OGH 10Ob33/21g

OGH10Ob33/21g28.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Dr. Faber, sowie die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*, Deutschland, vertreten durch Rechtsanwälte Stock & Endstrasser in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei R*, vertreten durch Mag. Sebastian Strobl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einwilligung in die Einverleibung einer Dienstbarkeit, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. August 2021, GZ 5 R 71/21h‑35, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 28. April 2021, GZ 4 C 33/20b‑31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0100OB00033.21G.0728.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ 359 KG * bestehend aus Grundstück 943/2. Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ * KG * bestehend unter anderem aus den Grundstücken 943/1 und 944.

[2] Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob der Beklagte aus einer von seinem Vater mit Einzelrechtsvorgängern der Klägerin abgeschlossenen Vereinbarung zur Einwilligung in die Einverleibung einer Dienstbarkeit – konkret der Verpflichtung, auf den Grundstücken 943/1 und 944 in bestimmtem Umkreis und in einer bestimmten Richtung ab dem auf dem Grundstück 943/2 der Klägerin errichteten Gebäude keine Baulichkeiten zu errichten und keine die Aussicht störenden Veranlassungen zu treffen – verpflichtet ist.

[3] Mit Kaufvertrag vom 7. 9. 1970 verkaufte der Vater des Beklagten an die Ehegatten *A* eine Teilfläche von 1.000 m² aus dem Grundstück 943 seiner Liegenschaft (damals) EZ *, (jetzt) EZ *, worauf dieses Grundstück in die Grundstücke 943/1 und 943/2 geteilt und aus dem Grundstück 943/2 die Liegenschaft EZ 359 gebildet wurde.

[4] Der Vater des Beklagten, die Ehegatten A* und eine weitere Person schlossen am 20. 12. 1970 eine Vereinbarung, welche auszugsweise lautet wie folgt:

„3. [Der Vater des Beklagten] als Eigentümer der Liegenschaft EZ * KG *, verpflichtet sich, die ihm gehörige Gp. 943 in Richtung vom Bauobjekt auf dem eingezeichneten Bauplatz ins *tal in einem Umkreis von 50 m ab Baulichkeit weder mit Baulichkeiten zu versehen, noch sonstige, die Aussicht störende Veranlassungen zu treffen. Dieses Recht wird den jeweiligen Eigentümern dieses Bauplatzes eingeräumt und kann seinerzeit grundbücherlich eingetragen werden. Das Entgelt für die Einräumung dieses Bauverbotsrechtes wurde bereits anlässlich des Ankaufes des Bauplatzes berücksichtigt.“

[5] In dieser Vereinbarung wurde das Grundstück 944 – das zu diesem Zeitpunkt bereits eigenständig bestand – nicht erwähnt. Das Bauverbot wurde nicht grundbücherlich einverleibt.

[6] Die Ehegatten A* schenkten und übergaben die Liegenschaft EZ 359 mit Schenkungsvertrag vom 29. 3. 1972 ihrer Tochter. Diese verkaufte die Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 23. 2. 2018 an den Ehemann der Klägerin, der die Liegenschaft mit Übergabevertrag vom 23. 8. 2019 der Klägerin übertrug. In keinem dieser Verträge ist die Bauverbotsvereinbarung erwähnt.

[7] Der Beklagte erwarb die Grundstücke 943/1 und 944 im Weg eines zwischen ihm, seinem Vater, seiner Mutter und seinem Bruder abgeschlossenen Übergabe‑, Schenkungs‑ und Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 14. 2. 1997.

[8] Nach diesem Vertrag erwirbt der Beklagte (unter anderem) die Grundstücke 943/1 und 944 so von seinem Vater, wie dieser sie „bisher besessen und benützt hat und zu besitzen und zu benützen berechtigt war“. Als Gegenleistung werden unter anderem ein Wohnungsrecht der Eltern, die Übernahme der Bestattungskosten und Kosten medizinischer Behandlungen sowie die Übernahme von Kreditverpflichtungen vorgesehen. Der Geschenkgeber haftet nach der Vereinbarung „nicht für eine bestimmte Eigenschaft, Beschaffenheit oder Verwendungsmöglichkeit des Geschenk- bzw Übergabsobjekts, er übernimmt allerdings die Gewähr dafür, dass diese Objekte nicht mehr belastet sind, wie dies aus dem diesem Vertrag angeschlossenen Grundbuchsauszug bzw aus dem gegenständlichen Vertrag ersichtlich ist“.

[9] Das mit Vertrag vom 20. 12. 1970 zu Gunsten der EZ 359 eingeräumte Bauverbot wird in diesem Vertrag nicht erwähnt.

[10] Am 21. 11. 2005 verstarb der Vater des Beklagten. Seine Verlassenschaft wurde zu einem Drittel seiner Witwe und zu zwei Dritteln dem Beklagten nach Abgabe einer unbedingten Erbantrittserklärung und unter Berücksichtigung der Erbentschlagungserklärungen seiner Brüder eingeantwortet.

[11] Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Beklagte vor Erhalt des Schreibens der Klagevertreter vom 21. 1. 2019 Kenntnis vom Bauverbot zugunsten der EZ 359 laut Vertrag vom 20. 12. 1970 hatte.

[12] Die Klägerin begehrt die Einwilligung des Beklagten zur Einverleibung der Dienstbarkeit, auf den Grundstücken 943/1 und 944 in einem bestimmten Umkreis und einer bestimmten Richtung ab dem auf dem Grundstück 943/2 der Klägerin errichteten Gebäude keine Baulichkeiten zu errichten und keine die Aussicht störenden Veranlassungen zu treffen, zu Gunsten des Grundstücks der Klägerin und zu Lasten der Grundstücke 943/1 und 944.

[13] Sie brachte vor, der Vater des Beklagten habe gegenüber den Ehegatten A* und deren Tochter mehrfach bestätigt, dass die Bauverbotsvereinbarung auch für seine Söhne gelten solle. Der Beklagte hafte als Erbe für die von seinem Vater eingegangene Verpflichtung. Da die Überbindung der Verpflichtung auf die Rechtsnachfolger des Vaters des Beklagten vereinbart gewesen sei, hafte der Beklagte auch aus dem Titel des Schadenersatzes im Weg der Naturalrestitution. Der Beklagte könne sich nicht auf einen gutgläubigen lastenfreien Erwerb stützen, weil er die Grundstücke 943/1 und 944 unentgeltlich erworben habe. Das vertraglich eingeräumte Recht sei auch nicht verjährt, zumal der Beklagte und seine Rechtsvorgänger ihm bisher stets entsprochen und die Grundstücke 943/1 und 944 nicht verbaut hätten. Das Grundstück 944 sei erst aufgrund der Vereinbarung vom 20. 12. 1970 gebildet worden.

[14] Der Beklagte hielt dem Klagebegehren entgegen, er habe erstmals durch das Schreiben der Klagevertreter vom 21. 1. 2019 von der behaupteten Vereinbarung vom 20. 12. 1970 erfahren. Er habe daher gutgläubig lastenfrei Eigentum an den Grundstücken 943/1 und 944 erworben. Richtigerweise stelle sich die Frage eines gutgläubigen originären Erwerbs aber überhaupt nicht. Eines gutgläubigen originären Erwerbs bedürfe es nur dann, wenn der Erwerber aus einer Verpflichtung gelöst werden solle, die – wie sämtliche dinglichen Rechte – bereits absoluten Schutz genieße. Im vorliegenden Fall sei die Vereinbarung aber weder verbüchert noch dem Beklagten bekannt, noch offenkundig gewesen.

[15] Das Grundstück 944 habe zudem bereits vor dem Jahr 1970 selbständig existiert und sei daher von der Vereinbarung jedenfalls nicht erfasst.

[16] Darüber hinaus wirke eine nicht verbücherte Dienstbarkeit nur inter partes. Auf die Verbücherung des Rechts sei offenkundig verzichtet worden. Da sich die Klägerin auf eine Vereinbarung des Jahres 1970 stütze, werde die Verjährung eingewendet.

[17] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

[18] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es ließ die Revision nachträglich zu, weil zur Frage eines Gutglaubenserwerbs gemäß § 1500 ABGB im Zusammenhang mit bäuerlichen Übergabeverträgen keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

[19] Rechtlich erörterte es, die Bauverbotsvereinbarung vom 20. 12. 1970 hätte als Titel für die Begründung eines dinglichen Rechts dienen sollen. Eine dinglich wirkende Dienstbarkeit werde gemäß § 481 Abs 1 ABGB grundsätzlich durch Eintragung ins Grundbuch erworben. Allerdings würden Dienstbarkeiten, die dem Eigentümer der belasteten Liegenschaft bekannt oder die offenkundig seien, wie eingetragene Dienstbarkeiten behandelt. Im vorliegenden Fall sei § 1500 ABGB auf den Liegenschaftserwerb des Beklagten anzuwenden, weil der Übergabevertrag kein unentgeltliches Geschäft sei. Das Bauverbot sei weder offenkundig gewesen noch sei der beweisbelasteten Klägerin der Beweis gelungen, dass es dem Beklagten bekannt gewesen sei. Daher seien die Voraussetzungen eines gutgläubigen lastenfreien Liegenschaftserwerbs des Beklagten erfüllt. Wenn der Beklagte zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs lastenfreies Eigentum erworben habe, könne eine „dingliche Verpflichtung“ aus der Bauverbotsvereinbarung nicht im Nachhinein dadurch wieder aufleben, dass er im Erbweg Gesamtrechtsnachfolger des vormaligen Liegenschaftseigentümers werde.

[20] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Abänderung des angefochtenen Urteils und Klagestattgebung beantragt, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[21] Sie macht geltend, das Berufungsgericht verkenne, dass sie einen obligatorischen Anspruch auf Verbücherung geltend mache, der durch den Übergabevertrag des Jahres 1997 zwischen dem Beklagten und seinem Vater nicht erloschen sei und den sie gegen den Beklagten als Erben und Gesamtrechtsnachfolger nach seinem Vater geltend machen könne. Alternativ bestehe ein Schadenersatzanspruch auf Naturalrestitution. Zudem fehle Rechtsprechung zur Anwendung des § 1500 ABGB auf gemischte Schenkungen.

[22] Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[23] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage betreffend den obligatorischen Charakter des Rechts der Klägerin zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Zum Klagebegehren betreffend Grundstück 944

[24] Vorauszuschicken ist, dass die Klägerin der Beurteilung der Vorinstanzen, die Vereinbarung vom 20. 12. 1970 habe sich nicht auf das Grundstück 944 bezogen, weder in ihrer Berufung noch in ihrer Revision entgegen tritt, sodass diese Frage nicht in den Beurteilungsumfang des Obersten Gerichtshofs fällt (RIS‑Justiz RS0043573 [T2, T29]; RS0043352 [T10, T30]).

2. Zur Rechtsnatur des Rechts der Klägerin

[25] 2.1. Wie alle dinglichen Rechte wird eine Servitut durch Titel und Modus erworben (s nur Koch in KBB6 § 480 ABGB Rz 1). Als Modus zur Begründung der Dienstbarkeit an verbücherten Liegenschaften kommt gemäß § 481 Abs 1 ABGB grundsätzlich nur die Eintragung ins Grundbuch in Betracht (RS0011673 [T3]).

[26] Eine nicht verbücherte Dienstbarkeit bindet nur die Vertragsparteien; sie gewährt einen obligatorischen Anspruch gegen den Besteller auf Einwilligung in die Verbücherung (vgl RS0011653; Hofmann in Rummel, ABGB³ § 481 Rz 2; Koch in KBB6 § 481 ABGB Rz 2).

[27] Darüber hinaus binden die obligatorischen Wirkungen eines nicht einverleibten Dienstbarkeitsvertrags nach allgemeinen rechtsgeschäftlichen Grundsätzen die Einzelrechtsnachfolger der Vertragsparteien dann, wenn sie von diesen übernommen wurden (RS0011673 [T2]).

[28] 2.2. Im vorliegenden Fall wurde mit dem Vertrag vom 20. 12. 1970 ein zwischen den Vertragsparteien obligatorisch wirkendes Bauverbot hinsichtlich des Grundstücks 943 vereinbart und die Verpflichtung des Vaters des Beklagten begründet, in die Verbücherung zugunsten des späteren Grundstücks 943/2 einzuwilligen. Diese Verpflichtungen ging der Vater des Beklagten nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vereinbarung auch gegenüber den zukünftigen Eigentümern des Grundstücks 943/2 ein.

[29] 2.3. Da eine Verbücherung der Servitutsvereinbarung nicht stattfand, sodass es an einem Modus iSd § 481 Abs 1 ABGB fehlt, ist eine dinglich, also gegenüber jedem Eigentümer der belasteten Liegenschaft wirkende (vgl § 472 ABGB) Dienstbarkeit nicht entstanden.

[30] Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabevertrags zwischen dem Beklagten, seinen Eltern und seinen Brüdern gab der Grundbuchstand daher die materielle Rechtslage zutreffend wieder.

3. Zum Übergabevertrag vom 14. 2. 1997

[31] 3.1. Gemäß § 1500 ABGB kann das aus der Ersitzung oder Verjährung erworbene Recht demjenigen, welcher im Vertrauen auf die öffentlichen Bücher noch vor der Einverleibung desselben eine Sache oder ein Recht an sich gebracht hat, zu keinem Nachteil gereichen.

[32] 3.2. Die Bestimmung schützt iVm § 71 GBG das Vertrauen Gutgläubiger auf die Vollständigkeit des Buchstands: Was nicht eingetragen ist, gilt ihnen gegenüber nicht (negativer Publizitätsgrundsatz; Dehn in KBB6 § 1500 ABGB Rz 1). Das Vertrauen auf das öffentliche Buch schützt also die (unverschuldete) Unkenntnis der Abweichung des Grundbuchstands von der außerbücherlichen Rechtslage (M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1500 Rz 1). Eine solche Abweichung des Buchstands von der materiellen Rechtslage liegt etwa in Fällen des außerbücherlichen Erwerbs dinglicher Rechte durch Ersitzung oder beim Eigentumserwerb durch Bauführung gemäß § 418 ABGB vor (M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1500 Rz 1).

[33] 3.3. Besteht aber gar keine – vom Grundbuchstand abweichende – absolut geschützte Verpflichtung, erwirbt der Einzelrechtsnachfolger ein von allfälligen Belastungen freies Recht, ohne dass es dazu eines Gutglaubenserwerbs gemäß § 1500 ABGB bedürfte. Die Ungebundenheit des Einzelrechtsnachfolgers folgt vielmehr bereits aus dem bloß obligatorischen Charakter der fraglichen Verpflichtung (Vonkilch, „Verdinglichung“ von obligatorischen Rechten durch unentgeltliche Rechtsübertragung? NZ 2003, 321 [322]; vgl 5 Ob 35/06t).

[34] 3.4. Da im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs des Beklagten an den Grundstücken 943/1 und 944 eine vom Grundbuchstand abweichende materielle Rechtslage nicht vorlag, kam § 1500 ABGB nicht zur Anwendung.

[35] 3.5. Auf die Frage, ob dem Einzelrechtsnachfolger des durch einen Dienstbarkeitsbestellungsvertrag verpflichteten Vertragspartners eine nicht verbücherte, ihm aber bekannte oder offenkundige Servitut entgegen gehalten werden kann (vgl RS0011631), muss nicht eingegangen werden. Für die Klägerin wäre daraus nämlich nichts zu gewinnen, weil die in der Vereinbarung vom 20. 12. 1970 übernommene Verpflichtung nicht offenkundig ist und die Kenntnis des Beklagten von der dafür beweisbelasteten Klägerin (vgl RS0011631 [T7]; RS0034837 [T4]) nicht nachgewiesen werden konnte.

[36] Eine Überbindung der den Vater des Beklagten treffenden obligatorischen Verpflichtung aus dem Vertrag vom 20. 12. 1970 auf den Beklagten durch den Übergabevertrag vom 14. 2. 1997 wurde von der Klägerin nicht behauptet.

[37] 3.6. Der Eigentumserwerb des Beklagten an den Grundstücken 943/1 und 944 entfaltete allerdings keine Auswirkungen auf den Bestand der vertraglichen Bindung des Vaters des Beklagten aus der Vereinbarung vom 20. 12. 1970.

[38] Darauf, ob der Vater des Beklagten angesichts der von ihm selbst herbeigeführten nachträglichen subjektiven Leistungsunmöglichkeit (vgl dazu RS0016423) zur Bewirkung der Verbücherung der Dienstbarkeit verurteilt werden hätte können, muss schon deshalb nicht eingegangen werden, weil sich die Klage im vorliegenden Fall gegen den Beklagten richtet, der als Erbe (zu zwei Dritteln) Gesamtrechtsnachfolger seines Vaters wurde und der seinerseits nicht vorgebracht hat, dass ihm die Erfüllung der – seit der Einantwortung auch ihn treffenden – vertraglichen Verpflichtungen unmöglich wäre.

[39] 3.7. Gemäß § 801 ABGB bewirkt die unbedingte Erbantrittserklärung die persönliche unbeschränkte Haftung des Erben mit seinem gesamten Vermögen für alle Nachlassverbindlichkeiten (RS0120285). Vertragliche, nicht verbücherte Servituten binden daher auch die Gesamtrechtsnachfolger der Vertragsparteien.

[40] Den Beklagten, der im Wege des Übergabevertrags vom 14. 2. 1997 – mangels Verbücherung nicht durch eine Dienstbarkeit belastetes – Eigentum an den Grundstücken 943/1 und 944 erwarb, treffen daher ab der Einantwortung (vgl RS0012315) die von seinem Vater in der Vereinbarung vom 20. 12. 1970 eingegangenen Verpflichtungen.

[41] 3.8. Die Entscheidung 1 Ob 259/02y steht diesemErgebnis nicht entgegen. Die Gesamtrechtsnachfolge des Erben in die – auch obligatorischen – Verpflichtungen des Erblassers bedeutet nämlich in einem Fall wie dem vorliegenden nicht, dass „die Universalsukzession auf einen Zeitpunkt vor dem Ableben des Erblassers zurückverlegt“ und „auf einen Vermögenswert erstreckt werden soll, den die spätere Erbin schon vor dem Erbanfall als Einzelrechtsnachfolgerin erworben hat und der deshalb nicht mehr Teil des Nachlassvermögens war“, was von der Entscheidung 1 Ob 259/02y zutreffend abgelehnt wird. Die in der Entscheidung 1 Ob 259/02y vom Obersten Gerichtshof gezogene Schlussfolgerung, die Tochter, die das unbelastete Eigentum an einer Liegenschaft als Einzelrechtsnachfolgerin von ihrem Vater erworben hatte, habe die Liegenschaft auch ohne Verpflichtung zur Überbindung einer ihr unbekannten, vom Vater eingegangenen obligatorischen Verpflichtung, eine bestimmte Bauhöhe einzuhalten, veräußern dürfen, solange sie nicht als Erbin Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Vaters geworden war, steht daher im Einklang mit der im vorliegenden Fall getroffenen Beurteilung. Das in der Entscheidung 1 Ob 259/02y angesprochene praktische Problem, dass sich durch eine später eingetretene Gesamtrechtsnachfolge für den Gesamtrechtsnachfolger widerstreitende, einander ausschließende (obligatorische) Verpflichtungen ergeben können, ist der Rechtsordnung nicht unbekannt (vgl etwa die Rechtsprechung zum Doppelverkauf, RS0011210). Derartige Probleme sind nach der jeweils aufgetretenen Konstellation zu lösen (vgl den Hinweis auf einen möglichen Schadenersatzanspruch in 1 Ob 259/02y ErwGr 3.3., unklar hingegen ErwGr 3.2.).

[42] 3.9. Für den vorliegenden Fall genügt es, nochmals klarzustellen, dass zwar die Liegenschaft, an der der Beklagte bereits im Jahr 1997 Eigentum erwarb, nicht mehr Bestandteil des Nachlasses nach seinem Vater war, wohl aber die aus der Vereinbarung vom 20. 12. 1970 resultierende Verpflichtung des Vaters gegenüber den jeweiligen Eigentümern des Grundstücks 943/2.

4. Zum Verjährungseinwand

[43] 4.1. Der Beklagte hielt dem vertraglichen Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zur Einverleibung der Servitut den Einwand der Verjährung entgegen.

[44] 4.2. Vorauszuschicken ist, dass ein Wechsel in der Person des Berechtigten oder des Schuldners durch Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge allein keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährung hat (RS0034277; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 1478 ABGB Rz 37).

[45] 4.3. Gemäß § 1478 ABGB verjähren Rechte aus einem Vertrag grundsätzlich in 30 Jahren (RS0080886). Der obligatorische Anspruch auf Eigentumsübertragung aus einem Vertrag verjährt daher in 30 Jahren (10 Ob 1575/95; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar4 § 1479 ABGB Rz 4).

[46] Eine längere Verjährungszeit kann sich für Rechte, die nur selten ausgeübt werden können, ergeben. Nach § 1484 ABGB ist zur Verjährung solcher Rechte erforderlich, dass während der Verjährungszeit von 30 Jahren von drei Gelegenheiten, ein solches Recht auszuüben, kein Gebrauch gemacht wurde. Dabei gilt eine Gelegenheit erst dann als versäumt, wenn – konkret – nicht nur die Möglichkeit, sondern auch der Anlass bestand, das Recht auszuüben (10 Ob 512/88; RS0034172). Infolgedessen wird die Verjährung mit der ersten konkreten Möglichkeit zur Rechtsausübung in Gang gesetzt und ist erst dann vollendet, wenn der Berechtigte noch zwei weitere konkrete Möglichkeiten zur Rechtsausübung innerhalb der Verjährungsfrist ungenutzt ließ (M. Bydlinski in Rummel, ABGB³ § 1484 Rz 1; 1 Ob 181/04f).

[47] 4.4. Ausgehend von der vom Obersten Gerichtshof zu 1 Ob 181/04f und von Vollmaier (in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang3 § 1484 ABGB Rz 3) vertretenen Ansicht handelt es sich bei dem mit der Vereinbarung vom 20. 12. 1970 den jeweiligen Eigentümern des Grundstücks 943/2 eingeräumten Recht auf Unterbleiben der Verbauung um ein selten ausübbares Recht iSd § 1484 ABGB, weil eine Ausübung einen Anlassfall im Sinn der konkreten Inangriffnahme einer Bauführung auf dem Grundstück 943/1 voraussetzt.

[48] Nach den Feststellungen werden die betroffenen Grundstücksflächen seit je her landwirtschaftlich genutzt; Ereignisse, die die Eigentümer der Liegenschaft der Klägerin veranlasst hätten, sich auf den Vertrag vom 20. 12. 1970 berufen zu müssen, konnten nicht festgestellt werden. Die in der Vereinbarung vom 20. 12. 1970 zugunsten aller Eigentümer des Grundstücks 943/2 zugesagte (obligatorische) Verpflichtung des Inhalts, auf bestimmten Flächen keine Bauten zu errichten oder sonstige die Aussicht störenden Verfügungen zu treffen, ist daher nicht verjährt.

[49] 4.5. Damit ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, ob die obligatorische Verpflichtung des Beklagten aus dieser Vereinbarung, darüber hinaus in die grundbücherliche Einverleibung einer Dienstbarkeit dieses Inhalts einzuwilligen, ihrerseits verjährt ist oder nicht.

[50] 4.6. Hinsichtlich bücherlicher Eintragungen kommt es darauf an, ob ein bestehender Rechtszustand geändert werden soll – etwa im Fall der Klage eines Liegenschaftskäufers auf Einverleibung – oder ob ein der außerbücherlich bereits bestehenden Rechtslage entsprechender Grundbuchstand hergestellt werden soll (10 Ob 1575/95).

[51] Ansprüche, die den Zweck verfolgen, den Buchstand mit der bereits bestehenden außerbücherlichen Rechtslage in Übereinstimmung zu bringen, sind unverjährbar (RS0011036 [T2]; einschränkend: nur soweit das zugrunde liegende Recht, wie das Eigentum, unverjährbar ist: Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 1478 ABGB Rz 29; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar4 § 1479 ABGB Rz 4). Ein solcher Fall liegt nicht nur bei einer Klage auf Einverleibung des Eigentums aus der Ersitzung vor, sondern wird von der Rechtsprechung auch bei einer Klage des Käufers, dem die Liegenschaft schon physisch übergeben wurde, bejaht (10 Ob 66/00d).

[52] Hingegen unterliegen Klagen auf Änderung des bestehenden Zustands, wie die Klage des Liegenschaftskäufers, Hypothekargläubigers oder des Gläubigers aus einem Servitutsbestellungsvertrags auf Einwilligung in die Einverleibung der Verjährung (10 Ob 1575/95; Vollmaier in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 1478 ABGB Rz 28; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek, Praxiskommentar4 § 1479 ABGB Rz 4).

[53] 4.7. Da Rechte aus einem Vertrag verjähren können, kommt die Verbücherung eines bereits verjährten Rechts zwecks Änderung eines bestehenden bücherlichen Rechtszustands nicht in Betracht (1 Ob 181/04f).

[54] 4.8. In der Entscheidung 1 Ob 181/04f sprach der Oberste Gerichtshof im Fall eines obligatorischen Anspruchs auf Einräumung einer Servitut des Inhalts, ein Gebäude nur bis zu einer bestimmten Bauhöhe zu errichten, aus, der Anspruch auf Verbücherung bestehe jedenfalls so lange, als das Recht nicht seinerseits verjährt sei. Im Fall eines selten ausübbaren Rechts iSd § 1484 ABGB kann diese Rechtsansicht dazu führen, dass der Anspruch auf Einverleibung der Servitut auch nach mehr als 30 Jahren noch nicht verjährt ist.

[55] 4.9. Diese Rechtsansicht vermag aber nicht zu überzeugen:

[56] Es liegt auf der Hand, dass die Verbücherung eines bereits verjährten (obligatorischen) Rechts zwecks Änderung eines bestehenden bücherlichen Rechtszustands nicht in Betracht kommt (1 Ob 181/04f). Daraus kann aber nicht der Gegenschluss gezogen werden, dass der Anspruch auf Verbücherung bei selten ausübbaren und daher nach 30 Jahren noch nicht verjährten obligatorischen Rechten ebenfalls unverjährt wäre.

[57] Das vertragliche Recht, die Verbücherung zu erwirken, kann nämlich nicht als selten ausübbares Recht iSd § 1484 ABGB qualifiziert werden, weil es zu seiner Ausübung keiner gesonderten Gelegenheit bedarf. Der Anspruch auf Einwilligung in die Einverleibung einer Servitut unterscheidet sich insofern nicht vom vertraglichen Anspruch auf Einwilligung in die Eintragung des Eigentumsrechts, der binnen 30 Jahren verjährt (10 Ob 1575/95).

[58] 4.10. Die Rechtsansicht, die Verjährung des Anspruchs auf Einwilligung in die Einverleibung einer Servitut richte sich nach der Verjährung des obligatorischen (Unterlassungs‑)Anspruchs, ergibt sich auch nicht aus der in der Entscheidung 1 Ob 181/04f zitierten Literaturstelle (Mader in Schwimann, Praxiskommentar² [1997] § 1479 ABGB Rz 4). Sie steht darüber hinaus in einem Spannungsfeld zur Bestimmung des § 1502 ABGB, nach dem die Verjährungsfrist auch durch Vereinbarung nicht verlängert werden kann. Die in der Entscheidung 1 Ob 181/04f ausgesprochene Rechtsansicht zur Verjährung des Anspruchs auf Einwilligung in die Einverleibung ist in der Rechtsprechung auch in keiner weiteren Entscheidung tragend zur Anwendung gebracht worden. In der Entscheidung 4 Ob 177/19m wurde zwar die abstrakte rechtliche Aussage wiederholt. Sie war aber für die Entscheidung des Falls nicht ausschlaggebend, da dort eine vertragliche Zusage des Jahres 1999 vorlag, sodass die allgemeine Verjährungsfrist für vertragliche Ansprüche von 30 Jahren ohnehin noch nicht abgelaufen war. Auch in der Entscheidung 1 Ob 12/21b war der Hinweis auf die Entscheidung 1 Ob 181/04f nicht entscheidend. Zu beurteilen war vielmehr der Fall eines außerbücherlichen Eigentumserwerbs durch Ersitzung, in dem der Buchstand mit der bestehenden außerbücherlichen Rechtslage in Übereinstimmung zu bringen, nicht aber – wie im vorliegenden Fall und wie zu 1 Ob 181/04f – eine Änderung der Rechtslage durch bücherliche Eintragung zu bewirken war (vgl oben ErwGr 4.6.).

[59] 4.11. Mangels überzeugender dogmatischer Begründung der der Entscheidung 1 Ob 181/04f zugrunde liegenden Rechtsansicht hat es daher – auch im vorliegenden Fall – bei der Anwendung der allgemeinen Verjährungsregeln zu bleiben.

[60] Nach diesen beträgt die Verjährungsfrist für vertragliche Ansprüche – hier des Anspruchs auf Einwilligung in die Einverleibung – 30 Jahre ab ihrer erstmaligen Ausübbarkeit (RS0034343).

[61] 4.12. Im vorliegenden Fall konnten die Rechtsvorgänger der Klägerin das Recht, die Einwilligung in die Einverleibung der Servitut zu verlangen, bereits ab dem Zeitpunkt des Abschlusses des Servitutsbestellungsvertrags am 20. 12. 1970 ausüben. Zum Zeitpunkt der klageweisen Geltendmachung im vorliegenden Fall, das ist der 3. 3. 2020, war es daher bereits verjährt.

[62] Die Revision der Klägerin erweist sich daher als nicht berechtigt.

[63] 5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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