Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Berufungsgericht zurückverwiesen und diesem die Fortsetzung des Berufungsverfahrens unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.748 EUR (darin 291,48 EUR an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Mit Beschluss vom 4. 2. 2008 wurde über das Vermögen der L***** GmbH das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt.
Die Klägerin meldete in diesem Konkursverfahren am 20. 3. 2008 wie folgt ihre Konkursforderung an:
„Sachverhalt: Der/die oben angeführte Gemeinschuldner/in schuldet für 10 Miete und Reparatur (bewegliche Sache), Rechnung vom 4. 1. 2007, Beleg-Nr OP Liste 97.853,26 EUR samt Zinsen in der Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 352 UGB seit 5. 1. 2007
an Kosten EUR 0,- -,
an Schuld haften demnach an Kapital EUR 97.853,26
an Zinsen bis zum Tag der Konkurser-
öffnung, dem 4. 2. 2008 EUR 11.583,03
an gerichtlich bestimmten Kosten EUR 0,- -
aus, somit insgesamt EUR 109.436,34
Bescheinigungsmittel: OP-Liste, beiliegende Rechnung, abzüglich beiliegende Gutschrift.
Diese Forderung wird als Konkursforderung angemeldet.“
Die so angemeldete Forderung wurde vom beklagten Masseverwalter mit einem Teilbetrag von 62.853,26 EUR anerkannt, im Übrigen aber bestritten. Die Bestreitung hinsichtlich eines Teilbetrags von 46.583,08 EUR bezog sich „auf die in der Forderungsanmeldung enthaltene Mehrwertsteuer sowie auf die mit dem Betrag von 11.583,08 EUR angemeldeten Zinsen“. In einer weiteren Tagsatzung wurden weitere 7.436,90 EUR anerkannt.
Der zugrundeliegende Mietvertrag für die Fahrzeuge wies hinsichtlich der „Mietraten“ folgende Regelung auf:
Mietrate **: 3.300 EUR pro Monat ...** zuzüglich der gesetzlich gültigen Mehrwertsteuer.
Beide Vertragsparteien sind - auch aufgrund einer Information durch das Finanzamt - vorweg davon ausgegangen, dass keine Mehrwertsteuer zu entrichten sei. Die Rechnungen der Klägerin an die spätere Gemeinschuldnerin wiesen eine solche nicht aus, sondern nur den Betrag von 3.300 EUR ohne Eintrag in die Rubrik „Mehrwertsteuer“ bzw „Mehrwertsteuersatz“.
Ende Juli/Anfang August 2007 teilte die Steuerberatung der Klägerin jedoch mit, dass die Rechnungen mit Umsatzsteuer auszustellen seien. Zwischen den Vertragsparteien kam es daraufhin zu einem Gespräch, bei dem die spätere Gemeinschuldnerin erklärte, nicht in der Lage zu sein, die Rechnungen inklusive Mehrwertsteuer zu bezahlen. Der Klägerin wurde dann vom zuständigen deutschen Finanzamt mitgeteilt, dass man die Sache mit einem Rückvergütungsantrag regeln könne. Die Klägerin müsse zuerst die Mehrwertsteuer abführen, die spätere Gemeinschuldnerin könne sie aber dann wieder im Wege der Rückvergütung zurückbekommen. Die Klägerin schlug dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin vor, den Rückvergütungsantrag zu unterzeichnen und „sozusagen“ die Steuerrückvergütung an die Klägerin abzutreten, die wiederum die Mehrwertsteuer stunden sollte. Der Geschäftsführer unterzeichnete diesen Antrag, wobei mittlerweile rechtskräftig festgestellt wurde, dass dies keine Abtretung der Umsatzsteuerrückvergütung bedeutete. Der Geschäftsführer brachte zum Ausdruck, dass er sich bei steuerlichen Dingen nicht auskenne, die Steuerrückvergütung aber der Klägerin zukommen solle. Dieser Antrag wurde in Deutschland eingebracht. Weiters wurden die Rechnungen, um die Mehrwertsteuer ergänzt, neu ausgestellt.
Die Klägerin stützt ihre Klage gemäß § 110 Abs 1 KO auf Feststellung einer Konkursforderung von zuletzt 30.564,29 EUR zusammengefasst darauf, dass sie der Gemeinschuldnerin Fahrzeuge vermietet habe.
Die Gemeinschuldnerin habe jeweils schriftliche Mietverträge mit einer „Mietrate“ von 3.300 EUR monatlich vereinbart. Diese Vereinbarung habe ausdrücklich den Hinweis „zuzüglich der gesetzlich gültigen Mehrwertsteuer“ enthalten. Die Rechnungen seien allerdings vorweg fälschlicherweise ohne Mehrwertsteuer ausgestellt, später aber nach einer entsprechenden Ankündigung korrigiert worden. Es sei nie vereinbart worden, dass die Monatsmiete inklusive Mehrwertsteuer bloß 3.300 EUR betrage, weshalb es auch keiner weiteren Vereinbarungen für die Vorschreibung der Mehrwertsteuer bedurft habe. Die Gemeinschuldnerin sei generell verpflichtet, die auf das Nettoentgelt entfallende Mehrwertsteuer zu bezahlen. Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin habe diese Ansprüche auch anerkannt.
Das Zinsbegehren daraus ergebe sich aus § 352 UGB.
Der Beklagte wendete zusammengefasst ein, dass die Gemeinschuldnerin gar nicht in der Lage gewesen sei, zu beurteilen, ob wegen der grenzüberschreitenden Leistungen Mehrwertsteuer anfalle. Es liege keine verbindliche und wirksame Vereinbarung zu einer Leistung der Mehrwertsteuer vor. Der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin habe eine solche Verpflichtung auch nicht anerkannt. Im Ergebnis werde im Hinblick auf den der Klägerin offenbar unterlaufenen Irrtum eine andere als die angemeldete Forderung geltend gemacht, die nur im Rahmen einer Vertragsanpassung im Rahmen der richterlichen Vertragsergänzung zustehen könne.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte die Konkursforderung fest. Es ging dabei rechtlich davon aus, dass im Vertrag ausdrücklich auf die zu entrichtende Mehrwertsteuer hingewiesen worden sei. Die Meinung der Vertragsparteien, dass keine Mehrwertsteuer anfallen werde, ändere daran nichts. Dem entspreche es auch, dass der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin den Antrag auf Vergütung der Umsatzsteuer unterfertigt habe. Wollte man nicht davon ausgehen, würde die Gemeinschuldnerin Mehrwertsteuer, die sie nie gezahlt habe, rückvergütet erhalten. Tatsächlich sei die Mehrwertsteuer ja auch auf das Massekonto überwiesen worden. Eine Zusatzvereinbarung sei gar nicht notwendig gewesen. Dementsprechend erfülle auch die Forderungsanmeldung die Anforderungen des § 103 KO.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des beklagten Masseverwalters Folge, hob das erstgerichtliche Urteil und das den Streitgegenstand betreffende erstinstanzliche Verfahren als nichtig auf und wies die Klage insoweit zurück. Nach § 110 Abs 1 KO dürfe mit der Prüfungsklage kein anderer Rechtsgrund geltend gemacht werden als in der Anmeldung. Der Austausch rechtserheblicher Tatsachen sei unzulässig. Die Klägerin habe in der Forderungsanmeldung und in der Prüfungsklage Entgelt für Miete und Reparaturen geltend gemacht. Nach dem zufolge des Sitzes der Klägerin in Deutschland anzuwendenden deutschen Recht stelle die Umsatzsteuer einen rechtlich unselbständigen Teil des zu zahlenden Preises dar. Mangels Nachweises anderer Umstände sei diese im angebotenen Preis enthalten, und zwar auch bei Anboten an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen. Eine Bruttoentgeltvereinbarung stelle eine Gesamtforderung dar.
Aus der Forderungsanmeldung sei nicht zu entnehmen, dass bloß eine zusätzlich zu zahlende Umsatzsteuer begehrt werde. Sei bei Vertragsabschluss übereinstimmend irrtümlich angenommen worden, dass keine Umsatzsteuer anfalle, so könne der Vermieter die Umsatzsteuer nach der deutschen Rechtsprechung nur im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung geltend machen. Das Fehlen einer die Nachforderung der ursprünglich nicht in Rechnung gestellten Umsatzsteuer tragenden Begründung in der Forderungsanmeldung mache die Prüfungsklage insoweit unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Klägerin ist zulässig und auch berechtigt.
Nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ist gegen den Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem dieses die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat, der Rekurs stets zulässig (E. Kodek in Rechberger ZPO3 § 519 Rz 8).
Nach § 110 Abs 1 KO (vgl § 273 Abs 1 IO) kann das Klagebegehren in einem Prüfungsprozess nur auf die Gründe, die in der Anmeldung und bei der Prüfungstagsatzung angegeben wurden, gestützt und nicht auf einen höheren Betrag gerichtet werden. § 103 Abs 1 KO bestimmt zum Inhalt der Anmeldung, dass diese den Betrag der Forderung und die Tatsachen, auf die sie sich gründet, sowie die in Anspruch genommene Rangordnung anzugeben und die Beweismittel zu bezeichnen hat.
Die wesentliche Funktion der Anmeldung liegt darin, den Beteiligten, insbesondere aber dem Masseverwalter und dem Gemeinschuldner, die Möglichkeit zu bieten, sich sachgemäß über den Bestand der angemeldeten Forderung zu unterrichten, um bei der Prüfungstagsatzung in der Lage zu sein, sich über den Bestand und die Rangordnung der Forderung richtig zu äußern (RIS-Justiz RS0065449). Dabei ist es nicht erforderlich, eine rechtliche Qualifikation vorzunehmen (Konecny in Konecny/Schubert § 103 Rz 5; Kodek in Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht § 103 Rz 10). Es müssen aber die anspruchsbegründenden Tatsachen dargelegt werden (Konecny aaO; Kodek aaO Rz 11). Insgesamt werden die Erfordernisse der Forderungsanmeldung ähnlich wie jene des § 226 ZPO bei einer Klage betrachtet (RIS-Justiz RS0089657).
Unter Beachtung des Grundsatzes, dass insbesondere für den Masseverwalter eine Überprüfung der geltend gemachten Forderungen effektiv möglich sein muss, hat es der Oberste Gerichtshof aber auch als ausreichend erachtet, wenn bei der Geltendmachung von Arbeitnehmeransprüchen ohne weitere Aufschlüsselung in fortlaufendes Gehalt und Überstundenentlohnung ein Gesamtbetrag angemeldet wurde (RIS-Justiz RS0096956 mwN), die fehlende Aufgliederung solcher Ansprüche oder Beendigungsansprüche für den Masseverwalter aber unschwer nachvollzogen werden kann (RIS-Justiz RS0065444). Allgemein werden auch die mit der Forderungsanmeldung überreichten Beilagen, wenn sie den einzelnen Positionen der Forderungsanmeldung zuordenbar sind, zu deren Konkretisierung herangezogen (RIS-Justiz RS0117786; Kodek aaO Rz 13; Konecny aaO Rz 6).
§ 110 Abs 1 KO steht allerdings der Erhebung der Prüfungsklage auch dann entgegen, wenn die angemeldete Forderung zwar das Prüfungsverfahren durchlaufen hat, jedoch Grund und Höhe der in der Klage behaupteten Ansprüche aus der Forderungsanmeldung nicht abgeleitet werden können (RIS-Justiz RS0111042), woran auch der Umstand nichts ändert, dass das Konkursgericht die mangelhafte Forderungsanmeldung nicht zur Verbesserung zurückgestellt hat (RIS-Justiz RS0103947).
Hier war aus der Forderungsanmeldung durchaus ersichtlich, dass die Klägerin Miete aus einem Mietvertrag begehrt und dass dabei bestimmte Rechnungen nicht zur Gänze bezahlt wurden („beiliegende Rechnungen abzüglich beiliegende Gutschriften“); aus den Beilagen war gut nachvollziehbar, dass es sich dabei in erheblichem Ausmaß auch um die Mehrwertsteuer handelt; dies hat ja der beklagte Masseverwalter auch selbst in der Prüfungstagsatzung eingewendet.
Im Ergebnis stellt sich damit die Frage, ob die vom Berufungsgericht als erforderlich erachtete „ergänzende Vertragsauslegung“ noch durch die Anmeldung gedeckt ist (§ 110 Abs 1 KO iVm § 103 Abs 1 KO). Ausgehend von dem allgemeinen Grundsatz, dass eine rechtliche Qualifikation in der Anmeldung nicht erfolgen muss, ist dies aber zu bejahen. Die Klägerin hat in ihrer Anmeldung nicht nur die relevanten Rechnungen vorgelegt und die dabei jeweils offenen Beiträge hervorgehoben, sondern diese auch noch in einer beigelegten Berechnung aufgelistet und zusammengezählt. Ob ihre Forderungen bei richtiger Auslegung der Mietvereinbarung von dieser gedeckt sind, ist aber eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Daher kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen des § 110 Abs 1 KO hier nicht eingehalten wurden.
Ausgehend davon war daher dem Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Berufungsgerichts Folge zu geben, da der vom Berufungsgericht angenommene Nichtigkeitsgrund nicht vorliegt. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und dem Gericht zweiter Instanz die Entscheidung über die Berufung aufzutragen (RIS-Justiz RS0065254 mwN).
Der beklagten Partei waren die Kosten dieses auf ihren Einwendungen beruhenden Zwischenstreits aufzuerlegen (1 Ob 123/10k).
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