European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123203
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.883,16 EUR (darin enthalten 313,86 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
Über das Vermögen des Vaters des Klägers wurde 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet, der Beklagte wurde als Masseverwalter bestellt. In seiner Prüfungsklage (§ 110 IO) begehrt der Kläger die Feststellung, dass ihm im Insolvenzverfahren eine am 28. 4. 2014 angemeldete Insolvenzforderung von 30.000 EUR zustehe. Seine Eltern hätten ihm mit schriftlicher Vereinbarung vom 30. 7. 2003 als Hälfteeigentümer einer Liegenschaft ein unentgeltliches und lebenslanges, aus familiären Gründen lediglich obligatorisch gewährtes Wohnrecht an sämtlichen Räumen im Obergeschoß des auf dieser Liegenschaft errichteten Hauses eingeräumt.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht ließ nachträglich über Antrag des Klägers die Revision zu.
Die – beantwortete – Revision des Klägers ist entgegen dem nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Ein Urteil ist nur dann nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO nichtig, wenn es so mangelhaft gefasst ist, dass es sich nicht mit Sicherheit überprüfen lässt oder es mit sich selbst in Widerspruch steht oder für die Entscheidung keine Gründe angegeben worden sind.
1.2 Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor. Das Berufungsgericht legte die vorgelegte schriftliche Vereinbarung vom 30. 7. 2003 aus und kam zum Ergebnis, dass sich weder aus der Urkunde noch aus den Feststellungen das behauptete lebenslange und unentgeltliche Wohnrecht ableiten ließe, weshalb das Erstgericht das Klagebegehren zu Recht abgewiesen habe. Diese Beurteilung ist eindeutig überprüfbar.
2.1 Das Klagebegehren kann in einem Prüfungsprozess nach § 110 Abs 1 Satz 2 IO nur auf die Gründe, die in der Anmeldung und in der Prüfungstagsatzung angegeben wurden, gestützt werden.
2.2 Die Anmeldung muss nach § 103 Abs 1 IO unter anderem den Betrag der Forderung, die Tatsachen, auf die sie sich gründet, angeben und die Beweismittel bezeichnen. Sie muss keine rechtliche Qualifikation enthalten. Es müssen aber die anspruchsbegründenden Tatsachen dargelegt werden (Konecny in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [1. Lfg 1997] § 103 KO Rz 5; 8 Ob 103/10w, ZIK 2011/105, 70 [dazu Kolland, ZIK 2010/66, 42]). Die Anforderungen an die Forderungsanmeldung sind jenen des § 226 ZPO an eine Klage ähnlich (RIS‑Justiz RS0089657). Ein Austausch der rechtserheblichen Tatsachen ist im Prüfungsprozess ausgeschlossen (Konecny in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [1. Lfg 1997] § 110 KO Rz 40).
3.1 Im vorliegenden Fall decken sich – soweit relevant – die anspruchsbegründenden Tatsachen in Anmeldung und Klage. Bereits in der Forderungsanmeldung vom 28. 4. 2014 (Beilage ./J) berief sich der Kläger auf die schriftliche Vereinbarung vom 30. 7. 2013 (Beilage ./A), mit der ihm seine Eltern und Hälfteeigentümer einer Liegenschaft ein unentgeltliches und lebenslängliches (aus familiären Gründen lediglich obligatorisches) Wohnrecht an sämtlichen Räumen des Obergeschosses des Hauses eingeräumt hätten.
3.2 Bei dieser Vertragsurkunde, die bereits im Insolvenzverfahren als Beweisurkunde vorgelegt wurde und deren Inhalt die Vorinstanzen feststellten sowie auslegten, handelt es sich um ein Formular eines „Wohnungsmietvertrags“, mit dem die Hälfteeigentümer der Liegenschaft ihrem Sohn bestimmte Räumlichkeiten ab 31. 7. 2003 auf unbestimmte Zeit vermieteten. Der Hauptmietzins wurde mit 0 EUR festgesetzt. Der Mieter verpflichtete sich zur Zahlung von 25 % der Betriebskosten und der öffentlichen Abgaben des Hauses, berechnet nach dem Verhältnis der Bodenfläche, sowie zur Tragung der Heizkosten nach Verbrauch. Die Verwendung dieses Formulars erklärte der Kläger in der Klage mit Gründen der Einfachheit. Sein für die rechtliche Beurteilung durch das Gericht maßgebliches (RIS‑Justiz RS0037610 [T34]; RS0037659 [T5]; RS0058336 [T4]) anspruchsbegründendes Vorbringen zum wesentlichen Inhalt des Wohnrechts (unentgeltlich, lebenslang, lediglich aus familiären Gründen obligatorisch eingeräumt) blieb – insoweit § 110 Abs 1 Satz 2 IO Rechnung tragend – unverändert. Das ergänzende Vorbringen zur Einräumung eines unbefristeten Wohnrechts und das darauf gestützte Eventualbegehren wurden bereits in erster Instanz als unzulässige Klagsänderung rechtskräftig zurückgewiesen.
3.3 Der Kläger hat seinen Anspruch zwar nicht ausdrücklich durch die Bezeichnung einer bestimmten Gesetzesstelle qualifiziert. Mit der Charakterisierung seines (angeblichen) Rechts als unentgeltlich auf Lebzeiten und– aus familiären Gründen – lediglich obligatorisch eingeräumtes Wohnrecht gibt er dessen rechtliche Qualifikation allerdings vor: dieses Vorbringen zielt auf ein an sich intabulierbares (§ 9 GBG), hier aber nach der Parteienabsicht nur obligatorisch vereinbartes Wohnrecht.
3.4 ISd § 9 GBG kommt als grundsätzlich eintragungsfähiges Benützungsrecht neben einem Bestandrecht, dessen Vorliegen der Kläger nach wie vor dezidiert bestreitet, die Dienstbarkeit der Wohnung – und zwar bei einer Überlassung bestimmter Räumlichkeiten in einem Wohngebäude zu Wohnzwecken in der Variante des Wohnungsgebrauchsrechts (vgl RIS‑Justiz RS0011588; Koch in KBB5 § 521 ABGB Rz 1) – in Betracht. Wohnungsgebrauchsrechte können nach der Rechtsprechung auch nur obligatorisch eingeräumt werden (RIS-Justiz RS0011840 [T2, T4 und T6]).
3.5 Nach den Feststellungen der Vorinstanzen entsprach ein unwiderrufliches und dingliches Wohnrecht, das lediglich aus Kostengründen nicht ins Grundbuch eingetragen werden sollte, den Vorstellungen des Klägers, nicht aber jenen seines Vaters und späteren Schuldners, der lediglich ein Prekarium einräumen wollte. Die Vorinstanzen konnten eine Einigung aller Parteien über eine dieser Varianten oder eine Mittellösung (wie ein obligatorisches Wohnungsge-brauchsrecht) nicht feststellen. Lediglich der Inhalt des unterzeichneten „Wohnungsmietvertrags“ steht fest.
3.6 Fragen der Vertragsauslegung begründen nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS‑Justiz RS0042936 ua). Gleiches gilt für die Auslegung von Parteivorbringen (RIS‑Justiz RS0042828 [T27]). Eine zu korrigierende Interpretation ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen. Der Kläger beharrt(e) auf der Einräumung eines unentgeltlichen und lebenslangen, aus familiären Gründen nur obligatorisch eingeräumten Wohnungsrechts, während in der zum Beweis dieses Rechts vorgelegten Urkunde die Rede von einem auf unbestimmte Zeit geschlossenen Mietverhältnis ist. Die in der Revision gewünschte Interpretation der Wortfolge „auf unbestimmte Zeit“ im Sinn von „mit dem Tod erlöschend und damit lebenslang bestehend“ ist keinesfalls zwingend. Eine vom Vertragstext abweichende übereinstimmende Parteienabsicht wurde nicht festgestellt.
3.7 Die Frage einer Qualifikation der schriftlichen Vereinbarung als auf unbestimmte Zeit geschlossene Wohnungsleihe (Iro/Rassi in KBB5 § 1090 ABGB Rz 3 mwN) stellt sich schon deshalb nicht, weil ein Leihvertrag als Realvertrag (§ 971 ABGB) die hier weder behauptete noch festgestellte tatsächliche Übergabe der Räumlichkeiten erfordert hätte.
3.8 Das Klagebegehren scheitert nach dem Ergebnis der Vorinstanzen schon am Nachweis des behaupteten Anspruchs, der der Anmeldung und der Prüfungsklage zugrunde lag. Damit muss auch nicht geklärt werden, ob ein Benützungsrecht des Klägers im Konkurs nur eines Vertragspartners und Miteigentümers bei aufrechter Miteigentumsgemeinschaft überhaupt als Geldforderung iSd § 14 IO geltend gemacht werden könnte.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.
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