BVwG L502 2105371-1

BVwGL502 2105371-117.11.2015

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:L502.2105371.1.00

 

Spruch:

L502 2105371-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. TÜRKEI, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2015, Zl. 800904802-1302307, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.10.2015, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, §§ 57 und 55, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 28.09.2010 im Gefolge seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet im Zuge der Grenzkontrolle am Flughafen Wien vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung am Flughafen Wien am gleichen Tag gab der BF an, er sei türkischer Staatsangehöriger, Kurde, Moslem und verheiratet. Er stamme aus XXXX , wo er zuletzt vor der Ausreise seinen ordentlichen Wohnsitz gehabt habe. In der Türkei würden sich noch seine Eltern, fünf Brüder und zwei Schwestern aufhalten. Seine Gattin lebe seit ca. fünf Jahren in Wien an nicht näher bekannter Adresse.

Er sei ausgehend von XXXX am 28.09.2010 auf dem Luftweg unter Verwendung seines eigenen türkischen Reisepasses und eines Visums für Russland nach Wien geflogen, seinen Reisepass habe er während des Fluges vernichtet.

Zu seinen Ausreisegründen befragt gab er an, dass er als Kurde in der Türkei keine Rechte habe, er sei im Alter von drei Jahren am linken Arm schwer verletzt worden, als seine Mutter von Soldaten geschlagen wurde und er aus ihren Armen zu Boden gefallen sei. Seither sei er behindert und habe er nun aus diesem Grund die Türkei verlassen. Bei einer Rückkehr befürchte er unmenschliche Behandlung durch die Behörden.

Vorgelegt wurde vom BF ein türkischer Personalausweis, ausgestellt am 15.10.2008.

3. Am 05.10.2010 wurde der BF an der Erstaufnahmestelle des Flughafens Wien in kurdischer Sprache niederschriftlich einvernommen.

Zu seinen persönlichen und familiären Verhältnissen gab der BF an, seine Eltern und zwei Brüder sowie zwei Schwestern würden im Heimatdorf XXXX , Kreis XXXX , Provinz XXXX , leben, drei weitere Brüder seien wehrdienstflüchtig, er selbst sei für den Wehrdienst nicht tauglich.

Zu seinen Antragsgründen befragt gab der BF an, dass er aus der Provinz XXXX stamme, wo es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Kurden und der türkischen Armee gekommen sei. Als eines Tages Soldaten in das Heimatdorf des BF gekommen seien, sei es zur Misshandlung von Dorfbewohnern wie auch von Verwandten des BF gekommen. Als Soldaten auch auf die Mutter des BF eingeschlagen hätten, sei er - als damals Dreijähriger - aus ihren Armen auf den Boden und auf den linken Arm gefallen, der dabei gebrochen sei. Er könne seither diesen Arm nicht mehr benützen. Er habe danach auch stets Angst vor Soldaten gehabt, wenn sie wieder gekommen seien. Seine Familie sei arm gewesen und habe er daher keine medizinische Versorgung erhalten. Erst im Alter von acht Jahren sei er ärztlich untersucht worden, für eine allfällige Behandlung sei es aber zu spät gewesen. Seine Heimatprovinz befinde sich im ständigen Ausnahmezustand, die Armee sei dort allgegenwärtig, er habe daher stets Angst gehabt und dort nicht mehr leben können. Bis 2002 habe es Übergriffe auf die Bewohner des Heimatdorfs gegeben. Einige Male habe er sich auch nach XXXX begeben, wo mehrere Onkel mütterlicherseits leben, um sich dort behandeln zu lassen, dies sei in den Jahren 2006 und 2007 gewesen. Seine Eltern und Geschwister würden von landwirtschaftlichen Erträgen leben.

Die Ausreise habe er schließlich mit Unterstützung eines Onkels in XXXX bewerkstelligt, der ihm auch bei der Beantragung des Reisepasses im Jahr 2007 und dessen Verlängerung im Jahr 2010 behilflich gewesen sei.

Zu seiner Verheiratung befragt legte der BF dar, er habe 2008 in der Türkei in XXXX geheiratet, die Heirat sei auf Vermittlung des Onkels zustande gekommen um dem BF die Möglichkeit zur Fortsetzung des Lebens in Österreich zu geben. Aktuell sei aber auf Betreiben der Gattin in der Türkei ein Scheidungsverfahren anhängig. Es habe zuletzt auch keinen Kontakt mehr gegeben.

Für den Fall der Rückkehr in die Türkei befürchte der BF wiederum erniedrigt, geschlagen und verspottet zu werden und keine Arbeit zu finden.

In der Folge wurde das Verfahren zugelassen und dem BF eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgestellt.

4. Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 15.10.2010 wurde der BF aufgefordert, seine Heiratsurkunde, eine allfällige Scheidungsurkunde, einen Familienregisterauszug sowie etwaige ärztliche Befunde beizubringen.

5. Mit Schreiben der tschechischen Asylbehörden vom 10.11.2010 wurde dem Bundesasylamt mitgeteilt, dass der BF aufgrund eines Übernahmeersuchens der deutschen Behörden vom 16.01.2008 am 31.01.2008 nach Tschechien überstellt worden war und in weiterer Folge am 14.04.2008 aus Tschechien in die Türkei zurückgekehrt sei.

6. Mit Eingabe vom 11.11.2010 legte der BF neben einer kurzen handschriftlichen Stellungnahme einen ärztlichen Kurzbericht samt Therapieplan, einen türkischen Personenstandsregisterauszug sowie ein amtliches Schreiben über die Feststellung des Behinderungsgrades des BF im Ausmaß von 55%, diese jeweils im Original, vor. Letztere wurden amtswegig einer Übersetzung zugeführt.

7. Am 05.01.2011 wurde die Gattin des BF an der Außenstelle Traiskirchen des Bundesasylamtes als Zeugin niederschriftlich einvernommen.

Diese legte dabei u.a. eine Heiratsurkunde sowie Unterlagen über das in der Türkei anhängig gemachte Scheidungsverfahren vor und gab eine kurze Darstellung des bisherigen Beziehungsverlaufs wieder. Den vorgelegten Dokumenten war zu entnehmen, dass die Heirat am XXXX in XXXX stattfand, die Gattin selbst sei türkische Staatsangehörige und im Besitz einer Niederlassungsbewilligung für Österreich.

8. Am 25.01.2011 wurde der BF an der Außenstelle Traiskirchen des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen.

Auf Vorhalt der Mitteilung der tschechischen Asylbehörden gab der BF an, er sei im Jahr 2008 freiwillig aus Tschechien in die Türkei zurückgekehrt, nach der Rückkehr sei er festgenommen und misshandelt sowie dem Staatsanwalt vorgeführt worden, in der Folge sei eine Geldstrafe über ihn verhängt worden.

Seine körperliche Einschränkung am linken Arm habe sich im Übrigen durch die zwischenzeitig erfolgte Therapie gebessert.

Zuletzt wurden dem BF länderkundliche Informationen des Bundesasylamtes zur Kenntnis gebracht und ihm die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

9. Mit 15.04.2011 legte eine Mitarbeiterin der Diakonie eine Vertretungsvollmacht vor und wurden dieser in der Folge die bisherigen behördlichen Niederschriften zur Kenntnis und allfälligen Stellungnahme übermittelt.

10. Mit Eingabe vom 21.04.2011 erfolgte eine Sachverhaltsergänzung durch den BF, der u.a. zu entnehmen war, dass die Angehörigen der Herkunftsfamilie des BF vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in der engeren Heimat des BF von den türkischen Behörden stets als Sympathisanten kurdischer Freiheitskämpfer angesehen und deshalb Hausdurchsuchungen und gewaltsamen Übergriffen ausgesetzt gewesen seien, die der BF schon für die Jahre 1990 bis 1993 geschildert habe. Im Jahr 1998 sei auch ein Onkel des BF erschossen worden, der Vater des BF sei im Jahr 2004 für eine Woche festgenommen worden.

11. Einer amtswegig veranlassten und am 19.05.2011 beim Bundesasylamt eingelangten Übersetzung der von der Gattin des BF vorgelegten Urkunden zufolge fand am 30.11.2010 beim dort genannten türkischen Familiengericht eine mündliche Verhandlung statt.

12. Am 22.11.2011 legte der BF eine Kopie seines österr. Behindertenpasses vor, dem eine Behinderung im Ausmaß von 80% zu entnehmen war.

13. Am 25.06.2013 langte beim Bundesasylamt eine Mitteilung der LPD Wien darüber ein, dass gegen den am 11.06.2013 festgenommenen BF mit Beschluss des LG für Strafsachen Wien vom 14.06.2013 wegen des Verdachts des Verbrechens der Schlepperei und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden die Untersuchungshaft verhängt wurde.

14. Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 03.07.2013 wurden dem BF nochmals umfangreiche länderkundliche Informationen der Behörde zur Lage im Herkunftsstaat des BF übermittelt und ihm die Möglichkeit der Stellungnahme dazu eingeräumt.

15. Mit 30.07.2013 langte eine dreiseitige handschriftliche Stellungnahme des BF beim Bundesasylamt ein, die in der Folge amtswegig einer Übersetzung zugeführt wurde, welche am 05.08.2013 bei der Behörde einlangte.

Inhaltlich bezog sich die Stellungnahme des BF wiederum auf die bereits von ihm vor der Behörde geschilderten Ereignisse in seiner Kindheit und die daraus resultierende Abneigung gegen den türkischen Staat.

16. Am 25.11.2013 langte beim Bundesasylamt eine Mitteilung der LPD Wien darüber ein, dass der BF vom LG für Strafsachen Wien rechtskräftig verurteilt wurde, der Eingabe war jedoch nicht zu entnehmen, auf welche strafrechtlichen Tatbestände sich die Verurteilung bezog.

17. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 08.07.2014 wurden dem BF neuerlich umfangreiche länderkundliche Informationen der Behörde zur Lage im Herkunftsstaat des BF übermittelt, verbunden mit dem Hinweis, dass ihm im Zuge einer durchzuführenden Einvernahme die Möglichkeit der Stellungnahme dazu eingeräumt werde.

18. Am 12.08.2014 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA, RD NÖ, statt.

Zu seiner gesundheitlichen Situation gab der BF an, er habe seine physiotherapeutische Behandlung zwischenzeitig beendet. Zur sonstigen Lebenssituation gab er an, er habe seit etwa zwei Jahren eine Lebensgefährtin ungarischer Staatsangehörigkeit, die in Österreich auch erwerbstätig sei. Einen gemeinsamen Wohnsitz gebe es aber nicht. Für den Fall des legalen Aufenthalts im Bundesgebiet würde der BF mit Unterstützung seines Onkels und seines Bruders in Österreich selbständig erwerbstätig sein, vorzugsweise als Kleinunternehmer in der Gastronomie. Ein Onkel und ein Bruder würden aktuell in XXXX leben und dort jeweils ein Bekleidungsgeschäft betreiben, von diesen werde er auch aktuell finanziell unterstützt. Er habe einen Sprachkurs absolviert und könne sich mittlerweile auch in deutscher Sprache verständigen.

19. Am 22.12.2014 gab der BF beim BFA persönlich bekannt, dass er seit drei Monaten eine slowakische Freundin habe und die vorherige Beziehung zu einer ungarischen Staatsbürgerin nicht mehr aufrecht sei.

Unter einem wurden dem BF neuerlich länderkundliche Informationen der Behörde zur Lage im Herkunftsstaat ausgefolgt und ihm die Möglichkeit der Stellungnahme dazu eingeräumt.

20. Mit 26.02.2015 gab der nunmehrige Vertreter des BF seine Bevollmächtigung durch den BF bekannt.

21. Am 03.03.2015 legte der BF beim BFA eine Scheidungsurkunde vor und gab bekannt, dass seine Ehe seit XXXX geschieden sei.

22. Mit dem im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde vom 13.03.2015 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.).

Im Rahmen der Entscheidungsbegründung wurde von der belangten Behörde - jenseits der Feststellungen zur Person des BF - aus dort näher dargelegten Gründen verneint, dass er in seiner Heimat einer konkreten individuellen Bedrohung ausgesetzt gewesen sei oder bei einer Rückkehr ausgesetzt wäre. Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung auch umfangreiche aktuelle Länderfeststellungen zugrunde.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die Behörde daraus, dass mangels glaubhaft gemachter Verfolgung von asylrelevanter Intensität das Asylbegehren abzuweisen war. Auch eine subsidiäre Schutzgewährung sei weder im Lichte der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat noch angesichts der persönlichen Lebenssituation des BF angezeigt gewesen. Abschiebungshindernisse seien keine festgestellt worden und die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" (§ 57 AsylG 2005) nicht vorgelegen. Die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Artikel 8 EMRK (§ 55 AsylG 2005) von Amts wegen oder auf Antrag sei wegen des Überwiegens öffentlicher Interessen nicht geboten, der Aufenthalt des Beschwerdeführers sei nicht rechtmäßig und die Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung (§ 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005) zu verbinden gewesen.

23. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2015 wurde dem BF von Amts wegen gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

24. Gegen den dem Vertreter des BF am 18.03.2015 zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde mit 30.03.2015 innerhalb offener Frist in vollem Umfang Beschwerde erhoben.

Die Beweiswürdigung der belangten Behörde wurde hinsichtlich des Spruchpunktes I unter Bezugnahme auf eine behauptete Verfolgungsgefahr ausgehend von der kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit des BF als solche und der aktuellen schlechten Sicherheitslage in der Türkei in pauschaler Form als unrichtig bemängelt. Darüber hinaus wurde auf die lange Aufenthaltsdauer des BF im Ausmaß von fünf Jahren und der daraus resultierenden bisherigen Integration verwiesen und sei auch die zwischenzeitige strafgerichtliche Verurteilung des BF aufgrund eines Deliktes im Jahr 2013 erfolgt, er habe sich demgegenüber seither wohlverhalten.

25. Am 07.04.2015 langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das gegenständliche Beschwerdeverfahren der nunmehr zuständigen Abteilung zur Entscheidung zugewiesen.

Im Gefolge dessen wurden Auszüge aus dem zentralen Melderegister, dem Strafregister sowie dem Grundversorgungsinformationssystem den BF betreffend erstellt.

Dem Auszug aus dem Strafregister war zu entnehmen, dass der BF mit rechtskräftigem Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 30.10.2013 wegen § 114 Abs. 1, Abs. 3 Z. 1 und Abs. 4 1.Fall FPG zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate mit einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt wurde. Mit 06.12.2013 wurde der BF aus der Haft entlassen.

26. Mit 14.09.2015 ersuchte das BVwG das LG für Strafsachen Wien um Übermittlung einer gekürzten Urteilsausfertigung bzw. nach Möglichkeit um Übermittlung des Strafaktes des BF zur Einsichtnahme.

Letzterer langte am 28.09.2015 beim BVwG ein.

27. Am 20.10.2015 führte das Gericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF bzw. in Abwesenheit seines Vertreters sowie der als Zeugin geladenen, jedoch unentschuldigt nicht erschienenen Freundin des BF durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität des BF steht fest. Er ist türkischer Staatsbürger, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe sowie der moslemischen Glaubensgemeinschaft und geschieden.

Er stammt aus dem Dorf XXXX , Kreis XXXX , Provinz XXXX , wo er bis 2002 die Grund- und Mittelschule besuchte. Seine Eltern und mehrere Geschwister leben weiterhin in der Türkei, die Herkunftsfamilie betreibt im Heimatdorf eine kleine Landwirtschaft. Ein älterer Bruder betreibt ebenso wie ein Onkel mütterlicherseits ein Bekleidungsunternehmen in XXXX .

Der BF verließ die Türkei erstmal im Jahr 2007 und gelangte dabei über die tschechische Republik nach Deutschland, von dort wurde er im Jänner 2008 wieder nach Tschechien überstellt, von wo er im April 2008 freiwillig in die Türkei zurückkehrte. In der Folge hielt er sich, abgesehen von kurzfristigen Besuchen des Heimatdorfs, in XXXX auf, wo er bei seinem Onkel und seinem älteren Bruder wohnhaft und im Unternehmen des Onkels als Buchhalter tätig war.

Auf Betreiben und über Vermittlung dieses Onkels kam es am XXXX in XXXX zur Eheschließung des BF mit einer in Österreich legal niedergelassenen türkischen Staatsangehörigen. Nach nur kurzzeitigem Zusammenleben der Ehegatten reiste die vormalige Gattin des BF nach Österreich zurück, auch ein späteres Zusammenleben der Ehegatten in Österreich fand nicht statt. Auf Betreiben der vormaligen Gattin des BF kam es am XXXX zur Ehescheidung. Der früheren Ehe entstammen keine Nachkommen des BF.

Der BF verließ die Türkei neuerlich am 28.09.2010 ausgehend von XXXX auf dem Luftweg unter Verwendung seines eigenen türkischen Reisepasses und eines Visums für Russland und flog nach Wien, wo er am gleichen Tag im Zuge der Grenzkontrolle am Flughafen Wien einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Er hält sich seither ununterbrochen im Bundesgebiet auf.

Er hat in Österreich keine Angehörigen oder Verwandten. Ab ca. 2012 führte er eine Beziehung mit einer ungarischen Staatsangehörigen, die in Österreich auch erwerbstätig war, mit der er keinen gemeinsamen Wohnsitz teilte. In weiterer Folge begann er ca. ab September 2014 eine lose Beziehung mit einer ungarischen Staatsangehörigen, die mit drei minderjährigen unehelichen Kindern aus früheren Beziehungen in Österreich lebt. Der BF ist zwar seit Jänner 2015 an deren Wohnadresse gemeldet, hält sich dort aber nur sporadisch auf und ist im Übrigen unsteten Aufenthalts bei Freunden.

Er bezog von Oktober 2010 bis Mai 2012 Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und wird seither von seinen Verwandten in der Türkei versorgt. Er ist nicht legal erwerbstätig.

Er verfügt mittlerweile über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache für den Alltagsgebrauch, daneben spricht er türkisch und kurdisch.

Aufgrund einer in der Kindheit erlittenen, jedoch medizinisch nicht adäquat versorgten Verletzung des linken Oberarms ist der BF in diesem Bereich in seiner Leistungsfähigkeit stark eingeschränkt, er vermag mit dem linken Arm nur sehr leichte Lasten zu bewegen. Die bereits im Jahr 2006 in der Türkei behördlich festgestellte Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 55% wurde in Österreich im Jahr 2011 im Ausmaß von 80% festgestellt. Anderweitige maßgebliche gesundheitliche Einschränkungen waren nicht feststellbar.

Der BF wurde am 11.06.2013 wegen des Verdachts des Verbrechens der Schlepperei und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden festgenommenen und wurde in der Folge gegen ihn die Untersuchungshaft verhängt. Er wurde mit rechtskräftigem Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 30.10.2013 wegen § 114 Abs. 1, Abs. 3 Z. 1 und Abs. 4 1.Fall FPG zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate mit einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt. Mit 06.12.2013 wurde der BF aus der Haft entlassen.

1.2. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in der Türkei bis zur Ausreise einer individuellen Verfolgung durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in die Türkei der Gefahr einer solchen ausgesetzt wäre.

Es konnte ebenso nicht festgestellt werden, dass der BF bei einer Rückkehr in eine Existenz bedrohende Lage geraten würde oder einer sonstigen maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt wäre.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat Türkei:

Zur aktuellen Lage in der Türkei wird auf die länderkundlichen Feststellungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid verwiesen, die auch der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes, durch die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht, die Einsichtnahme in den Strafakt des BF sowie durch amtswegige Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems den BF betreffend.

Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangte das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu den og.

entscheidungswesentlichen Feststellungen.

2.2. Die Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Religionszugehörigkeit sowie regionale Herkunft des Beschwerdeführers konnten auf der Grundlage der persönlichen Angaben des BF und der von ihm vorgelegten Urkunden als glaubhaft festgestellt werden. Gleiches gilt für die Feststellungen zu seiner Schulbildung, seinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen im Herkunftsstaat vor der letztmaligen Ausreise aus der Türkei sowie seit der Einreise nach Österreich.

2.3. Zu den von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Feststellungen die aktuelle Lage im Herkunftsstaat betreffend ist in Ansehung dieses Teils der Entscheidungsbegründung anzuführen, dass sich die Behörde um eine umfassende und ausgewogene Auswahl an Quellen sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs bemühte.

Weiter ist darauf zu verweisen, dass die Feststellungen auf der Grundlage einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA getroffen wurden. Die Zusammenstellung entspricht in ihren wesentlichen Passagen auch dem aktuellsten vom BVwG eingesehenen Datenmaterial und waren daher die Feststellungen der Behörde als ausreichend aktuell anzusehen.

2.4. Zur Feststellung fehlender individueller Verfolgung des BF vor der Ausreise bzw. der fehlenden Gefahr einer solchen pro futuro gelangte das erkennende Gericht auf der Grundlage folgender Erwägungen:

2.4.1. Über den gesamten Verfahrensverlauf hinweg bezog sich der BF, nach seinen Ausreisegründen befragt, auf frühere Ereignisse in seinem Heimatdorf im äußersten Osten der Türkei, einem überwiegend von Angehörigen der kurdischen Volksgruppe bewohnten Landesteil, der insbesondere auch im vom BF angesprochenen Zeitraum zwischen 1990 und 1993 Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen türkischen Sicherheitskräften und kurdischen Freiheitskämpfern war, weshalb dort über Jahre hinweg behördlich auch der Ausnahmezustand verhängt worden war. Vor diesem Hintergrund kam es u.a. zu Razzien türkischer Sicherheitskräfte in kurdischen Dörfern, unter denen auch die Zivilbevölkerung in Form von gewaltsamen Übergriffen zu leiden hatte. Dieses Szenario war als notorisch anzusehen und bedurfte aus Sicht des erkennenden Gerichts keiner weiteren Beweisführung.

Im Lichte dieser Feststellungen stellte es sich als plausibel dar, dass der im Jahr 1987 geborene BF behaupteter Weise im Jahr 1990 als dreijähriges Kind ein indirektes Opfer der allgemeinen Ereignisse in der Form wurde, dass er, ausgehend von der Misshandlung seiner Mutter durch türkische Militärs, durch einen Sturz auf den Boden eine schwere Verletzung des linken Armes in Form eines Knochenbruches erlitt. Dass diese Verletzung offenkundig nicht bzw. nicht hinreichend medizinisch behandelt worden war, stellte sich nicht nur angesichts einer schon mit freiem Auge erkennbaren Einschränkung der Funktionsfähigkeit des linken Armes des BF ebenso als plausibel dar, was in der Folge im Jahr 2006 in der Türkei zur behördlichen Feststellung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 55% führte, welche in Österreich im Jahr 2011 im Ausmaß von 80% attestiert wurde.

Dass diese Ereignisse sowie allfällige weitere Erfahrungen in ähnlicher Form in der engeren Heimat im oben angesprochenen Zeitraum den BF schließlich nach dem Ende der Schulzeit dazu veranlassten diese nach XXXX zu verlassen, war für das Gericht ebenso nachvollziehbar wie eine beim BF damals entstandene grundsätzliche Abneigung gegenüber türkischen Behördenvertretern bzw. insbesondere Sicherheitskräften.

2.4.2. Aus dem vom BF dargestellten Sachverhalt war, wie schon erwähnt wurde, zu gewinnen, dass er, nach dem erfolgreichen Abschluss der Grund- und Mittelschule im Jahr 2002, in der Folge in XXXX seinen Aufenthalt nahm, wo sich bereits Verwandte des BF niedergelassen hatten. Bei diesen hatte er nicht nur seinen Wohnsitz, sondern ging er dort im Betrieb eines Onkels auch einer Tätigkeit als Buchhalter nach. Für den weiteren Zeitraum bis zur erstmaligen Ausreise aus der Türkei im Jahr 2007 hat der BF keine konkreten Ereignisse behauptet, aus denen auf eine behördliche Verfolgung zu schließen gewesen wäre, ebenso wie er diese Ausreise selbst auch nicht als Ausfluss von Verfolgungshandlungen darstellte. Abgesehen vom Fehlen eines derartigen Vorbringens wäre für das erkennende Gericht auch kein sonstiger stichhaltiger Ansatzpunkt für die Annahme, dass der BF in diesem Zeitraum zum Ziel behördlicher Verfolgung geworden sein könnte, hervorgekommen. Nicht zuletzt hat schon die belangte Behörde in diesem Zusammenhang auch auf den Umstand der Ausstellung eines Reisedokuments an den BF unmittelbar vor dieser Ausreise verwiesen.

2.4.3. Für den Zeitpunkt der Rückkehr aus Tschechien im April 2008 hat der BF im Beschwerdeverfahren behauptet, er sei unmittelbar nach der Ankunft am Flughafen Opfer sicherheitsbehördlicher Maßnahmen in Form einer mehrtägigen Anhaltung, verbunden mit gewaltsamen Übergriffen in Form von Schlägen sowie mit verbalen Erniedrigungen, geworden und sei er in der Folge auch einem Staatsanwalt vorgeführt und sei zuletzt sogar eine erhebliche Geldstrafe gegen ihn verhängt worden.

Dieses Szenario war jedoch in dieser Form nicht als glaubhaft zu würdigen.

Zum einen fand sich weder in der Erstbefragung noch in der nachfolgenden ausführlichen Einvernahme in der Erstaufnahmestelle des Flughafens nach der Einreise im Jahr 2010 irgendein Hinweis auf diese erst später behaupteten Ereignisse, während der BF demgegenüber ausdrücklich klarstellte, dass er über das sonst Gesagte hinaus keine anderweitigen Ausreise- bzw. Antragsgründe vorzubringen habe. Bereits dieser Ablauf weckte maßgebliche Zweifel am späteren anderslautenden Vorbringen.

Erst auf Vorhalt in der nachfolgenden Einvernahme vom Jänner 2011, dass sein früherer Aufenthalt in Tschechien sowie seine freiwillige Rückkehr in die Türkei im Jahr 2008 aktenkundig geworden seien, behauptete er erstmals, er sei damals festgenommen, misshandelt, dem Staatsanwalt vorgeführt und bestraft worden. Ihm sei vorgeworfen worden, dass er im Ausland "gegen die Türkei propagiert" und dort einen Asylantrag gestellt habe. Auf Nachfrage legte er weiter dar, er sei am Flughafen für 24 Stunden festgehalten und danach zu einem Polizeistützpunkt gebracht, in der Folge einem Staatsanwalt vorgeführt und sei von diesem gegen ihn "eine Strafe", die "später in eine Geldstrafe umgewandelt wurde", verhängt worden.

Im Hinblick auf dieses Vorbringen wurde der BF auch aufgefordert allfällige Beweismittel vorzulegen, eine solche Vorlage erfolgte jedoch nicht.

Ein weiteres Vorbringen erfolgte dahingehend bis zur mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 20.10.2015 ebenso nicht mehr.

In dieser Verhandlung dazu nochmals befragt behauptete er zwar neuerlich, er sei nach der Rückkehr im Jahr 2008 am Flughafen festgenommen und ein bis zwei Tage lang angehalten worden, wobei er auch geschlagen und beschimpft sowie verbal erniedrigt worden sei, und habe es danach auch ein Strafverfahren gegen ihn gegeben, auf Nachfrage verneinte er jedoch, dass er "bei den Verhandlungen" nie anwesend gewesen sei, auch wisse er nicht "was dabei herausgekommen sei". Auf Vorhalt seiner anderslautenden Aussage vor dem Bundesasylamt vermeinte er neuerlich, er wisse nicht "was tatsächlich entschieden wurde", eine Geldstrafe sei wohl gegen ihn verhängt worden, aber "da wurde das Urteil noch nicht verkündet". Auf Vorhalt seiner früheren Aussage, dass er einem Staatsanwalt vorgeführt und eine erhebliche Geldstrafe gegen ihn verhängt worden sei, vermeinte er sodann, dass dies so gewesen sei.

Bei genauerer Betrachtung dieser Aussagen des BF wurde jedoch nicht nachvollziehbar, welchen Verlauf dieses von ihm behauptete Strafverfahren tatsächlich genommen haben soll, zumal die entsprechenden Angaben verworren, sich widersprechend und zum Teil realitätsfremd waren.

Länderkundlichen Informationen zufolge ist die illegale Ein- und Ausreise in die bzw. aus der Türkei zwar grundsätzlich strafbar. Mit Änderung des Art. 33 des trk. Passgesetzes, in Kraft getreten am 04.04.2011, wird die Ein- und Ausreise ohne authentische Pass oder Passersatzpapiere mit einem Bußgeld i. H. v. 3.000 TL (knapp 1.300 €) geahndet (vgl. die jährlichen Berichte des deutschen Auswärtigen Amtes zur allgemeinen Lage in der Türkei). Dass der BF im Jahr 2007 die Türkei illegal verlassen hätte, wurde von ihm aber nicht behauptet, vielmehr verwies er darauf, dass er sich 2007, also vor der Ausreise, in XXXX ein nationales Reisedokument ausstellen hat lassen. Auch die Rückkehr aus Tschechien im Jahr 2008 sei seiner Aussage nach offiziell mit Hilfe der UN-Organisation IOM erfolgt. Diese Organisation unterstützt notorischer Weise eine solche Rückkehr wiederum nur nach Vorlage eines nationalen Reisedokuments und erfolgt eine Wiedereinreise in das Herkunftsland im Rahmen einer solchen Rückführung in der Folge auf legale Weise. Im Übrigen reiste der BF auch bei seiner zweiten Ausreise aus der Türkei im Jahr 2010 auf legale Weise unter Verwendung seines zuvor erneuerten nationalen Reisedokuments aus, wie er vor dem Bundesasylamt darlegte. Aus der Zusammenschau dessen war sohin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu folgern, dass der BF dem von ihm behaupteten Strafverfahren nie unterworfen war.

2.4.4. Selbst wenn man im Übrigen als wahr unterstellen würde, dass er im Jahr 2008 bei seiner Einreise einem solchen Verfahren unterworfen gewesen sei, wäre daraus aber auch nicht abzuleiten gewesen, dass er in der Folgezeit zum Ziel behördlicher Verfolgung geworden wäre. Der BF legte demgegenüber, zuletzt noch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, unmissverständlich dar, dass er, abgesehen von Kurzbesuchen im Heimatdorf, bis zur neuerlichen Ausreise im Jahr 2010 in XXXX bei seinen Verwandten lebte und dort auch einer Beschäftigung nachging, ohne dass es in diesem Zeitraum zu konkreten behördlichen Verfolgungshandlungen gegen ihn gekommen wäre.

2.4.5. Auch im Hinblick auf vom BF im Zusammenhang mit seiner Rückkehr im Jahr 2008 behaupteten Übergriffen von Mitgliedern der türkischen Sicherheitskräfte auf ihn am Flughafen in XXXX war festzustellen, dass selbst für den Fall der Wahrunterstellung solcher Vorfälle zum damaligen Zeitpunkt keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür hervorgekommen wären, dass er in der Folgezeit bis 2010 zum Ziel allfälliger weiterer Übergriffe geworden wäre, weshalb diese per se als punktuelle Ereignisse ohne Folgewirkung zu werten wären.

2.4.6. Soweit in der Eingabe des BF vom 21.04.2011 in Form einer Sachverhaltsergänzung in den Raum gestellt wurde, dass "die Angehörigen der Herkunftsfamilie des BF vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in der engeren Heimat des BF von den türkischen Behörden stets als Sympathisanten kurdischer Freiheitskämpfer angesehen und deshalb Hausdurchsuchungen und gewaltsamen Übergriffen ausgesetzt gewesen seien", bzw. dass "im Jahr 1998 ein Onkel des BF erschossen und der Vater des BF im Jahr 2004 für eine Woche festgenommen worden sei", woraus aus Sicht des BVwG abzuleiten war, dass dieses Vorbringen offenbar auf eine potentielle Bedrohung des BF aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer von staatlichen Behörden als oppositionell eingestuften und daher vereinzelt Verfolgungshandlungen ausgesetzten Familie abzielte, war dem entgegen zu halten, dass über die Tatsache hinaus, dass der BF selbst, wie schon dargelegt wurde, bis zur Ausreise im Jahr 2010 keiner individuellen Verfolgung unterlag, bis dato zahlreiche Mitglieder der Herkunftsfamilie wie auch der weiteren Verwandtschaft des BF unverfolgt sowohl in der Heimatregion des BF wie auch in XXXX leben, weshalb diesem ergänzenden Vorbringen nicht zu folgen war.

2.4.7. Dem Vorbringen ließ sich auch kein stichhaltiger Hinweis auf eine relevante Gefährdung des BF schon wegen seiner Zugehörigkeit zur Bevölkerungsgruppe der Kurden entnehmen.

Hinsichtlich der kurdischen Abstammung des Beschwerdeführers ist letztlich darauf hinzuweisen, dass sich entsprechend der herangezogenen länderkundlichen Informationen die Situation für Kurden nicht derart gestaltet, dass von Amts wegen aufzugreifende Anhaltspunkte dafür existieren, dass gegenwärtig Personen kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit in der Türkei generell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit einer asylrelevanten - sohin auch einer maßgeblichen Intensität erreichenden - Verfolgung ausgesetzt bzw. staatlichen Repressionen unterworfen sein würden.

Gründe, warum die türkischen Behörden ein nachhaltiges Interesse gerade an der Person des Beschwerdeführers haben sollten, wurden von diesem nicht glaubhaft vorgebracht.

2.4.8. Die Beschwerde hielt diesen Erwägungen nichts Substantiiertes entgegen und war sohin in ihrer Gesamtheit nicht geeignet diese in Zweifel zu ziehen bzw. das erkennende Gericht eventuell zu einer abweichenden Gesamteinschätzung gelangen zu lassen.

2.5. Die Feststellung, dass der BF bei einer Rückkehr in die Türkei in keine existenzbedrohende Notlage geraten würde, stützte die belangte Behörde zu Recht darauf, dass es sich beim BF um einen zwar vor dem Hintergrund seiner festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit nur eingeschränkt arbeitsfähigen jungen Mann handelt, der jedoch bereits vor der letztmaligen Ausreise aus der Türkei in der Lage gewesen ist mit Unterstützung seiner Verwandten für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Dass die Möglichkeit der verwandtschaftlichen Unterstützung dem BF im Bedarfsfall bei einer nunmehrigen Rückkehr weiterhin zur Verfügung stünde, legte er selbst dahingehend dar, als er auch während der jüngsten Jahre seines bisherigen Aufenthalts in Österreich keiner staatlichen Unterstützung bedurfte, weil er insbesondere von seinem Bruder und seinem Onkel in XXXX finanziell unterstützt wurde und auch für den Fall einer Unternehmensgründung in Österreich mit deren Unterstützung rechne.

III. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 144/2013, und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-G obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Die belangte Behörde kam - wie oben bereits ausgeführt wurde - zu Recht zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage war mit seinem Vorbringen glaubhaft zu machen, dass er einer asylrelevanten individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt war oder für den Fall der Rückkehr ausgesetzt wäre.

1.3. Im gegenständlichen Fall waren daher auch nach Ansicht des BVwG die Voraussetzungen in Form der Glaubhaftmachung einer aktuellen Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grunde nicht gegeben.

2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

2.2. Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex:

"Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiter allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Antragsteller die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Angesichts des im Wesentlichen identen Regelungsinhalts des bis 31.12.2005 in Kraft stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 1997 im Verhältnis zum nunmehr in Geltung stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 2005 - abgesehen vom im letzten Halbsatz des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr enthaltenen zusätzlichen Verweis auf eine eventuelle ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als weitere mögliche Bedingung für eine Gewährung subsidiären Schutzes - lässt sich auch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 8 AsylG 1997 in nachstehend dargestellter Weise auch auf die neue Rechtslage anwenden.

Danach erfordert die Feststellung einer Gefahrenlage auch iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

2.3. Aus dem erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt ergab sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht vorliegen:

Dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

Beim BF handelt es sich darüber hinaus um einen, wenn auch nur eingeschränkt, arbeitsfähigen jungen Mann, bei dem eine neuerliche Teilnahme am Erwerbsleben mit der schon bisher erhaltenen Unterstützung seiner geschäftlich tätigen Verwandten in der Türkei angenommen werden kann. Der Beschwerdeführer verfügt über eine Schulbildung auf dem Niveau eines Mittelschulabschlusses und hat schon vor seiner letztmaligen Ausreise in XXXX im Unternehmen seines Onkels mitgearbeitet. Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass der BF im Herkunftsstaat grundsätzlich wieder in der Lage sein wird sich mit verwandtschaftlicher Hilfe ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften bzw. ihm im Rahmen seines Familienverbandes eine ausreichende wirtschaftliche und soziale Unterstützung zuteilwird.

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt somit nicht vor.

Zudem war zu berücksichtigen, dass der BF in der Beschwerde den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen und Erwägungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr in die Türkei nicht substantiiert entgegengetreten ist und in weiterer Folge auch nicht dargelegt hat, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf seine individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit der Beschwerdeführer durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.

2.4. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden.

Weder droht ihm im Herkunftsstaat das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte noch bestünde die Gefahr der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

2.5. Insoweit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

3.1. § 10 AsylG 2005 lautet:

§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

§ 57 AsylG 2005 lautet:

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von

Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.

§ 55 AsylG 2005 lautet:

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von

Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

§ 58 AsylG 2005 lautet:

§ 58. (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels

gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt hat einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. § 73 AVG gilt.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

§ 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.

Art. 8 EMRK lautet:

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

§ 52 FPG lautet:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels, Einreisetitels oder der erlaubten visumfreien Einreise entgegengestanden wäre,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.

§ 55 FPG lautet:

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich

eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.

3.2. Der gegenständliche Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz wurde vom BFA zu Recht gemäß §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen, die dagegen vom BF erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag als unbegründet abgewiesen. Die Einreise des BF in das Gebiet der europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich ist nicht rechtmäßig erfolgt. Bisher stützte sich der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet alleine auf die Bestimmungen des AsylG für die Dauer seines nunmehr abgeschlossenen Verfahrens. Ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht behauptet. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt des BF im Bundesgebiet mehr vor und fällt er damit nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG betreffend Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung.

Es liegen keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wäre und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 war diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

3.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts des BF auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u. a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

3.3.1. Der BF brachte vor, dass in Österreich keine Verwandten leben. Hinsichtlich der in Österreich lebenden Freundin des Beschwerdeführers, mit der er den Feststellungen oben folgend nur eine lose Beziehung führt, ist festzuhalten, dass diese nicht unter den Verwandtschaftsbegriff fällt, sodass dieses Faktum lediglich im Hinblick auf das Privatleben des BF in Österreich zu berücksichtigen war.

3.3.2. Da im gegenständlichen Fall eine Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers auf ein Familienleben in Österreich mangels familiärer Bindungen zu verneinen war, blieb zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung einen unzulässigen Eingriff in das Recht des BF auf ein Privatleben in Österreich darstellt.

Einer Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den Interessen eines Fremden an einem Verbleib in Österreich in dem Sinne, ob dieser Eingriff iSd Art 8 Abs 2 EMRK notwendig und verhältnismäßig ist, ist vorauszuschicken, dass die Rückkehrentscheidung bzw. Abschiebung jedenfalls der innerstaatlichen Rechtslage nach einen gesetzlich zulässigen Eingriff darstellt.

Nach dem Urteil des EGMR im Fall Moustaquim ist eine Maßnahme dann in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, wenn sie einem dringenden sozialen Bedürfnis entspricht und zum verfolgten legitimen Ziel verhältnismäßig ist. Das bedeutet, dass die Interessen des Staates, insbesondere unter Berücksichtung der Souveränität hinsichtlich der Einwanderungs- und Niederlassungspolitik, gegen jene des Berufungswerbers abzuwägen sind.

Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Ausweisung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.).

Hinsichtlich der Abwägung der öffentlichen Interessen mit jenen des Berufungswerbers ist der Verfassungsgerichtshof der Auffassung, dass Asylwerber und sonstige Fremde nicht schlechthin gleichzusetzen sind. Asylwerber hätten idR ohne Geltendmachung von Asylgründen keine rechtliche Möglichkeit, legal nach Österreich einzureisen. Soweit die Einreise nicht ohnehin unter Umgehung der Grenzkontrolle oder mit einem Touristenvisum stattgefunden hat, ist Asylwerbern der Aufenthalt bloß erlaubt, weil sie einen Asylantrag gestellt und Asylgründe geltend gemacht haben. Sie dürfen zwar bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung weder zurückgewiesen, zurückgeschoben noch abgeschoben werden, ein über diesen faktischen Abschiebeschutz hinausgehendes Aufenthaltsrecht erlangen Asylwerber jedoch lediglich bei Zulassung ihres Asylverfahrens sowie bis zum rechtskräftigen Abschluss oder bis zur Einstellung des Verfahrens. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht entgegen getreten werden, wenn er auf Grund dieser Besonderheit Asylwerber und andere Fremde unterschiedlich behandelt (VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua).

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien (vgl. dazu insbesondere VfGH B 328/07) herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.9.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.5.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567;

20.6.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344;

22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 2.8.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124;

11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00) für maßgeblich erachtet.

Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren - was bei einem bloß vorläufigen Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens jedenfalls als gegeben angenommen werden kann -, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562). Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).

Bereits vor Inkrafttreten der Vorgängerbestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-VG in der Form des AsylG 2005 idF BGBl 29/2009 entwickelten die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts in den Erk. d. VfGH vom 29.9.2007, Zahl B 1150/07-9 und Erk. d. VwGH vom 17.12.2007, Zahl 2006/01/0216 bis 219-6 unter ausdrücklichen Bezug auf die Judikatur des EGMR nachstehende Richtlinien (in den Medien der vielgenannte "Kriterienkatalog") im Rahmen der Interessensabwägung gem. Art. 8 Abs. EMRK, welche zu berücksichtigen sind:

Auch

Ebenso bereits vor Inkrafttreten des durch BGBl I 38/2011 in § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG eingefügten lit. i, welcher der nunmehrigen Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 9 BFA-VG entspricht, warf der VfGH in seinem Erk. B 950-954/10-08, S. 19 die Frage auf, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthalts bewusst waren. Der Verfassungsgerichtshof stellt dazu fest, dass das Gewicht der Integration nicht allein deshalb als gemindert erachtet werden darf, weil ein stets unsicherer Aufenthalt des Betroffenen zugrunde liege, so dass eine Verletzung des Art. 8 EMRK durch die Ausweisung ausgeschlossen sei. Vielmehr müsse die handelnde Behörde sich dessen bewusst sein, dass es in der Verantwortung des Staates liegt, Voraussetzungen zu schaffen, um Verfahren effizient führen zu können und damit einhergehend prüfen, ob keine schuldhafte Verzögerungen eingetreten sind, die in der Sphäre des Betroffenen liegen (ähnlich VfGH 10.03.2011, B1565/10).

Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiter dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes [vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169]), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich [vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0114, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246] (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).

Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es dem Beschwerdeführer bei der asylrechtlichen Ausweisung nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN). Es wird dadurch nur jener Zustand hergestellt, der bestünde, wenn er sich rechtmäßig (hinsichtlich der Zuwanderung) verhalten hätte und wird dadurch lediglich anderen Fremden gleichgestellt, welche ebenfalls gemäß dem Grundsatz der Auslandsantragsstellung ihren Antrag gem. FPG bzw. NAG vom Ausland aus stellen müssen und die Entscheidung der zuständigen österreichischen Behörde dort abzuwarten haben.

Die Schaffung eines Ordnungssystems, mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt werden, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.9.2007, B 328/07, VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251 uva.). Die öffentliche Ordnung, hier va. das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird z.B. schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Ausweisung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.2.1996, 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. (VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007). Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).

Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den sensiblen Arbeitsmarkt als auch für das Sozialsystem gravierende Auswirkung hat. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass insbesondere nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Fremde, welche daher auch über keine arbeitsrechtliche Berechtigung verfügen, idR die reale Gefahr besteht, dass sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes auf den inoffiziellen Arbeitsmarkt drängen, was wiederum erhebliche Auswirkungen auf den offiziellen Arbeitsmarkt, das Sozialsystem und damit auf das wirtschaftliche Wohl des Landes hat (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).

3.3.3. Im Rahmen einer Abwägung iSd Art. 8 EMRK war im gegenständlichen Fall festzustellen:

Der BF reiste Ende September 2010 rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und stellte in der Folge einen Antrag auf internationalen Schutz. Er war seither als Asylwerber in Österreich aufhältig.

Dem sohin schon mehr als fünfjährigen Aufenthalt des BF in Österreich kam als solchem ein maßgebliches Gewicht zu, welches jedoch wiederum dadurch abgeschwächt wurde, dass der BF seinen Aufenthalt durch einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz zu legalisieren versuchte und er alleine durch die Stellung seines Antrags nicht begründeter Weise von der zukünftigen dauerhaften Legalisierung seines Aufenthalts ausgehen konnte.

Die erhebliche Dauer des gg. Verfahrens war andererseits nicht einer schuldhaften Verzögerung durch den BF selbst, sondern der Verantwortung der mit der Entscheidung über den Antrag des BF auf internationalen Schutz zwischen 2011 und 2015 säumigen erstinstanzlichen Behörde zuzurechnen.

Er verfügt mittlerweile auch über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache für den Alltagsgebrauch.

Der BF hat demgegenüber hierorts bis dato keine Anknüpfungspunkte in Form einer legalen Erwerbstätigkeit oder anderweitiger maßgeblicher wirtschaftlicher Interessen.

Ab ca. 2012 führte er eine Beziehung mit einer ungarischen Staatsangehörigen, die in Österreich auch erwerbstätig war, mit der er keinen gemeinsamen Wohnsitz teilte. In weiterer Folge begann er ca. ab September 2014 eine lose Beziehung mit einer ungarischen Staatsangehörigen, die mit drei minderjährigen unehelichen Kindern aus früheren Beziehungen in Österreich lebt. Der BF ist zwar seit Jänner 2015 an deren Wohnadresse gemeldet, hält sich dort aber nur sporadisch auf und ist im Übrigen unsteten Aufenthalts bei Freunden.

Anderweitige maßgebliche Bindungen oder Integrationsaspekte waren nicht festzustellen.

Der BF verbrachte den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat, wurde dort sozialisiert und spricht die Sprachen seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso war festzustellen, dass er dort über Bezugspersonen in Form seiner Angehörigen verfügt. Es deutete daher nichts darauf hin, dass es dem BF im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Der sohin insgesamt relativ schwachen Rechtsposition des BF im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes gegenüber.

Der BF wurde am 11.06.2013 wegen des Verdachts des Verbrechens der Schlepperei und des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden festgenommenen und wurde in der Folge gegen ihn die Untersuchungshaft verhängt. Er wurde mit rechtskräftigem Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 30.10.2013 wegen § 114 Abs. 1, Abs. 3 Z. 1 und Abs. 4 1.Fall FPG zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate mit einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt. Mit 06.12.2013 wurde der BF aus der Haft bedingt entlassen.

Dem vom BVwG beigeschafften Strafakt des BF war zu entnehmen, dass dieser dem Urteilstenor folgend "als Mitglied einer kriminellen Vereinigung" und "gewerbsmäßig" als Schlepper bzw. Organisator von Schleppungen in zumindest 29 festgestellten Fällen tätig war. Den im Akt einliegenden Vernehmungsprotokollen und kriminalpolizeilichen Berichten zufolge handelte er auch nicht, wie er dies in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG darzustellen versuchte, um Fremden bloß "kurze Zeit behilflich zu sein" und sich in dem Moment, als ihm bewusst geworden sei, dass er "etwas illegales" getan hatte, sofort zurückzuziehen, sondern wurde er erst im Rahmen umfangreicher kriminalpolizeilicher Ermittlungen mit seinen Mittätern ausgeforscht und festgenommen, wobei er vorerst auch vor der Polizei seine Täterschaft bestritt und erst nach Vorhalt der Ermittlungsergebnisse gestand. Er versuchte sohin noch vor dem BVwG seine Straftaten als gewerbsmäßiger Schlepper nicht nur zu banalisieren, sondern war aus diesem Aussageverhalten auch nicht im Sinne einer Zukunftsprognose abzuleiten, dass er, weil schuldeinsichtig geworden, mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit von einer eventuellen zukünftigen weiteren Tatbegehung Abstand nehmen wird.

Der ständigen Judikatur des VwGH folgend "kommt der Bekämpfung der

Schlepperei aus Sicht ... des Art. 8 Abs. 2 EMRK ... sowie auch aus

unionsrechtlicher Sicht ein hoher Stellenwert zu" (vgl. z.B. GZ. 2013/22/0097, mit Verweisen auf den Stammrechtssatz 2012/23/0011, sowie weiteren Verweisen). Bei der Schlepperkriminalität besteht - insbesondere bei der gewerbsmäßigen Vorgangsweise über eine längeren Zeitraum - Wiederholungsgefahr (vgl. VwGH, 2006/21/0343). In derartigen Fällen misst der VwGH auch im Hinblick auf eine der Dauer des bisherigen Aufenthalts entsprechende Integration und ein persönliches Interesse am Verbleib im Inland zum Zweck der Aufrechterhaltung familiärer Kontakte dem öffentlichen Interesse an der Unterbindung von solchen Straftaten ein Übergewicht bei (vgl. VwGH, AW 2003/18/0259).

Auch wenn das BVwG die bisherige erhebliche Aufenthaltsdauer und das daraus entstandene Interesse des BF an der Fortsetzung seines Privatlebens im Bundesgebiet nicht verkennt, so kommt im Sinne der genannten hg. Judikatur auch im gg. Fall demgegenüber dem öffentlichen Interesse an der Hintanhaltung von Straftaten wie sie vom BF in zahlreichen Fällen begangen wurden ein Übergewicht zu. Dass die Tatbegehung bereits im Jahr 2013 erfolgte und seither keine weiteren Straftaten des BF aktenkundig wurden, wird dadurch relativiert, dass der BF aus der Strafhaft nur bedingt entlassen wurde und die Probezeit erst mit Ende 2016 abgelaufen sein wird.

Im Rahmen einer Abwägung dieser Fakten iSd Art 8 Abs 2 EMRK gelangt das Gericht gegenständlich zu dem Ergebnis, dass die individuellen Interessen des BF iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht so ausgeprägt sind, dass sie insbesondere das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung nach Abschluss des gg. Verfahrens vor dem Hintergrund der Prävention weiterer Straftaten und der Einhaltung der österreichischen aufenthalts- und fremdenrechtlichen Bestimmungen überwiegen.

3.3.4. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das BFA daher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden, die im gegenständlichen Fall den Ausspruch, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, rechtfertigen würden.

3.4. Die belangte Behörde ist des Weiteren auch nach Abwägung aller dargelegten persönlichen Umstände des Beschwerdeführers zu Recht davon ausgegangen, dass ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen nicht zu erteilen ist. Es liegt im gegenständlichen Fall schon die Voraussetzung des § 55 Abs. 1 Z 1 AsylG (Aufrechterhaltung eines Privat- und Familienleben iSd Art. 8 EMRK) nicht vor.

3.5. Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in die Türkei unzulässig wäre.

3.6. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Es wird auf die bereits getroffenen Ausführungen zu den privaten und familiären Bindungen des BF und der Vorhersehbarkeit der Verpflichtung zum Verlassen des Bundesgebietes verwiesen. Die eingeräumte Frist erscheint angemessen und wurden diesbezüglich auch keinerlei Ausführungen in der Beschwerdeschrift getroffen.

Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.

Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die gesetzte Frist für die freiwillige Ausreise vorliegen, war auch die Beschwerde gegen Spruchteil III des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

4. Es war sohin insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Insbesondere war die gegenständliche Entscheidung von bloßen Tatsachenfeststellungen abhängig, die anhand von Glaubwürdigkeitserwägungen im Rahmen der freien Beweiswürdigung getroffen wurden.

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