Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit 373,32 EUR (darin enthalten 61,92 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger F***** K***** war Geschäftsführer einer GmbH. Gegenüber dieser Gesellschaft steht der Wiener Gebietskrankenkasse (im Folgenden: „WGKK“) für den Zeitraum Dezember 2001 bis Mai 2003 eine Forderung von 13.897,10 EUR (zuzüglich Zinsen und Nebengebühren) an unbeglichenen Sozialversicherungsbeiträgen zu. Mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 24. 3. 2003, AZ 5 Se 570/02m, wurde der Konkursantrag der Wiener Gebietskrankenkasse mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen. Die Forderung der Wiener Gebietskrankenkasse gegenüber der Gesellschaft ist spätestens seit diesem Tag uneinbringlich. Am 2. 9. 2005 wurde die amtswegige Löschung der Gesellschaft wegen Vermögenslosigkeit in das Firmenbuch eingetragen.
Derzeit bezieht der Kläger von der beklagten Partei eine monatliche Pension von 2.479,47 EUR brutto; nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrags, der Lohnsteuer sowie eines Fremdabzugs von 724,80 EUR verbleibt ein Anweisungsbetrag von 1.088,10 EUR.
Mit Bescheid vom 14. 7. 2010 sprach die beklagte Partei aus, dass auf den Leistungsanspruch des Klägers mit der offenen Forderung der Wiener Gebietskrankenkasse an Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 13.897,10 EUR zuzüglich Verzugszinsen ab 1. 7. 2010 aufgerechnet werde. Der monatliche Aufrechnungsbetrag betrage 80 EUR.
Der Aufrechnung liegt das rechtskräftige und vollstreckbare Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 15. 7. 2009, GZ 2 Cg 72/07z-30 zugrunde, mit dem F***** K***** wegen schuldhafter Verletzung von Gläubigerschutzbestimmungen schuldig erkannt wurde, der WGKK 13.897,10 EUR samt 4 % Zinsen ab 1. 5. 2004 zu bezahlen. Das in diesem Verfahren erhobene Klagebegehren war auf Schadenersatz wegen schuldhafter Verletzung der Schutzbestimmungen ua des § 69 KO, § 34 ASVG sowie auf die §§ 159 und 158 StGB gestützt. Aus der Begründung dieses Urteils ergibt sich, dass F***** K***** als Geschäftsführer den Forderungsausfall der Wiener Gebietskrankenkasse durch Verletzung von Schutznormen iSd § 1311 ABGB, insbesondere seiner Konkursantragstellungspflicht gemäß § 69 KO sowie durch kridamäßiges Verhalten iSd § 159 Abs 5 StGB verursacht habe. Die Konkursantragstellung und die Rechnungslegung seien zu den zwingenden Zuständigkeiten eines Geschäftsführers einer GmbH zu zählen. F***** K***** habe sich dieser Pflichten nicht dadurch entledigen können, dass er in Untätigkeit ausgeharrt habe, obwohl die Gesellschaft finanziell längst kollabiert war. In jedem Monat des Fortbetriebs seien neue Verbindlichkeiten angefallen, die nicht bedient haben werden können. Da den Trägern der Sozialversicherung haftungsrechtlich der Status von Neugläubigern zukomme, haben sie Anspruch auf Ersatz jener uneinbringlicher Sozialversicherungsbeiträge, die nicht entstanden wären, wenn der Geschäftsführer der GmbH rechtzeitig seiner Konkursantragstellungspflicht nachgekommen wäre.
Im Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 18. 3. 2008, AZ MA 40 - SR 2649/08, wurde gemäß den §§ 413 und 414 ASVG iVm § 355 ASVG festgestellt, dass F***** K***** gemäß § 67 Abs 10 ASVG verpflichtet sei, der WGKK die auf dem Beitragskonto der Beitragsschuldnerin D*****gesellschaft mbH in Liquidation rückständigen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.220,50 EUR zu bezahlen. Wie sich aus dem - von den Parteien nicht bestrittenen - Inhalt des Bescheids ergibt, handelt es sich bei diesem Betrag um Nachverrechnungen von beitragspflichtigen und ausbezahlten Diäten, die der beklagten Partei nicht gemeldet worden waren sowie um laut Kollektivvertrag den Dienstnehmern zustehende Montagezulagen, die für das Jahr 1996 nachverrechnet wurden. In dem Bescheid wird davon ausgegangen, dass F***** K***** seine Meldepflicht als Geschäftsführer schuldhaft verletzt habe, da er zu konkreten Meldungen verpflichtet gewesen wäre und die Meldepflicht vom Grundwissen eines Geschäftsführers umfasst anzusehen sei.
Mit der vorliegenden Klage wendet sich F***** K***** (der Kläger) gegen den von der beklagten Partei erlassenen Aufrechnungsbescheid und begehrt die Feststellung, dass die beklagte Partei nicht berechtigt sei, mit der im Spruch des Bescheids vom 14. 7. 2010 bezeichneten Forderung der WGKK an Beiträgen zur Sozialversicherung in der Höhe von 13.897,10 EUR zuzüglich Verzugszinsen ab 1. 7. 2010 gegen seinen Leistungsanspruch auf die ihm zustehende Pension aufzurechnen.
Er bringt vor, dass ihm vorerst mit Bescheid der WGKK vom 30. 10. 2006 (BE 9046542) als Vertreter der Beitragsschuldnerin gemäß § 67 Abs 10 ASVG aufgetragen worden sei, an die WGKK 19.393,83 EUR zuzüglich Verzugszinsen zu bezahlen. Das Amt der Wiener Landesregierung habe in teilweiser Stattgebung seines gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruchs nach Einschränkung des ursprünglich geltend gemachten Haftungsbetrags auf 1.220,50 EUR mit Bescheid vom 18. 3. 2008 zu AZ MA 40 SR 2649/08 ausgesprochen, dass er verpflichtet sei, die auf dem Beitragskonto der Beitragsschuldnerin D*****gesellschaft mbH in Liquidation rückständigen Sozialversicherungsbeiträge in dieser Höhe zu bezahlen. Wie sich aus § 58 Abs 6 ASVG ergebe, sei eine Aufrechnung mit Pensionszahlungen nur dann berechtigt, wenn der Pensionsanspruchsberechtigte primärer Schuldner des Trägers der Krankenversicherung sei. Außerdem müsse es sich um einem Versicherungsträger geschuldete fällige Beiträge handeln. Beide Voraussetzungen träfen im vorliegenden Fall nicht zu. In seiner Eigenschaft als Geschäftsführer sei er lediglich Vertreter der beitragsschuldenden GmbH gewesen; als solcher hafte er für eine fremde Schuld. Außerdem handle es sich bei dem laut dem Urteil des Landesgerichts Korneuburg geschuldeten 13.879,10 EUR nicht um fällige Sozialversicherungsbeiträge, sondern um einen aus dem Titel des Schadenersatzes geschuldeten Betrag. Eine Aufrechnung nach § 103 Abs 1 Z 1 ASVG sei mangels Vorliegens der Aufrechnungsvoraussetzungen nicht zulässig.
Die beklagte Partei beantragte, den Kläger zu verpflichten, die Aufrechnung zu dulden. Sie macht im Wesentlichen geltend, nicht nur der eigentliche Beitragsschuldner könne Aufrechnungsgegner sein, sondern auch ein kraft gesetzlicher Anordnung Mithaftender. Die Aufrechnung werde nicht auf den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 18. 3. 2008, sondern ausschließlich auf das rechtskräftige und vollstreckbare Urteil des Landesgerichts Korneuburg gestützt. Da sich aus dem Urteil des Landesgerichts Korneuburg eine gesetzliche Haftung des Klägers für die Beitragsschulden ergebe, sei die Aufrechnung zulässig.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und erkannte den Kläger schuldig, ab 1. 7. 2010 die Aufrechnung in Höhe von 80 EUR gegen die monatlich fällig werdenden Pensionszahlungen zur Deckung der offenen Forderung der Wiener Gebietskrankenkasse an Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 13.697,10 EUR zuzüglich 4 % Zinsen seit 1. 5. 2004 aus 13.897,10 EUR ab dem 1. 7. 2010 zu dulden.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften berufenen Personen würden im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit haften, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Laut den Feststellungen des Landesgerichts Korneuburg im Urteil AZ 2 Cg 72/07z habe der Kläger seine Pflichten als Geschäftsführer mehrfach schuldhaft verletzt, sodass er als Aufrechnungsgegner herangezogen werden könne.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass es - in Präzisierung des Spruchs - feststellte, die beklagte Partei sei nicht berechtigt, die Forderung der WGKK aus dem Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 15. 7. 2009, GZ 2 Cg 72/07z-30 in Höhe von 13.897,10 EUR zuzüglich Verzugszinsen auf die zu erbringende Pensionsleistung aufzurechnen; die beklagte Partei sei schuldig, die dem Kläger zustehende Alterspension ab dem 1. 7. 2010 ohne Abzug für die Forderung der WGKK aus dem Urteil des Landesgerichts Korneuburg zu gewähren und dem Kläger die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu ersetzen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Aufrechnung fehle, wenn ein nach § 67 Abs 10 ASVG Mithaftender ausschließlich aufgrund eines Urteils wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch genommen werde. Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, dass der Kläger als vormaliger Geschäftsführer einer GmbH als Beitragsschuldner zu qualifizieren sei, der iSd § 103 Abs 1 Z 1 ASVG nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zur Beitragszahlung verpflichtet sei. Er hafte als vormaliger Geschäftsführer der GmbH nach § 67 Abs 10 ASVG. Mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 18. 3. 2008 seien ihm im Verwaltungsweg letztlich nur 1.220,50 EUR wegen Verletzung von Meldepflichten vorgeschrieben worden. Im gegenständlichen Verfahren werde er aber ausschließlich aus dem Urteil des Landesgerichts Korneuburg in Anspruch genommen. Dieses Urteil verpflichte ihn zur Zahlung der aushaftenden Sozialversicherungsbeiträge wegen der Verletzung von dem Gläubigerschutz dienenden Bestimmungen, nämlich wegen des Verstoßes gegen die sich aus § 69 KO (jetzt IO) ergebende Verpflichtung, den Insolvenzantrag ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu stellen. Weiters gründe sich das Urteil auf ein kridaträchtiges Verhalten iSd § 159 Abs 5 StGB. Der Kläger hafte daher nach § 1311 ABGB für die aushaftenden Sozialversicherungsbeiträge. Seine Haftung ergebe sich aus dem Delikt wegen der Verletzung von Schutzgesetzen (Insolvenzverschleppung), sie beruhe nicht auf einer privatrechtlichen Zahlungsverpflichtung, etwa als Bürge, in welchem Fall eine Aufrechnung gemäß § 103 Abs 1 Z 1 ASVG nicht zulässig wäre. Da der Kläger nicht als Beitragsschuldner nach dem ASVG, sondern ausschließlich aufgrund seiner zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtung aus Schadenersatz in Anspruch genommen werde, komme eine Aufrechnung nicht in Betracht. Es könne nichts anderes gelten, als für den rechtskräftig zur Beitragszahlung verurteilten, aufgrund einer privatrechtlichen Bürgschaftserklärung haftenden Bürgen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, der Revision Folge zu geben und das Urteil des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt werde.
Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision der beklagten Partei als unzulässig zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin macht geltend, die Möglichkeit der Aufrechnung nach der Sondernorm des § 103 Abs 1 Z 1 ASVG spiegle die Intention des Gesetzgebers wider, der Hereinbringung von Beitragsschulden einen großen Stellenwert einzuräumen. Der im Urteilsspruch des Landesgerichts Korneuburg zu GZ 2 Cg 72/07z-30 ausgesprochenen Zahlungsverpflichtung sei inhaltlich als Vorfrage die Rechtsfrage der Beitragsschuld und die Stellung des F***** K***** als Beitragsschuldner zugrunde gelegen. Der WGKK seien mit dieser Entscheidung jene uneinbringlichen Sozialversicherungsbeiträge zuerkannt worden, die nicht entstanden wären, wenn F***** K***** rechtzeitig seiner Konkursantragstellungspflicht nachgekommen wäre. Durch den Umstand, dass die Verpflichtung zur Beitragsentrichtung gegenständlich im Wege des Schadenersatzes festgestellt worden sei, sei die Anwendbarkeit des § 103 Abs 1 Z 1 ASVG nicht in Frage zu stellen. Eine andere Sichtweise hätte zur Folge, dass einem im Wege des Schadenersatzes zur Leistung von Beiträgen verpflichteten ehemaligen Geschäftsführer im Hinblick auf die Aufrechnungsgrenze nach § 103 Abs 2 ASVG eine privilegiertere Stellung zukäme als einer Vergleichsperson, deren Beitragsschuld „nur“ durch Bescheid des Versicherungsträgers festgestellt worden sei.
Dazu ist auszuführen:
1. Nach § 103 Abs 1 Z 1 ASVG dürfen die Versicherungsträger auf die von ihnen zu erbringenden Geldleistungen vom Anspruchsberechtigten einem Versicherungsträger nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz geschuldete fällige Beiträge (§ 58 Abs 6 ASVG), soweit das Recht auf Einforderung nicht verjährt ist, aufrechnen. Vom Arbeits- und Sozialgericht kann über die Aufrechnung von geschuldeten Beiträgen auf die vom Versicherungsträger zu erbringenden Leistungen gemäß § 103 Abs 1 Z 1 ASVG nur dann entschieden werden, wenn die Beitragsschuld entweder unbestritten ist oder rechtskräftig festgestellt wurde (RIS-Justiz RS0121466; RS0118869). Eine Beitragsschuld ist dann rechtskräftig festgestellt, wenn die der Rechtskraft fähige Entscheidung im administrativen Instanzenzug unanfechtbar ist (10 ObS 164/06z, SSV-NF 20/76). Der Gesetzgeber wollte durch die Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit des Trägers der Sozialversicherung unter anderem darauf, dass auf die von ihm zu erbringenden Leistungen nur mit fälligen Beitragsschulden aufgerechnet werden darf, sicherstellen, dass die Sozialversicherungsleistungen den Anspruchsberechtigten auch tatsächlich zu Gute kommen (10 ObS 380/02h, SSV-NF 16/141). Seit dem Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes 2000, BGBl I 1999/106 mit 1. 10. 1999 ist eine Aufrechnung aber auch „trägerübergreifend“ zulässig (RIS-Justiz RS0115709).
2.1. Nach § 67 Abs 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Das vertretungsbefugte Organ haftet damit unter bestimmten Voraussetzungen subsidiär für die Beitragsschulden juristischer Personen und wird selbst zum Beitragsschuldner. Die Aufrechnungsbestimmung des § 103 Abs 1 Z 1 ASVG bezieht sich somit nicht nur auf die GmbH als Beitragsschuldner, sondern auch auf deren Geschäftsführer als nach der gesetzlichen Anordnung des § 67 Abs 10 ASVG Beitragsmithaftende; es handelt sich bei dessen Beitragshaftung um eine gesetzliche Ausfallsbürgschaft (10 ObS 87/07b, SSV-NF 21/52; B. Karl, Beitragshaftung in der Sozialversicherung, ZAS 2009/2.4 [11]). Tatbestandsmerkmal des § 67 Abs 10 ASVG und Voraussetzung für eine Haftung des Geschäftsführers für nicht entrichtete Beiträge ist weiters die Uneinbringlichkeit der Forderung beim primären Beitragsschuldner.
2.2. Inhaltlich handelt es sich bei den Pflichten nach § 67 Abs 10 ASVG, deren Verletzung eine der Voraussetzungen für die Haftung des Geschäftsführers ist, um spezifische sozialversicherungs-beitragsrechtliche Verpflichtungen. Nach dem Erkenntnis des VwGH vom 12. 12. 2000, 98/08/0191 [verst Senat] ist der Anwendungsbereich des § 67 Abs 10 ASVG inhaltlich auf Beitragsausfälle, die auf schuldhafte Meldepflichtverletzungen zurückzuführen sind (§ 111 ASVG) und auf nicht abgeführte, aber einbehaltene Dienstnehmerbeiträge (vormals § 114 ASVG; seit Inkrafttreten des SozialbetrugsG BGBl I 2004/152 mit 1. 3. 2005 § 153c Abs 1 und 2 StGB) beschränkt. Seit dem BGBl I 2010/62 wurde in § 58 Abs 5 ASVG aber ein Aufgaben- und Pflichtenkatalog für Vertreter aufgenommen, der inhaltlich ident mit § 80 BAO ist.
Die Haftung gemäß § 67 Abs 10 ASVG beruht somit auf der Verletzung von in den Sozialversicherungsgesetzen selbst enthaltenen, beitragsrechtlichen Verpflichtungen und sanktioniert die nicht ordnungsgemäße Befriedigung bereits entstandener Beitragsschulden.
2.3. Davon zu unterscheiden ist eine allfällige sonstige, im Zivilrechtsweg geltend zu machende Haftung, die den Geschäftsführer einer GmbH zB deshalb treffen kann, weil er durch die Verzögerung der Antragstellung auf Insolvenzeröffnung iSd § 69 IO - also durch die Verletzung eines Schutzgesetzes iSd § 1311 ABGB - (vgl 1 Ob 608/87, SZ 60/179) die Gläubiger durch das Entstehen zusätzlicher Verbindlichkeiten geschädigt hat. Die Pflicht, die Entstehung von Beitragsforderungen bei der Gesellschaft durch Betriebseinstellung bzw durch rechtzeitige Beantragung der Insolvenzeröffnung iSd § 69 IO zu vermeiden, fällt demnach nicht in den in § 67 Abs 10 ASVG sanktionierten Pflichtenkreis (VwGH 19. 2. 1991, 90/08/0045). Auch der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Fälle der Geschäftsführerhaftung für Kridadelikte durch § 67 Abs 10 ASVG nicht erfasst werden sollen (5 Ob 522/94 = RIS-Justiz RS0083937). Weder die Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit einer GmbH noch die Verschleppung deren Insolvenz verletze eine beitragsrechtliche Pflicht, die in den Sozialversicherungsgesetzen selbst normiert wäre (1 Ob 50/99f, SZ 72/76).
3. Zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen infolge Verletzung von Schutzgesetzen iSd § 1311 ABGB steht dem Sozialversicherungsträger - wie auch den anderen Gläubigern - der Zivilrechtsweg offen (1 Ob 50/99f, SZ 72/76; Derntl in Sonntag, ASVG2 § 67 Rz 80d). Demgegenüber besteht eine mit Bescheid im Verwaltungsweg durchzusetzende öffentlich-rechtliche Haftung des Geschäftsführers, wenn er die in den §§ 111 ASVG, 153c StGB geregelten Verpflichtungen schuldhaft verletzt hat (2 Ob 222/04t). Die Geltendmachung von Schadenersatzforderungen wegen Verletzung von Gläubigerschutzbestimmungen ist aber auch dann im ordentlichen Rechtsweg zulässig, wenn der Sozialversicherungsträger mittels Erlassung eines Haftungsbescheids ebenso die öffentlich-rechtliche Ausfallhaftung nach § 67 Abs 10 ASVG für dieselben Beitragsschulden hätte realisieren können, weil der Geschäftsführer nach Eintritt der Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen zugleich eine der durch § 67 Abs 10 ASVG sanktionierten spezifischen Handlungspflichten missachtet hat (RIS-Justiz RS0111939).
4. Für den vorliegenden Fall ergibt sich aus diesen Grundsätzen:
4.1. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, erfüllt der Kläger, der als vormaliger Geschäftsführer einer GmbH gemäß den Haftungsbestimmungen des § 67 Abs 10 ASVG zur Zahlung der Beiträge verpflichtet ist, grundsätzlich die Qualifikation eines Beitragsschuldners, der iSd § 103 Abs 1 Z 1 ASVG nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften (§ 67 Abs 10 ASVG) zur Beitragszahlung verpflichtet ist (siehe oben Punkt 2.1.). Dass die Beitragsforderung gegenüber der Gesellschaft uneinbringlich ist, steht fest.
4.2. Ob eine Aufrechnung nach § 103 Abs 1 Z 1 ASVG zulässig ist, hängt davon ab, ob mit fälligen Beitragsforderungen aufgerechnet wird, die infolge Verletzung einer spezifischen, im Sozialversicherungsrecht begründeten Verpflichtung unberichtigt geblieben sind, also infolge Verletzung einer der in den von § 67 Abs 10 ASVG sanktionierten Pflichtenkreis fallenden Verpflichtung (siehe oben Punkt 2.2.) Die beklagte Partei stützt die Aufrechnung aber nun gerade nicht auf die Verletzung derartiger Pflichten, sondern ausschließlich auf das rechtskräftige und vollstreckbare Urteil des Landesgerichts Korneuburg, nach dem der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes wegen Unterlassung der rechtzeitigen Stellung des Konkursantrags gemäß § 1311 ABGB iVm § 69 KO sowie wegen § 159 StGB zur Zahlung von 13.897,10 EUR verhalten wird. Fälle der Geschäftsführerhaftung für Kridadelikte werden durch § 67 Abs 10 ASVG aber nicht erfasst (5 Ob 522/94 = RIS-Justiz RS0083937).
4.3. Soweit die Revisionswerberin demgegenüber die Ansicht vertritt, die Aufrechnung nach § 103 Abs 1 Z 1 ASVG sei auch mit Beiträgen, die aufgrund von Schadenersatzforderungen geschuldet werden, zulässig (vgl in diesem Sinne auch Derntl, Die Aufrechnung mit Beiträgen gemäß § 103 ASVG, SozSi 2003/188 ff und 308 ff [309 f]), ist dieser Ansicht entgegenzuhalten, dass die Versicherungsträger nach § 103 Abs 1 Z 1 ASVG auf die von ihnen zu erbringenden Geldleistungen (nur) vom Anspruchsberechtigten einem Versicherungsträger nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz geschuldete fällige Beiträge (§ 58 Abs 6 ASVG), soweit das Recht auf Einforderung nicht verjährt ist, aufrechnen dürfen. Dabei kann es sich nach Ansicht des erkennenden Senats nur um solche Beiträge handeln, die der Anspruchsberechtigte nach den beitragsrechtlichen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts schuldet. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die im ersten Halbsatz des § 103 Abs 1 Z 1 ASVG zitierte Bestimmung des § 58 Abs 6 ASVG auf die Fälligkeit der Beiträge nach dem ASVG abstellt. Dafür spricht aber auch, die im zweiten Halbsatz des § 103 Abs 1 Z 1 ASVG enthaltene Beschränkung der Aufrechnungsberechtigung auf Beiträge, hinsichtlich der das Recht auf Einforderung nicht verjährt ist. Damit wird nämlich auf die im § 68 Abs 2 ASVG geregelte Verjährung des Rechts auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden und auf das in § 64 ASVG geregelte Verfahren zur Eintreibung der Beiträge Bezug genommen. Eine solche Eintreibung ist aber nur gegen Personen zulässig, die nach dem ASVG (oder nach einem anderen Sozialversicherungsgesetz) zur Beitragszahlung verpflichtet sind, nicht aber gegen Personen, gegen die der Versicherungsträger seine bestrittenen Forderungen nur vor den ordentlichen Gerichten geltend machen und aufgrund eines gesetzlichen Exekutionstitels eintreiben kann (vgl 10 ObS 338/89, SSV-NF 4/162 mwN).
5. Im Hinblick darauf, dass die Gerichte an rechtskräftige Verwaltungsbescheide über vom Versicherten geschuldete Beiträge gebunden sind (10 ObS 35/99s, SSV-NF 13/33 mwN) sowie im Hinblick darauf, dass dem (Verwaltungs-)Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 18. 3. 2008 von § 67 Abs 10 ASVG umfasste Meldepflichtverletzungen zu Grunde liegen, ist noch zu prüfen, ob die Aufrechnung nicht (wenigstens) im Umfang von 1.220,50 EUR als berechtigt festzustellen war.
Auch dies ist aber zu verneinen:
F***** K***** hatte im vorliegenden Verfahren formell als Kläger aufzutreten und ein negatives Feststellungsbegehren zu stellen, dass er nicht verpflichtet sei, die vom beklagten Versicherungsträger vorgenommene Aufrechnung zu dulden; der beklagte Versicherungsträger hat hingegen das Vorliegen der Voraussetzungen für die Aufrechnung zu behaupten und zu beweisen. Beschränkt der Versicherungsträger nun sein Vorbringen zur Zulässigkeit der Aufrechnung ausdrücklich und ausschließlich auf das Urteil des Landesgerichts Korneuburg und die darin aus dem Titel des Schadenersatzes zugesprochenen Forderungen, ist das Gericht daran gebunden und darf das Aufrechnungsbegehren nicht aufgrund eines anderen rechtskräftigen Titels (aufgrund des Bescheids der Wiener Landesregierung) als berechtigt erachten (siehe RIS-Justiz RS0086067 zur Rückzahlungspflicht). Eine Feststellung, der Kläger müsse die Aufrechnung im Hinblick auf den Bescheid der Wiener Landesregierung dulden, kommt deshalb nicht in Betracht.
Das Berufungsgericht hat demnach zutreffend festgestellt, die beklagte Partei sei nicht berechtigt, die gemäß dem Urteil des Landesgerichts Korneuburg aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes geschuldete Forderung von 13.897,10 EUR zuzüglich Verzugszinsen auf die von ihr zu erbringende Pensionsleistung aufzurechnen.
Der Revision der beklagten Partei war somit nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG. Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei einem Verfahren über die Klage des Versicherten, von der Aufrechnung Abstand zu nehmen, um einen Streit über wiederkehrende Leistungen (RIS-Justiz RS0085996 [T1]; Neumayr in ZellKomm2 § 77 ASGG Rz 16). Die Kosten für die Revisionsbeantwortung waren daher nur auf Basis von 3.600 EUR zuzuerkennen.
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