BVwG L524 2139036-1

BVwGL524 2139036-110.4.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §18 Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:L524.2139036.1.00

 

Spruch:

L524 2139036-1/28E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2016, Zl. 1078563106-150873503/BMI-BFA_BGLD_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.03.2019, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 16.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 17.07.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er sei sunnitischer Moslem und Araber. Vor ca. zwei Jahren habe er den Entschluss zur Ausreise gefasst und am 30.06.2015 sei er tatsächlich von Bagdad mit dem Flugzeug ausgereist. Seinen Reisepass habe er bei der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland in das Meer geworfen. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor: "Da die Schiiten und Sunniten im Streit leben und die Schiiten alles und wir Sunniten nichts bekommen, habe ich das Land verlassen. Es herrscht ein Chaos im Land und es gibt keine Sicherheit. Ich habe Angst um mein Leben.".

 

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 25.07.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass er sich noch an die Erstbefragung erinnern könne. Seine Angaben seien vollständig gewesen und er habe damals alles gesagt. Er habe auch die Wahrheit gesagt.

 

Er habe sechs Jahre die Volksschule und drei Jahre das Gymnasium besucht. Danach habe er in einem Geschäft für Frauenbekleidung zu arbeiten begonnen und ab 2013 bis zur Ausreise aus dem Irak habe er ein eigenes Geschäft für Herrenbekleidung gehabt. Dieses Geschäft habe sich in seinem Wohnbezirk in Bagdad befunden. Nachdem seine Mutter und seine Brüder im November 2013 in die Türkei gegangen seien, habe der Beschwerdeführer mit seinem Vater alleine im Haus des Großvaters in Bagdad gelebt. Der Beschwerdeführer habe am 22.06.2015 den Irak verlassen und vor ca. sechs Monaten sei auch der Vater aus dem Irak ausgereist. Die Eltern des Beschwerdeführers und seine beiden Brüder würden sich derzeit in der Türkei aufhalten.

 

Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass Mitglieder der Asaib Ahl al-Haqq in das Geschäft für Frauenkleidung gekommen seien und eine Spende verlangt hätten. Zwei Tage später hätten sie erneut Geld verlangt und von ihm und einem weiteren Angestellten verlangt, dass sie sich ihnen anschließen sollten. Er habe zugesagt, weil er ansonsten getötet worden wäre. Am nächsten Tag sei er nicht mehr zur Arbeit gegangen. Am 19.06.2015 sei dann das Geschäft des Beschwerdeführers abgebrannt. Er habe sich drei Tage nicht mehr im Bezirk aufgehalten und habe am 22.06.2015 Bagdad verlassen.

 

3. Mit Bescheid des BFA vom 24.10.2016, Zl. 1078563106-150873503/BMI-BFA_BGLD_RD, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

 

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht habe. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

 

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde.

 

5. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 20.03.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Dem Beschwerdeführer wurde die Gelegenheit eingeräumt, sein Fluchtvorbringen zu schildern. Dem Beschwerdeführer wurden Berichte zur Lage im Irak zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer gab hierzu eine Stellungnahme ab.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer lebte bis zur Ausreise aus dem Irak mit seinen Eltern und seinen Geschwistern, seiner Tante väterlicherseits und der Großmutter im Haus des Großvaters in Bagdad. Die Mutter und die beiden Brüder des Beschwerdeführers verließen den Irak ca. im November 2013 und hielten sich ab diesem Zeitpunkt in der Türkei auf. Seit Jänner 2017 leben die beiden Brüder und seit April 2017 auch die Mutter des Beschwerdeführers in den USA. Im Haus in Bagdad leben derzeit zumindest die Großmutter des Beschwerdeführers und seine Tante väterlicherseits. Beide erhalten eine Pension, von der sie leben.

 

Der Beschwerdeführer hat im Irak neun Jahre die Schule besucht. Ab dem Jahr 2010 war der Beschwerdeführer berufstätig. Er arbeitete als Verkäufer in einem Geschäft für Damenkleidung. Ab dem Jahr 2013 hatte der Beschwerdeführer ein eigenes Geschäft für Herrenkleidung. In seiner Freizeit, an den Wochenenden, ging der Beschwerdeführer mit Freunden aus.

 

Der Beschwerdeführer verließ ca. im Juni 2015 legal den Irak und reiste danach schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 16.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

 

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, wonach er von der schiitischen Miliz Asaib Ahl al-Haqq bedroht und zur Zusammenarbeit mit ihnen aufgefordert worden sei und sie von ihm Geld verlangt hätten, wird der Entscheidung mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt.

 

Der Beschwerdeführer ist ledig, hat keine Freundin und keine Kinder. Der Beschwerdeführer ist gesund. Der Beschwerdeführer hat mehrere Deutschkurse besucht und das ÖSD-Zertifikat A2 bestanden. Die Prüfung B1 hat der Beschwerdeführer zweimal nicht bestanden. Er hat an einem Werte- und Orientierungskurs, einem Workshop "Berufe vorstellen", einer Bildungs- und Berufsberatung, an zwei Workshops "Leben und Arbeiten in Österreich" und an einem Workshop "Orientierung, Austausch, Lebenswelten" teilgenommen. Von 01.01.2016 bis zumindest 24.04.2017 unterstützte er den Verein XXXX . Im Jahr 2016 hat er bei Umbauarbeiten und der Veranstaltung eines Festes sowie bei Sanierungsarbeiten einen Verein unterstützt. Der Beschwerdeführer hat im April 2016 an einer Flurreinigung in seinem Wohnort teilgenommen. Der Beschwerdeführer verfügt auch über Empfehlungsschreiben. Der Beschwerdeführer hat am 26.02.2019 einen Vertrag hinsichtlich der Erbringung von Hilfstätigkeiten im Facilitymanagement bei einer Tankstelle abgeschlossen. Der Beschwerdeführer bezieht weiterhin Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

 

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

 

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. ISIL führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus.

 

Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt.

 

Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

 

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser.

 

97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus.

 

Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Doura, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

 

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak erheblich geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig, und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

 

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsfürsorge und es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Der Irak verfügt über öffentliche und private Krankenhäuser. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken.

 

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber, und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

 

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status.

 

Zu den zahlreichen schiitischen bewaffneten Gruppen im Irak gehören Saraya Al-Salam (SAS, auch Friedensbrigaden genannt, die zum Teil aus ehemaligen Mahdi-Armeekämpfern bestehen), Asaib Ahl al-Haq (AAH), Kataib Hizbullah (KH) und das Badr Corps. SAS und das Badr Corps sind die militärischen Waffen der politischen Bewegungen Sadrist und Badr.

 

Ethnische Minderheiten haben im Irak eine politische Vertretung und nehmen am öffentlichen Leben teil. Die Verfassung erkennt sowohl Arabisch als auch Kurdisch als Amtssprachen an und verankert das Recht des Einzelnen, seine Kinder in Minderheitensprachen wie turkmenisch, syrisch und armenisch zu erziehen.

 

Personen sind aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit einem geringen Risiko einer offiziellen Diskriminierung ausgesetzt. Es besteht möglicherweise ein mäßiges Risiko gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt zu sein, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ihre ethnische Zugehörigkeit in der Minderheit ist.

 

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Es garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer. Als Mehrheitsbevölkerung im Irak mit einer dominierenden Rolle in der Regierung sieht sich Schiiten kaum oder gar nicht offiziell diskriminiert.

 

Die Schiiten haben traditionell im ganzen Irak gelebt. Durch die starke Zunahme sektiererischer Gewalt seit 2003 haben einige Schiiten sunnitische Gebiete verlassen. Der Aufstieg von IS im Jahr 2014 führte dazu, dass viele Turkmenen und Shabak in andere Gebiete umsiedelten. Die Gewalt gegen Schiiten hat sich im Jahr 2018 nach der Niederlage des IS verringert. Es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen schiitischen Milizen, die häufiger in schiitischen Gebieten wie Bagdad und dem Südirak auftreten. Schiiten sind keiner offiziellen Diskriminierung ausgesetzt. Sie sind auch keiner gesellschaftlichen Diskriminierung ausgesetzt, obwohl sie bei bedeutenden schiitischen Festen und Pilgerfahrten einem mäßigen Gewaltrisiko ausgesetzt sind.

 

Nach der Absetzung von Saddam Hussein und der (von Sunniten dominierten) Ba'ath-Partei aus der Regierung fühlten sich viele Sunniten ausgegrenzt. Sunniten, einschließlich IDPs, berichten weiterhin, dass sie von PMF-Gruppen belästigt und beschuldigt werden, den IS zu unterstützen sowie körperlich verletzt werden. Sunniten berichten ein ähnliches Verhalten, wenn auch in geringerem Maße, von der ISF in manchen Gebieten. Außerhalb der vom IS kontrollierten Gebiete wurden Sunniten in der Form belästigt und diskriminiert, dass sie bei Kontrollpunkten in aufdringlicher Weise kontrolliert wurden und Dienste minderer Qualität in sunnitischen Gebieten bereitgestellt werden. Sunniten sind außerhalb von Gebieten, die kürzlich vom IS kontrolliert wurden, aufgrund ihrer Religion einem geringen Risiko gesellschaftlicher Gewalt ausgesetzt. In Gebieten, in denen sie eine Minderheit sind, sind Sunniten einem moderaten Risiko von Diskriminierung durch die Behörden und der Gesellschaft ausgesetzt. Das Risiko der Diskriminierung variiert je nach lokalem Einfluss und Verbindungen.

 

Die ISF ist für die Sicherheit im Irak verantwortlich und umfasst die irakische Armee, die Bundespolizei und die Provinzpolizei. Die Armee berichtet dem Verteidigungsminister und die Polizei dem Innenminister. Der Premierminister ist Oberbefehlshaber. Der Terrorismusbekämpfungsdienst ist ebenso wie die PMF direkt dem Premierminister unterstellt.

 

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war.

 

Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt.

 

Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez passer in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government - Department of Foreign Affais and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

 

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60 % zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salah al-Din ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober gab es Schwankungen. Das begann in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Während der letzten beiden Monate des Jahres gab es die geringsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden, seit dem Rückzug des sog. Islamischen Staates.

 

Im Jänner 2018 gab es insgesamt 13 "Mass Casualty Bombings", davon 7 Selbstmordattentate (ein Attentat in Bagdad) und 6 Autobomben. Im Verlauf des Jahres bewegten sich diese Vorfälle zwischen 1 und 8. Im Mai ereignete sich ein Selbstmordattentat in Bagdad. Weitere Vorfälle ereigneten sich in Ramadi, Kirkuk, Tikrit, Fallujah und Mossul.

 

In Anbar gab es 2018 durchschnittlich 12 Vorfälle pro Monat. Die meisten Attacken gab es im März. Die Gewalt nahm dann ab und erreichte nach einer Steigerung im September und Oktobermit 17 bzw. 16 Attacken ihren Tiefststand im November mit 6 Attacken. Es gab sehr wenige Konfrontationen mit den Sicherheitskräften oder Angriffe auf Checkpoints. Es gab insgesamt 10 Selbstmordattentate und Autobomben in der ganzen Provinz, das ist die dritthöchste Rate im Irak.

 

In Babil gab es im Jänner 2018 den Höchststand der Vorfälle, nämlich

10. Im restlichen Jahr bewegte sich die Anzahl er Vorfälle zwischen 1 und 5, nur im Juni gab es 8. Fast alle Angriffe erfolgten im Nordosten, entlang der Grenze zu Anbar.

 

Auch Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden.

 

In Diyala gab es rund 30 Vorfälle pro Monat, nur im März und Juni lag die Zahl bei 54 bzw. 51. Es gab Schießereien mit den Sicherheitskräften und Übergriffe auf Kontrollpunkte.

 

In Kirkuk gab es im März, Juni und Oktober die meisten Angriffe. Im November und Dezember sank die Zahl auf 18 bzw. 16 Angriffe. Im Vergleich dazu lag der Durchschnitt bei 36 Angriffen pro Monat. Ähnlich wie in Diyala gab es ein konstantes Muster von Schießereien mit Sicherheitskräften, Angriffe auf Checkpoints und Mukhtars und Entführungen.

 

In der Provinz Ninewa gab es durchschnittlich 20 Vorfälle pro Monat. Im Februar und März sowie im Juli und August gab es einen Anstieg der Angriffe. Im Juni sank die Anzahl auf nur 9. Vor allem in der ersten Jahreshälfte gab es regelmäßig Schießereien mit den Sicherheitskräften.

 

In Salah al-Din stieg im März und im Juni die Zahl der Angriffe auf 35 und 36, sank danach aber stetig ab und erreichte im Dezember nur mehr 8 Angriffe. Ebenso gab es im ersten Halbjahr mehr Schießereien und Entführungen im Vergleich zum zweiten. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)

 

Nach einer Zusammenstellung von ACCORD auf Basis von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) gehen im Berichtszeitraum September 2016 bis September 2018 die Konfliktvorfälle mit Todesopfern kontinuierlich zurück. In diesem Zeitraum ereigneten sich die meisten Vorfälle mit Todesopfern in Salah ad-Din, gefolgt von Diyala, At-Tamim (Kirkuk) und Al-Anbar. Die meisten Todesopfer gab es in Salah ad-Din und Al-Anbar, gefolgt von At-Tamim (Kirkuk) und Diyala. In Al-Anbar wurden 80 Vorfälle mit 308 Toten erfasst, in Al-Basrah 84 Vorfälle mit 42 Toten. In At-Ta'mim (Kirkuk) gab es 115 Vorfälle mit 251 Toten, in Baghdad wurden 58 Vorfälle mit 38 Toten erfasst. In Diyala wurden 136 Vorfälle mit 220 Toten, in Ninawa 65 Vorfälle mit 184 Toten und in Sala ad-Din 114 Vorfälle mit 308 Toten verzeichnet. (ACCORD Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), aktualisierte 2. Version vom 20.12. 2018)

 

In Bagdad herrscht Aufbruchsstimmung. Nach Jahren des Kriegs gegen den IS atmet die Stadt sichtlich durch. Die Jugend genießt es, dass das Nachtleben wieder an Fahrt gewinnt. Die Wasserpfeifencafés sind jeden Abend gefüllt. In einigen Stadtteilen gibt es sogar wieder Bars, die Alkohol ausschenken und in denen man Rockkonzerten lauschen und tanzen kann. "Wir hatten jahrelang keine Möglichkeit auszugehen, jetzt wollen wir unser Leben genießen!", erzählt mir ein junger Mann in einem der Cafés in der Omar-Bin-Yasir-Straße. Er und seine Freunde haben jüngst eine Jugendorganisation gegründet, die "Vereinigung der freien Jugend des Irak". Mit dieser wollen sie sich auch aktiv dafür einsetzen, dass man jene Freiheit leben kann, die man leben will. "Bagdad muss wieder ein Ort werden, in dem wir uns wohl fühlen, in dem auch junge Frauen frei leben können und in dem die Religiösen nicht mehr das ganze Leben bestimmen."

 

Die Stadt hat vieles zu bieten und mittlerweile sieht man auch wieder Frauen in der Nacht auf der Straße, viele davon ohne Kopftuch. Einige zeigen sich sogar in den Cafés. Wer Bescheid weiß findet sogar versteckte Schwulenclubs. Ständig bedroht von gewaltsamen Übergriffen durch bigotte Milizen, versuchen diese nicht aufzufallen. Es gibt sie aber wieder. Auch für Kulturinteressierte hat Bagdad durchaus etwas zu bieten. Im Gegensatz zu den irakischen Kleinstädten ist Bagdad eine wirkliche Weltstadt mit einem kulturellen Angebot, mit Kinos, Theatern und einer ganzen Straße, die für ihre Buchläden bekannt ist. Die nach dem klassischen arabischen Dichter Abu at-Tayyib al-Mutanabbi benannte Mutanabbi-Staße, die 2007 noch Tatort eines blutigen Anschlags wurde, ist wieder in vollem Betrieb. An Freitagen finden hier Gedichtrezitationen unter freiem Himmel statt, ansonsten werden Bücher aller Art verkauft. Von klassischer arabischer Lyrik über moderne Romane bis zu religiöser Literatur ist hier alles zu finden. (derstandard.at, Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018)

 

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 28.02.2019 wurden 1,7 Millionen IDPs (290.830 Familien), verteilt auf 18 Gouvernements und 104 Distrikte identifiziert. Die Zahl der Rückkehrer steigt seit April 2015 kontinuierlich an. Die Zahl der Rückkehrer betrug zum 28.02.2019 4,2 Millionen (701.997 Familien) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Im Zeitraum Januar und Februar 2019 gab es 46.662 Rückkehrer. Die meisten kehrten nach Ninewa (27.150 Personen), Salah al-Din (11.214) und Kirkuk (3.744) zurück. Die Zahl der IDPs geht in allen Gouvernements, ausgenommen Erbil und Najaf, zurück. Im Januar und Februar 2019 wurde ein Rückgang von 57,852 IDPs verzeichnet, davon die meisten in Ninewa (-29.358, -5%), Salah al-Din (-9.168, -7%) und Anbar (-6.822, -13%).

 

Nahezu alle Familien (95%, 4.008.840 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (72.378) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (130.64) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Von den zuletzt Genannten leben 85 Prozent in drei Gouvernements: 41% sind in Ninewa (53.784), 24 % in Salah al-Din (30.864) und 20 % in Diyala (25.878). (Displacement Tracking Matrix, Round 108, Februar 2019)

 

Die Sicherheitslage in Bagdad hat sich deutlich verbessert. Die Zeiten, in denen die Hauptstadt Bagdad regelmäßig von Terroranschlägen erschüttert wurde, sind vorbei. Im Dezember 2018 ordnete der neue Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi an, die mit Betonmauern geschützte Hochsicherheitszone im Zentrum der Stadt für einige Stunden am Tag zu öffnen. Seit 2003 war das Gebiet, in dem Ministerien und die US-Botschaft liegen, für normale Iraker praktisch unzugänglich. Die Mauern, die dort über viele Jahre hochgezogen wurden, werden langsam abgebaut. Deutschland hatte den Kampf gegen den IS im Irak vor allem mit der Ausbildung kurdischer Peschmerga-Kämpfer und Waffenlieferungen unterstützt. Im Camp Tadschi nahe Bagdad bildet die deutsche Bundeswehr irakische Soldaten aus. Die deutsche Bundesregierung setzt jetzt verstärkt auf zivile Hilfe.

 

Deutschland ist nach den USA das Land, das den Irak in den vergangenen vier Jahren am stärksten mit Hilfsgeldern für Entwicklung, Stabilisierung und Wiederaufbau unterstützt hat. Mehr als 1,5 Milliarden Euro wurden dafür bereitgestellt. Die Bundesregierung hofft darauf, dass ein stabiler Irak die Nahost-Region insgesamt beruhigen kann. (Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, welt.de 17.12.2018)

 

Bei schiitischen Milizen sind Zwangsrekrutierungen extrem selten, mit vielleicht drei oder vier dokumentierten Fällen. (AB - Rekrutierung von schiitischen Milizen (insb. Asaib Ahl al-Haqq), 27.02.2019)

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Schulbildung und seiner beruflichen Tätigkeit im Irak, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten.

 

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund ist, stützt sich auf seine eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung.

 

Die Feststellungen zum Besuch von Deutschkursen, zur Ablegung von Deutschprüfungen und zu den Empfehlungsschreiben ergeben sich aus den Angaben in der mündlichen Verhandlung sowie aus den entsprechenden Bestätigungen. Die Feststellung, dass er von 01.01.2016 bis zumindest 24.04.2017 den Verein XXXX unterstützte, ergibt sich aus einer Bestätigung vom 24.04.2017. Ob er diesen Verein auch nach diesem Zeitpunkt unterstützte, konnte mangels Vorlage einer diesbezüglichen Bestätigung nicht festgestellt werden. Die Feststellung, dass er im Jahr 2016 bei Umbauarbeiten, der Veranstaltung eines Festes sowie bei Sanierungsarbeiten einen Verein unterstützt hat, ergibt sich aus Bestätigungen vom 16.05.2016 und vom 29.08.2016. Die Teilnahme an einer Flurreinigung und einem Werte- und Orientierungskurs ergeben sich aus diesbezüglich undatierten Bestätigungen.

 

Die Feststellungen, dass die Großmutter und eine Tante väterlicherseits in Bagdad leben und jeweils eine Pension erhalten, von der sie leben, stützen sich auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

 

Die Feststellungen, dass die beiden Brüder und die Mutter des Beschwerdeführers seit Jänner 2017 bzw. April 2017 in den USA leben, gründet sich auf die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen hierzu.

 

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug vom 03.04.2019. Der Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergibt sich aus einem und einem GVS-Auszug vom 09.04.2019.

 

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

 

Der Beschwerdeführer wurde in der Erstbefragung zu seinem Fluchtgrund befragt. Dazu gab er an, dass die Schiiten und Sunniten im Streit leben würden und die Schiiten alles und die Sunniten nichts bekommen würden. Es herrsche Chaos im Land und es gebe keine Sicherheit (Seite 5 des Protokolls der Erstbefragung). In der Einvernahme vor dem BFA änderte der Beschwerdeführer seinen Fluchtgrund ab und meinte nun, dass ihn die Miliz Asaib Ahl al-Haq persönlich bedroht und zur Zusammenarbeit aufgefordert habe (Seite 4 des Protokolls). Schon auf Grund dieser Auswechslung des Fluchtgrundes ist es nicht glaubhaft, dass es die in der Einvernahme vor dem BFA geschilderten fluchtauslösenden Ereignisse tatsächlich gegeben hat. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, allerdings ist eine generelle Aufnahme der antragsbegründenden Fluchtgründe auch im Rahmen der Befragung nach § 19 Abs. 1 AsylG möglich. Zweck der Bestimmung, bei Befragungen durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht auf die näheren Fluchtgründe einzugehen, ist, dass gerade Flüchtlinge Schwierigkeiten haben könnten, sich hierzu gegenüber einem uniformierten Staatsorgan - vor dem sie möglicherweise erst vor kurzem aus ihrem Herkunftsstaat geflohen sind - zu verbreitern (vgl. Erläuterungen zur RV, 952 Blg NR XXII. GP). Dass dies hier der Fall ist, ist jedoch nicht erkennbar. Der Beschwerdeführer hat in der folgenden Einvernahme vor dem BFA nämlich keine Verfolgung seitens staatlicher Organe geltend gemacht. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung einen anderen Fluchtgrund darlegt als in der folgenden Einvernahme vor dem BFA.

 

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer an, dass sein Fluchtgrund in der Erstbefragung in einer kurzen Form geschildert sei und er hierzu noch etwas hätte sagen wollen. Es seien viele Asylwerber da gewesen, weswegen alles kurz gewesen sei, und ihm sei erklärt worden, dass er bei der nächsten Einvernahme mehr sagen könne (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Damit kann der Beschwerdeführer nicht plausibel erklären, weshalb er seinen Fluchtgrund in der Erstbefragung noch nicht genannt hat. Gerade wenn, wie der Beschwerdeführer behauptet, "alles kurz" gewesen sei, ist zu erwarten, dass der Beschwerdeführer seinen Fluchtgrund, nämlich die persönliche Bedrohung durch die Miliz und die Aufforderung, sich ihnen anzuschließen, nennt und sich nicht auf die Benachteiligung von Sunniten zurückzieht und anführt, dass Chaos im Land herrsche und es keine Sicherheit gebe. Auf die später in der mündlichen Verhandlung konkret gestellte Frage, weshalb er in der Erstbefragung seinen Fluchtgrund noch nicht angegeben habe, meinte der Beschwerdeführer widersprüchlich zu seinen vorigen Angaben, wonach alles kurz gewesen sei und ihm erklärt worden wäre, er könne bei der nächsten Einvernahme mehr sagen, dass er in der Erstbefragung schon gesagt hätte, die Miliz sei zu ihm gekommen und habe gewollt, dass er sich ihnen anschließe (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer führt damit zwei sich widersprechende Begründungen dafür an, weshalb er seinen Fluchtgrund in der Erstbefragung noch nicht genannt hat. Der Beschwerdeführer konnte damit nicht plausibel erklären, weshalb er seinen Fluchtgrund in der Erstbefragung nicht angegeben hat.

 

In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung am 17.07.2015 angab, vor ca. zwei Jahren seinen Entschluss zur Ausreise gefasst zu haben (Seite 3 des Protokolls der Erstbefragung). Das wäre somit ca. im Juli 2013 gewesen. In der Einvernahme vor dem BFA gab der Beschwerdeführer jedoch an, am 19.06.2015, dem Tag an dem sein Geschäft abgebrannt sein, den Entschluss zur Ausreise gefasst zu haben (Seite 3 des Protokolls). Wäre das Geschäft des Beschwerdeführers tatsächlich abgebrannt und dies der Grund für seinen Ausreiseentschluss gewesen, so hätte der Beschwerdeführer dies schon in der Erstbefragung angeben müssen, zumal die Erstbefragung nur knapp einen Monat nach diesem (angeblichen) Vorfall stattfand. Der Beschwerdeführer nannte aber nicht einmal das Jahr 2015, als jenes Jahr, in dem er den Ausreiseentschluss gefasst hätte, sondern sprach vom Jahr 2013. Es ist daher auch aus diesem Grund keinesfalls glaubhaft, dass der erst in der Einvernahme geschilderte Fluchtgrund tatsächlich stattgefunden hat. Auch wenn man die Begründung des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung berücksichtigt, wonach in der Erstbefragung alles kurz gewesen sei, hätte er jedenfalls bei der Frage nach dem Zeitpunkt, in dem er den Entschluss zur Ausreise gefasst habe, den Monat vor der Erstbefragung nennen müssen, als sein Geschäft abgebrannt sei. Da er dies nicht getan hat, entsteht der Eindruck, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entspricht. Diese Einschätzung bekräftigte sich zudem durch den in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gewonnenen Eindruck.

 

Der Beschwerdeführer bringt als Fluchtgrund vor, dass er im Geschäft, in dem er gearbeitet habe, von Mitgliedern einer schiitischen Miliz, und zwar der Asaib Ahl al-Haqq, zwei Mal aufgesucht worden sei und diese verlangt hätten, dass er sich ihnen anschließe. Danach sei sein eigenes Geschäft in Brand gesteckt worden, woraufhin er beschlossen habe, den Irak zu verlassen. Der Beschwerdeführer brachte zwar übereinstimmend vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht vor, wann sich diese Vorfälle ereignet hätten, er konnte jedoch die konkreten Vorkommnisse - auch nach mehrmaliger Nachfrage - nicht plastisch und detailreich schildern, so dass wahrscheinlich wäre, diese Ereignisse hätten sich tatsächliche ereignet.

 

Schon vor dem BFA konnte der Beschwerdeführer keine konkreten Angaben zu dem Vorfall am 16.06.2015 machen. Dort gab er nur an, dass die Mitglieder Geld für ihre Moschee verlangt hätten. Er habe gesagt, er sei nicht der Eigentümer des Geschäfts und habe ihnen trotzdem 60 US-Dollar gegeben (Seite 4 des Protokolls). Weitere Angaben zu diesem Vorfall machte der Beschwerdeführer nicht. Bereits aufgrund dieser oberflächlichen Schilderung entstand nicht der Eindruck, dass der Beschwerdeführer von wahren Begebenheiten berichtet. Dieser Eindruck wurde durch die Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigt.

 

Zum ersten Aufeinandertreffen mit den Mitgliedern der Miliz am 16.06.2015 gab er in der mündlichen Verhandlung an, dass sie eine Geldspende für ihre Moschee gewollt hätten. Er habe ihnen 60 US-Dollar gegeben und dann seien sie weggegangen (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Da der Beschwerdeführer von sich aus keine näheren Angaben zu diesem ersten Vorfall machte, wurde er aufgefordert, die näheren Details zu dem Gespräch zu schildern.

Daraufhin gab der Beschwerdeführer jedoch nur den folgenden Satz an:

"Sie hatten eine schwarze Uniform, auf der Brust stand "Der Schild der Asaib Ahl al-Haqq.". Der Beschwerdeführer wurde konkret aufgefordert, zum Gespräch nähere Details zu machen. Dazu war er, wie seine Antwort zeigt, nicht in der Lage. Er wich der Frage aus und nannte keine Details zum Gespräch. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer erneut aufgefordert zu schildern, wie das Gespräch abgelaufen ist, worauf der Beschwerdeführer folgende Antwort gab:

"Sie sagten nur, dass sie Geld für ihre Moschee brauchen. Am 18. haben sie dann zu mir gesagt, dass sie Leute, Menschen brauchen, die für sie einrücken müssen." (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auch anhand dieser Antwort zeigt sich wieder, dass der Beschwerdeführer nicht imstande war, den Dialog mit den Männern zu schildern. Es wäre zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer konkret angibt, welche Person was genau zu ihm gesagt hat und was er geantwortet hat. Im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer noch einmal zur Schilderung des Gesprächs aufgefordert (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls):

 

"R: Die Männer sind also in ihr Geschäft gekommen, schildern Sie mir ab diesem Punkt, was wer gesagt hat, was Sie gesagt haben, bitte schildern Sie den Vorfall beider Gespräche.

 

BF: Beim ersten Mal kamen sie zu mir und wollten einfach Spendengeld haben. Ich hatte Angst, dass der Besitzer des Geschäfts in der Türkei ist. Ich habe ihnen dann doch 60 USD gegeben, da ich Angst hatte.". Vom Gespräch mit den Milizen konnte der Beschwerdeführer damit nur angeben, dass sie zu ihm gesagt hätten, sie bräuchten Geld für ihre Moschee und dass er Angst gehabt hätte. Trotz der konkreten Aufforderung, zu schildern, wer was gesagt hat, war der Beschwerdeführer dazu nicht einmal ansatzweise in der Lage. Es ist daher nicht glaubhaft, dass sich dieser Vorfall tatsächlich ereignet hat.

 

Auch die Schilderungen des Beschwerdeführers zum zweiten Aufeinandertreffen waren - sowohl vor dem BFA als auch vor dem Bundesverwaltungsgericht - ebenso vage und detailarm wie jene zum ersten Vorfall. Vor dem BFA gab er an, dass die Leute zwei Tage später wiedergekommen seien, sie erneut nach Geld gefragt hätten und zusätzlich von ihm und seinem Kollegen verlangt hätten, dass sie sich ihnen anschließen sollen. Er habe vor Angst zugesagt, weil man bei einer Ablehnung sofort getötet werde (Seite 4 des Protokolls). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht machte er noch weniger Angaben, da er im Rahmen der freien Schilderung seines Fluchtgrundes nicht mehr vorbrachte, dass sie erneut Geld hätten haben wollen. Er brachte nur mehr vor, dass sie gesagt hätten, "dass sie uns brauchen und wir sollen uns ihnen anschließen". Sein Arbeitskollege habe zugesagt. Der Beschwerdeführer habe Angst gehabt und deswegen auch zugesagt (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Aufgrund dieser rudimentären Angaben wurde der Beschwerdeführer erneut aufgefordert, den Ablauf dieses zweiten Aufeinandertreffens zu schildern. Dazu war der Beschwerdeführer jedoch nicht in der Lage. Er sagte nur einen Satz:

"Sie kamen zu mir und sagten, dass sie uns alle brauchen, damit wir im Krieg gegen den IS kämpfen." (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Der Schilderung eines Geschehnisablaufs kommen dies Angaben nicht gleich. Da der Beschwerdeführer auch zu diesem zweiten Vorfall keinen konkreten und detaillierten Angaben machen konnte, ist ihm auch diesbezüglich eine Glaubhaftmachung nicht gelungen.

 

Der Beschwerdeführer wurde in der mündlichen Verhandlung auch aufgefordert, genau zu schildern, wie die Aufforderung, sich ihnen anzuschließen erfolgt sei (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls):

 

"R: Wie lief die Aufforderung sich ihnen anzuschließen genau ab?

 

BF: Sie haben nach unseren Namen verlangt, sagten, dass sie morgen wiederkommen. Damit die weiteren Ermittlungen für sie stattfinden. Ich kam am nächsten Tag nicht mehr zur Arbeit, ich hatte Angst."

 

Wie dieser Auszug aus dem Verhandlungsprotokoll zeigt, konnte der Beschwerdeführer der Aufforderung einer genauen Schilderung nicht entsprechen. Wäre dies wirklich passiert, hätte der Beschwerdeführer zumindest eine detaillierte Darstellung des Dialogs geben können müssen. Zudem ist zu dieser Aussage des Beschwerdeführers, dass die Leute der Miliz gesagt hätten, sie würden morgen wiederkommen, festzuhalten, dass er dies vor dem BFA noch nicht behauptet. Da der Beschwerdeführer den Dialog nicht schildern konnte und sein Vorbringen auch steigerte, ist es nicht glaubhaft, dass dies alles tatsächlich passiert ist.

 

Schließlich wurde der Beschwerdeführer im Verlauf der mündlichen Verhandlung noch einmal nach diesem zweiten Vorfall mit den Leuten der Miliz befragt (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls):

 

"R: Die Männer sind also in ihr Geschäft gekommen, schildern Sie mir ab diesem Punkt, was wer gesagt hat, was Sie gesagt haben, bitte schildern Sie den Vorfall beider Gespräche.

 

BF: [...]

 

Am 18.06., als sie das zweite Mal zu mir kamen, sagten sie, dass sie uns brauchen, damit wir für sie einrücken, verpflichten einzurücken.

[...]"

 

Auch bei dieser - dritten - Schilderung des Vorfalls vom 18.06.2015 konnte der Beschwerdeführer erneut nicht angeben, wie die Aufforderung, sich der Miliz anzuschließen, abgelaufen ist. Es ist daher nicht glaubhaft, dass dieser Vorfall tatsächlich passiert ist.

 

Der Beschwerdeführer schilderte in der mündlichen Verhandlung erstmals, dass die Männer der Miliz sexuelles Interesse an ihm gezeigt hätten. Der Beschwerdeführer hat dieses Vorbringen erst spät im Verlauf der mündlichen Verhandlung erstattet. Er hat dies nicht anlässlich der Frage, warum er den Irak verlassen habe vorgebracht und auch nicht nach der freien Schilderung seiner Fluchtgründe, auf die Frage, ob dies alle seine Fluchtgründe seien. Er erstattete dieses Vorbringen auf die Frage, wie weit die beiden Geschäfte, in denen er gearbeitet habe, voneinander entfernt gewesen seien. Die Schilderung des Geschehens anlässlich dieser Frage wirkte völlig deplatziert. Es war nicht nachvollziehbar, weshalb der Beschwerdeführer dieses Vorbringen an dieser Stelle erstattete, obwohl er davor mehrere Gelegenheiten dazu gehabt hätte. Der Beschwerdeführer brachte vor, er schäme sich wegen dieses Themas, doch erweckte das Verhalten des Beschwerdeführers anlässlich der Schilderung dieses Vorbringens gerade nicht den Eindruck als würde er sich schämen. Bei der Darstellung dieser Ereignisse zeigte der Beschwerdeführer keinerlei Emotionen und er wirkte nicht verlegen. Anlässlich der (dritten) Aufforderung, den Vorfall vom 18.06.2015 zu schildern und konkret anzugeben, wer was gesagt habe und was der Beschwerdeführer selbst gesagt habe, gab er Folgendes an: "Am 18.06., als sie das zweite Mal zu mir kamen, sagten sie, dass sie uns brauchen, damit wir für sie einrücken, verpflichten einzurücken. Dann gab es lustige Gespräche und sie haben dann über Damenkleidung gesprochen. Eine Person sprach mit mir, eine zweite schaute mich an, genau auf meinen Hintern. Ich habe eine offene Bluse gehabt, wo ein Teil meiner Brust sichtbar war, ohne Haare. Dann sagte er, wenn ich jetzt diese Damenkleidung anziehe, würde ich noch schöner aussehen. Dass ich schön bin, grüne Augen habe. Aber innerlich habe ich schon bemerkt, was er will." (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Obwohl der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, den gesamten Dialog zu schildern, also auch jenes anzugeben, was er selbst gesagt habe, gab er nur an, was zu ihm gesagt worden wäre. Die Schilderungen des Beschwerdeführers wirkten nicht, als würde er persönlich Erlebtes erzählen. Weder gab der Beschwerdeführer an, wie er auf das Gesagte reagiert habe, noch wie das Gespräch beendet wurde. Die Ausführungen waren keinesfalls plastisch, so dass man davon ausgehen könnte, dies habe sich so ereignet.

 

Zudem ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer dieses Vorbringen hinsichtlich eines sexuellen Interesses seitens der Miliz vor dem BFA noch nicht erstattet hat. Als Begründung hierfür gab er an, dass ihm heute [in der mündlichen Verhandlung] gesagt worden sei, er solle die Wahrheit erzählen, deshalb erwähne er dies. Diese Erklärung überzeugt jedoch nicht, da der Beschwerdeführer auch in der Einvernahme vor dem BFA aufgefordert wurde, die Wahrheit anzugeben und darauf hingewiesen wurde, dass wahrheitswidrige Aussagen mit nachteiligen Folgen bei der Glaubwürdigkeitsprüfung verbunden sein können (Seite 1 des Protokolls). Weshalb er dies vor dem BFA noch nicht erwähnt hat, ist daher nicht nachvollziehbar. Selbst vor dem Hintergrund der Einvernahmesituation vor dem BFA, lässt sich nicht erklären, dass der Beschwerdeführer dieses Vorbringen nicht schon vor dem BFA erstattet hat. In der mündlichen Verhandlung waren sowohl männliche als auch weibliche Personen anwesend, woraus zu schließen ist, dass er kein Problem damit hat, vor Männern und Frauen darüber zu sprechen. Er hätte also auch schon vor dem BFA darüber sprechen können, da in der Einvernahme ausschließlich Frauen anwesend waren. Zudem hätte der Beschwerdeführer dieses Vorbringen, wenn er in der Einvernahme vor dem BFA nicht darüber habe sprechen wollen, in seiner Beschwerde vorbringen können. Aber auch darin erwähnte er dieses Interesse der Miliz und den Vorfall im Geschäft nicht. Er konnte in der mündlichen Verhandlung auch nicht plausibel erklären, warum er dies in der Beschwerde nicht vorgebracht hat. Der Beschwerdeführer meinte, er habe sich geschämt. Aber gerade in einem solchen Fall erscheint es naheliegender, sich schriftlich zu äußern, als vor mehreren Personen darüber sprechen zu müssen (Seiten 12 und 13 des Verhandlungsprotokolls). In Anbetracht all dieser Gründe ist es nicht glaubhaft, dass der ausschließlich in der mündlichen Verhandlung geschilderte Vorfall tatsächlich stattgefunden hat.

 

Bei allen Schilderungen zu den Vorfällen mit der Miliz im Geschäft konnte der Beschwerdeführer somit weder die konkreten Dialoge wiedergegeben noch schilderte er weitere Umstände (etwa wo die Männer der Miliz im Geschäft gestanden sind; wo der Beschwerdeführer gestanden ist; welcher der Männer mit ihm gesprochen hat; womit der Beschwerdeführer gerade beschäftigt war, als die Männer in das Geschäft gekommen sind, etc.), die den Schluss nahelegen würden, dass er tatsächlich Erlebtes wiedergibt.

 

In der mündlichen Verhandlung versuchte der Beschwerdeführer seine Behauptungen hinsichtlich der Miliz mit Fotos zu belegen. Auf einem Foto sei sein Arbeitskollege mit einem Mann der Miliz zu sehen, der in seinem Geschäft gewesen sei. Auf einem weiteren Foto sei ein anderer Mann der Miliz zu sehen, der auch im Geschäft gewesen sei. Ob es sich dabei jedoch tatsächlich um den Arbeitskollegen des Beschwerdeführers handelt sowie um Männer einer Miliz und diese im Geschäft des Beschwerdeführers gewesen seien, lässt sich anhand dieser Fotos nicht belegen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der Beschwerdeführer die behaupteten Vorfälle mit den Männern der Miliz in seinem Geschäft nicht glaubhaft machen konnte. An dieser Einschätzung vermögen die vorgelegten Bilder daher nichts zu ändern.

Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Die Fotos sollen Männer zeigen, die einer Miliz angehören würden. Es seien jene zwei Männer zu sehen, die im Geschäfts des Beschwerdeführers gewesen wären, sowie der Arbeitskollege des Beschwerdeführers, der sich ihnen angeschlossen habe. An den Bildern fällt jedoch auf, dass die Männer zwar jeweils schwarze Kleidung tragen, doch die auf den Uniformen abgebildeten Logos sind völlig unterschiedlich. Es kann sich schon aus diesem Grund nicht um Männer derselben Miliz handeln, wie der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung behauptet hat. Außerdem ist auf der Uniform, die der angebliche Arbeitskollege des Beschwerdeführers trägt, nicht der Name der Asaib Ahl al-haqq zu lesen, der er nun angehören würde. Auf dem Emblem ist "8. Division, Generalstreitkräfte" zu lesen. Die übrigen auf den Fotos ersichtlichen Logos sind unleserlich. Die vorgelegten Bilder vermögen daher nicht das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers glaubhaft erscheinen zu lassen.

 

Schließlich ist im Zusammenhang mit den Bildern noch darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer diese erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt hat. Seinem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung zufolge habe er diese Bilder ca. zwei Monate vor der Verhandlung erhalten. Auf die Nachfrage erklärte er, dass er vor ca. sieben Monaten begonnen habe, nach seinem Arbeitskollegen zu suchen. Der Beschwerdeführer konnte aber nicht plausibel erklären, warum er gerade vor ca. sieben Monaten mit der Suche begonnen habe. Er meinte dazu, dass das BFA Beweismittel von ihm hätte haben wollen (Seiten 10 und 11 des Verhandlungsprotokolls). Wenn dem tatsächlich so wäre, hätte der Beschwerdeführer jedoch schon im Juli 2016 mit dieser Suche beginnen müssen, als die Einvernahme vor dem BFA stattfand, und nicht erst - behaupteterweise - ca. im September 2018. Da er dies nicht getan hat, ist es nicht glaubhaft, dass dies der Grund für die angebliche Suche nach seinem Arbeitskollegen gewesen ist. Viel wahrscheinlicher ist daher, dass der Beschwerdeführer bloß behauptet, vor ca. sieben Monaten mit der Suche begonnen zu haben, dem aber tatsächlich nicht so ist und der Beschwerdeführer sich erst in zeitlicher Nähe zur Verhandlung diese Bilder verschafft hat, um damit seinem Vorbringen mehr Glaubwürdigkeit zu verschaffen. Zu beachten ist auch, dass nicht überprüft werden kann, wer diese Personen auf diesen Bildern tatsächlich sind.

 

Der Beschwerdeführer konnte auch nicht überzeugend erklären, warum die Miliz Interesse daran haben sollte, dass er sich ihnen anschließe. Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer an, dass von der Aufforderung, sich ihnen anzuschließen, nicht nur er und sein Kollege betroffen gewesen seien, sondern alle naheliegenden Geschäfte (Seite 4 des Protokolls). Auf die Frage vor dem Bundesverwaltungsgericht, weshalb eine schiitische Miliz Interesse haben sollte, dass sich ein sunnitischer Moslem ihnen anschließe, meinte er nun, er glaube, dass sie ein sexuelles Interesse an ihm hätten (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Während der Beschwerdeführer vor dem BFA ein Interesse an seiner Person nicht darlegte, sondern davon sprach, alle umliegenden Geschäfte seien betroffen gewesen, behauptet er vor dem Bundesverwaltungsgericht das Gegenteil. Schon aus diesem Grund ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer tatsächlich aufgefordert worden sein soll, sich der Miliz anzuschließen. Zudem ist in diesem Zusammenhang auch auf die getroffenen Länderfeststellungen hinzuweisen, aus denen sich ergibt, dass Zwangsrekrutierungen bei schiitischen Milizen extrem selten sind. Es gibt demnach etwa drei oder vier dokumentierte Fälle (vgl. Anfragebeantwortung zum Irak: Rekrutierung von schiitischen Milizen (insb. Asaib Ahl al-Haqq, 27.02.2019). Auch vor diesem Hintergrund ist daher die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Aufforderung, sich der Asaib Ahl al-Haqq anzuschließen, nicht plausibel und nicht wahrscheinlich. In der nach der mündlichen Verhandlung eingelangten Stellungnahme des Beschwerdeführers wird zu diesem Bericht ausgeführt, dass man daraus nicht schließen könne, dass es in Wirklichkeit nur drei oder vier Fälle einer Zwangsrekrutierung gegeben habe. Es werden jedoch keine Berichte angeführt, die belegen würden, dass es Zwangsrekrutierungen tatsächlich gegeben hat oder gibt. Es handelt sich um eine bloße unbelegte Behauptung.

 

Der Beschwerdeführer brachte auch vor, dass sein Geschäft am 19.06.2015 in Brand gesetzt worden sei. Diesbezüglich gab der Beschwerdeführer vor dem BFA an, dass er nicht wisse, ob die Miliz mit diesem Brand etwas zu tun habe, er vermute aber, dass dies der Fall sei (Seite 4 des Protokolls). In der Beschwerde führt der Beschwerdeführer zu diesem Brand aus, dass sein Geschäft "durch Zufall" in Brand gesetzt worden sei (Seite 3 der Beschwerde). In der mündlichen Verhandlung bestritt der Beschwerdeführer, von einem Zufall gesprochen zu haben (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Dies erklärt die eindeutig widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers jedoch nicht. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sprach der Beschwerdeführer - wie schon vor dem BFA - nur davon, dass er glaube, das Geschäft sei von der Miliz angezündet worden. Seine Vermutung begründet er damit, dass er nur mit der Miliz Probleme gehabt hätte. Die geschilderten Probleme mit der Miliz wurden jedoch - wie oben ausführlich dargestellt - als nicht glaubhaft erachtet, weshalb die bloße Behauptung, weil er Probleme mit der Miliz gehabt hätte, vermute er, sie habe sein Geschäft in Brand gesetzt, nicht ausreicht, um dieses Ereignis glaubhaft zu machen.

 

Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, ein Videoausschnitt zeige, dass die Geschäftsräumlichkeiten ausgebrannt gewesen seien, erweist sich als nicht geeignet, sein Vorbringen glaubhaft zu machen (Seite 3 der Beschwerde). Dieses Video habe er noch am Tag des Brandes von einem Freund (laut Beschwerde) bzw. Freunden (laut Einvernahme vor dem BFA) bekommen. Dieses Video ist nicht geeignet, den behaupteten Brandanschlag zu beweisen. Der Beschwerdeführer gab vor dem BFA an, sein eigenes Geschäft bis zur Ausreise aus dem Irak am 22.06.2015 betrieben zu haben (Seite 2 des Protokolls). Wenn das Video am Tag des Brandanschlags aufgenommen und am Nachmittag dieses Tages an den Beschwerdeführer geschickt worden wäre (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls), so müsste auf dem Video das ausgebrannte Geschäft samt zerstörtem Inventar zu sehen sein. Dem ist aber nicht so. Auf dem Video ist ein leerer Raum zu sehen, ohne jegliches Inventar. Es sind keine Kleider zu sehen, keine Einrichtungsgegenstände und auch Brandspuren sind nicht ersichtlich. Das Video ist daher nicht im Mindesten geeignet, den behaupteten Brand zu belegen. Darüber hinaus wäre ein solches Video auch nicht geeignet zu beweisen, dass der Brand von einer Miliz aus den vom Beschwerdeführer genannten Gründen gelegt worden wäre, zumal auch andere Umstände für einen Brand vorliegen können.

 

In der Beschwerde wird auch vorgebracht, der Beschwerdeführer habe an einer Demonstration gegen die Maliki-Regierung teilgenommen, was ein Indiz für eine Verfolgung sei. Dies behauptete der Beschwerdeführer weder in der Einvernahme vor dem BFA noch in seiner Stellungnahme vom 02.05.2017. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer dies nicht mehr vor. In der mündlichen Verhandlung wurde er auch gefragt, ob er noch etwas angeben wolle, das ihm wichtig erscheine. Darauf erklärte der Beschwerdeführer, alles gesagt zu haben (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer an einer Demonstration teilgenommen hat.

 

Auf Grund der insgesamt aufgezeigten Widersprüche zu seinem zentralen Fluchtvorbringen und Unplausibilitäten in den Angaben des Beschwerdeführers sowie seines Aussageverhaltens, geht das Bundesverwaltungsgericht von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und davon aus, dass das Fluchtvorbringen in Wahrheit nicht stattgefunden hat.

 

Die getroffenen Feststellungen zum Irak beruhen auf folgenden Berichten:

 

* Fact Sheet Irak Nr. 70

 

* UK Home Office, Iraq: Internal relocation, Oktober 2018

 

* DTM Round 108, Februar 2019

 

* ACCORD: Irak, 3. Quartal 2018, Kurzübersicht ACLED; 20.12.2018

 

* Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 9.10.2018

 

* Der Standard: Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018

 

* Musings on Iraq, 15.01.2019 und 19.02.2019

 

* UN Casualty Figures for Iraq for the Month of December 2018, 03.01.2019

 

* Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, welt.de 17.12.2018

 

* AB - Chronologische Auflistung sicherheitsrelevanter Vorfälle von Oktober 2018 bis Jänner 2019 mit Sunniten als Opfer, 31.01.2019

 

* AB - Rekrutierung von schiitischen Milizen (insb. Asaib Ahl al-Haqq), 27.02.2019

 

Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Der Beschwerdeführer trat mit seiner Stellungnahme den Länderberichten nicht substantiiert entgegen. Soweit vorgebracht wird, dass aus der Anfragebeantwortung zu Zwangsrekrutierungen durch schiitische Milizen nicht geschlossen werden könne, dass es in Wirklichkeit nur drei oder vier Fälle einer Zwangsrekrutierung gegeben habe bzw. solche noch immer stattfänden, werden keine Berichte angeführt, die diese Behauptung stützen würden. Zu dem in der Stellungnahme angeführten Artikel des Standard vom 25.10.2018, wonach die Situation für Sunniten heute noch prekärer sei als 2013, weite Gebiete zerstört und ohne wirkliche Aussicht auf Wiederaufbau seien, ist auszuführen, dass aus dem Artikel selbst nicht hervorgeht, auf welche konkreten Gebiete sich diese Aussagen beziehen und was konkret damit gemeint ist, dass die Situation für Sunniten prekärer sei als 2013. Wahrscheinlich ist jedoch, dass sich dies auf jene sunnitischen Gebiete bezieht, in denen der IS seinen Aufstieg begann, da jener Teil des Artikels über die Sunniten mit dieser Aussage beginnt und danach die in der Stellungnahme zitierten Passagen folgen. Bagdad, der Herkunftsort des Beschwerdeführers, zählt - wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt - nicht zu den Gebieten, in denen der IS seinen Aufstieg begann. Auf die mit Schreiben vom 03.04.2017 zur Kenntnis gebrachten Länderberichte und die in der Stellungnahme vom 02.05.2017 angeführten Berichte zur Lage im Irak war mangels Aktualität nicht mehr einzugehen. Den getroffenen Länderfeststellungen wird somit nicht substantiiert entgegengetreten.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

 

1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht, oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" (Englisch: "for reasons of"; Französisch: "du fait de") der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0047 unter Hinweis auf VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).

 

Die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 unter Hinweis auf VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohl begründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 24.03.2011, 2008/23/1101 unter Hinweis auf VwGH 22.03.2000, 99/01/0256; mwN).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0119 unter Hinweis auf VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793, mwN).

 

Da der Beschwerdeführer die behaupteten Fluchtgründe, wonach er von der schiitischen Miliz Asaib Ahl al-Haqq bedroht und zur Zusammenarbeit mit ihnen aufgefordert worden sei und sie von ihm Geld verlangt hätten, nicht hat glaubhaft machen können, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl nicht vor, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe.

 

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung aus in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen droht. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen ebenso wie allfällige persönliche und wirtschaftliche Gründe keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar.

 

Es besteht im Übrigen keine Verpflichtung, Asylgründe zu ermitteln, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat (VwGH 21.11.1995, 95/20/0329 mwN).

 

Es gibt bei Zugrundelegung des Gesamtvorbringens des Beschwerdeführers keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Irak maßgeblich wahrscheinlich Gefahr laufen würde, einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt zu sein. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

 

Es liegen anhand der länderkundlichen Feststellungen zur Lage im Irak keine Anhaltspunkte dafür vor, dass im Irak eine generelle und systematische Verfolgung von Muslimen sunnitischer Glaubensrichtung stattfindet.

 

Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 15.3.2016, Ra 2015/01/0069). Schon aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass dem Vorbringen des Asylwerbers zentrale Bedeutung zukommt. Das geht auch aus § 18 Abs. 1 AsylG deutlich hervor, wonach das BFA und das Bundesverwaltungsgericht in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken haben, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Diese Pflicht bedeutet aber nicht, ohne entsprechendes Vorbringen des Asylwerbers oder ohne sich aus den Angaben konkret ergebende Anhaltspunkte jegliche nur denkbaren Lebenssachverhalte ergründen zu müssen (vgl. VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314). Wenn in der Stellungnahme darauf hingewiesen wird, dass sunnitische Araber als potentiell mit dem IS verbunden betrachtet werden, genügt dies nicht, um eine Verfolgung des Beschwerdeführers als maßgeblich wahrscheinlich zu erachten, da der Beschwerdeführer selbst keinerlei Vorbringen dahingehend erstattet hat. Sofern in diesem Zusammenhang auf die Lage in der Region Kurdistan hingewiesen wird, kommt dem keine Relevanz zu, da der Beschwerdeführer aus Bagdad stammt.

 

Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation kann nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als hinreichender Grund für eine Asylgewährung herangezogen werden (vgl. etwa VwGH 14.03.1995, 94/20/0798, 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529, 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall mangels gegenteiliger Anhaltspunkte zu verneinen wäre.

 

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

2. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

Mit dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wollte der Gesetzgeber - wie in den Erläuterungen (RV 952 BlgNR 22. GP , 5) ausdrücklich angeführt wird - die Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004), insbesondere mit dem neu geregelten "Antrag auf internationalen Schutz" deren gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP , 30f) umsetzen (vgl. VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).

 

Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG 2005, wonach einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten unter anderem dann zuzuerkennen ist, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Heimatstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK" bedeuten würde, ist dagegen (im Sinne der bisherigen Non-refoulement-Prüfung) ableitbar, dass für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus bereits jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht.

 

Insofern hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne der dargelegten Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie iVm Art. 3 Statusrichtlinie entgegen der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH und somit fehlerhaft umgesetzt.

 

Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden (vgl. etwa VwGH 22.6.2015, 2015/04/0002, mwN).

 

Es ist dem nationalen Gesetzgeber - auch unter Berufung auf Art. 3 der Statusrichtlinie - verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuerkennen.

 

Der Umstand, dass ein Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, bedeutet nicht, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist. Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist.

 

Es widerspricht der Statusrichtlinie und es ist unionsrechtlich unzulässig, den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, die insbesondere auf Art. 3 EMRK gestützt sind.

 

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind nach der Statusrichtlinie vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden (Art. 15 lit. a und b), sowie Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (lit. c) umfasst. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

 

Als ernsthafter Schaden gilt nach Art. 15 der Statusrichtlinie:

 

a) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder

 

b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder

 

c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

 

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

 

Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist.

 

Der Beschwerdeführer ist nicht durch die Todesstrafe bedroht.

 

Dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

 

Im gegenständlichen Fall ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, die vorgebrachte individuelle Bedrohung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen und er gehört auch keiner Personengruppe mit speziellem Risikoprofil an, weshalb sich daraus auch kein zu berücksichtigender Sachverhalt ergibt, der gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zur Unzulässigkeit der Abschiebung, Zurückschiebung oder Zurückweisung in den Herkunftsstaat führen könnte.

 

Der Beschwerdeführer stammt aus Bagdad. Betreffend die Sicherheitslage im Irak ist mit Blick auf die individuelle Situation des Beschwerdeführers zunächst auf die Länderfeststellungen in gegenständlichem Erkenntnis zu verweisen, denen zufolge im Irak die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60 % zurückging. Die Sicherheitslage hat sich in Bagdad deutlich verbessert. Die Zeiten, in denen die Hauptstadt Bagdad regelmäßig von Terroranschlägen erschüttert wurde, sind vorbei. Die Stadt wurde zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner 2018 gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni 2018. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 2018 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Ein bewaffneter Konflikt iSd Art. 15 lit. c der Statusrichtlinie besteht in dieser Region nicht.

 

Für die hier zu erstellende Gefahrenprognose ist auch zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer bis zu seiner Ausreise aus dem Irak möglich war, offenbar ohne größere Probleme in Bagdad zu leben. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen jungen Mann, bei welchem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Der Beschwerdeführer verfügt darüber hinaus über neun Jahre Schulbildung und war ab dem Jahr 2010 bis zu seiner Ausreise aus dem Irak berufstätig. In seiner Freizeit, an den Wochenenden, ging der Beschwerdeführer mit Freunden aus. Er lebte mit seinen Eltern, seinen Geschwistern, seiner Großmutter und einer Tante in einem eigenen Haus. Es erscheint daher eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Irak nicht grundsätzlich ausgeschlossen und aufgrund der individuellen Situation des Beschwerdeführers insgesamt auch zumutbar.

 

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

3. Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte III. bis IV. des angefochtenen Bescheids):

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Es liegen keine Umstände vor, dass dem Beschwerdeführer allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre, und wurde diesbezüglich auch nichts dargetan.

 

Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist. Nur bei Vorliegen dieser Voraussetzung kommt ein Abspruch über einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

 

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak und somit kein begünstigter Drittstaatsangehöriger. Es kommt ihm auch kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu. Daher war gegenständlich gemäß § 52 Abs. 2 FPG grundsätzlich eine Rückkehrentscheidung vorgesehen.

 

Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung jedoch nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens käme.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

 

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Unter der Schwelle des § 50 FPG kommt den Verhältnissen im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens Bedeutung zu, sodass etwa "Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder bei Sozialleistungen" in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen sind (vgl. VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 unter Hinweis auf VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

 

Bei der Interessenabwägung ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101) auch ein Vorbringen zu berücksichtigen, es werde eine durch die Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Fremden, insbesondere die deutliche Verschlimmerung psychischer Probleme, eintreten (vgl. VwGH 11.10.2005, 2002/21/0132; 28.03.2006, 2004/21/0191; zur gebotenen Bedachtnahme auf die durch eine Trennung von Familienangehörigen bewirkten gesundheitlichen Folgen VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093). Bei dieser Interessenabwägung ist unter dem Gesichtspunkt des § 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG 2014 (Bindungen zum Heimatstaat) auch auf die Frage der Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage bei einer Rückkehr dorthin Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 31.01.2013, 2012/23/0006).

 

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet und führt keine Lebensgemeinschaft in Österreich. Ein schützenswertes Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet im oben dargestellten Sinn liegt daher nicht vor. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls noch in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

 

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

 

Die Aufenthaltsdauer nach § 9 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stellt nur eines von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien dar, weshalb auch nicht gesagt werden kann, dass bei Unterschreiten einer bestimmten Mindestdauer des Aufenthalts in Österreich jedenfalls von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet gegenüber den gegenteiligen privaten Interessen auszugehen ist (vgl. etwa VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070 unter Hinweis auf VwGH 21.01.2016, Ra 2015/22/0119; 10.05.2016, Ra 2015/22/0158; 15.03.2016, Ra 2016/19/0031).

 

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 mwN).

 

Eine besonders fortgeschrittene Integration des Beschwerdeführers während seines nur auf das Asylgesetz gestützten Aufenthaltes im Bundesgebiet kann nicht erkannt werden: Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit 16.07.2015, somit seit ca. drei Jahren und neun Monaten, beruht auf einem Antrag auf internationalen Schutz, der sich als nicht berechtigt erwiesen hat und ist auch noch zu kurz, um seinem Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet ein relevantes Gewicht zu verleihen. Es sind zudem keine besonderen zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden integrativen Schritte erkennbar. Der Beschwerdeführer hat mehrere Deutschkurse besucht und das ÖSD-Zertifikat A2 bestanden. Die Prüfung B1 hat der Beschwerdeführer zweimal nicht bestanden. Er hat an einem Werte- und Orientierungskurs, einem Workshop "Berufe vorstellen", einer Bildungs- und Berufsberatung, an zwei Workshops "Leben und Arbeiten in Österreich" und an einem Workshop "Orientierung, Austausch, Lebenswelten" teilgenommen. Von 01.01.2016 bis zumindest 24.04.2017 unterstützte er den Verein XXXX . Im Jahr 2016 hat er bei Umbauarbeiten und der Veranstaltung eines Festes sowie bei Sanierungsarbeiten einen Verein unterstützt. Der Beschwerdeführer hat im April 2016 an einer Flurreinigung in seinem Wohnort teilgenommen. Der Beschwerdeführer verfügt auch über Empfehlungsschreiben. Anderweitige, über normale soziale Kontakte hinausgehende Integrationsaspekte waren nicht festzustellen.

 

Der Beschwerdeführer hat am 26.02.2019 einen Vertrag hinsichtlich der Erbringung von Hilfstätigkeiten im Facilitymanagement bei einer Tankstelle abgeschlossen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612 und 29.06.2010, 2010/18/0195 jeweils mwN). Unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK muss nicht akzeptiert werden, dass der Fremde mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. VwGH 28.02.2019, Ro 2018/01/0003 mwN).

 

Insbesondere vor dem Hintergrund der erst relativ kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet im Rahmen der vorübergehenden Grundversorgung des Bundes zumindest bis zum Zeitpunkt dieser Entscheidung unterstützt wird, kann von einer verfestigten und gelungenen Eingliederung des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft nicht ausgegangen werden. Hingegen hat der Beschwerdeführer den Großteil seines bisherigen Lebens im Irak verbracht, ist dort aufgewachsen, hat dort seine Ausbildung absolviert und hat dort seine Sozialisation erfahren. Er spricht Arabisch. Es ist daher nicht erkennbar, inwiefern sich der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte. Daher ist im Vergleich von einer deutlich stärkeren Bindung des Beschwerdeführers zum Irak auszugehen.

 

Es ist auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer Möglichkeiten zur Schaffung einer Existenzgrundlage im Falle einer Rückkehr hat. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um eine arbeitsfähigen jungen Mann, der über eine ca. neunjährige Schulbildung und über ca. fünf Jahre Berufserfahrung als Verkäufer verfügt. Es kann daher die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden. Aus welchen Gründen der Beschwerdeführer als gesunder und arbeitsfähiger Mann bei einer Rückkehr in den Irak nicht in der Lage sein sollte, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, ist nicht ersichtlich, zumal er auch über den kulturellen Hintergrund und die erforderlichen Sprachkenntnisse für den Irak verfügt. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer in der Lage sein wird, in seinem Heimatland, dessen Sprache er spricht, in dem seine Tante und seine Großmutter leben, wo er auch Freunde hat, zu denen er Kontakt aufnehmen kann, sich eine Existenzgrundlage aufzubauen. Daher ist im Vergleich von einer deutlich stärkeren Bindung des Beschwerdeführers zum Irak auszugehen.

 

Die Feststellung der strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers stellt der Judikatur folgend weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, 98/18/0420).

 

Der Beschwerdeführer vermochte zum Entscheidungszeitpunkt daher keine entscheidungserheblichen integrativen Anknüpfungspunkte im österreichischen Bundesgebiet darzutun, welche zu einem Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat führen könnten.

 

Aufgrund der genannten Umstände überwiegen in einer Gesamtabwägung derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet. Insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne eines geordneten Fremdenwesens wiegt in diesem Fall schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar.

 

Mit der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (vgl. VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).

 

§ 50 FPG lautet:

 

"Verbot der Abschiebung

 

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht."

 

Es ist daher zu prüfen, ob die Rückkehr des Beschwerdeführers in den Irak zu einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK führen würde oder die Rückkehr für sie als Zivilperson mit einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Der Beschwerdeführer ist nicht durch die Todesstrafe und auch nicht durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts bedroht.

 

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden ist (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137). Unter Darstellung der maßgebenden persönlichen Verhältnisse des Fremden (insbesondere zu seinen finanziellen Möglichkeiten und zum familiären und sonstigen sozialen Umfeld) ist allenfalls weiter zu prüfen, ob ihm der Zugang zur notwendigen medizinischen Behandlung nicht nur grundsätzlich, sondern auch tatsächlich angesichts deren konkreter Kosten und der Erreichbarkeit ärztlicher Hilfsorganisationen möglich wäre (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137 unter Hinweis auf VwGH 17.12.2003, 2000/20/0208).

 

Nach dem festgestellten Sachverhalt besteht auch kein Hinweis auf "außergewöhnliche Umstände", welche eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Irak unzulässig machen könnten.

 

Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK bilden.

 

Der Beschwerdeführer ist aktuell nicht lebensbedrohlich erkrankt. Vor diesem Hintergrund ergeben sich somit keine Hinweise auf das Vorliegen von akut existenzbedrohenden Krankheitszuständen im Falle einer Rückverbringung des Beschwerdeführers in den Irak.

 

Die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak ist daher gemäß § 52 Abs. 9 FPG zulässig.

 

Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich zwingend aus § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Die eingeräumte Frist ist angemessen und es wurde diesbezüglich auch in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet.

 

Daher ist die Beschwerde gegen Spruchpunkte III. bis IV. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

 

Die vorliegende Entscheidung stützt sich auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes.

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