13 genannten Gründe binnen 96 Stunden mitzuteilen, dass die Überwachung von Nachrichten nicht durchgeführt werden kann oder zu beenden ist, sowie bereits gesammelte Ergebnisse der Überwachung von Nachrichten nicht verwendet werden dürfen (vgl 14 Os 107/24b [Rz 6] mwN).

[8] Eine auf (nach der Beschwerdebehauptung vorliegende) Überwachung verschlüsselter Nachrichten nach vorheriger Installation eines (Entschlüsselungs‑)Programms auf den Mobiltelefonen der Nutzer ohne deren Kenntnis gerichtete Europäische Ermittlungsanordnung eines anderen Mitgliedstaats dürfte von österreichischen Behörden nach § 55a Abs 1 Z 13 EU‑JZG nicht vollstreckt werden (vgl VfSlg 20.356 [zur Aufhebung von ua § 134 Z 3a und § 135a StPO idF BGBl I 2018/27]; 14 Os 107/24b [Rz 7] mwN).

[9] Wäre also eine österreichische Staatsanwaltschaft über eine solche (wenngleich bereits abgeschlossene, ohne Einbindung österreichischer Behörden vorgenommene) Ermittlungsmaßnahme unterrichtet worden, hätte sie die in § 55d Abs 7 EU‑JZG normierte Verpflichtung getroffen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese „Unterrichtung“ mit Hilfe des dafür vorgesehenen Formblatts (vgl Anhang XIX zum EU‑JZG und Anhang C zur Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen, ABl L 130/1 vom 1. 5. 2014 S 1 [kurz: RL‑EEA]) vorgenommen wurde. Ausschlaggebend ist, dass die ausstellende Behörde der österreichischen Staatsanwaltschaft einen Sachverhalt mitteilt, der dieser die (rechtliche) Beurteilung des Vorliegens eines Vollstreckungshindernisses im Sinn des § 55a Abs 1 Z 1 bis 5, 8 oder 13 EU‑JZG ermöglicht (14 Os 107/24b [Rz 8]).

[10] § 55d Abs 7 EU‑JZG setzt Art 31 RL‑EEA um (66 BlgNR 26. GP , 9), geht über dessen Abs 3 jedoch insofern hinaus, als er der (österreichischen) Staatsanwaltschaft kein Ermessen einräumt, sondern diese zur – oben näher ausgeführten – Mitteilung an die ausländische Behörde verpflichtet. Zufolge des Gebots unionsrechtskonformer Auslegung (vgl RIS‑Justiz RS0075866, RS0125352) ist die Interpretation des Art 31 RL‑EEA (insbesondere unter dem Aspekt dessen Anwendungsbereichs und Schutzzwecks) durch den EuGH zu beachten. Dieser hielt in seiner Entscheidung über ein deutsches Vorabentscheidungsersuchen (C‑670/22 ) fest, dass einerseits die dort durchgeführte Ermittlungsmaßnahme (Überwachung verschlüsselter Kommunikation von Nutzern mit dem sogenannten „EncroChat“-Dienst ausgestatteter Mobiltelefone unter Einsatz einer über einen Server auf den Mobiltelefonen installierten Trojaner‑Software) vom Begriff „Überwachung des Telekommunikationsverkehrs“ des Art 31 Abs 1 RL‑EEA erfasst sei (Rz 107 ff) und diese Bestimmung sicherstellen soll, dass das im (unterrichteten) „Mitgliedstaat im Bereich der Überwachung des Telekommunikationsverkehrs garantierte Schutzniveau nicht unterlaufen wird“. Es sei daher davon auszugehen, dass Art 31 RL‑EEA „auch den Schutz der Rechte der von einer solchen Maßnahme betroffenen Person bezweckt und dass sich dieser Zweck auf die Verwendung der Daten zu Strafverfolgungszwecken im unterrichteten Mitgliedstaat erstreckt“ (Rz 124). Grundsätzlich sei es – in Ermangelung dahingehender unionsrechtlicher Bestimmungen – allein Sache des nationalen Gesetzgebers, die Zulässigkeit der Verwendung und die Würdigung unionsrechtswidriger erlangter Beweise unter Beachtung grundrechtlicher Anforderungen an die Fairness des Verfahrens (Art 6 Abs 1 MRK; Art 47 f GRC; vgl zum Ganzen 14 Os 107/24b [Rz 9] mwN) zu regeln (Rz 126 ff).

[11] Der österreichische Gesetzgeber hat mit § 55d Abs 7 EU‑JZG für den Fall einer Unterrichtung von der Durchführung einer vom Vollstreckungshindernis des § 55a Abs 1 Z 13 EU‑JZG erfassten Ermittlungsmaßnahme eine klare Regelung im Sinn eines unbedingten (§ 140 Abs 1 StPO vergleichbaren) Beweisverwendungsverbots geschaffen (14 Os 107/24b [Rz 10] mwN).

[12] Der angefochtene Beschluss verweist (vgl BS 8 f; RIS‑Justiz RS0124017 [T2]) zur Vorgangsweise der ausländischen Ermittlungsorgane bei der Gewinnung der hier als Beweismittel verwendeten Kommunikationsdaten auf seinen im gegenständlichen Verfahren ergangenen Beschluss vom 3. Juli 2024 (ON 214.3) und die darauf bezogene Entscheidung über eine frühere Grundrechtsbeschwerde des (nunmehr) Angeklagten (11 Os 85/24w [Rz 9 ff]).

[13] Der Beschwerdeführer kritisiert der Sache nach unvollständige Begründung der Sachverhaltsannahmen zum dringenden Tatverdacht, weil das Beschwerdegericht „auf den skizzierten Sachverhalt überhaupt nicht“ eingehe (Z 5 zweiter Fall, nominell Z 5 vierter Fall), unterlässt jedoch – wie schon im Anklageeinspruch – prozessordnungswidrig die gebotene deutliche und bestimmte Bezeichnung (RIS‑Justiz RS0118316 [T5], RS0124172; Kier in WK² GRBG § 3 Rz 13, 15 f; Kirchbacher/Sadoghi, WK‑StPO § 246 Rz 162; Kirchbacher/Rami, WK‑StPO Vor §§ 170–189 Rz 23/2) jener Teile und Passagen des von ihm (schon im Anklageeinspruch) ins Treffen geführten umfangreichen (zudem überwiegend fremdsprachigen) Urkundenkonvoluts, die den von ihm behaupteten Sachverhalt (Information der Staatsanwaltschaft Wien über die Infiltration von sämtlichen SKY ECC‑Mobiltelefonen durch französische Behörden mit einem „Bundestrojaner“) indizieren sollen und demnach unter dem Aspekt eines Beweisverbots erörterungsbedürftig gewesen wären.

[14] Wegen des im Grundrechtsbeschwerdeverfahren geltenden Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels sind spätere Ergänzungen der Beschwerde in der Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0061430 [T6], RS0097055 [T3]; Kier in WK² GRBG § 3 Rz 26).

[15] Mit der Behauptung einer durch die Verwertung von SKY ECC‑Chats erfolgten Verletzung (auch) des Grundrechts auf ein faires Verfahren (Art 6 Abs 1 MRK) und des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens (Art 8 Abs 1 MRK) wird keine Garantie des Grundrechts auf persönliche Freiheit (Art 5 MRK) oder eine der über Art 5 Abs 2 bis 5 MRK angesprochenen Garantien des Art 6 Abs 1 MRK thematisiert und solcherart der Anfechtungsrahmen einer Grundrechtsbeschwerde verlassen (vgl Kirchbacher/Rami, WK‑StPO Vor §§ 170–189 Rz 1 f).

[16] Die Grundrechtsbeschwerde war somit ohne Kostenzuspruch zurückzuweisen (§ 8 GRBG).

[17] Im weiteren Verfahren wird mit Blick auf die oben dargestellten Konsequenzen einer von § 55d Abs 7 EU‑JZG erfassten Konstellation zu klären sein, ob ausländische Strafverfolgungsbehörden die von ihnen zur Verfügung gestellten Kommunikationsdaten auf eine Weise erlangten, die ein Vollstreckungshindernis nach § 55a Abs 1 Z 1 bis 5, 8 oder (insbesondere) 13 EU‑JZG begründen würde, und ob sie eine österreichische Staatsanwaltschaft darüber informiert haben.

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