OGH 10Ob66/00d

OGH10Ob66/00d18.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Heide Z*****, vertreten durch Dr. Walther Mörth und Dr. Georg Buder, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Mag. Nicolette W*****, vertreten durch Dr. Johann Buchner und Mag. Ingeborg Haller, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert S 250.000,--), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 15. Dezember 1999, GZ 2 R 225/99t-36, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach herrschender Rechtsprechung ist § 60 Abs 2 JN unanwendbar, wenn es nur um einen Teil der Liegenschaft geht, für den ein gesonderter Einheitswert nicht festgelegt wurde. In einem derartigen Fall kann als Streitwert nicht der aliquote Anteil des Einheitswerts angenommen werden; vielmehr hat eine Bewertung durch das Rechtsmittelgericht nach dem gemeinen Wert dieses Grundstückes zu erfolgen (Mayr in Rechberger, ZPO2 Rz 2 zu § 60 JN mwN ua).

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 260.000,-- übersteige, die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO jedoch nicht zulässig sei, weil entscheidungswesentlich in erster Linie die Erforschung des Parteiwillens der Streitteile bzw deren Rechtsvorgänger sei und keine über das vorliegende Verfahren hinaus bedeutsamen Rechtsfragen zu lösen seien.

Die von der Beklagten dagegen erhobene außerordentliche Revision wäre gemäß § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden müsste (Kodek in Rechberger aaO Rz 5 zu § 502 ZPO mwN; RIS-Justiz RS0042776; RS0112106; RS0044298; RS0044358 mwN uva). Das Berufungsgericht ist bei der Auslegung des zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien abgeschlossenen Kaufvertrages vom 1. 4. 1948 von den allgemeinen Vertragsauslegungsgrundsätzen und auch der hiezu ergangenen einhelligen Rechtsprechung nicht abgewichen. Danach ist über den Wortsinn der Erklärungen hinaus die Absicht der Parteien maßgeblich (Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 4 zu § 914 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung uva).

Gemäß § 372 ABGB wird derjenige, der zwar nicht das Eigentum an der ihm vorenthaltenen Sache nachzuweisen vermag, aber dartun kann, dass er aufgrund eines gültigen Titels und auf eine echte Art in ihren Besitz gelangt ist, in Rücksicht eines jeden Besitzers, der keinen oder nur einen schwächeren Titel seines Besitzes anzugeben vermag, für den wahren Eigentümer gehalten. Nach herrschender Auffassung steht diese publizianische Klage nach § 372 ABGB dem Naturalbesitzer auch gegen den bloßen Tabularbesitzer zu (JBl 1997, 235 mwN ua). Das Berufungsgericht hat ebenfalls bereits darauf hingewiesen, dass dieser Anspruch gegen den Einzelnachfolger des Veräußerers grundsätzlich nicht wirkt, weil sein bücherlicher Erwerb durch das Vertrauen auf das Grundbuch geschützt wird. Soweit die Beklagte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes nunmehr die Ansicht vertritt, ihrem Vorbringen in erster Instanz sei implizit auch zu entnehmen gewesen, dass sie zum Zeitpunkt des bücherlichen Erwerbes des Eigentums an der Grundparzelle 295/1 durch Einantwortungsurkunde am 21. 11. 1977 auf den Grundbuchsstand vertraut habe und somit davon ausgegangen sei, dass die klagsgegenständliche Teilfläche nach wie vor zum Gutsbestand der Grundparzelle 295/1 gehöre, ist ihr entgegenzuhalten, dass auch die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, eine Frage des Einzelfalles ist, der keine rechtserhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt. Gegenteiliges würde im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann gelten, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar wäre, was auf den vorliegenden Fall keinesfalls zutrifft (vgl RIS-Justiz RS0042828 mwN ua). Im Übrigen wurde nach den Feststellungen des Erstgerichtes entgegen dem nunmehrigen Vorbringen der Beklagten beiden Parteien erst im Zuge von Vermessungsarbeiten im Jahr 1993 erstmals bekannt, dass sich das Bootshaus nicht zur Gänze auf der im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücksparzelle Nr 295/105 sondern zum überwiegenden Teil auf der der Beklagten gehörenden Parzelle Nr 295/1 befindet.

Schließlich steht auch die weitere Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass Ansprüche, die den Zweck verfolgen, den Buchstand mit der bereits bestehenden außerbücherlichen Rechtslage in Übereinstimmung zu bringen, unverjährbar sind, im Einklang mit der bereits vom Berufungsgericht zitierten herrschenden Rechtsprechung und Lehre. Diese Rechtslage besteht nach zutreffender Ansicht des Berufungsgerichtes nicht nur bei einer Klage auf Einverleibung des Eigentums aus der Ersitzung sondern auch bei einer Klage des Käufers, dem die Liegenschaft schon physisch übergeben worden ist und der sich somit bereits im Besitz dieser Liegenschaft befunden hat. Im vorliegenden Fall wurde die dem Klagebegehren zugrundeliegende Fläche bereits den Rechtsvorgängern der Klägerin als Käufer der Liegenschaft jeweils in den physischen Besitz übertragen, wobei die Besitzausübung durch Mieter als Besitzmittler erfolgte. Anlässlich des Verkaufes der Liegenschaft an die Klägerin wurde auch die dem Klagebegehren zugrundeliegende Fläche in den Besitz der Klägerin übertragen und es hat die Klägerin diesen Besitz in der Folge selbst ausgeübt. Der Berechtigung des Klagebegehrens steht somit auch der Einwand der Verjährung nicht entgegen.

Die Revision der Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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